„Michail Sergejewitsch Gorbatschow“ – Versionsunterschied

[[Datei:RIAN archive 850809 General Secretary of the CPSU CC M. Gorbachev (crop).jpg|mini|Michail Gorbatschow (1987)[[Datei:Mikhail Gorbachev Signature.svg|rahmenlos|hochkant|klasse=skin-invert-image]]]]

'''Michail Sergejewitsch Gorbatschow''' ({{ruS|Михаил Сергеевич Горбачёв}} {{Audio|ru-Mikhail Sergeyevich Gorbachev.ogg|anhören}}, wiss. [[Transliteration]] ''{{lang|ru-Latn|Michail Sergeevič Gorbačёv}};'' * [[2. März]] [[1931]] in [[Priwolnoje (Stawropol, Krasnogwardeiski)|Priwolnoje]]; † [[30. August]] [[2022]] in [[Moskau]]) war ein [[UdSSR|sowjetischersowjetisch]]-[[Russen|russischer]] [[Politiker]]. Er war von März 1985 bis August 1991 Generalsekretär des [[Zentralkomitee]]s der [[Kommunistische Partei der Sowjetunion|Kommunistischen Partei der Sowjetunion]] (KPdSU) und von März 1990 bis Dezember 1991 letzter [[Sowjetunion#Staatsoberhaupt|Staatspräsident der Sowjetunion]]. Neue Akzente in der sowjetischen PolitikEr setzte er mit [[Glasnost]] (‚Offenheit‘), einem Bekenntnis zur [[Meinungsfreiheit]], und [[Perestroika]] (‚Umbau‘), insbesondere mit der Abschaffung der [[Planwirtschaft]], neue Akzente in der sowjetischen Politik. In Abrüstungsverhandlungen mit den [[Vereinigte Staaten|USA]] leitete er das Ende des [[Kalter Krieg|Kalten Krieges]] ein. Er erhielt 1990 den [[Friedensnobelpreis]].

Michail Gorbatschow kam am 2. März 1931 als Sohn eines [[Russen|russischen]] Vaters, Sergei Andrejewitsch Gorbatschow (1909–1976), und einer [[Ukrainer|ukrainischen]] Mutter, Marija Pantelejewna Gopkalo (1911–1993), in der Region [[Nordkaukasus]] (heute [[Region Stawropol]]) zur Welt. Seine Eltern waren Bauern in einem [[Kolchos]] in der Ortschaft Priwolnoje.<ref name="Биография">[https://www.gorby.ru/gorbachev/biography/ Биография], gorby.ru, Biographie auf russischRussisch.</ref> Gorbatschows Großvater mütterlicherseits, Pantelei Jefimowitsch Gopkalo, war Leiter dieser Kolchose, wurde aber 1937 wegen [[Trotzkismus]]-Verdachts verhaftet, gefoltert und zum Tod durch Erschießen verurteilt. Das Urteil wurde nicht vollstreckt und er wurde nach 14 Monaten aus der Haft entlassen.<ref>{{Literatur |Autor=William Taubman |Titel=Gorbatschow. Der Mann und seine Zeit |Verlag=C. H. Beck |Ort=München |Datum=2018 |ISBN=978-3-406-70044-6 |Seiten=39–40, 44–45 |Online={{Google Buch |BuchID=-bVGDwAAQBAJ |SeitenID=PT44}}}}</ref> An diesem Ort wuchs Michail Gorbatschow heran, wobei er viel Zeit bei seinen Großeltern mütterlicherseits verbrachte, die in ihre Enkelkinder vernarrt waren.<ref name="Биография" /> Erste Berufserfahrungen sammelte er mit 17 Jahren, als er zusammen mit seinem Vater mehrere tausend [[Zentner]] Getreide erntete. Der Vater erhielt dafür den [[Leninorden]] und Michail als Mitglied des kommunistischen Jugendverbands [[Komsomol]] im Alter von 19 Jahren den [[Orden des Roten Banners der Arbeit]].<ref>{{Internetquelle |url=https://www.themoscowtimes.com/2020/03/02/on-this-day-in-1931-mikhail-gorbachev-was-born-a69483 |titel=On This Day in 1931 Mikhail Gorbachev Was Born |werk=[[The Moscow Times]] |datum=2021-03-02 |abruf=2021-01-08}}</ref><ref>{{Munzinger|00000015460}}</ref> Für den Wehrdienst wurde er als untauglich klassifiziert. Gorbatschow studierte [[Rechtswissenschaft|Jura]] an der [[Lomonossow-Universität Moskau|Lomonossow-Universität]] in [[Moskau]] und lernte dort seine spätere Frau [[Raissa Maximowna Gorbatschowa|Raissa]] (1932–1999) kennen. Sie heirateten im September 1953 und zogen gemeinsam zurück in seine Heimatregion Stawropol im nördlichen russischen [[Kaukasus]], nachdem er 1955 sein Studium beendet hatte.<ref name="ru4306">russland.RU: ''{{Webarchiv |url=http://www.russland.ru/personalie/morenews.php?iditem=20 |text=Der sentimentale Politiker Michail Gorbatschow ist 75 geworden |wayback=20080120031311}},'', 4. März 2006.</ref>

Im Juni 1950 wurde er Kandidat und trat 1952 als Vollmitglied in die [[Kommunistische Partei der Sowjetunion]] (KPdSU) ein<ref>{{Literatur |Autor=[[William Taubman]] |Titel=Gorbatschow. Der Mann und seine Zeit |Verlag=C. H. Beck |Ort=München |Datum=2018 |ISBN=978-3-406-70044-6 |Seiten=71, 76 |Online={{Google Buch |BuchID=-bVGDwAAQBAJ |SeitenID=PT84}}}}</ref> und agierte von da an 22&nbsp;Jahre lang im heimatlichen Stawropol für die Partei. 1966, im Alter von 35 Jahren, machte er einen Abschluss als Agrarbetriebswirt am Landwirtschaftlichen Institut. Gleichzeitig setzte er seine Parteikarriere fort und wurde 1970 zum Ersten Sekretär für Landwirtschaft berufen sowie im Folgejahr Mitglied des [[Zentralkomitee]]s der KPdSU. 1972 führte er eine sowjetische [[Delegation (Organisationskonzept)|Delegation]] nach [[Belgien]], zwei Jahre später wurde er Repräsentant des [[Oberster Sowjet der UdSSR|Obersten Sowjets]] und Vorsitzender der Ständigen Kommission für Jugendpolitik (russisch Комиссия по делам молодёжи Совета Союза Верховного Совета). Mitglied der [[Moskauer Kreml|Kreml]]-Führung wurde er bald nach dem überraschenden Tod seines Förderers [[Fjodor Dawydowitsch Kulakow|Fjodor Kulakow]] 1978 als dessen Nachfolger im Parteiamt des ZK-Sekretärs für Landwirtschaft und anschließend in rascher Folge als Kandidat (1979) und Vollmitglied (1980) des [[Politbüro der Kommunistischen Partei der Sowjetunion|Politbüros]]. WährendBereits seiner Tätigkeit im Politbürovorher lerntehatte er [[Juri Wladimirowitsch Andropow|Juri Andropow]], den Chef des [[KGB]], kennenkennengelernt, der ebenfalls aus Stawropol stammte und Gorbatschow in den kommenden Jahren in seiner Karriere im Parteiapparat unterstützte. Beide verbrachten 1978 ihren Urlaub zusammen in [[Kislowodsk]], wo sie in den nahen Bergen wandern gingen und abends Gespräche bei der Musik von [[Wladimir Semjonowitsch Wyssozki|Wladimir Wyssozki]] und Juri Wisbor führten, deren Werke in der Sowjetunion hauptsächlich als [[Bootleg]]s in Umlauf waren.<ref>{{Literatur |Autor=David E. Hoffman |Titel=The Dead Hand. Reagan, Gorbachev and the Untold Story of the Cold War Arms Race and Its Dangerous Legacy. |Verlag=Doubleday |Ort=New York |Datum=2009 |Sprache=en |ISBN=978-1-84831-253-1 |Seiten=182 |Online={{Google Buch |BuchID=JQGHqScEFtoC |Seite=182}}}}</ref>

Aufgrund seiner Position in der Partei konnte er auch das westliche Ausland bereisen. 1975 besuchte er mit einer Delegation die [[Deutschland|Bundesrepublik Deutschland]], 1983 führte er eine sowjetische Kommission nach [[Kanada]], um sich mit [[Pierre Trudeau]], dem damaligen [[Premierminister (Kanada)|Premierminister]], und Mitgliedern des [[Parlament von Kanada|kanadischen Parlaments]] zu treffen. 1984 reiste er nach [[Vereinigtes Königreich|Großbritannien]] und sprach mit [[Premierminister des Vereinigten Königreichs|Premierministerin]] [[Margaret Thatcher]]. Sie äußerte sich anschließend positiv über ihn: „Ich mag Herrn Gorbatschow. Mit ihm können wir arbeiten.“<ref>{{Literatur |Autor=Archie Brown |Titel=The Human Factor. Gorbachev, Reagan, and Thatcher, and the End of the Cold War |Verlag=Oxford University Press |Ort=Oxford |Datum=2020 |ISBN=978-0-19-874870-0 |Seiten=125 |Sprache=en |Online={{Google Buch |BuchID=N93QDwAAQBAJ |SeitenID=PA125}} |Zitat=I like Mr. Gorbachev. We can do business together.}}</ref>

Am 11. März 1985, dem Tag nach dem Tod des damaligen [[Generalsekretär]]s des ZK der KPdSU, Konstantin Tschernenko, wurde Gorbatschow mit 54 Jahren zum zweitjüngsten Generalsekretär in der Geschichte der Kommunistischen Partei gewählt.<ref>{{Literatur |Autor=William Taubman |Titel=Gorbatschow. Der Mann und seine Zeit |Verlag=C. H. Beck |Ort=München |Datum=2018 |ISBN=978-3-406-70044-6 |Seiten=255–264 |Online={{Google Buch |BuchID=-bVGDwAAQBAJ |SeitenID=PT313}}}}</ref> Auf seiner ersten Reise, im Mai 1985 nach St. Petersburg, zeigte sich Gorbatschow auf der Straße und sprach mit den Bürgern, was seit [[Wladimir Iljitsch Lenin|Lenin]] kein sowjetischer Parteichef mehr getan hatte.<ref name=":0">{{Literatur |Autor=Christian Neef |Titel=(S+) Gorbatschows zerrüttetes Vermächtnis: Seine Träume, seine Fehler, seine Schwächen |Sammelwerk=Der Spiegel |Datum=2022-09-01 |ISSN=2195-1349 |Online=https://www.spiegel.de/ausland/michail-gorbatschow-seine-traeume-seine-fehler-seine-schwaechen-a-f03f5fb6-3b50-4ff4-84a0-626543d28bbf |Abruf=2022-09-01}}</ref> Zu Beginn seiner Amtszeit startete er mit Restriktionen für den Verkauf von [[Wodka]], der Schließung von Brauereien und Destillerien sowie dem Vernichten von Weinstöcken die [[Anti-Alkohol-Kampagne in der Sowjetunion 1985–1991|größte Anti-Alkohol-Kampagne, die es jemals in der UdSSR gab]].<ref>{{Literatur |Autor=[[Wladislaw Subok|Vladislav M. Zubok]] |Titel=Collapse. The Fall of the Soviet Union |Verlag=Yale University Press |Ort=New Haven |Datum=2021 |ISBN=978-0-300-25730-4 |Seiten=23–24 |Sprache=en |Online={{Google Buch |BuchID=Bq9FEAAAQBAJ |SeitenID=PA23}}}}</ref> Auf seiner ersten Westreise im Oktober 1985 begab sich Gorbatschow zuerst nach [[Frankreich]], wo er gegenüber der [[Französische Nationalversammlung|französischen Nationalversammlung]] einen Abbau von sowjetischen [[RSD-10|SS-20]]-Atomraketen, deren Aufstellung den [[NATO-Doppelbeschluss]] ausgelöst hatte, anbot. Den gleichen Vorschlag unterbreitete er dem US-Präsidenten [[Ronald Reagan]] einen Monat später in [[Genf]].<ref name=":0" />

Als De-facto-Herrscher der [[Sowjetunion]] führte er die Konzepte [[Glasnost]] (‚Offenheit‘) und [[Perestroika]] (‚Umstrukturierung‘) in die politische Arbeit ein. Dabei stützte er sich auf einen kleinen Kreis von Vertrauten wie [[Alexander Nikolajewitsch Jakowlew]]. Dieser Prozess begann während des 27. [[Kommunistische Partei der Sowjetunion#Parteitage|Parteitages der KPdSU]] im Februar 1986.

Im selben Jahr distanzierte sich Gorbatschow von der [[Breschnew-Doktrin]] (seine Position wird als [[Sinatra-Doktrin]] bekannt) und ermöglichte damit, dass die Länder des [[Warschauer Pakt]]s ihre Staatsform fortan selbst bestimmen konnten. Die neue Freiheit führte 1989 zu einer Reihe überwiegend friedlicher Revolutionen in [[Osteuropa]], die den [[Kalter Krieg|Kalten Krieg]] beendeten. Vier Wochen nach dem Fall der [[Berliner Mauer]], von dem Gorbatschow überrascht wurde, traf er am 2. und 3. Dezember 1989 vor [[Malta]] auf dem sowjetischen [[Maxim Gorkiy|Kreuzfahrtschiff ''Maxim Gorki'']] zu einem Gipfelgespräch mit dem [[Präsident der Vereinigten Staaten|US-Präsidenten]] [[George H. W. Bush]] zusammen und stellte dabei fest: „Der Kalte Krieg ist zu Ende.“ Zunächst lehnte Gorbatschow die [[deutsche Wiedervereinigung]], unter anderem wegen einer möglichen Mitgliedschaft Deutschlands in der [[NATO]] und einer damit einhergehenden [[NATO-Osterweiterung]], ab. Erst nach der ersten freien [[Volkskammerwahl 1990|Volkskammerwahl in der DDR]], bei der am 18. März 1990 die für die deutsche Einheit eintretenden Gruppierungen die absolute Mehrheit gewonnen hatten, sowie der Resolution des [[Deutscher Bundestag|Bundestags]] über die Anerkennung der [[Oder-Neiße-Grenze]] als Westgrenze Polens gab er seinen Widerstand gegen den die Wiedervereinigung anstrebenden Kurs von [[Bundeskanzler (Deutschland)|Bundeskanzler]] [[Helmut Kohl]] auf.<ref>[https://www.recensio.net/rezensionen/zeitschriften/sehepunkte/11/09/michail-gorbatschow-und-die-deutsche-frage ''Aleksandr Galkin / Anatolij Tschernjajew (Hgg.): Michail Gorbatschow und die deutsche Frage''] ''sehepunkte,'', 11 (2011), Nr. 9.</ref><ref name=":0" /> Gorbatschow erhielt 1990 den [[Friedensnobelpreis]].<ref>[[Rudolf Augstein]]: [http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13502767.html ''Unantastbar, doch gefährdet.''] In: ''[[Der Spiegel]],'', 22. Oktober 1990.</ref>

In der [[Aserbaidschanische Sozialistische Sowjetrepublik|Sowjetrepublik Aserbaidschan]] hatten sich um 1988 wegen Auseinandersetzungen mit der sowjetischen Führung und der benachbarten [[Armenische Sozialistische Sowjetrepublik|Sowjetrepublik Armenien]] nach Unabhängigkeit strebende, politische Gruppierungen wie die [[Volksfront Aserbaidschans|Volksfront]] gebildet. Die Bewegung organisierte Demonstrationen gegen kommunistische Funktionäre und für [[Aserbaidschan]]s Unabhängigkeit von der Sowjetunion. Am 15. Januar 1990 übernahmen die Volksfront und andere Dissidenten viele Gebiete Aserbaidschans und verdrängten kommunistische Funktionäre. Am 18. Januar 1990 blockierten sie die Hauptzugangswege nach [[Baku]]. Um weitere Unruhen zu verhindern und die Bemühungen der Unabhängigkeitsbewegung zum Sturz des kommunistischen Regimes zu beenden, erklärten Gorbatschow und Verteidigungsminister [[Dmitri Timofejewitsch Jasow|Dmitri Jasow]] für Baku den [[Ausnahmezustand]]. Am 20. Januar 1990 kam es zum Einsatz der [[Sowjetarmee]]. Dabei wurden mehr als 130 Personen, überwiegend Aserbaidschaner, getötet und etwa 800 Menschen verletzt. Die Entscheidung, den Ausnahmezustand zu verhängen und die Streitkräfte zu entsenden, bezeichnete Gorbatschow später als {{" |den größten Fehler seiner politischen Karriere}}.<ref>{{Internetquelle |autor=Katarina Hall |url=http://blog.victimsofcommunism.org/azerbaijans-black-january/ |titel=AZERBAIJAN’S BLACK JANUARY |datum=2016-01-20 |sprache=en |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20171027231805/http://blog.victimsofcommunism.org/azerbaijans-black-january/ |archiv-datum=2017-10-27 |abruf=2017-10-27}}</ref> Zu einem ähnlichen Vorgang im April 1989, bei dem bei einer friedlichen antisowjetischen Demonstration in der georgischen Hauptstadt [[Tiflis]] 21 Menschen durch von [[Alexander Lebed]] angeführte Sondereinheiten der sowjetischen Armee getötet wurden, erklärte Gorbatschow, diesen Armeeeinsatz nicht befohlen bzw. vorab keine Kenntnis davon gehabt zu haben.<ref name=":0" />

ImAm 19. August desselben Jahres unternahmen einige orthodoxe kommunistische Politiker, zusammen mit einem Teil des Militärs und angeführt vom [[Staatskomitee für den Ausnahmezustand]], einenden sogenannten [[Augustputsch in Moskau|Putschversuch in Moskau]], während dessen Gorbatschow, seine Frau Raissa und die Leibwache drei Tage unter Hausarrest in einer Regierungsresidenz auf der Halbinsel [[Krim]] standen. Dem damals neugewählten Präsidenten der [[Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik|Russischen SFSR]], [[Boris Nikolajewitsch Jelzin|Boris Jelzin]], gelang es, die Putschisten auszuschalten und die Staatsgewalt zu übernehmen. Damit war die Sowjetmacht in die Hände der russischen Unionsrepublik übergegangen, was einenam Tag24.&nbsp;August, drei Tage nach der Niederschlagung des Putsches, die [[Geschichte der Ukraine#Erneute Unabhängigkeit|Unabhängigkeitserklärung der Ukraine]] zur Folge hatte. Während Gorbatschow diese zunächst ignorierte, erkannte er – nach dem Scheitern des Augustputsches de facto durch Jelzin entmachtet – noch im gleichen Monat die Unabhängigkeit der [[Baltikum|baltischen]] Staaten [[Estland]], [[Lettland]] und [[Litauen]] an. Unmittelbarer Anlass für den Putsch war die bevorstehende Unterzeichnung eines neuen Unionsvertrags, der den Sowjetrepubliken weitgehende Autonomie zugestand. Gorbatschow, der diesen Machtverlust hatte hinnehmen müssen, spielte eine zweideutige Rolle. Wie er später einräumte, wusste er von den Putschplänen, reiste aber trotzdem in den Urlaub auf die Krim – und nährte so Spekulationen, dass er selbst auf eine Restaurierung der Zentralmacht durch die Putschisten setzte.<ref>[https://www.nzz.ch/meinung/putsch-gegen-gorbatschow-als-jelzin-die-panzer-auffahren-liessl-ld.1640312 ''Als Boris Jelzin auf den Panzer stieg – vor dreissig Jahren scheiterte in Moskau der Versuch von Apparatschiks, den sanften Reformer Gorbatschow wegzuputschen und den «chinesischen Weg» durchzupeitschen.''.]</ref>

Nach dem misslungenen Putsch wurden die Putschisten („Bande der Acht“) festgenommen. Jelzin erließ während einer weltweit übertragenen Ansprache Gorbatschows vor dem russischen Parlament ein [[Dekret]] zum Verbot der Tätigkeit der KPdSU auf russischem Boden während einer weltweit übertragenen Ansprache Gorbatschows vor dem russischen Parlament und unterbrach Gorbatschows Rede zur Verkündung seines Erlasses Gorbatschows Rede. GorbatschowDieser – nicht nur sowjetischer Präsident, sondern zu diesem Zeitpunkt auch noch Generalsekretär der gerade für illegal erklärten KPdSU – wirkte völlig überrumpelt.

Diese demütigende Machtdemonstration Jelzins gegenüber Gorbatschow beschleunigte den Abspaltungsprozess der übrigen Republiken, da sich die Entmachtung des Zentralstaates zu Gunsten der Teilrepubliken vor aller Welt eindrucksvoll manifestierte. Es ist fraglich, ob sich Jelzin der vollen Tragweite seiner Handlung bewusst war.

|ref=<ref name="Spiegel_2011">Matthias Schepp, Christian Neef: [http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-79974018.html ''Es waren wirklich Idioten''] In: ''[[Der Spiegel]],'', 15. August 2011.</ref>}}

Im Juni 2006 erwarb er gemeinsam mit dem ehemaligen [[Duma]]abgeordneten [[Alexander Jewgenjewitsch Lebedew|Alexander Lebedew]] (zuletzt Partei [[Gerechtes Russland]]) 49 Prozent der Anteile an der ''[[Nowaja gaseta]].''. Gorbatschow hatte die Zeitung schon bei ihrer Gründung unterstützt, während Lebedew erklärte, damit sollten unerwünschte Investoren ferngehalten werden.<ref>[http://www.aktuell.ru/russland/medien_internet/gorbatschow_ist_teilhaber_bei_der_nowaja_gaseta_387.html ''Gorbatschow ist Teilhaber bei der Nowaja Gaseta.''], ''Russland-Aktuell,'', 9. Juni 2006.</ref>

Mit Blick auf die [[Proteste nach den russischen Parlamentswahlen 2011|Massenproteste]] gegen die von Fälschungsvorwürfen überschattete [[Parlamentswahl in Russland 2011|Parlamentswahl am 4. Dezember 2011]] forderte Gorbatschow die Annullierung der Wahl<ref>''[http://www.taz.de/Proteste-in-Russland/!83301/ Druck der Straße lässt nicht nach.]'' In: ''taz.de,'', 7. Dezember 2011.</ref> und meinte:

|ref=<ref name="n-tv_2011">[httphttps://www.n-tv.de/politik/Gorbatschow-fordert-Ruecktritt-article5076901.html ''Putin sollte gehen: Gorbatschow fordert Rücktritt.''] In: n-tv, 24. Dezember 2011.</ref>}}

In einem Interview 2014 begrüßte er die [[Annexion der Krim 2014|Annexion der zur Ukraine gehörenden Halbinsel Krim]] als „Wiedervereinigung“ und bezeichnete sie als einen „Moment des Glücks“.<ref>[[Moritz Gathmann]]: [https://www.suedostschweiz.ch/zeitung/ein-mauerfaeller-und-tragischer-held ''Ein Mauerfäller und tragischer Held.''] In: ''[[Die Südostschweiz]],'', 8. November 2014.</ref><ref>Friedrich Schmidt: [https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/nachruf-auf-gorbatschow-kreml-chef-mit-menschlichem-antlitz-18282393.html ''Der Kreml-Chef mit dem menschlichen Antlitz''] ''faz.net,'', 31. August 2022.</ref> Während seines Besuches in Berlin im November desselben Jahres sprach er sich gegen Kritik an Präsident Putin und der aktuellen russischen Außenpolitik (Krim, [[Krieg in der Ukraine seit 2014|Ostukraine]]) aus:

|ref=<ref name="faz20141106">[httphttps://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/gorbatschow-lobt-putin-in-hoechsten-toenen-13251703.html ''Gorbatschow lobt Putin in höchsten Tönen.''] In: ''FAZ,'', 6. November 2014, abgerufen am 8. November 2014.</ref>}}

Gorbatschow kritisierte stattdessen die USA; er warf ihrihnen vor, „Probleme“ der Ukraine als Vorwand zur Einmischung bei anderen Ländern zu nutzen.<ref name="faz20141106" /> Hingegen stellte er klar, dass es 1990 kein Versprechen der NATO betreffend einer [[NATO-Osterweiterung|Osterweiterung]] gegeben hatte.<ref>[http://rbth.co.uk/international/2014/10/16/mikhail_gorbachev_i_am_against_all_walls_40673.html ''Mikhail Gorbachev: I am against all walls.''], RBTH, 16. Oktober 2014; „The topic of “NATO expansion” was not discussed at all, and it wasn’t brought up in those years. I say this with full responsibility. Not a singe Eastern European country raised the issue, not even after the Warsaw Pact ceased to exist in 1991.“</ref> <!--Doch widersprach er sich damit selbst, da er sich ein anderes Mal gegenteilig geäußert hatte.<ref name=":02">{{Internetquelle |autor=Klaus Wiegrefe |url=https://www.spiegel.de/panorama/nato-osterweiterung-was-hat-der-westen-1990-heimlich-dem-kreml-zugesagt-a-38b7dc85-ab4f-48db-837d-1b974c8ae95a |titel=Nato-Osterweiterung: Was hat der Westen 1990 heimlich dem Kreml zugesagt? |werk=Der Spiegel |datum=2022-02-10 |abruf=2022-02-11}}</ref><ref>Klaus Wiegrefe: [https://www.spiegel.de/politik/held-des-rueckzugs-a-b1b4d434-0002-0001-0000-000130458614 ''Zeitgeschichte: Held des Rückzugs.''] In: ''Spiegel,'' 23. November 2014.</ref>-->

Der von vielen Russen heftig kritisierte Gorbatschow lebte zuletzt in einem Spital.<ref>[https://www.blick.ch/ausland/ex-kreml-fuehrer-gorbatschow-zum-ukraine-krieg-putin-nimmt-nicht-einmal-das-telefon-ab-id17751827.html Gorbatschow zum Ukraine-Krieg: «Putin nimmt nicht einmal das Telefon ab»], Blick, 1. August 2022. Untertitel wurde nach dem Tod Gorbatschows ergänzt.</ref> Der [[The Guardian|''Guardian'']] schrieb, er habe lange genug gelebt, um zu erfahren, wie sein Werk zerbröckelte oder in die Luft gesprengt wurde.<ref>[https://www.theguardian.com/world/2022/aug/30/gorbachev-political-legacy-destroyed-by-putin How Gorbachev’s political legacy was destroyed by Putin], The Guardian, 30. August 2022.</ref>

Am Abend des 30. August 2022 starb Gorbatschow im Alter von 91 Jahren<ref>{{Internetquelle |url=https://www.sueddeutsche.de/politik/michail-gorbatschow-gestorben-frueherer-praesident-der-sowjetunion-1.5648174 |titel=Michail Gorbatschow ist tot |werk=sueddeutsche.de |hrsg=[[Süddeutsche Zeitung]] |datum=2022-08-30 |sprache=en |abruf=2022-08-30}}</ref> nach „langer und schwerer“ Krankheit im [[Zentralkrankenhaus (Moskau)|Zentralen Klinischen Krankenhaus (ZKB)]] in Moskau.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.bbc.com/russian/features-36656537 |titel=Михаил Горбачев – человек мира и архитектор перестройки |werk=bbc.com |hrsg=[[British Broadcasting Corporation|BBC]] |datum=2022-08-30 |sprache=ru |abruf=2022-09-01}}</ref><ref>[https://www.welt.de/politik/ausland/article240774389/Michail-Gorbatschow-ist-gestorben.html ''Michail Gorbatschow ist gestorben.''] In: ''[[welt.de]],'', 30. August 2022.</ref> Er litt laut Medienberichten seit Juli 2022 an einer Nierenkrankheit<ref>{{Internetquelle |url=https://www.bunte.de/stars/star-life/stars-privat/michail-gorbatschow-ex-praesident-russlands-schwer-krank-er-muss-zur-blutwaesche.amp.html |titel=Michail Gorbatschow: Ex-Präsident Russlands schwer krank, er muss zur Blutwäsche {{!}} BUNTE.de |abruf=2023-12-30}}</ref> und bereits 2014 wurde er aufgrund einer Diabeteserkrankung einmal in ein Krankenhaus eingeliefert.<ref>{{Literatur |Titel=Michail Gorbatschow: Wegen schwäche im Krankenhaus |Sammelwerk=Der Spiegel |Datum=2014-10-10 |ISSN=2195-1349 |Online=https://www.spiegel.de/politik/ausland/michail-gorbatschow-wegen-schwaeche-im-krankenhaus-a-996386.html |Abruf=2023-12-30}}</ref> Tausende Menschen nahmen von ihm Abschied. Vor dem Gebäude, in dem der Sarg [[Aufbahrung#Offene und geschlossene Aufbahrung|offen aufgebahrt]] war, bildete sich eine Schlange.<ref>[https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2022-09/michail-gorbatschow-beerdigung-fs ''Michail Gorbatschow Beerdigung''] In: zeit.de</ref> Gorbatschow wurde am 3. September 2022 in Moskau auf dem [[Nowodewitschi-Friedhof|Neujungfrauenfriedhof]] für Prominente (Sektion&nbsp;131) neben seiner Frau Raissa öffentlich beigesetzt.<ref>{{Internetquelle |autor=Klaus Nerger |url=http://knerger.de/html/gorbatscpolitiker_75.html |titel=Das Grab von Michail Sergejewitsch Gorbatschow |werk=knerger.de |abruf=2023-08-30}}</ref> Ungarns Ministerpräsident [[Viktor Orbán]] nahm an der Trauerfeier teil, der russische Präsident [[Wladimir Wladimirowitsch Putin|Wladimir Putin]] war aufgrund vonangeblicher „Terminproblemen“Terminprobleme nicht anwesend. Anders als andere Kremlchefs wie zuletzt 2007 Boris Jelzin erhielt Gorbatschow weder ein Staatsbegräbnis, noch wurde ein nationaler Trauertag ausgerufen.<ref>[https://novayagazeta.eu/articles/2022/09/01/peskov-putin-ne-priedet-na-pokhorony-mikhaila-gorbacheva-iz-za-rabochego-grafika-news Peskow: Putin wird wegen des Arbeitsplans nicht zur Beerdigung von Michail Gorbatschow kommen.] [[Nowaja gaseta. Europa]], 1. September 2022.</ref><ref>{{Internetquelle|url=https://www.tagesschau.de/ausland/gorbatschow-trauerfeier-101.html|titel=Tausende nehmen Abschied von Gorbatschow|werk=TageschauTagesschau|datum=2022-09-03|abruf=2022-09-03}}</ref><ref>[https://meduza.io/feature/2022/09/03/tut-dolzhny-stoyat-milliony-a-stoyat-tysyachi Hier sollten Millionen sein, stattdessen sind es Tausende], Meduza, 3. September 2022 (Bildbericht); „Sagst du mir, warum die Sowjetunion zusammengebrochen ist? -– Das erzähle ich dir zu Hause, sonst nehmen sie uns rein.“</ref>

Gorbatschows persönliche Bilanz 2014, 25 Jahre nach dem „großen Umbruch“, fiel verbittert aus: Nirgendwo im Westen habe es damals einen echten Partner für ihn gegeben; wahrscheinlich habe keiner im anderen Lager auch nur annähernd begriffen, welches Risiko er, der damals mächtigste Mann jenseits des [[Eiserner Vorhang|Eisernen Vorhangs]], mit dem politischen Konzept „Glasnost und Perestroika“ eingegangen sei. Er hätte ein gemeinsames „Haus Europa“ angestrebt und habe stattdessen eine Siegermentalität angetroffen. Das sei am Ende der Grund gewesen, warum Russland, nach dem „politischen Ausverkauf“ und der „ökonomisch-politischen Anarchie“ der Jelzin-Jahre (1991–1999), einen „Machtmenschen“ wie [[Wladimir Wladimirowitsch Putin|Wladimir Putin]] geradezu gebraucht hätte, wollte es nicht gänzlich aus der Weltpolitik verschwinden.<ref name="Entwaffnung">[[Antje Vollmer]], [[Hauke Ritz]]: [https://www.fr.de/kultur/mutwillig-verspielt-11441521.html ''Mutwillig verspielt''] In: ''Frankfurter Rundschau,'', 24. Januar 2014.</ref>

Dem russischen Präsidenten Putin warf er vor, eine „Imitation von Demokratie“ geschaffen zu haben; die Führung des Landes wolle „ohne jegliche Kontrolle regieren und ihren eigenen materiellen Wohlstand sichern“. Hingegen verteidigte Gorbatschow [[Kaukasuskrieg 2008|die russische Intervention in Georgien 2008]] und die [[Annexion der Krim 2014]].<ref name=fazM21>[https://www.faz.net/aktuell/politik/geschichte/staatsmann-oder-totengraeber-michail-gorbatschow-zum-90-17222351.html ''Der Mann, der die Sowjetunion retten wollte''] ''faz.net,'', 2. März 2021.</ref> Die Behauptung, ihm sei in Gesprächen über die deutsche Vereinigung 1990 ein Verzicht auf eine [[NATO-Osterweiterung]] versprochen worden, stützte er zunächst, wies sie später jedoch als „Mythos“ zurück.<ref name=fazM21/><ref name=dlf19>Andreas von Westphalen: [https://www.hoerspielundfeature.de/russland-und-die-deutsche-einheit-1990-die-wurzeln-des-102.html ''Die Wurzeln des Misstrauens,'', ab min. 01:54] In: ''[[Deutschlandfunk]]'' 10. Dezember 2019.</ref>

In [[Russland]] ist Gorbatschow dagegen weitgehend unbeliebt, weil er nach verbreiteter Meinung den Zusammenbruch der Sowjetunion und die folgende Phase wirtschaftlicher und politischer Unsicherheit verursachte. Zwar wurde er anlässlich seines 80. Geburtstages für Verdienste als Staatsmann mit der höchsten Auszeichnung Russlands, dem [[Orden des Heiligen Andreas des Erstberufenen|Andreas-Orden]], geehrt,<ref>[http://www.aktuell.ru/russland/news/gorbatschow_bekommt_hoechsten_orden_zum_geburtstag_29012.html ''Gorbatschow bekommt höchsten Orden zum Geburtstag''] In: ''Russland-Aktuell,'', 2. März 2011.</ref> jedoch erfuhr er im Land auch viel Kritik und Hass für seine Präsidentschaft.<ref>{{Webarchiv |url=https://www.deutschlandradio.de/gorbi-hier-verraeter-dort.331.de.html?dram:article_id=203878 |wayback=20220407135918 |text=''Gorbi hier – Verräter dort''}} In: ''Deutschlandradio,'', 2. März 2011.</ref><ref>Christian Neef: [https://www.spiegel.de/politik/ausland/todesmeldung-von-gorbatschow-loest-shitstorm-in-russland-aus-a-915614.html ''Russlands Hass auf Gorbatschow: Shitstorm gegen den Totgesagten''] In: ''Spiegel Online,'', 8. August 2013.</ref> [[Sergei Michailowitsch Mironow]], Vorsitzender des russischen [[Föderationsrat (Russland)|Föderationsrates]] in den Jahren 2001 bis 2011, bezichtigte Gorbatschow wegen dessen Unterschrift im Jahr 1991 zu den [[START]]-Abrüstungsverträgen des [[Landesverrat]]es.<ref>[https://www.deutschlandfunk.de/michail-gorbatschow-im-jahr-2009-die-deutsche-presse-ist.694.de.html?dram:article_id=67142 ''„Die deutsche Presse ist die bösartigste überhaupt“.''], Michail Gorbatschow im Gespräch mit [[Sabine Adler]]. In: ''Deutschlandfunk,'', 14. Mai 2009.</ref> Im April 2014 planten Abgeordnete (drei von der [[Kommunistische Partei der Russischen Föderation|Kommunistischen Partei der Russischen Föderation]], zwei von [[Einiges Russland]]) des russischen Parlamentes um [[Iwan Ignatjewitsch Nikittschuk|Iwan Nikittschuk]], Gorbatschow wegen seines Handelns im Dezember 1991 zu verklagen, weil er das Land absichtlich „in den Abgrund“ geführt hätte.<ref>[https://www.theguardian.com/world/2014/apr/10/russian-mps-say-mikhail-gorbachev-should-prosecuted-treason Russian MPs say Mikhail Gorbachev should be prosecuted for treason], theguardian.com, 10. April 2014; [https://www.bbc.com/news/world-europe-26975865 Russian MPs demand Gorbachev trial over Soviet collapse], bbc.com, 10. April 2014.</ref> Nach Gorbatschows Tod erklärte der Vizepräsident der Staatsduma, [[Witali Milonow]], Gorbatschow habe ein Vermächtnis hinterlassen, das {{"|für unser Land schlimmer als [[Adolf Hitler|Hitler]]}} sei.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.theguardian.com/world/2022/aug/31/mikhail-gorbachev-tributes-pour-in-for-one-of-a-kind-soviet-leader |titel=Mikhail Gorbachev: tributes pour in for ‘one-of-a kind’ Soviet leader |datum=2022-08-31 |sprache=en |abruf=2022-09-01}}</ref>

Seit dem Ende seiner Präsidentschaft beschäftigte sich Gorbatschow neben der nachsowjetischen Politik vor allem mit Musik. Er veröffentlichte gemeinsam mit der Schauspielerin [[Sophia Loren]] und dem Ex-US-Präsidenten [[Bill Clinton]] 2003 einedas Hörbuch "Peter und der Wolf" als Kinder-CD und erhielt dafür einen [[Grammy]].<ref>[https://www.grammy.com/artists/mikhail-gorbachev/8898 Eintrag zum Jahr 2003 auf der offiziellen Seite der Grammy-Awards], abgerufen am 13. Februar 2012.</ref> Er hatte zudem einen Gastauftritt im Film [[In weiter Ferne, so nah!]] von [[Wim Wenders]], in dem er sich selbst spielt.

Seit dem Tod seiner Frau [[Raissa Maximowna Gorbatschowa|Raissa Gorbatschowa]] 1999 lebte er unweit seiner Tochter Irina Wirganskaja (* 1957)<ref>[https://viaf.org/viaf/150879989/ Virganskaja, Irina M. 1957-], viaf.org.</ref> bei Moskau.<ref name="ru4306" /> Die Gorbatschows haben zwei Enkeltöchter.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.ardmediathek.de/video/dokus-im-ersten/gorbatschow-eine-begegnung-hoerfassung/das-erste/Y3JpZDovL21kci5kZS9iZWl0cmFnL2Ntcy82MmU3OTJiNC00ODllLTQxZWQtOTJkOC1jN2Y1MTg5MDdhMTcvYXVkaW9kZXNrcmlwdGlvbg |titel=Gorbatschow -– Eine Begegnung -– Hörfassung |titelerg=Michail Gorbatschow ermöglichte das Ende des Kalten Krieges und die deutsche Einheit. Aber im eigenen Land galt er als "Totengräber der UdSSR". Regisseur Werner Herzog traf den früheren Spitzenpolitiker zum Interview. |werk=www.ardmediathek.de |datum=2022-08-31 |abruf=2022-09-03 |kommentar=Fundstelle: 1:16:04 (Sunde:Minute:Sekunde)}}</ref> Gorbatschow war Eigentümer der Villa [[Hubertus-Schlössl]] in Graz und eines Hauses im Ortsteil Oberach von [[Rottach-Egern]] am Tegernsee.<ref>{{Internetquelle |url=httphttps://www.sueddeutsche.de/bayern/rottach-egern-michail-gorbatschow-verkauft-sein-haus-am-tegernsee-1.3390788 |titel=Michail Gorbatschow verkauft sein Haus am Tegernsee |werk=sueddeutsche.de |datum=2017-02-22 |zugriffabruf=2018-03-11}}</ref>

Mehrere Londoner Tageszeitungen behaupteten im März 2008 fälschlicherweise, er habe sich bei einem Besuch in [[Assisi]] zum Christentum bekannt.<ref>Malcolm Moore: [https://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/1582213/Mikhail-Gorbachev-admits-he-is-a-Christian.html ''Mikhail Gorbachev admits he is a Christian.''] In: ''[[The Daily Telegraph]],'', 19. März 2008 (englisch).</ref> Gorbatschow stellte aber klar, dass er kein [[Christentum|Christ]], sondern nach wie vor [[Atheismus|Atheist]] sei.<ref>[https://kath.net/news/19395 ''Gorbatschow stellt klar: Ich bin kein Christ.''], Katholische Nachrichten vom 26. März 2008.</ref>

[[Datei:Gorbatschow-Büste auf MS Deutschland.JPG|mini|Gorbatschow-Büste von [[Serge Mangin]] auf dem [[Deutschland (Schiff, 1998)|Kreuzfahrtschiff ''Deutschland'']]|mini]]

* 2011: [[Orden des Heiligen Andreas des Erstberufenen]]<ref>[http://www.focus.de/politik/weitere-meldungen/russland-michail-gorbatschow-wird-mit-hoechstem-orden-russlands-ausgezeichnet_aid_604937.html ''Michail Gorbatschow wird mit höchstem Orden Russlands ausgezeichnet.''] In: ''[[Focus]],'', 2. März 2011.</ref>

* 2017: Löwenherz-Ehrenpreis der Hilfsorganisation Human Projects für Frieden, Freiheit, Aufklärung, Integration und eine gerechtere Welt<ref>''[https://www.humanprojects.de/work/loewenherz-2017/ Preisträger 2017],'', Human Projects.</ref>

* Den am häufigsten zitierten Satz „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“ (Ost-Berlin, 6. Oktober 1989) hat Gorbatschow selbst, zumindest wörtlich und öffentlich, so nie gesagt. Gorbatschow, der die DDR aus Anlass der [[Ehrenparade der Nationalen Volksarmee zum 40. Jahrestag der DDR|Feierlichkeiten zum 40. Geburtstag]] besuchte, ehrte am 6. Oktober kurz nach seiner Ankunft in Ost-Berlin in der Neuen Wache unter den Linden die Opfer des Faschismus.<ref name="FAZ">Ulla Plog: [httphttps://www.faz.net/aktuell/politik/15-jahre-danach-wer-zu-spaet-kommt-den-bestraft-das-leben-1191290.html „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“] In: ''[[Frankfurter Allgemeine Zeitung]],'', 6. Oktober 2004.</ref> Danach ging er spontan auf die wartenden Journalisten zu und sagte in die laufenden Kameras „Я думаю, опасности только подстерегают тех, кто не реагирует на жизнь. […]“ ''(„Ja dumaju, opasnosti tolko podsteregajut tech, kto ne reagirujet na shisn. […]“),'', was vom Dolmetscher live mit den folgenden Worten übersetzt wurde: „Ich glaube, Gefahren warten nur auf jene, die nicht auf das Leben reagieren. Und wer die vom Leben ausgehenden Impulse – die von der Gesellschaft ausgehenden Impulse aufgreift und dementsprechend seine Politik gestaltet, der dürfte keine Schwierigkeiten haben, das ist eine normale Erscheinung.“<ref>[[Spiegel TV]]: ''Fünf Wochen im Herbst. Protokoll einer deutschen Revolution.''. Video von 1990.</ref> Diesen Reformgedanken äußerte er während seines Besuches in Berlin noch mehrere Male, sowohl vor der DDR-Staatsführung<ref name="FAZ" /><ref>{{Literatur |Autor=William Taubman |Titel=Gorbatschow. Der Mann und seine Zeit |Verlag=C. H. Beck |Ort=München |Datum=2018 |ISBN=978-3-406-70044-6 |Seiten=573–574 |Online={{Google Buch |BuchID=-bVGDwAAQBAJ |SeitenID=PT710}}}}</ref> als auch – laut Augenzeugen, darunter [[Jens Reich]] – vor einer Menschenmenge in Ost-Berlin, hier auf Russisch nur leicht verändert: „Трудности подстерегают тех, кто не реагирует на жизнь“ („Trudnosti podsteregajut tech, kto ne reagirujet na shisn“).<ref>[http://web.uni-frankfurt.de/fb10/schlosser/lingua.html ''Neuere Forschungen und Funde zur deutschen Sprache.''], Website der [[Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main]].</ref> Zu Deutsch: „Schwierigkeiten lauern auf den, der nicht auf das Leben reagiert.“

:* Laut [[Christoph Drösser]] schreibt Gorbatschow in seinen Memoiren, er habe zwei Tage später Honecker in einem Vieraugengespräch gesagt: „Das Leben verlangt mutige Entscheidungen. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“<ref>[[Stimmt’s?]]: ''[http://www.zeit.de/stimmts/1999/199941_stimmts_gorbatsc Gorbis Warnung].'' In: ''[[Die Zeit]].''. Nr. 41/1999.</ref>

: Einem Dokumentarfilm von Ignaz Lozo zufolge, der am 17. Oktober 2010 bei Phoenix ausgestrahlt wurde, bezog sich diese Äußerung Gorbatschows nicht auf Honecker oder die DDR, sondern auf die Genossen daheim in der Sowjetunion. Man müsste den Verlauf des ganzen auf der Straße gegebenen Interviews betrachten, um zu einer klareren Einschätzung zu kommen. Der ehemalige DDR-Staatsratsvorsitzende [[Egon Krenz]] erklärte zwei Jahrzehnte später in einer Fernsehdokumentation, Gorbatschow habe diesen Satz „auf sich selbst gemünzt“.<ref>[http://www.dctp.tv/filme/ddr_egon_krenz_aus-dem-tageslauf-eines-ddr-spitzenpolitikers/ ''Aus dem Tageslauf eines DDR-Spitzenpolitikers.''], dctp.tv.</ref>

* ''Gorbatschow. Paradies.''. Dokumentarfilm von [[Witali Wsewolodowitsch Manski|Witali Manski]], LZ/CZ/F, 2020. Gezeigt in ARTE, 17. August 2021, 20:15–22:00 Uhr (in Interviewform) {{YouTube|id=lpIUHQojWRE}} (Video verfügbar bis zum 28. Februar 2023)

* [https://www.phoenix.de/sendungen/dokumentationen/mensch-gorbatschow-a-2056700.html ''Mensch Gorbatschow! Der Genosse, der die Welt veränderte.'']. Film von Bärbel Jacks, ZDF 2021. Gezeigt im ZDF, 1. September 2022 ([https://www.zdf.de/dokumentation/zdfzeit/zdfzeit-mensch-gorbatschow-100.html Video] verfügbar bis 30. November 2022)

* ''Erinnerungen.'' [[Wolf Jobst Siedler|Siedler]], Berlin 1995, ISBN 3-88680-524-7, ISBN 3-442-72037-0.

* ''Das neue Russland: der Umbruch und das System Putin'' (Originaltitel: ''Posle Kremlja,'', übersetzt von [[Boris Reitschuster]]). [[Bastei Lübbe|Quadriga]], Köln 2015, ISBN 978-3-86995-082-2.

* ''Was jetzt auf dem Spiel steht. Mein Aufruf für Frieden und Freiheit.''. Siedler, München 2019, ISBN 978-3-8275-0128-8.

* [[Wilfried Bergmann (Rechtswissenschaftler)|Wilfried Bergmann]], [[Werner Krawietz]] (Hrsg.): ''Nach 20 Jahren Perestrojka – Wege zu einer neuen Weltordnung: Michael S. Gorbatschow und Richard von Weizsäcker im Gespräch auf dem Petersberg in Bonn.''. In: ''Gorbatschow-Sonderheft / im Benehmen mit dem [[Petersburger Dialog]],'', Band 40 (2009), Heft 2, Duncker & Humblot, Berlin 2009, ISBN 978-3-428-13236-2 (=&nbsp;''Rechtstheorie,'', Band 2, 2009).

* [[György Dalos]]: ''Gorbatschow. Mensch und Macht. Eine Biographie.'' Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-61340-1.<ref>{{Internetquelle |url=httphttps://www.sehepunkte.de/2012/02/19328.html |titel=Sehepunkte – Rezension von: Gorbatschow – Ausgabe 12 (2012), Nr.&nbsp;2 |abruf=2022-08-31}}</ref>

* Aleksandr Galkin, Anatolij Tschernjajew (Hrsg.): ''Michail Gorbatschow und die deutsche Frage. Sowjetische Dokumente 1986–1991.''. Oldenbourg, München 2011, ISBN 978-3-486-58654-1.

* ''Frank Golczewski:'': ''Idol oder Hassobjekt. Die Folgen von Michail Gorbače&#x034F;̈vs historischer Rolle.'' In: [[Michael Epkenhans]], [[Ewald Frie]] (Hrsg.): ''Politiker ohne Amt. Von Metternich bis Helmut Schmidt'' (=&nbsp;Otto-von-Bismarck Stiftung Wissenschaftliche Reihe, Bd. 28). Schöningh, Paderborn 2020, ISBN 978-3-506-70264-7, S.&nbsp;223–237.

* [[Ignaz Lozo]]: ''Der Putsch gegen Gorbatschow und das Ende der Sowjetunion.''. Köln/Weimar/Wien 2014, ISBN 978-3-412-22230-7.

* [[William Taubman]]: ''Gorbatschow. Der Mann und seine Zeit. Eine Biographie.''. C.&nbsp;H. Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-70044-6 (englisch: ''Gorbachev. His Life and Times.'' New York 2017). Rezensiert von Renate Nimtz-Köster: ''[https://www.sueddeutsche.de/politik/sowjetunion-gorbatschow-der-anstaendige-anfuehrer-1.3992904 Gorbatschow – der anständige Anführer.]'' In: ''Süddeutsche Zeitung.'' 28. Mai 2018.

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* {{nobelNobel-fr|1990|Michail Gorbatschow}}

* [https://www.cicero.de/weltb%C3%BChne/das-kapital-ist-schuld/39221 M. Gorbatschow: ''Das Kapital ist schuld.'']. ''[[Cicero (Zeitschrift)|Cicero]],'', Dezember 2008

* Interview mit dem Historiker [[Stephen Kotkin]] [https://novayagazeta.eu/articles/2022/09/13/gorbachev-cut-the-military-putin-has-done-the-exact-opposite-and-is-russia-stronger-today-as-a-result ‘Gorbachev cut the military. Putin has done the exact opposite. And is Russia stronger today as a result?’ -– Prominent historian Stephen Kotkin talks about Gorbachev, Putin and ‘the core problem’ of Russian history], Nowajagaseta.eu, 15. September 2022

[[Kategorie:Ehrendoktor der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster]]