„Dolchstoßlegende“ – Versionsunterschied
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Die '''Dolchstoßlegende''' (auch '''Dolchstoßlüge''') war eine von der deutschen [[Oberste Heeresleitung|Obersten Heeresleitung]] (OHL) in die Welt gesetzte [[Verschwörungstheorie]], die die Schuld an der von ihr verantworteten militärischen Niederlage des [[Deutsches Kaiserreich|Deutschen Reiches]] im [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] vor allem auf die [[Sozialdemokratie]], andere [[Demokratie|demokratische]] Politiker und das „[[Jüdischer Bolschewismus|bolschewistische Judentum]]“ abwälzen sollte. Sie besagte, das [[Deutsches Heer (Deutsches Kaiserreich)|deutsche Heer]] sei im Weltkrieg „im Felde unbesiegt“ geblieben und habe erst durch oppositionelle „vaterlandslose“ Zivilisten aus der Heimat einen „Dolchstoß von hinten“ erhalten. [[Geschichte des Antisemitismus bis 1945|Antisemiten]] verknüpften „innere“ und „äußere [[Reichsfeinde]]“ dabei zusätzlich mit dem [[Trugbild]] vom [[Weltjudentum|„internationalen Judentum“]].
Die Lüge vom „Dolchstoß“ gilt in der [[Zeitgeschichte]] als bewusst konstruierte [[Geschichtsfälschung]] und Rechtfertigungsideologie der militärischen und nationalkonservativen Eliten des [[Deutsches Kaiserreich|Kaiserreichs]]. Mit zunehmendem
== Begriff ==
=== „Dolchstoß“ ===
Die [[Metapher]] vom „Dolchstoß“ wurde erstmals nach Überzeugung des britischen Historikers [[Richard J. Evans]] am 2. November 1918 von dem bayerischen Politiker [[Ernst Müller-Meiningen]] ([[Freisinnige Volkspartei]]) gebraucht, der auf einer Volksversammlung warnte: „Wir müssten uns vor unseren Kindern und Kindeskindern schämen, wenn wir der Front in den Rücken fielen und ihr den Dolchstoß versetzten.“ Der spätere bayerische Ministerpräsident [[Kurt Eisner]] äußerte sich in derselben Veranstaltung in gleichem Tenor. Beide bezogen sich auf Anwürfe von [[Nationalismus|nationalistischen]] Politikern und Militärs, die demokratischen Parteien würden mit ihren Bemühungen um einen [[Verständigungsfrieden]], wie sie sich etwa in ihrer [[Friedensresolution]] vom 19. Juli 1917
Die Journalisten [[Lars-Broder Keil]] und [[Sven Felix Kellerhoff]] halten Müller-Meiningens Zitat für unauthentisch, weil
Nach Einschätzung des Politikers [[Richard Witting]] war die Dolchstoßlegende zum Jahreswechsel 1918/1919 schon allgemein in der deutschen Bevölkerung verbreitet. Unter dem Pseudonym Georg Metzler schrieb er am 9. Januar 1919 in der Zeitschrift ''[[Die Weltbühne]]'':
{{Zitat|Text=
Für jeden braven Durchschnittsdeutschen gilt als unumstößliche Tatsache, daß ein ungeheuer schweres, unverdientes Geschick unser friedliebendes, arbeitsames, unschuldiges Volk getroffen hat. Keine Enthüllungen, keine noch so überzeugenden dokumentarischen Beweise, keine der unzähligen Erklärungen, keine Stellungnahme des gesamten Erdballs kann eben dieses Volk in seiner Überzeugung wankend machen, daß es bieder, fromm und stark einen heiligen Verteidigungskrieg gegen eine Welt von Feinden durchgekämpft und, dank einer genialen militärischen Führung,
Trotz aller [[Dementi]]s war der von der ''NZZ'' geprägte Begriff in der Welt und wurde von deutschen Rechtsextremisten und Republikfeinden aufgegriffen. Als einer der ersten warf ihn Ende Oktober 1919 [[Albrecht von Graefe (Politiker)|Albrecht von Graefe]], ein erklärter [[Antisemitismus|Antisemit]] und Abgeordneter der [[DNVP|Deutschnationalen]] in der [[Weimarer Nationalversammlung]], in die politische Debatte. Allgemein bekannt und in rechtsextremen Kreisen populär wurde die Metapher vom „Dolchstoß“ aber erst, als [[Paul von Hindenburg]] sie sich zu eigen machte. Vor dem von der Nationalversammlung eingerichteten [[Untersuchungsausschuss für die Schuldfragen des Weltkrieges (Erster Weltkrieg)|„Untersuchungsausschuss für Schuldfragen“]] sagte er am 19. November 1919:
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|Quelle=Paul von Hindenburg }}
Auch [[Erich Ludendorff]], Hindenburgs Stellvertreter, behauptete vor dem Ausschuss, ein britischer General habe zuerst von einem Dolchstoß gesprochen. In seinen ''Erinnerungen'' gibt er ein angebliches Tischgespräch mit General [[Neill Malcolm]] im Juli 1919 wieder, bei dem er ihm die Gründe der deutschen Niederlage erläutert habe, worauf Malcolm zurückgefragt habe: “You mean that you were stabbed in the back?” („Wollen Sie mir erzählen, General, dass Sie einen Dolchstoß in den Rücken bekommen haben?“)<ref>Richard J. Evans: ''Das dritte Reich und seine Verschwörungstheorien. Wer sie in die Welt gesetzt hat und wem sie nutzten'', Deutsche Verlags-Anstalt, München 2020, S. 92.</ref><ref>Reinhard Sturm: ''Kampf um die Republik 1919–1923.'' In: ''Informationen zur politischen Bildung.'' Nr. 261, 4. Quartal 1998, {{ISSN|00469408}}, S. 18–31 (hier: S. 20).</ref> – Wie zuvor Maurice, so bestritt auch Malcolm energisch die Verwendung des Ausdrucks.
Das Sprachbild verwies auf den Mord an [[Siegfried der Drachentöter|Siegfried]] im [[Nibelungenlied]]. Hindenburg bestätigte diese Assoziation 1920 in seinen Memoiren:
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Diejenigen, die sich gegen den Verschwörungsmythos wandten, sprachen bereits unmittelbar nach seinem Entstehen Anfang der 1920er Jahre von der „Dolchstoßlegende“.
Im [[Berliner Tageblatt]] veröffentlichte der frühere Chef des Kriegspresseamts, Pressechef in der Reichskanzlei und Leiter der Nachrichtenabteilung im Auswärtigen Amt, Oberstleutnant [[Erhard Deutelmoser]], am 4. Oktober 1921 einen Namensbeitrag
Als einer der wenigen deutschen Konservativen trat der Militärhistoriker [[Hans Delbrück]] den Darstellungen Hindenburgs und Ludendorffs entgegen. In seinem 1922 erschienenen Text ''Ludendorffs Selbstporträt'' zitierte er eine Äußerung des Offiziers [[Erhard Deutelmoser]] im [[Berliner Tageblatt]]:<ref>Delbrück, Hans: ''Ludendorffs Selbstporträt mit einer Widerlegung der Forsterschen Gegenschrift''. Verlag für Politik und Wirtschaft, Berlin 1922, S. 63 ([http://archive.org/details/ludendorffsselbs00delb Volltext auf archive.org]).</ref>
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== Eine realistische Erklärung? ==
Laut dem deutschen Historiker [[Gerd Krumeich]]
== Verwendung des Begriffes im Zusammenhang mit den USA ==
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* [[Gerhard P. Groß]]: ''Das Ende des Ersten Weltkriegs und die Dolchstoßlegende'' (= ''Kriege der Moderne''). Reclam, Ditzingen 2018, ISBN 9783150111680.
* Lars-Broder Keil, [[Sven Felix Kellerhoff]]: ''Deutsche Legenden. Vom „Dolchstoß“ und anderen Mythen der Geschichte.'' Ch. Links, Berlin 2002, ISBN 3-86153-257-3, Kapitel ''„Von hinten erdolcht?“ Das Ende des Ersten Weltkriegs 1918'', S. 33–43.
* [[Anja Lobenstein-Reichmann]]: ''Die Dolchstoßlegende. Zur Konstruktion eines sprachlichen Mythos.'' In: ''[[Muttersprache (Zeitschrift)|Muttersprache]].'' Band 112 (1), 2002, S. 25–41.
* [[Gerhard Paul (Historiker)|Gerhard Paul]]: ''Der Dolchstoß. Ein Schlüsselbild nationalsozialistischer Erinnerungspolitik.'' In: Gerhard Paul (Hrsg.): ''Das Jahrhundert der Bilder.'' Band 1. ''1900 bis 1949.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2009, ISBN 978-3-525-30011-4, S. 300–307.
* Irmtraud Permooser: ''Der Dolchstoßprozeß in München 1925.'' In: ''[[Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte]].'' Band 59, 1996, S. 903–926 ([http://periodika.digitale-sammlungen.de/zblg/kapitel/zblg59_kap26 Digitalisat]).
Zeile 153:
* [http://www.preussen-chronik.de/begriff_jsp/key=begriff_dolchsto%25dflegende.html Preußenchronik: ''Dolchstoßlegende'']
* {{HistLexBay||link|Rainer Sammet|Dolchstoßlegende}}
* Erhard Deutelmoser:
== Einzelnachweise ==
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