„Schatten (Mythologie)“ – Versionsunterschied
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'''Schatten''' ist in den [[Mythos|mythologischen]] Vorstellungen vieler Kulturen ein Begriff
In Zusammensetzungen wie „Schattenarbeit“ oder „Schattenkabinett“ hat das Wort „Schatten“ einen negativen Beiklang; lange Schatten können ängstigen und sind ein typisches Stilmittel mit Spannung aufgeladener Filme. Länger werdende Schatten künden vom Ende des Tages und den nahenden kalten Wintermonaten. Der Schatten symbolisiert im allgemeinsten Verständnis das bedrohlich wirkende [[Das Unbewusste|Unbewusste]].
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Wo der sichtbare Schatten als Seelenanteil des Menschen gesehen wurde, schien dies zum einen für seinen Besitzer eine potentielle Gefährdung durch einen Angriff von außen auf seinen Schatten darzustellen und zum anderen hielten andere es gelegentlich für gefährlich, diesem Schatten zu nahezukommen. Ein Magier auf der ostindonesischen Insel [[Wetar]] konnte angeblich einen Menschen erkranken lassen, indem er auf dessen Schatten mit einem Schwert einstach. Einen ähnlich indirekten Angriff führte ein [[Lama (Buddhismus)|Lama]] gegen den [[Hinduismus|hinduistischen]] Philosophen [[Shankara]], der durch seine aggressive Missionstätigkeit als hauptverantwortlich für den Niedergang des [[Buddhismus]] in Indien Ende des 8. Jahrhunderts gesehen wird. Im Nepal angekommen, stritt sich Shankara mit dem Lama und erhob sich vor ihm in die Luft, um seine übernatürlichen Fähigkeiten zu demonstrieren. Der Lama indes sah seinen Schatten über den Boden gleiten und stach mit einem Messer hinein, worauf Shankara herunterstürzte und sich das Genick brach. In Arabien glaubte man früher, dass ein Mann stumm und seine Knochen steif würden, wenn eine Hyäne auf seinen Schatten trete. Im anderen Fall vermieden es die kanadischen [[Secwepemc]]-Indianer, um nicht krank zu werden, den Schatten eines Klageweibes auf sich fallen zu lassen. Bei den [[Yuin]] im australischen Bundesstaat [[New South Wales]] war der Kontakt eines Mannes zu seiner Schwiegermutter so streng geregelt, dass er es nicht wagen durfte, seinen Schatten auf sie fallen zu lassen.
Vor der Gefahr, den eigenen Schatten dauerhaft zu verlieren, bewahrten sich alten Berichten zufolge manche Bewohner von Inseln in Äquatornähe, indem sie in der Mittagszeit das Haus nicht verließen, weil dann die Sonne senkrecht am Himmel steht und keine Schatten wirft. Die Stärke eines Mannes steht demzufolge direkt mit der Länge seines Schattens in Verbindung. Dies ist der Kern der [[Polynesien|polynesischen]] Geschichte des
Die Freiseele wurde bereits im [[Antikes Griechenland|antiken Griechenland]] mit dem Atem assoziiert, wie auch in vielen indoeuropäischen Kulturen. In der [[Ägyptische Mythologie|ägyptischen Mythologie]] hieß die Freiseele ''[[Ba (ägyptische Mythologie)|Ba]]'' und wurde vogelgestaltig vorgestellt. Da es für die Ägypter ein Weiterleben im Jenseits gab und dieses bei einer endgültigen Trennung von Körper und Seele unmöglich gewesen wäre, musste der eigentlich frei im Himmel fliegende Ba-Vogel regelmäßig in das Grab zurückkehren, wo er dem Verstorbenen auf eine gewisse Weise Leben einhauchen sollte. Im [[Altes Ägypten|Alten Ägypten]] besaßen auch Götter einen Schatten. Dagegen bleiben die indischen Götter, die in schöner Menschengestalt vorgestellt und abgebildet werden, den Blicken der Normalsterblichen verborgen, weil sie keinen Schatten werfen.
=== Altiranische Seelenlehre ===
In den [[Gathas]], den ältesten Hymnen der altiranischen Textsammlung [[Avesta]] sind verschiedene Bezeichnungen für Seele enthalten, deren Beschreibung zum Verständnis des von [[Zarathustra]] übernommenen und geprägten religiösen Systems von grundlegender Bedeutung ist. Dahinter steht die noch frühere, aus der arischen Vorzeit stammende Vorstellung von einer getrennten Bild- und Lebensseele. Ein umfassender Begriff für „Seele“ ist in den Gathas nicht erkennbar. Zum Umfeld des dort
Von der menschlichen auf die kosmische Ebene übertragen entspricht ''urvan'' der Gottheit Vohu Manah. Der Wortstamm ''man-'' in Vohu Manah bedeutet ein wirksames Prinzip im Innern des Menschen. Hiervon abgeleitet sind der indische Stammvater ([[sanskrit]]) [[Manu (Hinduismus)|Manu]] und ([[Germanische Sprachen|germanisch]]) „Mann“ und „Mensch“. Vohu Manah kann als personifizierte Erscheinung vorgestellt werden, die mit der Schöpfergottheit in Verbindung steht und sich zum obersten Gott [[Ahura Mazda]] etwa so verhält, wie die Freiseele zum Menschen. Daneben steht ''manah'' in abstrahierter Weise für die Wirkung dieser Freiseele und im Plural für eine Gruppe von Teilseelen, die zusammen mit ''urvan'' und ''daēnā'' genannt werden.<ref>[[Henrik Samuel Nyberg]]: ''Die Religionen des alten Iran''. (1938) Neuauflage: Otto Zeller, Osnabrück 1966, S. 120f, 127f</ref>
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Die Freiseele ''urvan'' bleibt laut dem jüngeren Avesta nach dem Tod drei Tage lang in der Nähe des Leichnams, bis sie auf ihre eigene ''daēnā'' trifft, die in der Gestalt eines schönen jungen Mädchens daherkommt, falls der Mensch religiös genug gelebt hat. Auf die Frage, wer sie sei, antwortet die Gestalt: „Ich bin kein Mädchen, sondern bin deine tugendhaften Thaten.“<ref>Wilhelm Brandt: ''Das Schicksal der Seele nach dem Tode nach mandäischen und parsischen Vorstellungen.'' (Jahrbücher für protestantische Theologie, 18, 1892) Nachdruck: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1967, S. 20</ref> Hing der Mensch einer schlechten Religion an, so erscheint die ''daēnā'' als hässliche Hexe. Die im Leben bestehende Trennung des Selbst mit dem anderen Teil der Freiseele wird also nach dem Tod aufgehoben. Der Mensch erreicht die lebenslang ersehnte Ganzheit, wenn sich die getrennten Seelen zusammenfügen.<ref>[[Carsten Colpe]]: ''Altiranische und zoroastrische Mythologie''. In: [[Hans Wilhelm Haussig]], Carsten Colpe (Hrsg.): ''Götter und Mythen der kaukasischen und iranischen Völker'' (= ''[[Wörterbuch der Mythologie]].'' Abteilung 1: ''Die alten Kulturvölker.'' Band 4). Klett-Cotta, Stuttgart 1986, ISBN 3-12-909840-2, S. 319 f.</ref>
Bereits in den frühen Gathas heißt es, dass sich die Freiseele in die jenseitige Welt aufmacht und ohne Führer oder Beschützer an den Fluss gelangt, wo an der Činvat-Brücke der Mensch nach seinen guten oder schlechten Taten beurteilt wird. Gerechte werden hier von Lügnern unterschieden. Voraussetzung, um hinübergelassen zu werden, ist, dass der Mensch den Glauben Zarathustras angenommen hat. Hat die Seele die Prüfung bestanden, so benötigt sie ab hier Hilfe, um auffahren und an ihren Bestimmungsort in der jenseitigen Welt gelangen zu können.<ref>Carsten Colpe, S. 315, Wilhelm Brandt, S. 32</ref>
Die [[Eschatologie]] des im Westiran geprägten späteren [[Zoroastrismus]] enthält die weit verbreitete Vorstellung, dass die Menschen keinen Schatten werfen, wenn sie dereinst im Jenseits angekommen sind. Hierfür sorgt Ârmaiti<ref>Mary Boyce: [http://www.iranicaonline.org/articles/armaiti ''Ârmaiti.''] In: ''[[Encyclopædia Iranica]],'' (1986) 12. August 2011</ref>, eines der sechs höchsten Wesen („Unsterbliche“, „Heilbringende“, avestisch [[Amschaspand|Aməša Spənta]]) im Umfeld Ahura Mazdas. Wenn Ârmaiti im „sonnenblickenden Machtbereich“ ([[Yasna]] 43, 16) sein wird, belohnt sie die Menschen für ihre Taten mit ewigem Frieden und Gelassenheit. Die vor den Wagen (''[[Ratha|raθa]]'') der Sonne gespannten Pferde sind schattenlos (''asaya'').<ref>Henrik Samuel Nyberg, S. 214, 394</ref>
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=== Zwillinge in Afrika ===
Die als Schatten gedachte Freiseele kommt in vielen schwarzafrikanischen Glaubensvorstellungen vor. Der Schatten ist tagsüber der sichtbare Begleiter aller Menschen, nachts verschwindet er in der Dunkelheit. Beim Tod weicht der Schatten aus dem Menschen und geht für immer in die finstere Unterwelt. Somit wirft ein Toter keinen Schatten, er kann aber selbst als Schatten identifiziert werden. Der Tote hat vermutlich deshalb keinen Schatten, weil er flach daliegt. Den Schatten zu verletzen bedeutet auch in Afrika einen Angriff auf die Seele und damit auf den Menschen. Ein Krokodil könnte etwa den Schatten eines Menschen, der zu nahe am Wasser geht, angreifen und mit dem Schatten (wahlweise Spiegelbild<ref>James George Frazer, S. 281</ref>) seinen Körper ins Wasser ziehen, wie Julius von Negelein 1902 von den südafrikanischen [[Sotho]] schrieb.<ref>Julius von Negelein: ''Bild, Spiegel und Schatten im Volksglauben''. In: ''Archiv für Religionswissenschaft.'' 5/1902, S. 18; nach: Thomas Theye: [https://web.archive.org/web/20140908155639/http://www.lmz-bw.de/fileadmin/user_upload/Medienbildung_MCO/fileadmin/bibliothek/theye_schatten/theye_schatten.pdf ''Der geraubte Schatten – Einführung''.] (PDF; 684 kB) In: Ders. (Hrsg.): ''Der geraubte Schatten. Eine Weltreise im Spiegel der ethnographischen Photographie.'' C. J. Bucher, München/Luzern 1989, S. 1–81, hier S. 56</ref> Ein frei beweglicher Schatten besitzt Menschengestalt und kann aus Rachsucht von einem lebenden Menschen Besitz ergreifen.<ref>Hans-Peter Hasenfratz: ''Religionswissenschaftliches zur Seelenkonzeption. Am Beispiel Altägyptens.'' In: Johann Figl, Hanns-Dieter Klein (Hrsg.): ''Der Begriff der Seele in der Religionswissenschaft''. Königshausen & Neumann, Würzburg 2002, S. 126</ref>
[[Datei:Brooklyn Museum 1992.24.1a-b Pair of Figurated Staffs Edan Ogboni.jpg|miniatur|hochkant|Die mit einer Kette verbundene Figurengruppe ''Edan'' zeigt Onile, den Yoruba-Gott der Erde in seiner männlichen und weiblichen Form. Besitzt eine Schutz-, Heil- und Orakelwirkung ([[Brooklyn Museum]]).]]
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Leibhaftige Zwillinge sind in Afrika keine „gewöhnlichen“ Menschen, ihr Doppel ''dya'' verbleibt immer in einem reinen Zustand im Wasser bei Faro, weshalb Zwillinge untereinander als Doppel gelten und beide zugleich mit Faro in Beziehung stehen. Solche Zwillinge sind ein Segenszeichen für ihre Eltern. Die besondere Bedeutung von Zwillingen hängt auch mit den Schöpferpaaren der [[Afrikanische Kosmogonie|afrikanischen Kosmogonie]] zusammen. Bei den [[Ewe (Ethnie)|Ewe]] und [[Fon (Volk)|Fon]] vereinigten sich der Sonnengott Mawu und die Mondgöttin Lisa zu Mawu-Lisa und erschufen die ersten Menschen. Diese Aufgabe erledigte bei den [[Yoruba (Volk)|Yoruba]] das Zwillingspaar Obatala (Himmelsgott) und Ododua (Erdgöttin), Sohn und Tochter des obersten Gottes Olorun.
Daneben existiert eine angstvolle Vorstellung von Zwillingen, besonders von gleichgeschlechtlichen Zwillingen soll Unheil ausgehen. Weil sie angeblich mit bösen Geistern in Verbindung stehen
== Platons Schatten ==
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Lucka breitet das Thema Doppelgänger als Schattenwesen weiter aus und steigert sich in größere [[Allegorie]]n, wonach „der Teufel der Doppelgänger der Menschheit“ und das „Judentum der Doppelgänger des Christentums“ sei. Dessen frei agierendes, moralisches Ich (das „vollbewußte, verantwortliche Ich-Bewußtsein“) entwickelte [[Sigmund Freud]] ab 1923 in seinem Modell der menschlichen Psyche zum [[Über-Ich]].<ref>Gerald Bär, S. 39</ref>
In der [[Analytische Psychologie|Analytischen Psychologie]] nach [[Carl Gustav Jung]] ist der [[Schatten (Archetyp)|Schatten]] sowohl ein Persönlichkeitsmerkmal<ref>C. G. Jung: ''Aion. Beiträge zur Symbolik des Selbst.'' 1950, Gesammelte Werke, Band 9/2, § 13f.</ref> als auch ein [[Archetyp (Psychologie)|Archetyp]]<ref>C. G. Jung: ''Aion: Beiträge zur Symbolik des Selbst.'' 1950, GW 9/2, § 19</ref>. Nach Lucka stehe dieser außerhalb der Gesellschaft. In den Strukturelementen der Psyche, die Jung Archetypen nennt, wirke ein universaler Urgrund (das [[Kollektives Unbewusstes|kollektive Unbewusste]]). Sein Schatten ist nach [[Anthony Storr]] eine Figur der Träume, die als dunkelhäutig oder teuflisch, jedenfalls stets als böse erscheint und in der innerseelischen Polarität dem auf die Gesellschaft hin orientierten Teil des Ichs gegenübersteht, den er „[[Persona]]“ nennt. Jung sieht den individuellen Schatten als Teil einer kollektiven Schattenfigur,<ref>Vgl. C. G. Jung: ''Antwort auf Hiob.'' 1952, GW 11, § 553–758.</ref> deren Beschreibung vage bleibt.<ref>Anthony Storr: ''C. G. Jung.'' Moderne Theoretiker. DTV, München 1977, S. 66–69</ref>
Goethes Faust stellte für Jung und Freud gleichermaßen einen wichtigen Stoff für ihre psychoanalytischen Theorien dar. Jung beschrieb [[Mephistopheles|Mephisto]] als Schattenbereich Fausts.<ref>Vgl. C.G. Jung in GW 6, § 315: „wie Faust und Mephisto ein und derselbe Mensch sind“, vgl. ebd. § 345 und 815.</ref> Jung übernahm von Goethe die Gestalt des Teufels als lichtbringenden, den Menschen antreibenden [[Luzifer]] aus der christlichen Mythologie, den er – gemäß seinem Archetypus des Gottesbildes – als das vierte Element der göttlichen [[Dreifaltigkeit|Trinität]] hinzugesellt. In der Vorstellung von Gott sollen sich Gut und Böse vereinigen. Neben Mephisto ist Gretchen ein weiterer Aspekt von Fausts [[Alter Ego]]. Sie verkörpert in Jungs Terminologie die [[Animus und Anima|Anima]], das weibliche emotionale, dem männlichen Geist entgegenstehende Prinzip. Gretchen ist ein bei Männern vorhandener Aspekt des Weiblichen<ref>C. G. Jung stellt Gretchen, Helena, Maria und die im „Ewig-Weiblichen“ erscheinende Sophia als Anima-Aspekte – nicht als Schattenseiten – von Faust dar. Vgl. C. G. Jung: ''Die Psychologie der Übertragung.'' 1946, GW 16, § 361.</ref> und ein anderer Schatten Fausts, der seit der biblischen Eva für die Fruchtbarkeit der Natur steht.<ref>Vgl. Hiromi Yoshida: ''Joyce and Jung: The 'Four Stages of Eroticism' in A Portrait of the Artist as a Young Man.'' Peter Lang, New York 2006, S. 31</ref> An C.G. Jung anschließende psychologische Interpretationen des Schattens von Faust, also insbesondere des Mephisto, wurden von Edward Edinger<ref>Edward F. Edinger: ''Goethe's Faust. Notes for a Jungian Commentary.'' (''Studies in Jungian psychology by Jungian analysts,'' Bd. 43) Inner City Books, Toronto 1990, ISBN 0-919123-44-9.</ref> und von Irene Gerber-Münch<ref>Irene Gerber-Münch: ''Goethes Faust. Eine tiefenpsychologische Studie über den Mythos des modernen Menschen.'' (Jungiana, Reihe B, Band 6) Verlag Stiftung für Jung'sche Psychologie, Küsnacht 1997, ISBN 3-908116-07-4.</ref> vorgebracht.
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