„Repräsentation (Politik)“ – Versionsunterschied

[ungesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
Inhalt hinzugefügt
Markierungen: Mobile Bearbeitung Mobile Web-Bearbeitung
Loki192 (Diskussion | Beiträge)
 
(39 dazwischenliegende Versionen von 23 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 1:
{{Überarbeiten}}
 
'''Repräsentation''' ([[Latein|lateinisch]] ''repraesentatio'', von ''re-'', „wieder, zurück“, und ''praesentare'', „darreichen, vorführen, vorzeigen“) in der [[Politik]] oder '''Politische Repräsentation''' ist ein Kernprinzip jedes gesellschaftlichen Zusammenlebens. Im engeren Sinne bezeichnet sie eine Vielzahl an Techniken der Vertretung, die die Teilhabe an politischen Prozessen mit oder ohne körperliche Anwesenheit gewährleisten sollen. Im weiteren Sinne bezeichnet sie sämtliche Formen der „Sichtbarmachung“ einer Gruppe in politischen Zusammenhängen. Diese kann durch die Repräsentierten selbst, durch eine oder mehrere andere [[Stellvertretung|Vertretende]], aber auch durch [[Symbol|Symbole]] erfolgen.
'''Repräsentation''' ist ein zentraler [[politikwissenschaft]]licher Fachbegriff, der in allen Teilgebieten des Fachs, aber insbesondere in der [[Politische Theorie und Ideengeschichte|Politischen Theorie und Ideengeschichte]], von Bedeutung ist. Mit Hilfe des Repräsentationsbegriffs untersuchen Wissenschaftler, unter welchen Voraussetzungen
* politisches [[Handeln]] im Namen einer politischen Einheit autorisiert ist und
* wann dieses autorisierte Handeln eine verbindliche Wirkung für die repräsentierte politische Einheit entfaltet.
 
Der Begriff der politischen Repräsentation ist also doppeldeutig: Er beschreibt einerseits [[normativ]] oder [[Empirie|empirisch]] anzunähernde Vorgänge und Institutionen in politischen Systemen und andererseits unter [[Ästhetik|ästhetischen]] Aspekten zu verhandelnde Fragen der Darstellung und Darstellbarkeit. Als [[politikwissenschaft]]licher Begriff ist Repräsentation vor allem für die [[Politische Theorie und Ideengeschichte|Politischen Theorie und Ideengeschichte]] und [[Demokratie|Demokratieforschung]] von Bedeutung. Erstere konzentriert sich auf die begriffliche und historische Klärung von Repräsentationsphänomenen, letztere erforscht [[Empirie|empirisch]] die von soziokulturellen Faktoren abhängigen Möglichkeiten und Realitäten [[Partizipation|gesellschaftlicher Teilhabe]].
Die Idee der Repräsentation beinhaltet die Vorstellung, dass der Spielraum bzw. die Unabhängigkeit, aber nicht mehrheitsfähige Minderheitsinteressen zu vertreten und unabhängig von kleinräumigen oder kurzfristigen Interessenkonflikten an der Basis Entscheidungen mitzutragen, die langfristig orientiert sind und das Gemeinwohl im Gesamtstaat im Auge haben.
 
Nach einer frühen [[Normative Wissenschaft|demokratie-normativen]] Phase Ende der 1960er Jahre, die sich mit dem Thema der „guten Repräsentation“ beschäftigte, wendet sich die Repräsentationsforschung des 21. Jahrhunderts zunehmend dem [[Totalitarismus]] zu. Deutschsprachige Forschung konzentriert sich oft auf den [[Nazismus|Nationalsozialismus]]. Englischsprachige Literatur wendete sich vor allem den Auswirkungen der [[Massenmedien]] und [[Politainment]] auf wachsenden [[Autoritarismus]] zu. In beiden Fällen nähert sich die Repräsentationsforschung methodisch den [[Kommunikationswissenschaft|Kommunikations-]] und [[Kulturwissenschaft|Kulturwissenschaften]] an.
== Forschungsgebiete ==
Das Forschungsgebiet politische Repräsentation ist äußerst differenziert. So existieren innerhalb der Forschung mehrere Stränge. Ein erster Strang beschäftigt sich mit der Entfaltung und Weiterentwicklung des Begriffs. Hierbei unterscheidet man eine enge und eine weite Definition. Ein weiterer Bereich entstammt der Gegenüberstellung und normativen Bewertung von [[Repräsentative Demokratie|Repräsentativer Demokratie]] und [[Direkte Demokratie|Direkter Demokratie]] in der [[Demokratietheorie]]. Der vielleicht größte Strang baut auf [[Hanna F. Pitkin]]s Unterscheidung von vier Formen der politischen Repräsentation auf.
 
== Begriff ==
Die [[lexikalisch]]e Definition von Repräsentation legt die große Bandbreite
Das Forschungsgebiet politische Repräsentation ist äußerst differenziert. So existieren innerhalb der Forschung mehrere Stränge. Ein erster Strang beschäftigt sich mit der Entfaltung und Weiterentwicklung des Begriffs. Hierbei unterscheidet man eine enge und eine weite Definition. Ein weiterer Bereich entstammt der Gegenüberstellung und normativen Bewertung von [[Repräsentative Demokratie|Repräsentativer Demokratie]] und [[Direkte Demokratie|Direkter Demokratie]] in der [[Demokratietheorie]]. Der vielleicht größte Strang baut auf [[Hanna F. Pitkin]]s Unterscheidung von vier Formen der politischen Repräsentation auf.
des Begriffs offen: Zunächst unspezifisch als <Vertretung, standesgemäßes
Auftreten, Aufwand> bestimmt, werde in der Philosophie und Psychologie darunter die <Vergegenwärtigung von nicht unmittelbar Gegebenem in der
Vorstellung> verstanden. In der Politik wiederum sei Repräsentation im
weiteren Sinne die an politische Systeme nicht gebundene Form der Herrschaft, ausgeübt kraft Wahl oder (ständischem) Privileg in Gestalt des
freien oder gebundenen Mandats, im engeren Sinne die Leitidee der repräsentativen Demokratie.
 
Die [[lexikalisch]]e Definition von Repräsentation legt die große Bandbreite des Begriffs offen: Zunächst unspezifisch als „Vertretung, standesgemäßes Auftreten, Aufwand“ bestimmt, werde in der Philosophie und Psychologie darunter die „Vergegenwärtigung von nicht unmittelbar Gegebenem in der Vorstellung“ verstanden. In der Politik wiederum sei Repräsentation im weiteren Sinne die an politische Systeme nicht gebundene Form der Herrschaft, ausgeübt kraft Wahl oder (ständischem) Privileg in Gestalt des freien oder gebundenen Mandats, im engeren Sinne die Leitidee der repräsentativen Demokratie.
Aufgrund der großen Bandbreite des Begriffs und diversester Repräsentationstheorien schlägt [[Hasso Hofmann]] vor, Repräsentation als einen synsemantischen oder synkategorischen Ausdruck zu verstehen, der seine Bedeutung immer nur in einem je bestimmten Zusammenhang entfaltet, ja sogar erst durch die Geschichte seines Gebrauchs konstituiert wird.
 
Aufgrund der großen Bandbreite des Begriffs und diversester Repräsentationstheorien schlägt [[Hasso Hofmann]] vor, Repräsentation als einen [[Synsemantikum|synsemantischen]] oder synkategorischen Ausdruck zu verstehen, der seine Bedeutung immer nur in einem je bestimmten Zusammenhang entfaltet, ja sogar erst durch die Geschichte seines Gebrauchs konstituiert wird.
Für die politik- und staatswissenschaftliche Deutung des Begriffs entscheidend ist die aus den Kämpfen um Verfassung und Demokratie seit dem 19. Jh. entstandene Gleichsetzung von R. mit [[Repräsentativverfassung]] bzw. repräsentativer Demokratie:
 
Für die politik- und staatswissenschaftliche Deutung des Begriffs entscheidend istsei <!-- laut wem?--> die aus den Kämpfen um Verfassung und Demokratie seit dem 19. Jh.Jahrhundert entstandene Gleichsetzung von R.Repräsentation mit [[Repräsentativverfassung]] bzw. repräsentativer Demokratie:
 
=== Enge und weite Definition ===
Zeile 34 ⟶ 29:
| Autor=Ulrich von Alemann
|ref=<ref> [[Ulrich von Alemann]]: Repräsentation, in: [[Dieter Nohlen]]: Wörterbuch Staat und Politik, Bonn 1998, S. 655.</ref>}}
Die enge Definition zielt auf den Bereich der ''[[Politik]]'', also des politisch-administrativen Bereichs und dient besonders der empirisch-analystischenanalytischen Analyse in diesem Bereich. Die weite Definition umfasst demgegenüber auch den Bereich ''[[das Politische|des Politischen]]''.
 
[[Umgangssprache|Umgangssprachlich]] bezeichnen die Begriffe ''Repräsentation'' und ''repräsentativ'' oft nur die Funktionen einer [[symbol]]ischen und [[zeremonie]]llen Vertretung, etwa im Zusammenhang mit den Funktionen solcher [[Staatsoberhaupt|Staatsoberhäupter]], deren politischer Einfluss sich weitgehend auf die symbolische und zeremonielle Vertretung ihrer Nationen oder ihrer Staaten beschränkt ([[Pouvoir neutre]]).
Zeile 41 ⟶ 36:
{{Überarbeiten}}
{{Hauptartikel|Repräsentative Demokratie|Direkte Demokratie}}
<ref name="vorländer">vgl. Hans Vorländer: Wege zur modernen Demokratie, in: [http://www.bpb.de/popup/popup_druckversion.html?guid=T08OM8&page=0 Informationen zur politischen Bildung H. 2844], Bonn, S. 18–2.</ref><ref name="brunhöfer">vgl. Beatrice Brunhöber: Die Erfindung 'demokratischer Repräsentation' in den Federalist Papers. Tübingen 2010.</ref>
 
==== Überwindung des Gegensatzes ====
Zeile 51 ⟶ 46:
 
==== Neuinterpretation politischer Repräsentation ====
Von einigen Autoren wird politische Repräsentation im Kontext der Demokratie neu gedeutet. Die Autoren bewerten das Repräsentationsprinzip nicht mehr als "notwendiges Übel, sondern als Bedingung, politische [[Freiheit]] überhaupt erst zu ermöglichen.<ref name="thaa1">vgl. [[Winfried Thaa]]: ''Kritik und Neubewertung politischer Repräsentation: vom Hindernis zur Möglichkeitsbedingung politischer Freiheit'', in: Politische Vierteljahresschrift 49/2008: S.&nbsp;618–640.</ref><ref name="lefort">vgl. Claude Lefort: Die Frage der Demokratie, in: Ulrich Rödel (Hrsg.): Autonome Gesellschaft und libertäre Demokratie, Frankfurt a.&nbsp;M., 1990, S. 281–297.</ref><ref name="vollrath">vgl. [[Ernst Vollrath]]: ''Identitätsrepräsentation und Differenzrepräsentation'', in: Rechtsphilosophische Hefte, Beiträge zur Rechtswissenschaft, Bd. 1: Recht und Moral, 1993, S. 65–78.</ref>
 
=== Repräsentationsformen ===
Zeile 79 ⟶ 74:
 
== Literatur ==
* {{Literatur |Autor=Philip Dingeldey |Titel=Von unmittelbarer Demokratie zur Repräsentation. Eine Ideengeschichte der großen bürgerlichen Revolutionen |Auflage=1. |Verlag=transcript |Ort=Bielefeld |Datum=2022 |Umfang=420 |ISBN=978-3-8376-6326-6 |Online=[https://www.transcript-verlag.de/media/pdf/a6/13/92/oa9783839463260mqPfHG9yGoWYi.pdf transcript-verlag.de] |Format=PDF |KBytes=2998 |Abruf=2022-08-01 |Kommentar=Zugleich Dissertation Technische Universität Darmstadt, 2021}}
* Laura Gorriahn: ''Partizipation und Repräsentation'', in: Gisela Riescher (Hrsg.): Spannungsfelder der Politischen Theorie, Stuttgart 2014, S. 68–84.
* Hasso Hofmann: ''Repräsentation. Studien zur Wort- und Begriffsgeschichte von der Antike bis ins 19. Jahrhundert'', Berlin 1998.
* Philip Manow: ''Repräsentation'', in: Martin Hartmann/Claus Offe (Hrsg.): Politische Theorie und Politische Philosophie. Ein Handbuch, München 2011, S. 297–299.
* Hanna F. Pitkin: ''The Concept of Representation'', Los Angeles/Berkeley 1967.
* [[Winfried Thaa]]: ''Kritik und Neubewertung politischer Repräsentation: vom Hindernis zur Möglichkeitsbedingung politischer Freiheit'', in: Politische Vierteljahresschrift 49/2008: S. 618–640.
Zeile 89 ⟶ 85:
 
== Weblinks ==
* {{DNB-Portal|4398345-5}}
* {{SEP|http://plato.stanford.edu/entries/political-representation/||Suzanne Dovi}}
* Politikwissenschaftliche Literatur zum Thema [http://www.pw-portal.de/auswahlbibliografien/126-politische-repraesentation-krise-kritik-reform Politische Repräsentation] in der [[Annotierte Bibliografie der Politikwissenschaft|Annotierten Bibliografie der Politikwissenschaft]]
 
{{Normdaten|TYP=s|GND=4398345-5|LCCN=sh85112947}}
 
{{SORTIERUNG:Reprasentation #Politik}}
[[Kategorie:Staatsphilosophie]]
[[Kategorie:Politik]]
[[Kategorie:Demokratie]]
[[Kategorie:Politikwissenschaft]]
[[Kategorie:Autoritarismus]]