„Antiintellektualismus“ – Versionsunterschied

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Auch in Gedenk -und [[Propaganda]]schriften führender Nationalsozialisten äußert sich der Antiintellektualismus. So sind die Schriften häufig nicht auf einer theoretischen Grundlage verfasst, sondern auf biographischen und autobiographischen Ereignissen, die bei den unter 40-jährigen Nationalsozialisten eher auf die Zukunkft abzielten. Da die Nationalsozialisten in der [[Kampfzeit]] bis 1933 noch keine politischen Erfahrungen hatten, war der seherische Charakter ohne jegliche Faktengrundlage ein wichtiges Propagandainstrument. Das zu lange Zögern und Überlegen wurde Sozialisten, also laut der Propaganda Intellektuellen, nachgesagt.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.deutschlandfunk.de/zu-viel-nachdenken-ist-schlecht-100.html |titel=„Zu viel Nachdenken ist schlecht“ / Bislang wurden die Schriften von Goebbels, Hitler oder Röhms von der Forschung weitgehend vernachlässigt. Jetzt untersuchen Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum Machart und ideologische Struktur der Texte von NSDAP-Hauptfunktionären.|abruf=2022-04-08}}</ref>
Im Rahmen des verklärten idealen Landarbeiterlebens galten Intellektuelle als dekadent und Übel der modernen Entwicklung.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.diss-duisburg.de/2002/12/uber-rechten-anti-intellektualismus/ |titel=Über rechten Anti-Intellektualismus|abruf=2022-03-13}}</ref>
Auf der anderen Seite wurden moderne technische Erfindungen im Deutschen Reich zur Zeit des Nationalsozialismus geschätzt und staatlich unterstützt. Die [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] stützte sich außerdem auf eine große Wählerschaft von Lehrern und [[Professor]]en, die sich durch jüdische Konkurrenz bedroht fühlten. Auch sprachen sich Intellektuelle wie [[Martin Heidegger und der Nationalsozialismus|Martin Heidegger]] oder [[Gottfried Benn]] für den Nationalsozialismus aus.
 
== Antiintellektualismus im Stalinismus ==
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Unter dem [[Social Engineering (Politikwissenschaft)|Social Engineering]] der [[Khmer Rouge]] wurden Intellektuelle verfolgt.
In der [[UdSSR]] gab es besonders in den ersten Jahren viele Intellektuelle in der Regierung. Die meisten alteingesessenen Intellektuellen des ehemaligen [[Russisches Kaiserreich|Russischen Reiches]] wurden allerdings als Diener des Kapitals diskriminiert und repressioniert, wenn sie sich nicht dem Sozialismus zuwandten.<ref>Lenin, V. I. (1915). Letter from Lenin to Gorky. </ref> Viele sind ins Ausland geflohen, um dort ungestört ihre Arbeit fortzusetzen.
Nicht nur die Monarchisten der russischen Reichsregierung sondern auch Intellektuelle der [[Sozialrevolutionäre]]n waren unbeliebt und wurden von wichtigen Positionen vertrieben. Diese bildeten in der Frühzeit [[Sowjetrussland]]s einen großen Teil der sozialistischen Opposition zu den [[Bolschewiki|Bolschewisten]].<ref>Manfred Hildermeier, ''Die Russische Revolution 1905-1921'', Suhrkamp, Frankfurt 1989, S. 63 f</ref>
Besonders Juden unter den Intellektuellen gerieten schnell ins Visier von Antisemiten, die behaupteten und behaupten, dass die Juden für eine [[Weltjudentum|Weltverschwörung]] verantwortlich sind. Obwohl viele dieser Juden wie Leo Trotzki sich für die UdSSR einsetzten waren sie von der [[Intersektionalität|intersektionalen]] Form des [[Antisemitismus]] und Antiintellektualismus betroffen. Daher wurden viele von ihnen vernichtet oder mussten fliehen.<ref>{{Internetquelle |url=https://literaturkritik.de/kellermann-anarchismus-und-russische-revolution-im-sumpf-der-kleinen-rackets,23953.html |titel=Im Sumpf der kleinen Rackets |abruf=2022-04-09}}</ref>
In der zweiten großen Welle des Antisemitismus in der UdSSR um das Jahr 1950 herum, die in Verbindung mit der Gründung des [[Staat Israel|Staates Israel]] stand, trafen die repressiven Maßnahmen erneut primär intellektuelle Juden.
Eine neue gut gebildete Schicht wurde aber stark begrüßt, da Technologen aller Art für die [[Industrialisierung]] notwendig waren. So gab es 1897 im gesamten Russischen Reich nur 6000 Technologen und Ingenieure in allen Bereichen, wovon die meisten aus [[Westeuropa|westeuropäischen]] Staaten stammten.<ref>{{Literatur |Autor=Dr. Harro brack, Dr. Karl Dickopf, Gebhard Diemer MA, Dr. Herbert Dinkel, Robert Kindelbacher, Rudolf Meier, Dr. Hans Rößler, Dr. Walter Schärl, Friedrich Schultes, Hedwig Schultes, Gertrud Sperl|Titel=Fischer Kolleg Das Abitur-Wissen Geschichte |Auflage=4 |Verlag=Fischer Taschenbuch Verlag GmbH |Ort=Frankfurt am Main |Datum=1979 |ISBN=3596245192 |Seiten=214}}</ref> 1941 gab es 250.000 Absolventen im [[Ingenieurwesen]].<ref>Smith, Steve (1983), Bolshevism, Taylorism and the Technical Intelligentsia in the Soviet Union, 1917–1941. Radical Science Journal (13): 3–27.</ref>
 
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Im Zuge des Antielitarismus moderner Populisten werden insbesondere sogenannte Intellektuelle mit den [[Elite|Eliten]] gleichgesetzt. Der Status einer Elite wird damit nicht allein oder sogar nicht unbedingt durch großen Reichtum und hohe Macht bedingt, sondern durch die Zugehörigkeit zu einer angeblich abgehobenen und volksfernen Gruppe.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.nzz.ch/feuilleton/zeitgeschehen/eliten-und-populismus-helden-der-cleverness-ld.135947 |titel=Helden der Cleverness |abruf=2022-01-22}}</ref><ref>{{Internetquelle |url=https://map.derkontext.com/populismus#m=11/712.1049/292.77862,p=42 |titel=Antiintellektualismus |abruf=2022-01-22}}</ref>
Dabei reden die Populisten „nach dem Mund des Volkes“, das sich von [[Modernisierungsverlierer|Modernisierungsproblemen]] und zu schneller technologischer Entwicklung durch eben diese Intellektuellen in der Existenz bedroht sieht.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.cicero.de/kultur/politik-im-wandel-die-stunde-der-populisten |titel= Politik im Wandel - Die Stunde der Populisten / Die Politik hat sich verändert: Populismus ist salonfähig geworden, nicht zuletzt seit Donald Trump US-Präsident ist. Florian Hartleb schreibt in seinem neuen Buch, was wir dagegen tun können. Dem Nationalstaat kommt dabei eine besondere Rolle zu |abruf=2022-03-13}}</ref>
Im Narrativ der Populisten gibt es zwei Arten von mächtigen Leuten:
*Die freiheitsliebenden „guten“ kreativen Geister, die den [[American Dream]] leben und sich selber, nicht auf Kosten anderer, hochgearbeitet haben. sie stehen laut dem Narrativ gegen jegliche staatliche Einflüsse und sind bodenständig geblieben. Diese sollen den Eindruck vermitteln, dass es jeder ohne „intellektuelle Ausschweifungen“ nur durch ehrliche harte Arbeit ganz nach oben schaffen kann.
*Die „sozialistischen bösen“ Eliten. Sie haben laut dem Narrativ nur durch [[Manipulation]] ohne Arbeit viel Geld angehäuft. Sie sind angeblich Intellektuelle, die abgehoben und weltfremd sind, weshalb sie den Wunsch hegen, das Volk durch Steuergelder auszubeuten und den Staatseinfluss in der Wirtschaft zu verstärken. Sie sind vermeintlich politisch links und unterstützen linke Proteste wie [[Black Lives Matter]].
 
Dies geht mit dem Gedanken an das Recht des Stärkeren einher, wonach der durchsetzungsfähigere und hart arbeitende Mann vom Volk in einer Art natürlichen Umgebung (ohne Staatseinfluss) das Verdiente erreichen soll. Jeder Staatseinfluss wird von den Populisten als Sozialismus oder Kommunismus bezeichnet, der nur schwachen und intellektuellen Eliten (sogenannten Low-Performern, die von sich aus nichts erreichen können) nützt und den echten Wettbewerb verzerrt.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.deutschlandfunk.de/ueber-eliten-3-4-im-echoraum-mit-gleichgesinnten-100.html |titel=Im Echoraum mit Gleichgesinnten |abruf=2022-04-09}}</ref>
 
Im Zuge der [[COVID-19-Pandemie]] finde sich auch in der sogenannten [[Proteste gegen Schutzmaßnahmen zur COVID-19-Pandemie in Deutschland|Querdenker]]-Szene Elemente des Antiintellektualismus: Diese haben ihre Wurzeln in der [[Romantik]], die Naturverbundenheit, einfaches Landleben und eine Loslösung von der geordnet-maschinellen Welt verklärte. Auch die [[Esoterik]], die gewöhnliche Methoden der Wissenschaft und der Wissenschaftler (Intellektueller) hinterfragt verbindet sich mit dem jahrelangen Misstrauen gegen eine abgehobene und unerreichbare Schicht der Intellektuellen. Die Intellektuellen erscheinen dabei als gefühllos-verklemmte, korrupte oder schlimmstenfalls böse „[[Mainstream]]-Wissenschaftler“. Sie können laut den Kritikern nur mit Insider-Fachbegriffen und schwer zugänglichen Zahlen umgehen, während sie den Bezug zur realen Lebenswelt verloren haben. Denn die wissenschaftlichen Ergebnisse widersprechen oft der [[Intuition]] oder gewöhnlichen [[Erfahrung]]en. Wichtige Informationen oder sogar [[wissenschaftliche Studie|Studie]]n, die die sogenannten „Mainstreammedien“ entkräften, werden angeblich vorenthalten und von Intellektuellen unter Verschluss gewahrt.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.deutschlandfunk.de/erneuerte-aufklaerung-100.html |titel=Wissenschaft und ihre Erkenntnisse brauchen Vertrauen |abruf=2022-04-08}}</ref>
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Auch werden westliche Werte wie eine vermeintliche Verweichlichung durch [[LGBT]], die von Intellektuellen gestützt wird, als schädlich und bekämpfenswert angesehen.<ref>{{Internetquelle |url=https://bostonreview.net/articles/putins-anti-gay-war-on-ukraine/ |titel=Putin’s Anti-Gay War on Ukraine |abruf=2022-04-08}}</ref>
 
=== Antiintellektualismus als Internetphänomen =und in bildlicher Propaganda ==
[[Datei:Galaxy Brain Template Male.png|mini|Vorlage für das Gehirnmeme: Oben könnte „sachliche wissenschaftlich fundierte Diskussion“ stehen und unten „Beleidigung“.]]
Besonders in konservativen Kreisen finden sich Memes ([[Internetphänomen]]e), die die Meinung der Meme-Ersteller als einfache und leicht verständliche Weltsicht mit einem muskulösen und (selbst)sicheren Mann (sogenannter Chad oder Gigachad) verbindet. Dagegen wird die Meinung des politschen Gegners mit Zeichnungen eines schwachen oderund unruhigen beziehungsweise verweiblichtenunsicher-wütenden Mannes (sogenannter Soyjak) verbunden.<ref>{{Internetquelle |url=https://unherd.com/2021/08/why-the-left-cant-meme/ |titel=Why the Left can’t meme |abruf=2022-04-08}}</ref> Letzter trägt häufig die Aussage, dass er Wissenschaft besonders schätzt, während seine meist komplizierte oder differenzierte Meinung als schwach und falsch bewertet wird. Oft wird dieses Meme ironisch verwendet.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.netzwelt.de/abkuerzung/196242-bedeutet-soy-face-bedeutung-verwendung.html |titel=Was bedeutet "Soy Face"? Bedeutung und Verwendung |abruf=2022-04-08}}</ref>
Die Darstellung politischer Gegner als verweichlichte und wütende Männer findet sich aber nicht nur bei Konservativen. Generell werden und wurden Intellektuelle als verweiblicht und unmännlich gesehen, weshalb auch in [[Agitprop|sozialistischer Propaganda]] eine Art Vorläufer der Soyjaks gesehen werden konnte.<ref>{{Internetquelle |url=https://knowyourmeme.com/photos/2042177-average-fan-vs-average-enjoyer |titel=Average 1917 Fan vs. Average 1932 Enjoyer|abruf=2022-04-09}}</ref>
Antiintellektuallismus äußert sich ähnlich in anderen Meme-Formaten, wie dem Gehirnmeme in politischen Kreisen: Während ein richtiges Vorgehen nach intellketuellen Standards mit dem kleinsten Gehirn verbunden wird, wird mit dem größten Gehirn etwas Infantiles oder Dummes verbunden, was die Überlegenheit dessen unterstreicht.<ref>{{Internetquelle |url=https://nymag.com/intelligencer/2017/03/the-brain-meme-will-expand-your-mind.html |titel=What Level of Brain-Meme Irony Are You On? |abruf=2022-04-08}}</ref>