„Joseph Greenberg“ – Versionsunterschied
[gesichtete Version] | [gesichtete Version] |
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
Aka (Diskussion | Beiträge) K Tippfehler entfernt | Liste mit Tippfehlern in anderen Artikeln |
Aka (Diskussion | Beiträge) |
||
(41 dazwischenliegende Versionen von 22 Benutzern werden nicht angezeigt) | |||
Zeile 1:
{{Dieser Artikel|behandelt den Linguisten. Zum Schauspieler gleichen Namens siehe [[Joseph Green (Schauspieler)]].}}
'''Joseph Harold Greenberg''' (* [[28. Mai]] [[1915]] in Brooklyn, [[New York City|New York]]; † [[7. Mai]] [[2001]] in [[Stanford (Kalifornien)]]) war ein US-amerikanischer [[Sprachwissenschaft|Linguist]]. Er ist gleichermaßen bekannt für seine Leistungen in der [[Sprachtypologie]] ([[Sprachuniversalien|Universalienforschung]], [[Makrofamilie]]) wie bei der Klassifikation der Sprachen Afrikas, Amerikas, Eurasiens und des indopazifischen Raums. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war er – zusammen mit [[Noam Chomsky]] – einer der einflussreichsten Linguisten weltweit. Viele Jahre forschte und unterrichtete er als Professor an der [[Stanford University]].
== Leben und Wirken ==
Greenberg war der Sohn des [[Polnische Sprache|polnisch]] und [[jiddisch]]<ref>Nicholas Wade: {{Webarchiv|text= ''What We All Spoke When the World Was Young.''|url=http://www.artsci.wustl.edu/~anthro/articles/archaeo-language.html |wayback=20060216022548}} New York Times, 1. Februar 2000</ref> sprechenden Vaters Jacob Greenberg (* 1881),<ref>[http://www.archives.com/1940-census/jacob-greenberg-ny-53745271
Greenberg war ein musikalischer Mensch und gab schon im Alter von vierzehn
== Beiträge zur Sprachtypologie ==
Zeile 10 ⟶ 11:
== Beiträge zur Klassifikation von Sprachen ==
=== Afrikanische Sprachen ===
Greenberg ist allgemein bekannt und anerkannt für seine grundlegend neue Klassifikation der [[Afrikanische Sprachen|afrikanischen Sprachen]], die er 1948 begann und nach vielen Zwischenstufen schließlich 1963 endgültig formulierte. Dieser Neuansatz war für seine Zeit kühn und teilweise auch spekulativ, insbesondere was die Gruppe der [[Nilosaharanische Sprachen|nilosaharanischen Sprachen]] angeht. Er prägte den Begriff „Afroasiatisch“ als Ersatz für den missverständlichen und belasteten Begriff „Hamito-Semitisch“. Seine Einteilung der afrikanischen Sprachen in die vier [[Phyla]]
* [[Afroasiatische Sprachen|
* [[Niger-Kongo-Sprachen|
* [[Nilosaharanische Sprachen|
* [[Khoisan-Sprachen|
war die Grundlage aller weiteren klassifikatorischen Arbeiten in der Afrikanistik seit 1963. Während die genetische Einheit des Afroasiatischen und [[Niger-Kongo-Sprachen|Niger-Kongo]] heute unstrittig ist, muss die Khoisan-Gruppe wohl als arealer [[Sprachbund]] mit vor allem typologischen Gemeinsamkeiten betrachtet werden (zum Beispiel die [[Klick (Phonetik)|Schnalz-/Klicklaute]]). Besonders in der Diskussion steht das Nilosaharanische, das von einigen Spezialisten (L. M. Bender, C. Ehret, H. Fleming) als genetische Einheit mit einer rekonstruierbaren [[Ursprache|Protosprache]] aufgefasst wird, während andere Forscher in ihm lediglich einen Sprachbund sehen, dessen Kern allerdings eine genetische Einheit darstellt. (Die aktuelle Diskussion betrifft die Größe dieses Kerns.)
Zeile 23 ⟶ 25:
=== Indopazifische Sprachen ===
1971 schlug Greenberg die [[Indopazifisch
*
*
*
*
*
*
*
Diese Klassifikation – die die australischen Sprachen nicht beinhaltet – geht auf ähnliche Konzepte von A. Trombetti (''Glottologia'' 1923) zurück. Sie wird heute fast gänzlich verworfen und dient auch nicht als Arbeitshypothese der mit diesen Sprachen beschäftigten Linguisten. Während die andamanischen und tasmanischen Sprachen jeweils eine [[genetische Einheit]] darstellen, zerfallen die [[Papua-Sprachen]] nach heutiger Kenntnis in ein Dutzend unabhängiger Sprachfamilien, deren Kern das [[Trans-Neuguinea-Sprachen|Transneuguinea-Phylum]] darstellt, und einige [[isolierte Sprachen]]. Die Verwandtschaftsverhältnisse der sog. Papua-Sprachen sind bis heute nicht abschließend geklärt.
Zeile 38 ⟶ 40:
Danach untersuchte Greenberg die indigenen Sprachen Amerikas, die nach mehrheitlicher Auffassung der einschlägigen Forschung in hunderte genetische Einheiten und isolierte Sprachen zerfallen. Sein 1987 veröffentlichtes Ergebnis ist die Einteilung aller [[Amerikanische Sprachen|amerikanischen Sprachen]] in nur drei genetische Gruppen:
* [[Eskimo-
* [[Na-Dené-Sprachen|
* [[Amerindisch
Diese Dreiteilung wird durch humangenetische Untersuchungen von [[Luigi Luca
Die massive amerikanistische Kritik galt hier nicht nur Greenbergs Klassifikationsergebnis, sondern vor allem seiner Methode des ''[[Mass Lexical Comparison|lexikalischen Massenvergleichs]]'', bei der die Klassifikation sich aus dem Vergleich von Wörtern und Morphemen aus einer sehr großen Gruppe von Sprachen ergibt. Dabei werden [[Wortgleichungen]] aufgestellt und aus diesen die Klassifikationen abgeleitet; die Etablierung von [[Lautgesetz]]en und die Rekonstruktion von Protosprachen ist dann ein zweiter Schritt, der die Ergebnisse der vorhergehenden Klassifikationshypothese bestätigt, verfeinert oder auch widerlegt. (Diesen zweiten Schritt hat Greenberg in der Regel anderen überlassen.) Die Methode des Massenvergleichs hatte Greenberg auch schon bei seiner inzwischen weitgehend akzeptierten Klassifikation der afrikanischen Sprachen angewandt. Es ist letztlich auch die Methode, mit der Forscher die genetische Einheit und Gliederung des Indogermanischen oder [[Finno-ugrische Sprachen|Finno-Ugrischen]] erkannten, lange bevor Lautgesetze etabliert oder Protosprachen rekonstruiert wurden.
Zeile 49 ⟶ 51:
=== Eurasiatische Sprachen ===
Am Ende seines Lebens widmete sich Greenberg den Sprachen Eurasiens und bildete aus verschiedenen europäischen, asiatischen und nordamerikanischen Sprachfamilien und isolierten Sprachen Sibiriens eine neue Makrofamilie, die allerdings große Ähnlichkeiten mit der [[
▲Am Ende seines Lebens widmete sich Greenberg den Sprachen Eurasiens und bildete aus verschiedenen europäischen, asiatischen und nordamerikanischen Sprachfamilien und isolierten Sprachen Sibiriens eine neue Makrofamilie, die allerdings große Ähnlichkeiten mit der [[Nostratisch|nostratischen]] Hypothese hat und auf Vorgänger aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert zurückgeht. Zum [[Eurasiatisch]]en zählt Greenberg:
▲* [[Etruskische Sprache|'''Etruskisch''']]
* [[Altaische Sprachen|
▲* [[Indogermanische Sprachen|'''Indogermanisch''']]
▲* [[Uralische Sprachen|'''Uralisch-Jukagirisch''']]
▲* [[Altaische Sprachen|'''Altaisch''']] mit den Unterfamilien [[Turksprachen|'''Turkisch''']], [[Mongolische Sprachen|'''Mongolisch''']] und [[Mandschu-tungusische Sprachen|'''Tungusisch''']]
▲* '''[[Koreanische Sprache|Koreanisch]]-[[Japanische Sprache|Japanisch]]-[[Ainu-Sprache|Ainu]]'''
▲* [[Niwchische Sprache|'''Giljakisch''']] (Niwchisch)
▲* [[Tschuktscho-Kamtschadalische Sprachen|'''Tschuktscho-Kamtschadalisch''']]
▲* [[Eskimo-Aleutische Sprachen|'''Eskimo-Aleutisch''']]
Der Unterschied zum [[Nostratisch]]en besteht insbesondere darin, dass das Nostratische im Gegensatz zum Eurasiatischen das [[Kaukasische Sprachen|Kartwelische]] und [[Dravidische Sprachen|Drawidische]] einschließt, aber nicht die kleineren sibirischen Gruppen und Einzelsprachen. Das früher regelmäßig zum Nostratischen gezählte [[Afroasiatische Sprachen|Afroasiatische]] – so auch noch [[Dolgopolsky]] 1998 – wird heute auch von Vertretern des Nostratischen eher als „Schwesterphylum“ statt als Unterfamilie angesehen, wodurch sich die Ansätze von „Eurasiatisch“ und „Nostratisch“ stärker angenähert haben, zumal neuere Überlegungen zum Nostratischen auch die sibirischen Sprachen berücksichtigen.
Greenberg nennt seine Arbeit zum Eurasiatischen etwas provokativ ''Indo-European and its Closest Relatives''. Es ist noch zu früh, den Erfolg dieser sehr umfassenden Hypothese zu beurteilen. Klassische Indogermanisten lehnen diese Folgerungen ab, da sie in eine zu große Zeittiefe hinabreichen, so dass das Material nicht mehr aussagekräftig genug sein könne. In [[Mother Tongue (Journal)|Mother Tongue]] VI (2001) gibt [[John D. Bengtson]] eine detaillierte positive Kritik des ersten Bandes (Grammar, 2000). Er schließt mit den Worten: ''While one could quibble about certain details, there is no doubt, that Greenberg's grammatical evidence for Eurasiatic is a monumental achievement and a fitting capstone to his life's work as the supreme linguistic taxonomist of all time.''
Wie beim Amerind hat Greenberg beim Eurasiatischen neben verwandten Wörtern auch grammatische Elemente miteinander verglichen, deren Ähnlichkeiten zum Teil recht überzeugend sind (insbesondere im Indogermanischen, Uralischen und Altaischen), und die durch die Konzepte [[Sprachbund]] und [[Entlehnung]] nicht einfach erklärt werden können.
== Hauptwerke von Joseph Greenberg ==
*
▲* 1949-50 ''Studies in African Linguistic Classification.'' 7 Parts. Southwestern Journal of Anthropology. University of New Mexico Press, Albuquerque.
* 1957 ''Essays in Linguistics.'' The University of Chicago Press.
* 1963 ''The Languages of Africa.'' Bloomington: Indiana University Press.
* 1963 ''Some Universals of Grammar with Particular Reference to the Order of Meaningful Elements.''<br />In: Joseph Greenberg (Hrsg.): ''Universals of Language.'', pp.
* 1971 ''The Indo-Pacific Hypothesis.'' CTIL 8. (Wieder abgedruckt in Greenberg 2005.)
* 1974 ''Language Typology. A Historical and Analytical Overview.'' Mouton The Hague-Paris.
Zeile 80:
* 2005 ''Genetic Linguistics: Essays on Theory and Method.'' Edited by William Croft. Oxford University Press.
==
* Donald A. Ringe: ''A reply to Professor Greenberg.'' Proceedings of the American Philosophical Society (1993) Vol 137: 91–109.
* [[Martin Joachim Kümmel]]: [http://www.academia.edu/342156/Verwandte_des_Indogermanischen_Zur_Frage_des_Eurasiatischen_und_anderer_Makrofamilien ''Verwandte des Indogermanischen? Zur Frage des „Eurasiatischen“ und anderer Makrofamilien.''] In: ''Die Ausbreitung des Indogermanischen, Arbeitstagung der Indogermanischen Gesellschaft.'' Würzburg, Januar 2009, S. 1–10.
* [[Gerhard Doerfer]]: ''Greenberg und der Niedergang der diachronischen Linguistik.'' In: ''Indogermanische Forschungen,'' Band 105, 2000 S. 27–46.
== Weblinks ==
* [http://
* [http://news-service.stanford.edu/news/2002/april24/greenbergmem-424.html Gedenkschrift zum Tode Joseph Greenbergs]
* [http://news-service.stanford.edu/news/2001/may16/greenberg-516.html Nachruf des ''Stanford Report'']
Zeile 105 ⟶ 97:
<references />
{{Normdaten|TYP=p|GND=118541773|LCCN=n/79/61194|VIAF=32010188|NDL=00441607}}
{{
[[Kategorie:Linguist]]
[[Kategorie:Hochschullehrer (Stanford University)]]
[[Kategorie:Mitglied der American Academy of Arts and Sciences]]
[[Kategorie:Mitglied der American Philosophical Society]]
[[Kategorie:Mitglied der National Academy of Sciences]]
[[Kategorie:US-Amerikaner]]
[[Kategorie:Geboren 1915]]
Zeile 119 ⟶ 114:
|ALTERNATIVNAMEN=Greenberg, Joseph Harold
|KURZBESCHREIBUNG=US-amerikanischer Linguist
|GEBURTSDATUM=28. Mai 1915
|GEBURTSORT=Brooklyn, [[New York City|New York]]
|STERBEDATUM=7. Mai 2001
|