„Dolchstoßlegende“ – Versionsunterschied
[gesichtete Version] | [gesichtete Version] |
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
WAH (Diskussion | Beiträge) K Änderungen von 212.43.77.114 (Diskussion) auf die letzte Version von Habbe H zurückgesetzt Markierung: Zurücksetzung |
K →„Dolchstoß“: Typografie |
||
(6 dazwischenliegende Versionen von 6 Benutzern werden nicht angezeigt) | |||
Zeile 7:
Die [[Metapher]] vom „Dolchstoß“ wurde erstmals nach Überzeugung des britischen Historikers [[Richard J. Evans]] am 2. November 1918 von dem bayerischen Politiker [[Ernst Müller-Meiningen]] ([[Freisinnige Volkspartei]]) gebraucht, der auf einer Volksversammlung warnte: „Wir müssten uns vor unseren Kindern und Kindeskindern schämen, wenn wir der Front in den Rücken fielen und ihr den Dolchstoß versetzten.“ Der spätere bayerische Ministerpräsident [[Kurt Eisner]] äußerte sich in derselben Veranstaltung in gleichem Tenor. Beide bezogen sich auf Anwürfe von [[Nationalismus|nationalistischen]] Politikern und Militärs, die demokratischen Parteien würden mit ihren Bemühungen um einen [[Verständigungsfrieden]], wie sie sich etwa in ihrer [[Friedensresolution]] vom 19. Juli 1917 zeigten, dem kämpfenden Heer „in den Rücken fallen“. Diesen Gedanken hatte erstmals Generaloberst [[Hans von Seeckt]] kurz nach Veröffentlichung der Resolution geäußert.<ref>Richard J. Evans: ''Das Dritte Reich und seine Verschwörungstheorien. Wer sie in die Welt gesetzt hat und wem sie nutzen.'' DVA, München 2021, ISBN 3421048673, S. 86 f.</ref>
Die Journalisten [[Lars-Broder Keil]] und [[Sven Felix Kellerhoff]] halten Müller-Meiningens Zitat für unauthentisch, weil es nur in seinen Memoiren, nicht aber in den zeitgenössischen Presseberichten vorkommt. Sie glauben, die Ersterwähnung der Metapher sei ein Artikel der ''[[Neue Zürcher Zeitung|Neuen Zürcher Zeitung]]'' vom 17. Dezember 1918, in dem der britische General Sir [[Frederick Maurice]] mit den Worten zitiert wurde: „Was die deutsche Armee betrifft, so kann die allgemeine Ansicht in das Wort zusammengefasst werden: Sie wurde von der Zivilbevölkerung von hinten erdolcht.“<ref>Lars-Broder Keil, Sven Felix Kellerhoff: ''Deutsche Legenden. Vom „Dolchstoß“ und anderen Mythen der Geschichte.'' Christoph Links, Berlin 2002, ISBN 3-86153-257-3, S. 36.</ref> In Wahrheit aber hatte Maurice, im Krieg Angehöriger des britischen Generalstabs, in einem Artikel für die Londoner ''Daily News'', auf den sich die
Nach Einschätzung des Politikers [[Richard Witting]] war die Dolchstoßlegende zum Jahreswechsel 1918/1919 schon allgemein in der deutschen Bevölkerung verbreitet. Unter dem Pseudonym Georg Metzler schrieb er am 9. Januar 1919 in der Zeitschrift ''[[Die Weltbühne]]'':
Zeile 28:
Diejenigen, die sich gegen den Verschwörungsmythos wandten, sprachen bereits unmittelbar nach seinem Entstehen Anfang der 1920er Jahre von der „Dolchstoßlegende“.
Im [[Berliner Tageblatt]] veröffentlichte der frühere Chef des Kriegspresseamts, Pressechef in der Reichskanzlei und Leiter der Nachrichtenabteilung im Auswärtigen Amt, Oberstleutnant [[Erhard Deutelmoser]], am 4. Oktober 1921 einen Namensbeitrag „Das Sprengmittel“. Er argumentierte, die Behauptung – er nannte sie wörtlich „Dolchstoßlegende“ – sei noch vor Kriegsende im Ausland entstanden und genutzt worden, um innenpolitische Konflikte auszunutzen. Sie sei „grundsätzlich angesehen, offenkundiger Unsinn“, aber sehr wirksam, weil sie nicht klar zu durchschauen sei. Der Propaganda-Experte Deutelmoser erörterte in seinem differenzierten Beitrag die Gründe, warum die Legende so viel Zwietracht
Als einer der wenigen deutschen Konservativen trat der Militärhistoriker [[Hans Delbrück]] den Darstellungen Hindenburgs und Ludendorffs entgegen. In seinem 1922 erschienenen Text ''Ludendorffs Selbstporträt'' zitierte er eine Äußerung des Offiziers [[Erhard Deutelmoser]] im [[Berliner Tageblatt]]:<ref>Delbrück, Hans: ''Ludendorffs Selbstporträt mit einer Widerlegung der Forsterschen Gegenschrift''. Verlag für Politik und Wirtschaft, Berlin 1922, S. 63 ([http://archive.org/details/ludendorffsselbs00delb Volltext auf archive.org]).</ref>
Zeile 138:
* [[Gerhard P. Groß]]: ''Das Ende des Ersten Weltkriegs und die Dolchstoßlegende'' (= ''Kriege der Moderne''). Reclam, Ditzingen 2018, ISBN 9783150111680.
* Lars-Broder Keil, [[Sven Felix Kellerhoff]]: ''Deutsche Legenden. Vom „Dolchstoß“ und anderen Mythen der Geschichte.'' Ch. Links, Berlin 2002, ISBN 3-86153-257-3, Kapitel ''„Von hinten erdolcht?“ Das Ende des Ersten Weltkriegs 1918'', S. 33–43.
* [[Anja Lobenstein-Reichmann]]: ''Die Dolchstoßlegende. Zur Konstruktion eines sprachlichen Mythos.'' In: ''[[Muttersprache (Zeitschrift)|Muttersprache]].'' Band 112 (1), 2002, S. 25–41.
* [[Gerhard Paul (Historiker)|Gerhard Paul]]: ''Der Dolchstoß. Ein Schlüsselbild nationalsozialistischer Erinnerungspolitik.'' In: Gerhard Paul (Hrsg.): ''Das Jahrhundert der Bilder.'' Band 1. ''1900 bis 1949.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2009, ISBN 978-3-525-30011-4, S. 300–307.
* Irmtraud Permooser: ''Der Dolchstoßprozeß in München 1925.'' In: ''[[Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte]].'' Band 59, 1996, S. 903–926 ([http://periodika.digitale-sammlungen.de/zblg/kapitel/zblg59_kap26 Digitalisat]).
|