Theodor Oberländer

deutscher Politiker (NSDAP, GB/BHE, FDP, CDU), MdL, MdB
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Theodor Oberländer (* 1. Mai 1905 in Meiningen; † 4. Mai 1998 in Bonn) war ein deutscher Politiker (GB/BHE, CDU).

Er war von 1953 bis 1960 Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte.

Leben und Beruf

Nach dem Abitur 1923 auf dem Humanistischen Gymnasium in Meiningen nahm Oberländer, der evangelischen Glaubens war, am Hitlerputsch am 9. November 1923 in München teil.[1] In München begann er nach dem Scheitern des Putsches ein Studium der Landwirtschaft, setzte dieses in Hamburg sowie in Berlin fort und schloss es 1927 als Diplomlandwirt ab. Nach einem Jahr Tätigkeit in der Agrarwirtschaft studierte er Volkswirtschaftslehre in Königsberg. 1929 promovierte er in Berlin mit der Arbeit Die landwirtschaftlichen Grundlagen des Landes Litauen zum Doktor der Agrarwissenschaften und ein Jahr später mit der Arbeit Die Landflucht in Deutschland und ihre Bekämpfung durch agrarpolitische Maßnahmen in Königsberg zum Doktor der politischen Wissenschaften. Oberländer war als Mitarbeiter der deutsch-sowjetischen Saatzuchtgesellschaft DRUSAG [2]1928, 1932 und 1934 [3] u.a. im Kubangebiet. In Kasan wurden in dieser Zeit in einer deutsch-sowjetischen Militärkooperation Panzer sprich landwirtschaftliche Ackerschlepper getestet. 1932 unternahm er als Stipendiat der Ford Foundation eine Weltreise mit »landwirtschaftlicher Praxis«, in die Sowjetunion, nach China, Japan Kanada und in die USA.[4]

1933 habilitierte er sich in Königsberg und wurde zum Direktor des Instituts für Osteuropäische Wirtschaft an der dortigen Universität ernannt. 1934 wurde er zum außerordentlichen Professor für Agrarpolitik und Direktor des Osteuropainstituts in Danzig ernannt. Gleichzeitig war er Reichsleiter des Bundes Deutscher Osten (BDO). Auf Fürsprache des Lufthansa Präsidenten, Wilhelm Canaris wird Oberländer 1937 an die Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald berufen. 1938 wurde Oberländer zur Abwehr in die Abteilung II beim Oberkommando der Wehrmacht eingezogen.[5] 1940 besetzte er an der Reichsuniversität Prag den Lehrstuhl für Staatswissenschaften. 1941 wurde er hier Dekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät.

Oberländer widmete sich der Ostforschung, diese wurde staatlich gefördert. Das Ziel der staatlichen Förderung war zunächst revisionistisch auf die Wiedereingliederung der nach dem Ersten Weltkrieg verlorenen Ostgebiete gerichtet. Der Krieg gegen die Sowjetunion 1941–1945 ab dem 22.Juni 1941 erforderte aber wirtschaftswissenschaftliche und ethnologische Konzepte für eine Neuordnung Osteuropas wie beispielsweise den Hungerplan. Während des Dritten Reiches war das Zentrum für staatlich geförderte Ostforschung die Publikationsstelle Dahlem (PuSte) eine Filale des Geheimen Preußischen Staatsarchivs , welche eng mit dem Sicherheitsdienst des Reichsführers SS und dem Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums zusammen arbeitete.[6]. Hier wurden Forschungsaufträge vergeben und Studien gedruckt, die sich besonders mit dem Auslandsdeutschtum in Polen und dem Baltikum beschäftigten. Oberländer setzte sich für eine ethnische Neuordnung Osteuropas unter deutscher Vorherrschaft ein (Der Kampf um das Vorfeld 1937). Oberländer stellte in einer damals gebräuchlichen, rassistischen Weise das »osteuropäische Judentum« als Agent des Kommunismus und der Pauperisierung als Ursache für wirtschaftliche Probleme dar. Zu dieser Sichtweise lieferte sein Mitarbeiter Peter Heinz Seraphim in seiner Darstellung Das Judentum im osteuropäischen Raum 1938 ergänzende Elemente. Während des Zweiten Weltkrieges wurden seine Studien, welche die sozialen Probleme einer konstruierten Überbevölkerung zuschrieb, in den eroberten Ostgebieten von der SS als wissenschaftliche Legitimationen zu den grausamen Umsiedlungsprojekten benutzt, Oberländer selbst reichte Denkschriften und Expertisen ein. Oberländer proklamierte die Notwendigkeit der Verringerung der Volkszahl, dies fand insofern Zustimmung, da von einer rassistischen Hierarchie ausgegangen wurde, an deren Spitze das Deutschtum stand. Dem Judentum kam nur die Rolle des bevölkerungspolitischen Ballastes zu.

Während des Zweiten Weltkrieges war er in seiner Eigenschaft als Ukraine-Referent des Oberkommandos der Wehrmacht mit dem Dienstgrad eines Hauptmanns Berater des Führers der deutsch-ukrainischen Freiwilligeneinheit Bataillon Nachtigall und gehörte später auch dem deutsch-kaukasischen Sonderverband Bergmann an. Nachtigall war erheblich am Massaker an den Lemberger Professoren 1941 beteiligt.[7]., "Bergmann" unter anderem in der »Partisanenbekämpfung« eingesetzt. Am 29. April 1960 wurde Oberländer in der DDR wegen der Erschießung von mehreren tausend Juden und Polen in Lemberg in Abwesenheit zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt. Dieses Urteil wurde erst am 28. November 1993 vom Landgericht Berlin ohne Prüfung der Vorwürfe der Anklage aus formalen Gründen aufgehoben.[8]

Nachdem er in mehreren Denkschriften Kritik an der deutschen Besatzungspolitik in Osteuropa geäußert hatte, wurde er 1943 als Kommandeur abgelöst. Anschließend war er Verbindungsoffizier im Stab der so genannten Russischen Befreiungsarmee unter General Andrei Andrejewitsch Wlassow. Von 1945 bis 1946 befand sich Oberländer in US-amerikanischer Kriegsgefangenschaft. Danach war er zunächst als Landarbeiter im Kreis Uelzen und später als Geschäftsführer einer Samenzuchtfirma in Bayern tätig.

In den 1970er Jahren engagiert er sich in der Gesellschaft für freie Publizistik und im Verein für das Deutschtum im Ausland. 1982 trat Oberländer als Mitunterzeichner des Heidelberger Manifestes in Erscheinung, das sich gegen eine weitere Zuwanderung nach Deutschland aussprach.

Theodor Oberländer ist der Vater des Historikers Erwin Oberländer.

Organisations- und Parteizugehörigkeit

Im Wintersemester 1923 nahm Oberländer mit der Gilde Greif am gescheiterten Hitler-Ludendorff-Putsch teil. [9] Er wurde Mitglied der Schwarzen Reichswehr, sein Verband war der „Bund Oberland“, welcher ab 1921 den Kern der Sturmabteilung (SA) in Bayern bildete.

Oberländer erreichte bei der SA den Rang des Obersturmbannführers. Ebenso war er Mitglied im „Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund“. Am 1. Mai 1933 wurde Oberländer Mitglied der NSDAP.

In der Nachkriegszeit wurde Oberländer 1948 zunächst Mitglied der FDP. 1950 gehört er aber zu den Mitbegründern des Bundes der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) und wurde sogleich Landesvorsitzender des BHE in Bayern. Von 1951 bis 1955 gehörte Oberländer dem GB/BHE-Bundesvorstand an und war zuletzt von 1954 bis 1955 dessen Bundesvorsitzender.

1956 trat Oberländer in die CDU ein.

Abgeordneter verschiedener Parteien

Von 1950 bis 1953 gehörte Oberländer über die Liste des BHE dem Bayerischen Landtag an.

Oberländer war von 1953 bis 1961 Mitglied des Deutschen Bundestages. Am 12. Juli 1955 verließ er gemeinsam u.a. mit Waldemar Kraft (der so genannten Gruppe Kraft/Oberländer) die GB/BHE-Bundestagsfraktion. Am 15. Juli 1955 schloss er sich gemeinsam mit dieser Gruppe als Gast der CDU/CSU-Bundestagsfraktion an und wurde am 20. März 1956 nach seinem Parteiübertritt schließlich deren Mitglied.

Theodor Oberländer ist 1953 für den BHE über die Landesliste Bayern gewählt worden; bei der Bundestagswahl 1957 als direkt gewählter CDU-Abgeordneter des Wahlkreises Hildesheim-Stadt und -Land und 1963 über die CDU-Landesliste Niedersachsen in den Bundestag eingezogen. Dabei rückte er am 9. Mai 1963 für die verstorbene Abgeordnete Elisabeth Vietje nach. Bis 1965 gehörte er dem Bundestag an.

Öffentliche Ämter

Vom 3. Januar 1951 bis zum 24. Februar 1953 war Oberländer Staatssekretär für Flüchtlingsfragen im bayerischen Staatsministerium des Innern.

Am 20. Oktober 1953 wurde er als Bundesminister für Angelegenheiten der Vertriebenen in die von Bundeskanzler Konrad Adenauer geführte Bundesregierung berufen. Am 1. Februar 1954 wurde das von ihm geleitete Ministerium in Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte umbenannt.

Angesichts der gegen ihn erhobenen Vorwürfe wegen seiner möglichen Tätigkeiten im Zweiten Weltkrieg und der Verurteilung zu lebenslangem Zuchthaus in der DDR wuchs der öffentliche Druck auf Oberländer. Ein Rücktrittsangebot Oberländers lehnte Adenauer zunächst noch ab. Nachdem die SPD aber einen Untersuchungsausschuss über die Vergangenheit Oberländers beantragt hatte, trat er schließlich am 4. Mai 1960 unter Zurückweisung der Vorwürfe zurück.

Kabinette

Veröffentlichungen

  • Die agrarische Überbevölkerung Polens, Berlin 1935.
  • Die agrarische Überbevölkerung Ostmitteleuropas, in: Aubin, Hermann u. a. (Hrsg.): Deutsche Ostforschung. Ergebnisse und Aufgaben seit dem ersten Weltkrieg, Bd. 2 (Deutschland und der Osten. Quellen und Forschungen zur Geschichte ihrer Beziehungen, Bd. 21), Leipzig 1943, S. 416 - 427.
  • Der Osten und die deutsche Wehrmacht: sechs Denkschriften aus den Jahren 1941-43 gegen die NS-Kolonialthese. Hrsg. von der Zeitgeschichtlichen Forschungsstelle Ingolstadt. Asendorf, Mut-Verlag. 144 S. In: Zeitgeschichtliche Bibliothek; Bd. 2. ISBN 3-89182-026-7
  • Bayern und sein Flüchtlingsproblem, München 1953. - Die Überwindung der deutschen Not, Darmstadt 1954.
  • Das Weltflüchtlingsproblem: Ein Vortrag gehalten vor dem Rhein-Ruhr-Club am 8. Mai 1959. Sonderausg. des Arbeits- u. Sozialministers des Landes Nordrhein-Westfalen. Verleger, Bonn: Bundesministerium f. Vertriebene, Flüchtlinge u. Kriegsgeschädigte. 1959.

Einzelnachweise

  1. Götz Aly, Susanne Heim: Vordenker der Vernichtung. Auschwitz und die deutschen Pläne für eine neue europäische Ordnung. Hoffmann und Campe, Hamburg 1990, ISBN 3-455-08366-8. S. 94
  2. Vita Professor der Universität Greifswald: [1]
  3. DER SPIEGEL 21.04.1954 [2]
  4. Aly/Heim S. 94
  5. Aly/Heim S. 94
  6. Aly/Heim S. 404
  7. DER SPIEGEL 24.02.1960, Nachtigall in Lemberg [3]
  8. Philipp-Christian Wachs, aaO, S.13
  9. DER SPIEGEL 03.07.2000 [4]

Literatur

  • Götz Aly: Macht, Geist, Wahn. Kontinuitäten deutschen Denkens. Berlin 1997
  • Götz Aly, Susanne Heim: Vordenker der Vernichtung. Auschwitz und die deutschen Pläne für eine neue europäische Ordnung. Hoffmann und Campe, Hamburg 1990, ISBN 3-455-08366-8.
  • Michael Burleigh: Germany turns eastwards. A study of Ostforschung in the Third Reich. Cambridge 1986. (engl)
  • T. Friedman: Der Nazi-Minister Theo Oberländer begann als erster mit den Massen-Erschießungen der Juden in Lemberg, Anfangs Juli 1941, Institute of Documentation in Israel (Hrsg.)
  • Christian Gerlach: Kalkulierte Morde. Die deutsche Wirtschafts- und Vernichtungspoltik in Weißrußland 1941 bis 1944. Hamburger Ed., Hamburg, 2000. ISBN 3-930908-63-8.
  • Hermann Raschhofer: Der Fall Oberländer. Verlag Schlichtenmayer, Tübingen, 1962. 279 Seiten. ASIN: B0000BMM7F
  • Philipp-Christian Wachs: Der Fall Oberländer (1905 - 1998). Ein Lehrstück deutscher Geschichte. Frankfurt/Main 2000, ISBN 3-593-36445-X

Fiktive Romanbezüge