„Ipso-Substitution“ – Versionsunterschied

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Der Ausdruck '''''ipso''-Substitution''' wird in der [[Organische Chemie|organischen Chemie]] häufig in Verbindung mit einem speziellen Mechanismus der [[Elektrophile aromatische Substitution|elektrophilen aromatischen Substitution]] verwendet. Die Bezeichnung „[[ipso (Chemie)|''ipso'']]“ (aus dem Lateinischen für „selbst“) soll zum Ausdruck bringen, dass der [[Substituent]] X selbst durch das [[Elektrophil]] ersetzt wird. Nach [[IUPAC]]-Empfehlung sollte der Ausdruck „''ipso''-Substitution“ jedoch vermieden werden, da es sich um einen [[Pleonasmus]] handelt.<ref>{{Gold Book|ipso-attack|I03251|Version=2.1.5}}</ref> Die korrekte Bezeichnung eines aromatischen Substitutionsmechanismus beinhaltet elektrostatische Information, [[Molekularität]] und [[Regioselektivität]], S<sub>E</sub>Ar<sub>2</sub><sup>ipso</sup> definiert damit den hier behandelten Mechanismus als bimolekulare elektrophile aromatische Substitution unter ''ipso''-Angriff. ''Ipso''-Angriffe können allerdings auch in anderen Substitutionsreaktionen auftauchen. [[Substitutionsmuster|''cine'']]- und [[Tele (Chemie)|''tele'']]-Angriff sind verwandte Bezeichnungen für andere Substitutionsmuster.
Die '''ipso-Substitution''' ist ein Spezialmechanismus der [[Elektrophile aromatische Substitution|elektrophilen aromatischen Substitution]]. Als Ausgangsverbindung dient hierbei immer ein Benzol-Derivat, C<sub>6</sub>H<sub>5</sub>Y, wobei Y ein beliebiger [[Substituent]] sein kann. Die Bezeichnung "[[ipso (Chemie)|ipso]]" (aus dem Lateinischen für "selbst") soll zum Ausdruck bringen, dass der Substituent Y selbst durch das Elektrophil ersetzt wird.


== Substituenten ==
== Substituenten ==
Bei aromatischen Substitutionen spielen vorhandene Substituenten eine wichtige Rolle bei der Reaktivität der Gesamtverbindung. Sie beeinflussen entscheidend eine Zweitsubstitution und bestimmen, an ''welcher Stelle'' das Ringsystem bevorzugt weiter substituiert wird. Wenn nun anstelle einer Substitution in Nachbarstellung eines schon vorhandenen Substituenten das angreifende Elektrophil den Erstsubstituenten ''selbst'' angreift, spricht man von einer ''ipso-Substitution''. Diese tritt nur dann ein, wenn Y eine bessere [[Abgangsgruppe]] im Ringsystem darstellt, als ein [[Proton]] (H<sup>+</sup> ist selbst eine ausgezeichnete Fluchtgruppe). Daher wird der ipso-Modus eher selten beobachtet.
Bei aromatischen Substitutionen spielen vorhandene Substituenten eine wichtige Rolle für die Reaktivität der Gesamtverbindung. Sie beeinflussen entscheidend eine Zweitsubstitution und bestimmen, an welcher Stelle das Ringsystem bevorzugt weiter substituiert wird. Wenn nun anstelle einer Substitution in Nachbarstellung eines schon vorhandenen Substituenten das angreifende Elektrophil den Erstsubstituenten selbst angreift, spricht man von einer ''ipso''-Substitution. Diese tritt nur dann ein, wenn X eine bessere [[Abgangsgruppe]] im Ringsystem darstellt, als ein [[Proton (Chemie)|Proton]], das selbst eine ausgezeichnete Abgangsgruppe darstellt.


== Entdeckung ==
== Allgemeiner Mechanismus ==
Der allgemeine Mechanismus einer S<sub>E</sub>Ar<sub>2</sub><sup>ipso</sup>-Reaktion lässt sich folgendermaßen formulieren:
[[Bild:Nitrierung eines p-Dialkylbenzols.JPG|framed|left|Abb. 1: Nitrierung eines ''p''-Dialkylbenzols|left]] <br style="clear:left"/>
[[Datei:ipsoSubstitution.svg|thumb|none|400px|(X = Abgangsgruppe, E<sup>+</sup> = eintretendes Elektrophil)]]
<br style="clear:left"/>
Entdeckt wurde dieser Mechanismus aufgrund des Auftretens unerwarteter Reaktionsprodukte. Betrachtet man die Reaktion eines ''p''-Dialkylbenzols mit Nitryl-Kationen ([[Nitrierung]]), so findet man das erwartete [[ortho]]-Nitrierungsprodukt, aber auch ein unerwartetes Nitrierungsprodukt, bei dem eines der beiden Alkylreste substituiert wurde.


Die Wahrscheinlichkeit für einen ''ipso''-Angriff ist umso größer, je mehr der Substituent die Reaktion in eine Position dirigiert, in welcher er selbst als Abgangsgruppe fungieren kann. [[Silane|Silylgruppen]] sind dafür prädestiniert, da sie die negative Ladung in alpha-Position stabilisieren.
Hier wurde der Substituent Y (in diesem Fall –CH(CH<sub>3</sub>)<sub>2</sub>) durch das eintretende Elektrophil ersetzt. Die beiden Alkylgruppen sind elektronenschiebend und wirken daher ortho-/para-dirigierend für das eintretende Elektrophil. Dass die Ausgangsverbindung auch an der [[para]]-Position nitriert wird, ist somit zwar erklärbar, andererseits muss die Struktur von Y so konstruiert sein, dass sie als freiwerdendes Kation gut stabilisiert ist. Das entstehende Isopropyl-Kation ist, wie im allgemeinen alle Alkylgruppen, eine gute Abgangsgruppe, da sie in Lösung gut stabilisiert werden kann.
[[Bild:Propyl-Kation.JPG|left|framed|Abb. 2 Propyl-Kation]]<br style="clear:left"/>


Ein Beispiel für eine ''ipso''-Reaktion ist die Reversibilität der [[Sulfonierung]].
== Allgemeiner Mechanismus ==

Der allgemeine Mechanismus einer ''ipso-Substitution'' lässt sich folgendermaßen formulieren:
[[Datei:Example of ipso nitration.svg|thumb|none|500px|Beispiel einer ipso-Nitrierung]]
[[Bild:Prinzip der ipso-Substitution.JPG|left|framed|Abb. 3: Allgemeiner Mechanismus der ipso-Substitution (Y = Substituent, E<sup>+</sup> = eintretendes Elektrophil)]]<br style="clear:left"/>

== Nachweis der ''ipso''-Zwischenstufe ==
In einigen Fällen konnte die kationische Zwischenstufe durch Abfangreaktionen isoliert werden. Ein Beispiel hierfür ist die Nitrierung von [[Xylole|''o''-Xylol]] mit [[Salpetersäure]] in [[Acetanhydrid]] (MeCO)<sub>2</sub>O. Hierbei entsteht neben dem Nitryl-Ion auch das [[Essigsäure|Acetat]]-Anion MeCO<sub>2</sub><sup></sup>, welches die entstehende Zwischenstufe angreift und in ein stabiles Additionsprodukt überführt.


Präparativ spielt die ''ipso''-Substitution eine eher untergeordnete Rolle gegenüber der wichtigen ''ortho''-, ''meta''- und ''para''-Substitution, allerdings ist mit ihr vor allem dann zu rechnen, wenn eine [[elektrophile Substitution]] an einem bereits substituierten [[Aromaten]] durchgeführt wird.
Die Wahrscheinlichkeit für einen ipso-Angriff ist umso größer, je mehr der Substituent die Reaktion in eine Position dirigiert, in welcher er selbst als Abgangsgruppe fungieren kann. Ein Beispiel für eine ''ipso-Reaktion'' ist die Reversibilität der [[Sulfonierung]]. Heißer Wasserdampf verdrängt das Schwefeltrioxid aus dem Benzolring und ein Proton lagert sich an. Dabei entstehen wieder die Ausgangsstoffe bei der Sulfonierung.
[[Bild:Desulfonierung von Benzol.JPG|left|framed|Abb. 4: Desulfonierung von Benzol durch heißen Wassserdampf]]<br style="clear:left"/>


== Nachweis der ipso-Zwischenstufe ==
[[Datei:IpsoZwischenstufe.svg|thumb|600px|none|Abfangen der Zwischenstufe]]
In einigen Fällen konnte die kationische Zwischenstufe durch Abfangreaktionen isoliert werden. Ein Beispiel hierfür ist die Nitrierung von [[o-Xylol]] mit [[Salpetersäure]] in [[Acetanhydrid]] (MeCO)<sub>2</sub>O. Hierbei entsteht neben dem Nitryl-Ion auch das [[Acetat]]-Anion MeCO<sub>2</sub><sup></sup>, welches die entstehende Zwischenstufe angreift und in ein stabiles Additionsprodukt überführt.
[[Bild:Abfangen einer Zwischenstufe bei der ipso-Reaktion.JPG|left|framed|Abb. 5: Abfangen der ipso-Zwischenstufe]]<br style="clear:left"/>


== Einzelnachweise ==
Präparativ spielt die ''ipso-Substitution'' eine eher untergeordnete Rolle gegenüber der wichtigen m-, o- und [[p-Substitution]], allerdings ist mit ihr vor allem dann zu rechnen, wenn eine [[elektrophile Substitution]] an einem bereits substituierten [[Aromat]]en durchgeführt wird.
<references />


== Literatur ==
== Literatur ==
* Peter Sykes: ''Wie funktionieren organische Reaktionen?'' 2. Auflage, Wiley-VCH 2001, ISBN 3-527-30305-7
* Peter Sykes: ''Wie funktionieren organische Reaktionen?'' 2. Auflage, Wiley-VCH 2001, ISBN 3-527-30305-7.
* H.-P. E. Kohler, F. L. P. Gabriel, [[Walter Giger|W. Giger]]: ''ipso-Substitution'' – A Novel Pathway for Microbial Metabolism of Endocrine-Disrupting 4-Nonylphenols, 4-Alkoxyphenols, and Bisphenol A. [[Chimia]] 62 (2008), 358–363. {{DOI|10.2533/chimia.2008.358}}.


[[Kategorie:Chemische Reaktion]]
[[Kategorie:Chemische Reaktion]]

Aktuelle Version vom 29. Mai 2018, 20:12 Uhr

Der Ausdruck ipso-Substitution wird in der organischen Chemie häufig in Verbindung mit einem speziellen Mechanismus der elektrophilen aromatischen Substitution verwendet. Die Bezeichnung „ipso“ (aus dem Lateinischen für „selbst“) soll zum Ausdruck bringen, dass der Substituent X selbst durch das Elektrophil ersetzt wird. Nach IUPAC-Empfehlung sollte der Ausdruck „ipso-Substitution“ jedoch vermieden werden, da es sich um einen Pleonasmus handelt.[1] Die korrekte Bezeichnung eines aromatischen Substitutionsmechanismus beinhaltet elektrostatische Information, Molekularität und Regioselektivität, SEAr2ipso definiert damit den hier behandelten Mechanismus als bimolekulare elektrophile aromatische Substitution unter ipso-Angriff. Ipso-Angriffe können allerdings auch in anderen Substitutionsreaktionen auftauchen. cine- und tele-Angriff sind verwandte Bezeichnungen für andere Substitutionsmuster.

Bei aromatischen Substitutionen spielen vorhandene Substituenten eine wichtige Rolle für die Reaktivität der Gesamtverbindung. Sie beeinflussen entscheidend eine Zweitsubstitution und bestimmen, an welcher Stelle das Ringsystem bevorzugt weiter substituiert wird. Wenn nun anstelle einer Substitution in Nachbarstellung eines schon vorhandenen Substituenten das angreifende Elektrophil den Erstsubstituenten selbst angreift, spricht man von einer ipso-Substitution. Diese tritt nur dann ein, wenn X eine bessere Abgangsgruppe im Ringsystem darstellt, als ein Proton, das selbst eine ausgezeichnete Abgangsgruppe darstellt.

Allgemeiner Mechanismus

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Der allgemeine Mechanismus einer SEAr2ipso-Reaktion lässt sich folgendermaßen formulieren:

(X = Abgangsgruppe, E+ = eintretendes Elektrophil)

Die Wahrscheinlichkeit für einen ipso-Angriff ist umso größer, je mehr der Substituent die Reaktion in eine Position dirigiert, in welcher er selbst als Abgangsgruppe fungieren kann. Silylgruppen sind dafür prädestiniert, da sie die negative Ladung in alpha-Position stabilisieren.

Ein Beispiel für eine ipso-Reaktion ist die Reversibilität der Sulfonierung.

Beispiel einer ipso-Nitrierung

Nachweis der ipso-Zwischenstufe

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In einigen Fällen konnte die kationische Zwischenstufe durch Abfangreaktionen isoliert werden. Ein Beispiel hierfür ist die Nitrierung von o-Xylol mit Salpetersäure in Acetanhydrid (MeCO)2O. Hierbei entsteht neben dem Nitryl-Ion auch das Acetat-Anion MeCO2, welches die entstehende Zwischenstufe angreift und in ein stabiles Additionsprodukt überführt.

Präparativ spielt die ipso-Substitution eine eher untergeordnete Rolle gegenüber der wichtigen ortho-, meta- und para-Substitution, allerdings ist mit ihr vor allem dann zu rechnen, wenn eine elektrophile Substitution an einem bereits substituierten Aromaten durchgeführt wird.

Abfangen der Zwischenstufe

Einzelnachweise

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  1. Eintrag zu ipso-attack. In: IUPAC (Hrsg.): Compendium of Chemical Terminology. The “Gold Book”. doi:10.1351/goldbook.I03251 – Version: 2.1.5.
  • Peter Sykes: Wie funktionieren organische Reaktionen? 2. Auflage, Wiley-VCH 2001, ISBN 3-527-30305-7.
  • H.-P. E. Kohler, F. L. P. Gabriel, W. Giger: ipso-Substitution – A Novel Pathway for Microbial Metabolism of Endocrine-Disrupting 4-Nonylphenols, 4-Alkoxyphenols, and Bisphenol A. Chimia 62 (2008), 358–363. doi:10.2533/chimia.2008.358.