„Tony Lasnitzki“ – Versionsunterschied

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'''Tony Lasnitzki''', [[Pseudonym]] ''Tony Sintides'', Schreibweise des Vornamens auch ''Toni'', (geboren [[12. April]] [[1893]] in [[Mainz]]; gestorben [[24. Januar]] [[1991]] in Sint Idesbald bei [[Koksijde]]) war eine [[Architekt]]in, [[Malerei|Malerin]] und [[Autor]]in. Sie absolvierte ein Aufbaustudium am [[Bauhaus]] in [[Weimar]], flüchtete während des [[Holocaust]] nach Belgien, versteckte sich dort in einem verborgenen Zimmer über zwei Jahre vor den [[Nationalsozialisten]] und hatte enge Beziehungen zur belgischen Nachkriegs-[[Avantgarde]].
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'''Tony Lasnitzki''' (geboren am [[12. April]] [[1893]] in [[Mainz]], [[Pseudonym]] ''Tony Sintides'', Schreibweise des Vornamens auch ''Toni'', gestorben am [[24. Januar]] [[1991]] in Sint Idesbald, einem Vorort von [[Koksijde]]) war eine [[Architekt]]in, [[Malerei|Malerin]] und [[Autor]]in. Sie absolvierte ein Aufbaustudium am [[Bauhaus]] in [[Weimar]] und hatte enge Beziehungen zur belgischen Nachkriegs-[[Avantgarde]].


== Leben und Wirken ==
== Leben und Wirken ==
=== Herkunftsfamilie ===
=== Herkunftsfamilie ===
Tonÿ Simon, ab dem 3. August 1920 Simon-Wolfskehl,<ref>''Tonÿ Simon'', Geburtsregister Mainz, 1872-1900, Urkundennummer 641.</ref> kam in der [[Kaiserstraße (Mainz)|Kaiserstraße]] 26 in Mainz als älteste Tochter von Anna Wolfskehl (geboren am 28. Mai 1873 in Frankfurt am Main) und dem Weingroßhändler und späteren [[Privatbankier]] Eduard Simon (geboren am 9. Dezember 1862 in Mainz, gestorben am 25. November 1938 in [[Tervuren]]) zur Welt. Den [[Doppelname (Nachname)|Doppelnamen]] Simon-Wolfskehl führten die Eltern seit der Heirat im Jahre 1891, amtlich wurde er erst 1920. Der Onkel Ernst Simon war mit Maria Wolfskehl verheiratet und führte ebenfalls den Doppelnachnamen Simon-Wolfskehl. Die Schwester Ilse Maria (28. September 1897 bis 1988) folgte als zweites Kind. Die [[großbürger]]liche Familie Simon-Wolfskehl war kulturell interessiert und gehörte zum [[Liberales Judentum|liberalen Judentum]].<ref name="mainz">[https://www.mainz.de/medien/internet/downloads/Webversion_Frauenleben_Magenza_2021.pdf ''Tony Simon-Wolfskehl, verheiratete Tony Lasnitzki, Architektin und Bauhaus-Schülerin''], in: ''Frauenleben in Magenza'', 5. Auflage, Stadt Mainz, Mainz, 2021, S. 54.</ref> Die Eltern waren Kunstliebhaber. Die Mutter besaß eine bedeutende Sammlung mit Gemälden holländischer Meister. Ihr Vater veräußerte eine große Kunstsammlung französischer [[Impressionisten]] und erwarb Kunstwerke damals noch unbekannter deutscher [[Expressionismus|Expressionisten]].<ref name="belgien">[https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=&ved=2ahUKEwjphM-7jPSCAxU9gf0HHbD_Ag4QFnoECCgQAQ&url=https%3A%2F%2Fbackend.710302.xyz%3A443%2Fhttps%2Fwww.researchgate.net%2Fprofile%2FMarianne-Kroeger%2Fpublication%2F348481444_Marianne_Kroger_Frankfurt_am_Main_Tony_Simon-Wolfskehl_-_Bauhaus-Hommage_in_Belgien%2Flinks%2F6000bbd6299bf14088974542%2FMarianne-Kroeger-Frankfurt-am-Main-Tony-Simon-Wolfskehl-Bauhaus-Hommage-in-Belgien&usg=AOvVaw3davhrMzrNwDFNg3Jr0FYz&opi=89978449 Marianne Kröger: ''Tony Simon-Wolfskehl – Bauhaus-Hommage in Belgien''], ResearchGate, abgerufen am 3. Dezember 2023.</ref><ref>[https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunstmarkt/sammlung-simon-wolfskehl-erinnern-sie-sich-an-unseren-kirchner-16360096.html Rainer Stamm: ''Erinnern Sie sich an unseren Kirchner?''], FAZ.NET, 2. September 2019.</ref><ref name="schluss">[https://www.aargauerkunsthaus.ch/fileadmin/user_upload/Provenienzforschung/BAK_Schlussbericht_inkl.Anhang1-4_online.pdf ''Projekt Provenienzforschung am Aargauer Kunsthaus''], Schlussbericht 2017/2018, Anhang 4, abgerufen am 10. Dezember 2023.</ref>
Tonÿ Simon, ab dem 3. August 1920 Simon-Wolfskehl,<ref>''Tonÿ Simon'', Geburtsregister Mainz, 1872-1900, Urkundennummer 641.</ref> kam im Haus [[Kaiserstraße (Mainz)|Kaiserstraße]] 26 in Mainz als älteste Tochter von Anna Wolfskehl (geboren 28. Mai 1873 in Frankfurt am Main) und des Weingroßhändlers und späteren [[Privatbankier]]s Eduard Simon (geboren 9. Dezember 1862 in Mainz; gestorben 25. November 1938 in [[Tervuren]]) zur Welt. Den [[Doppelname (Nachname)|Doppelnamen]] Simon-Wolfskehl führten die Eltern seit der Heirat im Jahre 1891, amtlich wurde er aber erst 1920. Der Onkel Ernst Simon war mit Maria Wolfskehl verheiratet und führte ebenfalls den Doppelnachnamen Simon-Wolfskehl. Die Schwester Ilse Maria (geboren 28. September 1897; gestorben 1988) folgte als zweites Kind. Die [[großbürger]]liche Familie Simon-Wolfskehl war kulturell interessiert und gehörte zum [[Liberales Judentum|liberalen Judentum]].<ref name="mainz">[https://www.mainz.de/medien/internet/downloads/Webversion_Frauenleben_Magenza_2021.pdf ''Tony Simon-Wolfskehl, verheiratete Tony Lasnitzki, Architektin und Bauhaus-Schülerin''], in: ''Frauenleben in Magenza'', 5. Auflage, Stadt Mainz, Mainz 2021, S. 54.</ref> Die Eltern waren Kunstliebhaber. Die Mutter besaß eine bedeutende Sammlung mit Gemälden holländischer Meister. Ihr Vater veräußerte eine große Kunstsammlung französischer [[Impressionisten]] und erwarb Kunstwerke damals noch unbekannter deutscher [[Expressionismus|Expressionisten]].<ref name="belgien">[https://www.researchgate.net/profile/Marianne-Kroeger/publication/348481444_Marianne_Kroger_Frankfurt_am_Main_Tony_Simon-Wolfskehl_-_Bauhaus-Hommage_in_Belgien/links/6000bbd6299bf14088974542/Marianne-Kroeger-Frankfurt-am-Main-Tony-Simon-Wolfskehl-Bauhaus-Hommage-in-Belgien Marianne Kröger: ''Tony Simon-Wolfskehl – Bauhaus-Hommage in Belgien''], ResearchGate, abgerufen am 3. Dezember 2023.</ref><ref>[https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunstmarkt/sammlung-simon-wolfskehl-erinnern-sie-sich-an-unseren-kirchner-16360096.html Rainer Stamm: ''Erinnern Sie sich an unseren Kirchner?''], FAZ.NET, 2. September 2019.</ref><ref name="schluss">[https://www.aargauerkunsthaus.ch/fileadmin/user_upload/Provenienzforschung/BAK_Schlussbericht_inkl.Anhang1-4_online.pdf ''Projekt Provenienzforschung am Aargauer Kunsthaus''], Schlussbericht 2017/2018, Anhang 4, abgerufen am 10. Dezember 2023.</ref>


=== Ausbildung ===
=== Ausbildung und Wirken als Architektin ===
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts siedelte die Familie nach Frankfurt über. 1911 machte Tony Simon-Wolfskehl dort ihr Abitur am Frankfurter [[Mädchengymnasium]], nachdem sie vorher private Mädchenschulen (Institut Steimer, danach das Institut Schmidt) besuchte.<ref name="kurz">Corinna Isabel Bauer: ''Bauhaus- und Tessenow-Schülerinnen, Genderaspekte im Spannungsverhältnis von Tradition und Moderne.'' S. 397.</ref> Im Jahr 1912 nahm sie ein Architekturstudium an der [[Technische Universität Darmstadt|Technischen Hochschule Darmstadt]] auf.<ref name="mainz" /> Sie gehörte damit zu den ersten Frauen in Deutschland, die regulär [[Frauenstudium im deutschen Sprachraum|studieren]] durften. In Hessen war dies vier Jahre vorher eingeführt worden. In Darmstadt wohnte sie vermutlich bei Verwandten in der Wolfskehlschen Villa in der Karlstraße. Sie studierte sieben Semester, machte ein Büropraktikum und nahm das Architekturstudium im Sommersemester 1916 wieder auf. Nach acht Semestern machte sie im Frühjahr 1917 ihr Fachexamen.<ref name="lmol" /><ref name="kurz" /> Ab 1919 besuchte sie, finanziert durch Ihre Mutter, das neugegründete [[Bauhaus]] in Weimar.<ref name="mainz" /> [[Walter Müller-Wulckow]] hatte ihr dies Studium nahegelegt und sie an [[Walter Gropius]] zur Aufnahme empfohlen.<ref name="lmol">[https://www.landesmuseum-ol.de/fileadmin/content/files/LMO_KDM_Februar_2019.pdf ''Das Kunstwerk des Monats Februar 2019. Tony Simon-Wolfskehl, Landtagsgebäude des Großherzogtums Oldenburg, perspektivische Ansicht, 1918''], Niedersächsische Landesmuseen Oldenburg, abgerufen am 2. Dezember 2023.</ref> Sie besuchte Kurse bei dem Bauhaus-Architekturmeister und früheren Direktor der [[Großherzoglich-Sächsische Baugewerkenschule Weimar]] [[Paul Klopfer]] und Kurse in Werkzeichnen und Konstruktionstechnik bei [[Adolf Meyer (Architekt)|Adolf Meyer]]. [[Friedl Dicker-Brandeis|Friedl Dicker]] war ihre Freundin und Zimmernachbarin.<ref name="belgien" /> Beide Frauen sind die ersten, für die sich nach dem Studium am Bauhaus eine Berufstätigkeit als Architektin nachweisen lässt. Im Sommersemester 1920 arbeitete Tony Simon-Wolfskehl auch als erste Architektin im Baubüro von Gropius.<ref>Ute Maasberg, Regina Prinz: ''Die Neuen kommen! Weibliche Avantgarde in der Architektur der zwanziger Jahre'', [[Stiftung Bauhaus Dessau]], [[Junius Verlag]], Hamburg, 2004, S. 44.</ref> Anschließend zog sie zurück nach Frankfurt. Zwischen 1921 und 1924 arbeitete Tony Simon-Wolfskehl freiberuflich als [[Innenarchitektur|Innen]]- und als Bühnenarchitektin am [[Neues Theater (Frankfurt am Main)|Neuen Theater]].<ref name="mainz" /> Mindestens sechs Bühnenstücke gestaltete sie mit eigenen Entwürfen, die jedoch nicht überliefert sind. In Kritiken werden sie mehrfach besprochen. Ihr Bühnenbild für das Wedekind-Stück [[Frühlings Erwachen]] bestand demnach aus einem „in zartes Frühlingsblau getauchten Mittelrahmen (…) mit nur plastisch andeutendem Bühnenwerk“.<ref>Corinna Isabel Bauer: ''Bauhaus- und Tessenow-Schülerinnen, Genderaspekte im Spannungsverhältnis von Tradition und Moderne.'' S. 183, 211.</ref>
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts siedelte die Familie nach Frankfurt am Main über. 1911 machte Tony Simon-Wolfskehl dort ihr Abitur am Frankfurter [[Mädchengymnasium]], nachdem sie vorher private Mädchenschulen (Institut Steimer, danach das Institut Schmidt) besuchte.<ref name="kurz">Corinna Isabel Bauer: ''Bauhaus- und Tessenow-Schülerinnen, Genderaspekte im Spannungsverhältnis von Tradition und Moderne.'' S. 397.</ref> Im Jahr 1912 nahm sie ein Architekturstudium an der [[Technische Universität Darmstadt|Technischen Hochschule Darmstadt]] auf.<ref name="mainz" /> Sie gehörte damit zu den ersten Frauen in Deutschland, die regulär [[Frauenstudium im deutschen Sprachraum|studieren]] durften. In Hessen war dies vier Jahre vorher eingeführt worden. In Darmstadt wohnte sie vermutlich bei Verwandten in der Wolfskehl’schen Villa an der Karlstraße. Sie studierte sieben Semester, machte ein Büropraktikum und nahm das Architekturstudium im Sommersemester 1916 wieder auf. Nach acht Semestern legte sie im Frühjahr 1917 ihr Fachexamen ab.<ref name="lmol" /><ref name="kurz" /> Ab 1919 besuchte sie, finanziert von ihrer Mutter, das neugegründete [[Bauhaus]] in Weimar.<ref name="mainz" /> [[Walter Müller-Wulckow]] hatte ihr dieses Studium nahegelegt und sie an [[Walter Gropius]] zur Aufnahme empfohlen.<ref name="lmol">[https://www.landesmuseum-ol.de/fileadmin/content/files/LMO_KDM_Februar_2019.pdf ''Das Kunstwerk des Monats Februar 2019. Tony Simon-Wolfskehl, Landtagsgebäude des Großherzogtums Oldenburg, perspektivische Ansicht, 1918''], Niedersächsische Landesmuseen Oldenburg, abgerufen am 2. Dezember 2023.</ref> Sie besuchte Kurse bei dem Bauhaus-Architekturmeister und früheren Direktor der [[Großherzoglich-Sächsische Baugewerkenschule Weimar]] [[Paul Klopfer]] und Kurse in Werkzeichnen und Konstruktionstechnik bei [[Adolf Meyer (Architekt)|Adolf Meyer]]. [[Friedl Dicker-Brandeis|Friedl Dicker]] war ihre Freundin und Zimmernachbarin.<ref name="belgien" /> Beide Frauen sind die ersten, für die sich nach dem Studium am Bauhaus eine Berufstätigkeit als Architektin nachweisen lässt. Im Sommersemester 1920 arbeitete Tony Simon-Wolfskehl auch als erste Architektin im Baubüro von Walter Gropius.<ref>Ute Maasberg, Regina Prinz: ''Die Neuen kommen! Weibliche Avantgarde in der Architektur der zwanziger Jahre.'' [[Junius Verlag]], Hamburg 2004, S. 44.</ref> Anschließend zog sie zurück nach Frankfurt am Main. Zwischen 1921 und 1924 arbeitete Tony Simon-Wolfskehl freiberuflich als [[Innenarchitektur|Innenarchitektin]] und Bühnenbildnerin am [[Neues Theater (Frankfurt am Main)|Neuen Theater]].<ref name="mainz" /> Mindestens sechs Bühnenstücke gestaltete sie mit eigenen Entwürfen, die jedoch nicht überliefert sind. In Kritiken wurden sie mehrfach besprochen. Ihr Bühnenbild für das Wedekind-Stück [[Frühlings Erwachen]] bestand demnach aus einem „in zartes Frühlingsblau getauchten Mittelrahmen (…) mit nur plastisch andeutendem Bühnenwerk“.<ref>Corinna Isabel Bauer: ''Bauhaus- und Tessenow-Schülerinnen, Genderaspekte im Spannungsverhältnis von Tradition und Moderne.'' S. 183, S. 211.</ref>


=== Beziehung zu Carl Einstein ===
=== Beziehung zu Carl Einstein ===
Mit [[Carl Einstein]] führte sie von Ende 1922 bis August 1923 eine intensive Beziehung. Beide überlegten zu heiraten und Einstein ließ sich von seiner ersten Frau scheiden. Der intensive Briefwechsel zwischen Simon-Wolfskehl in Frankfurt und dem in Berlin lebenden Einstein ist erhalten.<ref>[https://www.bundesarchiv.de/nachlassdatenbank/viewsingle.php?person_id=34205&asset_id=38831 ''Einstein, Carl (1885-1940)''], Nachlass, bundesarchiv.de, abgerufen am 10. Dezember 2023.</ref> Jedoch war Eduard Simon-Wolfskehl gegen eine Ehe seiner Tochter mit dem weit links stehenden Einstein und setzte sie unter Druck. Sie selbst fühlte sich zu Männern und Frauen hingezogen, hegte Zweifel an ihrer Bindungsfähigkeit und trennte sich schließlich. Tony Simon-Wolfskehl war wohl nicht sehr politisch. Am Bauhaus gefielen ihr die Ideen und theoretischen Konzepte, die im Bauhaus über Kunst und Technik sowie über die neuen Menschen entwickelt wurden. Sie hatte in ihrer Zeit dort viele Kontakte zu avantgardistischen Intellektuellen aufgebaut.<ref name="schluss" />
Mit [[Carl Einstein]] führte sie von Ende 1922 bis August 1923 eine intensive Beziehung. Beide erwägten eine Hochzeit, und Einstein ließ sich von seiner ersten Ehefrau scheiden. Der intensive Briefwechsel zwischen Simon-Wolfskehl in Frankfurt und dem in Berlin lebenden Einstein ist erhalten.<ref>[https://www.bundesarchiv.de/nachlassdatenbank/viewsingle.php?person_id=34205&asset_id=38831 ''Einstein, Carl (1885-1940)''], Nachlass, bundesarchiv.de, abgerufen am 10. Dezember 2023.</ref> Jedoch war Eduard Simon-Wolfskehl gegen eine Ehe seiner Tochter mit dem weit links stehenden Einstein und setzte sie unter Druck. Sie selbst fühlte sich zu Männern und Frauen hingezogen, hegte Zweifel an ihrer Bindungsfähigkeit und trennte sich schließlich. Tony Simon-Wolfskehl war vermutlich nicht sehr politisch. Am Bauhaus gefielen ihr die Ideen und theoretischen Konzepte, die über Kunst und Technik sowie über die neuen Menschen entwickelt wurden. Sie hatte in ihrer Zeit dort viele Kontakte zu avantgardistischen Intellektuellen aufgebaut.<ref name="schluss" />


=== Heirat, Immigration nach Belgien und Untertauchen ===
=== Heirat, Emigration nach Belgien und Untertauchen ===
Den [[Werbegrafiker]] Roderich Lasnitzki (17. Juni 1896 in Berlin bis 8. August 1943 in Auschwitz) lernte sie am Bauhaus kennen. Beide heirateten 1924 und siedelten zunächst nach [[Saarbrücken]], ab 1927 nach [[Berlin]] über.<ref name="mainz" /> Unter dem Firmennamen „Tolas“ (kurz für ''To'':ny ''Las'':nitzki) entwickelte sie Möbelentwürfe. Als ihr jüdischer Ehemann 1936 seine Arbeit verlor, beschlossen beide in Belgien neu anzufangen und zogen Ende Dezember nach [[Gent]]. Ihr Mann wurde Filialdirektor bei einer Büroartikelfirma.<ref name="belgien" /> Sie nahmen Eduard Simon-Wolfskehl mit nach Belgien. Tony Lasnitzki konnte die Gemälde aus der Kunstsammlung ihres Vaters vor den [[Nationalsozialisten]] retten. Ihre Schwester wanderte schon 1931 nach ihrer Heirat mit Samuel Rosenthal nach England aus und erhielt ebenfalls Bilder der Kunstsammlung.<ref name="belgien" />
Den [[Werbegrafiker]] Roderich Lasnitzki (17. Juni 1896 in Berlin bis 8. August 1943 in Auschwitz) lernte sie am Bauhaus kennen. Beide heirateten 1924 und siedelten zunächst nach [[Saarbrücken]], ab 1927 nach [[Berlin]] über.<ref name="mainz" /> Unter der [[Firmierung]] ''Tolas'' ([[Akronym]] aus '''To'''ny '''Las'''nitzki) entwickelte sie Möbelentwürfe. Als ihr jüdischer Ehemann 1936 seine Arbeit verlor, beschlossen beide das nationalsozialistische Deutschland zu verlassen und in Belgien neu anzufangen. Sie zogen Ende Dezember nach [[Gent]]. Ihr Mann wurde Filialdirektor bei einem Büroartikelunternehmen.<ref name="belgien" /> Tony Lasnitzki nahm ihren Vater mit nach Belgien und konnte die Gemälde aus seiner Kunstsammlung vor den [[Nationalsozialisten]] retten. Ihre Schwester wanderte schon 1931 nach ihrer Heirat mit Samuel Rosenthal nach Großbritannien aus und erhielt ebenfalls Bilder der Kunstsammlung.<ref name="belgien" />


Roderich Lasnitzki wurde kurz nach dem deutschen Überfall 1940 in Gent von der [[Gestapo]] verhaftet. Man brachte ihn zuerst in das [[Internierungslager]] St. Cyprien nach Südfrankreich. Er wurde nach Auschwitz deportiert und 1943 ermordet.<ref name="mainz" /> Tony Lasnitzki versuchte zuerst, ihrem Ehemann durch Frankreich nachzureisen und seine Freilassung zu erzielen. Es gelang ihr, in Frankreich unterzutauchen und damit der Deportation zu entgehen. Sie entkam auch einem Internierungslager in [[Tournai]] und flüchtete zurück nach Gent. Dort wohnte sie zuerst bei Anton de Spiegeleire, einem befreundeten, katholischen Gefängnispriester und arbeitete als Sprachlehrerin.<ref name="kurz" /> Danach tauchte sie bei Irène Demanet in der Begijnhoflaan 72 in Gent unter. In einem Hinterzimmer mit einem Zugang hinter einem Bücherregal konnte sie zwei Jahre und 3 Monate unentdeckt bis zur Befreiung Belgiens 1944 ausharren.<ref name="belgien" /> Im Versteck verfasste sie unter anderem ein Kinderbuch.<ref name="kurz" />
Der [[Staatenloser|staatenlose]] Roderich Lasnitzki wurde kurz nach dem [[Überfall auf die Niederlande, Belgien und Luxemburg|deutschen Überfall 1940]] in Gent von der [[Gestapo]] verhaftet. Man brachte ihn zuerst in das [[Internierungslager]] [[Saint-Cyprien (Pyrénées-Orientales)|Saint-Cyprien]] nach Südfrankreich, von wo er nach Auschwitz deportiert und 1943 ermordet wurde.<ref name="mainz" /> Tony Lasnitzki versuchte zuerst, ihrem Ehemann durch Frankreich nachzureisen und seine Freilassung zu erreichen. Es gelang ihr, in Frankreich unterzutauchen und damit der Deportation zu entgehen. Sie entkam aus einem Internierungslager in [[Tournai]] und flüchtete zurück nach Gent. Dort wohnte sie zuerst bei Anton de Spiegeleire, einem befreundeten, katholischen Gefängnispriester und arbeitete als Sprachlehrerin.<ref name="kurz" /> Danach tauchte sie bei Irène Demanet im Haus Begijnhoflaan 72 in Gent unter. In einem Hinterzimmer mit einem Zugang hinter einem Bücherregal konnte sie zwei Jahre und drei Monate unentdeckt bis zur Befreiung Belgiens 1944 ausharren.<ref name="belgien" /> Im Versteck verfasste sie unter anderem ein Kinderbuch.<ref name="kurz" />


Tony Lasnitzki hatte schon am Bauhaus einen Malkurs mit Zeichenkohle belegt. In der Abgeschlossenheit ihres Hinterzimmers fertigte sie Kohlezeichnungen, die Irène Demanet verkaufte. Welchen Umfang diese künstlerische Tätigkeit hatte und wer die Zeichnungen erwarb, ist nicht abschließend erforscht. Erhaltenen Zeichnungen zeigen ihre Trauerarbeit. Der 1982 erschienene Bildband „Art of the Holocaust“ zeigt die Kohlezeichnungen „Burning Village“ (1943) und „Ghetto“ (1943). Die Bilder von Lasnitzki stellen oft Frauen mit androgyner Ausstrahlung in verzweifelter, einsamer, ohnmächtiger und hoffnungsloser Situation dar.<ref name="belgien" />
Tony Lasnitzki hatte schon am Bauhaus einen Malkurs mit [[Zeichenkohle]] belegt. In der Abgeschlossenheit ihres Hinterzimmers fertigte sie Kohlezeichnungen, die Irène Demanet verkaufte. Welchen Umfang diese künstlerische Tätigkeit hatte und wer die Zeichnungen erwarb, ist nicht abschließend erforscht. Erhaltenen Zeichnungen zeigen ihre Trauerarbeit. Der 1982 erschienene Bildband „Art of the Holocaust“ zeigt die Kohlezeichnungen „Burning Village“ (1943) und „Ghetto“ (1943). Die Bilder von Lasnitzki stellen oft Frauen mit [[Androgynie|androgyner]] Ausstrahlung in verzweifelter, einsamer, ohnmächtiger und hoffnungsloser Situation dar.<ref name="belgien" />


=== Nach der Befreiung ===
=== Nach der Befreiung ===
Während der Zeit im Versteck wurde aus beiden Frauen ein Paar und auch nach dem Krieg lebten sie in einer Lebenspartnerschaft zusammen. Tony Lasnitzki nannte sich wieder Tony Simon-Wolfskehl. Ihr Haus wurde zu einem literarisch-künstlerischen Salon, in dem sie die vom Vater ererbten expressionistischen Werke ausstellte und die Innovationen des Bauhauses vermittelte. Zur belgischen Nachkriegs-Avantgarde, die sich bei ihr einfand, gehörten [[Hugo Claus]] und der Schriftsteller Karel Geirlandt, Malerinnen und Maler der Künstlergruppe [[CoBrA]] sowie die Künstler [[Jan Burssens]], [[Pierre Vlerick]] und [[Roger Raveel]].<ref name="belgien" />
Während der Zeit im Versteck wurde aus beiden Frauen ein Paar und auch nach dem Krieg lebten sie in einer Lebenspartnerschaft zusammen. Tony Lasnitzki nannte sich wieder Tony Simon-Wolfskehl. Ihr Haus wurde zu einem literarisch-künstlerischen Salon, in dem sie die vom Vater ererbten expressionistischen Werke ausstellte und die Innovationen des Bauhauses vermittelte. Zur belgischen Nachkriegs-Avantgarde, die sich bei ihr einfand, gehörten [[Hugo Claus]] und der Schriftsteller Karel Geirlandt, Malerinnen und Maler der Künstlergruppe [[CoBrA]] sowie die Künstler [[Jan Burssens]], [[Pierre Vlerick]] und [[Roger Raveel]].<ref name="belgien" />


Zu Sicherung des Lebensunterhalts arbeitete Sie zuerst für zwei Jahre aus Vertreterin in der früheren Firma ihres Mannes. Danach machte sie sich mit dem Handel von Büroartikeln selbständig und führte diese Beruf in den 1950er und 1960er Jahren fort.<ref name="kurz" />
Zu Sicherung des Lebensunterhalts arbeitete sie zuerst für zwei Jahre als Vertreterin in dem früheren Unternehmen ihres Mannes. Danach machte sie sich mit dem Handel von Büroartikeln selbständig und führte diesen Beruf in den 1950er und 1960er Jahren fort.<ref name="kurz" />


Seit ihrer Jugend schrieb sie Gedichte und später Erzählungen sowie Bühnenstücke. Sie versuchte ihre Werke in Belgien und Deutschland zu veröffentlichen, was ihr kaum gelang. Das in Belgien als Toni Sintides veröffentlichte Märchen „Die Sonntagskinder“ (1977) wurde von der belgischen Übersetzerin und Schriftstellerin [[Christine D’Haen]] ins Niederländische übersetzt. Ihre Texte sagen viel über ihr Selbstverständnis und ihr Denken. Die Protagonisten befassen sich mit Isolation, Ausgrenzung und dem Versagen von politischen und sozialen Leitmotiven. Ihr Schreiben diente wohl auch der Verarbeitung ihres Lebens. Sie sah sich in erster Linie als Architektin, erst danach als Schriftstellerin.<ref name="belgien" />
Seit ihrer Jugend schrieb sie Gedichte und später Erzählungen sowie Bühnenstücke. Sie versuchte ihre Werke in Belgien und Deutschland zu veröffentlichen, was ihr kaum gelang. Das in Belgien unter dem Namen Toni Sintides veröffentlichte Märchen „Die Sonntagskinder“ (1977) wurde von der belgischen Übersetzerin und Schriftstellerin [[Christine D’Haen]] ins Niederländische übersetzt. Ihre Texte sagen viel über ihr Selbstverständnis und ihr Denken. Die Protagonisten befassen sich mit Isolation, Ausgrenzung und dem Versagen von politischen und sozialen Leitmotiven. Ihr Schreiben diente wohl auch der Verarbeitung ihres Lebens. Sie sah sich in erster Linie als Architektin, erst danach als Schriftstellerin.<ref name="belgien" />


Eine Rückkehr nach Deutschland kam für sie nicht in Frage. Für den enteigneten Besitz ihrer Eltern erhielt Lasnitzki Entschädigungszahlungen der Adenauer-Regierung. 1968 baute sie ein kleines Haus in Sint Idesbald an der belgischen Küste nach eigenem Entwurf. Dort lebte sie für viele Jahre nach dem Tod ihrer Lebensgefährtin, unterhielt einen großen Freundeskreis und malte.<ref name="kurz" /> Sie starb 1991 mit 97 Jahren. Ihre Asche wurde entsprechend ihren Wünschen im Meer verstreut.<ref name="belgien" />
Eine Rückkehr nach Deutschland kam für sie nicht in Frage. Für den enteigneten Besitz ihrer Eltern erhielt Lasnitzki in der Adenauer-Zeit Entschädigungszahlungen der Bundesregierung. 1968 baute sie ein kleines Haus in Sint Idesbald an der belgischen Küste nach eigenem Entwurf. Dort lebte sie für viele Jahre nach dem Tod ihrer Lebensgefährtin, unterhielt einen großen Freundeskreis und malte.<ref name="kurz" /> Sie starb 1991 mit 97 Jahren. Ihre Asche wurde entsprechend ihren Wünschen ins Meer gestreut.<ref name="belgien" />
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Datei:Paula Modersohn-Becker - Girl in a Birch Forest - 1991-I - Museum of Fine Arts Ghent (MSK).jpg|Paula Modersohn-Becker: Girl in a Birch Forest, Nachlass Tony Lasnitzki
Paula Modersohn-Becker - Girl in a Birch Forest - 1991-I - Museum of Fine Arts Ghent (MSK).jpg|Paula Modersohn-Becker: Girl in a Birch Forest, Nachlass Tony Lasnitzki
Datei:Ernst Ludwig Kirchner - Villa in Dresden - 1991-F - Museum of Fine Arts Ghent (MSK).jpg|Ernst Ludwig Kirchner: Villa in Dresden, Nachlass Tony Lasnitzki
Ernst Ludwig Kirchner - Villa in Dresden - 1991-F - Museum of Fine Arts Ghent (MSK).jpg|Ernst Ludwig Kirchner: Villa in Dresden, Nachlass Tony Lasnitzki
Datei:Rohlfs - Moses Seeing the Promised Land.jpg|Christian Rohlfs: Moses Seeing the Promised Land, Nachlass Tony Lasnitzki
Rohlfs - Moses Seeing the Promised Land.jpg|Christian Rohlfs: Moses Seeing the Promised Land, Nachlass Tony Lasnitzki
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=== Nachlass und Ehrungen ===
=== Nachlass und Ehrungen ===
Dem [[Museum voor Schone Kunsten Gent]] vermachte sie 1991 ihre Gemälde von [[Paula Modersohn-Becker]], [[Ernst Ludwig Kirchner]], [[Erich Heckel]] und [[Christian Rohlfs]] sowie zwei Zeichnungen von Heckel und Rohlfs.<ref name="belgien" /> Es verwahrt ihren Nachlass mir Briefen von ca. 1910 bis in die späten 1980 er Jahre.<ref>[https://www.yerusha-search.eu/viewer/metadata/SAB-0700/1/ ''Lasnitzki archives''], Yerusha, European Jewish Archives Portal, abgerufen am 3. Dezember 2023.</ref> Der Museumsdirektor Robert Hoozee beauftragte 1992 den belgischen Historiker Eric Defoort, eine Biografie über Tony Lasnitzki zu schreiben. Sie erschien 2007 unter dem Titel ''Een dochter van Duitsland – Tony Simon-Wolfskehl (1893-1991)''. Das Buch wird allerdings kritisiert, da vielfach Quellenangaben fehlen. Es ist mit subjektiven Kommentaren übersäht. Fakten sind nicht von Spekulationen und Meinungen unterscheidbar.<ref name="belgien" />
Dem [[Museum voor Schone Kunsten Gent]] [[Vermächtnis|vermachte]] sie 1991 ihre Gemälde von [[Paula Modersohn-Becker]], [[Ernst Ludwig Kirchner]], [[Erich Heckel]] und [[Christian Rohlfs]] sowie zwei Zeichnungen von Heckel und Rohlfs.<ref name="belgien" /> Es verwahrt ihren [[Nachlass]] mit Briefen von ca. 1910 bis in die späten 1980er Jahre.<ref>[https://www.yerusha-search.eu/viewer/metadata/SAB-0700/1/ ''Lasnitzki archives''], Yerusha, European Jewish Archives Portal, abgerufen am 3. Dezember 2023.</ref> Der Museumsdirektor Robert Hoozee beauftragte 1992 den belgischen Historiker Eric Defoort, eine [[Biografie]] über Tony Lasnitzki zu schreiben. Sie erschien 2007 unter dem Titel ''Een dochter van Duitsland – Tony Simon-Wolfskehl (1893-1991)''. Das Buch wird allerdings kritisiert, da vielfach Quellenangaben fehlen. Es ist mit subjektiven Kommentaren übersät, Fakten sind nicht von Spekulationen und Meinungen unterscheidbar.<ref name="belgien" />

In Sint Idesbald ist ihre Villa „Le Sablier“ in der Elzenlaan 27 Teil eines Literatur-Spazierweges.<ref name="belgien" /><ref>[https://docplayer.nl/17813944-Erfgoedwandeling-7-5-of-9-km-koksijde-oostduinkerke-6-schrijvers-te-sint-idesbald.html ''Schrijvers te Sint-Idesbald''], Erfgoedwandeling 7,5 of 9 &nbsp;km, koksijde – oostduinkerke'', koksijde.be, S. 10.</ref> In [[Mainz-Neustadt]] benannte man 2016 den Tony-Simon-Wolfskehl-Platz im ehemaligen [[Zoll- und Binnenhafen Mainz|Zollhafen]] nach ihr.<ref>[https://www.mainz.de/medien/internet/downloads/web_Vergessene_Frauen_2023.pdf ''Listen der nach Frauen benannten Straßen''] in: ''Vergessene Frauen'', Landeshauptstadt Mainz, Frauenbüro, S. 16.</ref>


Das [[United States Holocaust Memorial Museum]] verwahrt Kopien einiger ihrer Zeichnungen und Schriften.<ref>[https://collections.ushmm.org/search/catalog/irn512280 ''Tony Simon-Wolfskehl collection''], Accession Number: 1987.21.1, collections.ushmm.org, abgerufen am 10. Dezember 2023.</ref> Ein Teil des schriftlichen Nachlasses befindet sich in der Bibliothek der [[Katholische Universität Brüssel|Katholischen Universität Brüssel]].<ref name="kurz" />
Das [[United States Holocaust Memorial Museum]] verwahrt Kopien einiger ihrer Zeichnungen und Schriften.<ref>[https://collections.ushmm.org/search/catalog/irn512280 ''Tony Simon-Wolfskehl collection''], Accession Number: 1987.21.1, collections.ushmm.org, abgerufen am 10. Dezember 2023.</ref> Ein Teil des schriftlichen Nachlasses befindet sich in der Bibliothek der [[Katholische Universität Brüssel|Katholischen Universität Brüssel]].<ref name="kurz" />


In Sint Idesbald ist ihre Villa „Le Sablier“, Elzenlaan 27, Teil eines Literatur-Spazierwegs.<ref name="belgien" /><ref>[https://docplayer.nl/17813944-Erfgoedwandeling-7-5-of-9-km-koksijde-oostduinkerke-6-schrijvers-te-sint-idesbald.html ''Schrijvers te Sint-Idesbald''], Erfgoedwandeling 7,5 of 9&nbsp;km, koksijde – oostduinkerke, koksijde.be, S. 10.</ref> In [[Mainz-Neustadt]] benannte man 2016 den ''Tony-Simon-Wolfskehl-Platz'' im ehemaligen [[Zoll- und Binnenhafen Mainz|Zollhafen]] nach ihr.<ref>[https://www.mainz.de/medien/internet/downloads/web_Vergessene_Frauen_2023.pdf ''Listen der nach Frauen benannten Straßen''] in: ''Vergessene Frauen'', Landeshauptstadt Mainz, Frauenbüro, S. 16.</ref>
== Literatur ==
* Janet Blatter, [[Sybil Milton]]: ''Art of the Holocaust'', Macmillan, 1982. ISBN 978-0-3302-6634-5
* Eric Defoort: ''Tony eerste fragment'', in: Jo Tollebeek [u.a.] (Hrsg.): ''De lectuut van het verleden: opstellen over de geschiedenis van de geschiedschrijving aangeboden aan Reginald de Schryver'', University Press, Leuven, 1998, S. 133-143.
* Robert Hoozee: ''De laatste zaal. Hulde aan Tony Simon-Wolfskehl, weduwe Lasnitzki.'' In: ''200 jaar verzamelen.'' Collectieboek Museum voor Schone Kunsten Gent, Gent, Amsterdam, 2000, S. 259.
* Corinna Isabel Bauer: ''Bauhaus- und Tessenow-Schülerinnen, Genderaspekte im Spannungsverhältnis von Tradition und Moderne.'' Dissertation im Fachbereich Architektur – Stadtplanung – Landschaftsplanung der Universität Kassel, 2003, {{OCLC|830665286}}. [https://kobra.uni-kassel.de/bitstream/handle/123456789/2010090234467/DissertationCorinnaIsabelBauer.pdf?sequence=7 kobra.uni-kassel.de], Digitalisat.
* Eric Defoort: ''Een dochter van Duitsland. Tony Simon-Wolfskehl (1893-1991)'', Van Halewyck, Leuven, 2007. ISBN 978-9-0561-7763-8
* Tanja Baensch: ''Das Museum als "Lebendiger Körper". Die Geschichte der Städtischen Galerie im Städelschen Kunstinstitut bis 1945.'' In: [[Uwe Fleckner]], [[Max Hollein]] (Hrsg.): ''Museum im Widerspruch. Der Städel und der Nationalsozialismus'', Akademie Verlag Berlin, 2011, S. 25-92.
* Marianne Kröger: ''Tony Simon-Wolfskehl (1893-1991): Bauhaus-Erinnerungen im belgischen Exil'', in: [[Inge Hansen-Schaberg]], Wolfgang Thöner, Ariane Feustel (Hrsg.): ''Entfernt : Frauen des Bauhauses während der NS-Zeit Verfolgung und Exil'', Edition Text + Kritik, München, 2012, S. 275–294. ISBN 978-3-8691-6212-6
* ''Lasnitzky, Toni'' in: [[Andreas Beyer]], Bénédicte Savoy, Wolf Tegethoff (Hrsg.): ''Allgemeines Künstlerlexikon, Internationale Künstlerdatenbank, Online'', K. G. Saur, Berlin, New York, 2021.


== Schriften ==
== Schriften ==
* Toni Sintides: ''Zondagskinderen'', Märchen, erzählt von Christine D'haen, Snoeck-Ducaju & Zoon, Gent, 1977.
* Toni Sintides: ''Zondagskinderen.'' (Märchen, erzählt von Christine D'haen) Snoeck-Ducaju & Zoon, Gent 1977.
* Toni Lasnitzky (sic): ''Meine Bauhauszeit.'' In: ''I.C.S.A.C.'' (I.C.S.A.C. = Internationaal Centrum voor Structuuranalyse en Constructivisme), Cahier 6/7, Februar 1987, Bauhaus. Brussel 1987, S. 47-49.
* Toni Lasnitzky (sic!): ''Meine Bauhauszeit.'' In: ''I.C.S.A.C.'' (Internationaal Centrum voor Structuuranalyse en Constructivisme), Cahier 6/7, Februar 1987, S. 47–49.

== Literatur ==
* Janet Blatter, [[Sybil Milton]]: ''Art of the Holocaust.'' Macmillan, 1982, ISBN 978-0-330-26634-5.
* Eric Defoort: ''Tony eerste fragment.'' In: Jo Tollebeek u.&nbsp;a. (Hrsg.): ''De lectuut van het verleden. Opstellen over de geschiedenis van de geschiedschrijving aangeboden aan Reginald de Schryver.'' University Press, Leuven 1998, S. 133–143.
* Robert Hoozee: ''De laatste zaal. Hulde aan Tony Simon-Wolfskehl, weduwe Lasnitzki.'' In: ''200 jaar verzamelen.'' Collectieboek Museum voor Schone Kunsten Gent, Gent / Amsterdam 2000, S. 259.
* Corinna Isabel Bauer: ''Bauhaus- und Tessenow-Schülerinnen. Genderaspekte im Spannungsverhältnis von Tradition und Moderne.'' ([[Dissertation]] am Fachbereich ''Architektur – Stadtplanung – Landschaftsplanung'' der Universität Kassel, 2003) ([https://kobra.uni-kassel.de/bitstream/handle/123456789/2010090234467/DissertationCorinnaIsabelBauer.pdf?sequence=7 Digitalisat] auf ''kobra.uni-kassel.de''; {{OCLC|830665286}})
* Eric Defoort: ''Een dochter van Duitsland. Tony Simon-Wolfskehl (1893–1991).'' Van Halewyck, Leuven 2007, ISBN 978-90-5617-763-8.
* Tanja Baensch: ''Das Museum als „Lebendiger Körper“. Die Geschichte der Städtischen Galerie im Städelschen Kunstinstitut bis 1945.'' In: [[Uwe Fleckner]], [[Max Hollein]] (Hrsg.): ''Museum im Widerspruch. Der Städel und der Nationalsozialismus.'' Akademie Verlag, Berlin 2011, S. 25–92.
* Marianne Kröger: ''Tony Simon-Wolfskehl (1893–1991). Bauhaus-Erinnerungen im belgischen Exil.'' In: [[Inge Hansen-Schaberg]], Wolfgang Thöner, Ariane Feustel (Hrsg.): ''Entfernt. Frauen des Bauhauses während der NS-Zeit. Verfolgung und Exil.'' Edition Text + Kritik, München 2012, ISBN 978-3-86916-212-6, S. 275–294.
* ''Lasnitzky, Toni.'' In: [[Andreas Beyer]], Bénédicte Savoy, Wolf Tegethoff (Hrsg.): ''Allgemeines Künstlerlexikon, Internationale Künstlerdatenbank, Online.'' K. G. Saur, Berlin / New York 2021.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* [https://bauhaus.community/gnd/116001895 ''Lasnitzki, Tony'',] aus der Datenbank der Forschungsstelle für Biografien ehemaliger Bauhaus-Angehöriger (BeBA).
* [https://bauhaus.community/gnd/116001895 ''Lasnitzki, Tony''] in der Datenbank der Forschungsstelle für Biografien ehemaliger Bauhaus-Angehöriger (BeBA)
* {{LAGIS|ref=nein|DB=HBN|ID=116001895|titel=Lasnitzki, Tony|datum=2024-02-14}}


== Einzelnachweise ==
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[[Kategorie:Schüler am Bauhaus]]
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Aktuelle Version vom 16. Juni 2024, 15:05 Uhr

Tony Lasnitzki, Pseudonym Tony Sintides, Schreibweise des Vornamens auch Toni, (geboren 12. April 1893 in Mainz; gestorben 24. Januar 1991 in Sint Idesbald bei Koksijde) war eine Architektin, Malerin und Autorin. Sie absolvierte ein Aufbaustudium am Bauhaus in Weimar, flüchtete während des Holocaust nach Belgien, versteckte sich dort in einem verborgenen Zimmer über zwei Jahre vor den Nationalsozialisten und hatte enge Beziehungen zur belgischen Nachkriegs-Avantgarde.

Leben und Wirken

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Herkunftsfamilie

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Tonÿ Simon, ab dem 3. August 1920 Simon-Wolfskehl,[1] kam im Haus Kaiserstraße 26 in Mainz als älteste Tochter von Anna Wolfskehl (geboren 28. Mai 1873 in Frankfurt am Main) und des Weingroßhändlers und späteren Privatbankiers Eduard Simon (geboren 9. Dezember 1862 in Mainz; gestorben 25. November 1938 in Tervuren) zur Welt. Den Doppelnamen Simon-Wolfskehl führten die Eltern seit der Heirat im Jahre 1891, amtlich wurde er aber erst 1920. Der Onkel Ernst Simon war mit Maria Wolfskehl verheiratet und führte ebenfalls den Doppelnachnamen Simon-Wolfskehl. Die Schwester Ilse Maria (geboren 28. September 1897; gestorben 1988) folgte als zweites Kind. Die großbürgerliche Familie Simon-Wolfskehl war kulturell interessiert und gehörte zum liberalen Judentum.[2] Die Eltern waren Kunstliebhaber. Die Mutter besaß eine bedeutende Sammlung mit Gemälden holländischer Meister. Ihr Vater veräußerte eine große Kunstsammlung französischer Impressionisten und erwarb Kunstwerke damals noch unbekannter deutscher Expressionisten.[3][4][5]

Ausbildung und Wirken als Architektin

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Zu Beginn des 20. Jahrhunderts siedelte die Familie nach Frankfurt am Main über. 1911 machte Tony Simon-Wolfskehl dort ihr Abitur am Frankfurter Mädchengymnasium, nachdem sie vorher private Mädchenschulen (Institut Steimer, danach das Institut Schmidt) besuchte.[6] Im Jahr 1912 nahm sie ein Architekturstudium an der Technischen Hochschule Darmstadt auf.[2] Sie gehörte damit zu den ersten Frauen in Deutschland, die regulär studieren durften. In Hessen war dies vier Jahre vorher eingeführt worden. In Darmstadt wohnte sie vermutlich bei Verwandten in der Wolfskehl’schen Villa an der Karlstraße. Sie studierte sieben Semester, machte ein Büropraktikum und nahm das Architekturstudium im Sommersemester 1916 wieder auf. Nach acht Semestern legte sie im Frühjahr 1917 ihr Fachexamen ab.[7][6] Ab 1919 besuchte sie, finanziert von ihrer Mutter, das neugegründete Bauhaus in Weimar.[2] Walter Müller-Wulckow hatte ihr dieses Studium nahegelegt und sie an Walter Gropius zur Aufnahme empfohlen.[7] Sie besuchte Kurse bei dem Bauhaus-Architekturmeister und früheren Direktor der Großherzoglich-Sächsische Baugewerkenschule Weimar Paul Klopfer und Kurse in Werkzeichnen und Konstruktionstechnik bei Adolf Meyer. Friedl Dicker war ihre Freundin und Zimmernachbarin.[3] Beide Frauen sind die ersten, für die sich nach dem Studium am Bauhaus eine Berufstätigkeit als Architektin nachweisen lässt. Im Sommersemester 1920 arbeitete Tony Simon-Wolfskehl auch als erste Architektin im Baubüro von Walter Gropius.[8] Anschließend zog sie zurück nach Frankfurt am Main. Zwischen 1921 und 1924 arbeitete Tony Simon-Wolfskehl freiberuflich als Innenarchitektin und Bühnenbildnerin am Neuen Theater.[2] Mindestens sechs Bühnenstücke gestaltete sie mit eigenen Entwürfen, die jedoch nicht überliefert sind. In Kritiken wurden sie mehrfach besprochen. Ihr Bühnenbild für das Wedekind-Stück Frühlings Erwachen bestand demnach aus einem „in zartes Frühlingsblau getauchten Mittelrahmen (…) mit nur plastisch andeutendem Bühnenwerk“.[9]

Beziehung zu Carl Einstein

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Mit Carl Einstein führte sie von Ende 1922 bis August 1923 eine intensive Beziehung. Beide erwägten eine Hochzeit, und Einstein ließ sich von seiner ersten Ehefrau scheiden. Der intensive Briefwechsel zwischen Simon-Wolfskehl in Frankfurt und dem in Berlin lebenden Einstein ist erhalten.[10] Jedoch war Eduard Simon-Wolfskehl gegen eine Ehe seiner Tochter mit dem weit links stehenden Einstein und setzte sie unter Druck. Sie selbst fühlte sich zu Männern und Frauen hingezogen, hegte Zweifel an ihrer Bindungsfähigkeit und trennte sich schließlich. Tony Simon-Wolfskehl war vermutlich nicht sehr politisch. Am Bauhaus gefielen ihr die Ideen und theoretischen Konzepte, die über Kunst und Technik sowie über die neuen Menschen entwickelt wurden. Sie hatte in ihrer Zeit dort viele Kontakte zu avantgardistischen Intellektuellen aufgebaut.[5]

Heirat, Emigration nach Belgien und Untertauchen

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Den Werbegrafiker Roderich Lasnitzki (17. Juni 1896 in Berlin bis 8. August 1943 in Auschwitz) lernte sie am Bauhaus kennen. Beide heirateten 1924 und siedelten zunächst nach Saarbrücken, ab 1927 nach Berlin über.[2] Unter der Firmierung Tolas (Akronym aus Tony Lasnitzki) entwickelte sie Möbelentwürfe. Als ihr jüdischer Ehemann 1936 seine Arbeit verlor, beschlossen beide das nationalsozialistische Deutschland zu verlassen und in Belgien neu anzufangen. Sie zogen Ende Dezember nach Gent. Ihr Mann wurde Filialdirektor bei einem Büroartikelunternehmen.[3] Tony Lasnitzki nahm ihren Vater mit nach Belgien und konnte die Gemälde aus seiner Kunstsammlung vor den Nationalsozialisten retten. Ihre Schwester wanderte schon 1931 nach ihrer Heirat mit Samuel Rosenthal nach Großbritannien aus und erhielt ebenfalls Bilder der Kunstsammlung.[3]

Der staatenlose Roderich Lasnitzki wurde kurz nach dem deutschen Überfall 1940 in Gent von der Gestapo verhaftet. Man brachte ihn zuerst in das Internierungslager Saint-Cyprien nach Südfrankreich, von wo er nach Auschwitz deportiert und 1943 ermordet wurde.[2] Tony Lasnitzki versuchte zuerst, ihrem Ehemann durch Frankreich nachzureisen und seine Freilassung zu erreichen. Es gelang ihr, in Frankreich unterzutauchen und damit der Deportation zu entgehen. Sie entkam aus einem Internierungslager in Tournai und flüchtete zurück nach Gent. Dort wohnte sie zuerst bei Anton de Spiegeleire, einem befreundeten, katholischen Gefängnispriester und arbeitete als Sprachlehrerin.[6] Danach tauchte sie bei Irène Demanet im Haus Begijnhoflaan 72 in Gent unter. In einem Hinterzimmer mit einem Zugang hinter einem Bücherregal konnte sie zwei Jahre und drei Monate unentdeckt bis zur Befreiung Belgiens 1944 ausharren.[3] Im Versteck verfasste sie unter anderem ein Kinderbuch.[6]

Tony Lasnitzki hatte schon am Bauhaus einen Malkurs mit Zeichenkohle belegt. In der Abgeschlossenheit ihres Hinterzimmers fertigte sie Kohlezeichnungen, die Irène Demanet verkaufte. Welchen Umfang diese künstlerische Tätigkeit hatte und wer die Zeichnungen erwarb, ist nicht abschließend erforscht. Erhaltenen Zeichnungen zeigen ihre Trauerarbeit. Der 1982 erschienene Bildband „Art of the Holocaust“ zeigt die Kohlezeichnungen „Burning Village“ (1943) und „Ghetto“ (1943). Die Bilder von Lasnitzki stellen oft Frauen mit androgyner Ausstrahlung in verzweifelter, einsamer, ohnmächtiger und hoffnungsloser Situation dar.[3]

Nach der Befreiung

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Während der Zeit im Versteck wurde aus beiden Frauen ein Paar und auch nach dem Krieg lebten sie in einer Lebenspartnerschaft zusammen. Tony Lasnitzki nannte sich wieder Tony Simon-Wolfskehl. Ihr Haus wurde zu einem literarisch-künstlerischen Salon, in dem sie die vom Vater ererbten expressionistischen Werke ausstellte und die Innovationen des Bauhauses vermittelte. Zur belgischen Nachkriegs-Avantgarde, die sich bei ihr einfand, gehörten Hugo Claus und der Schriftsteller Karel Geirlandt, Malerinnen und Maler der Künstlergruppe CoBrA sowie die Künstler Jan Burssens, Pierre Vlerick und Roger Raveel.[3]

Zu Sicherung des Lebensunterhalts arbeitete sie zuerst für zwei Jahre als Vertreterin in dem früheren Unternehmen ihres Mannes. Danach machte sie sich mit dem Handel von Büroartikeln selbständig und führte diesen Beruf in den 1950er und 1960er Jahren fort.[6]

Seit ihrer Jugend schrieb sie Gedichte und später Erzählungen sowie Bühnenstücke. Sie versuchte ihre Werke in Belgien und Deutschland zu veröffentlichen, was ihr kaum gelang. Das in Belgien unter dem Namen Toni Sintides veröffentlichte Märchen „Die Sonntagskinder“ (1977) wurde von der belgischen Übersetzerin und Schriftstellerin Christine D’Haen ins Niederländische übersetzt. Ihre Texte sagen viel über ihr Selbstverständnis und ihr Denken. Die Protagonisten befassen sich mit Isolation, Ausgrenzung und dem Versagen von politischen und sozialen Leitmotiven. Ihr Schreiben diente wohl auch der Verarbeitung ihres Lebens. Sie sah sich in erster Linie als Architektin, erst danach als Schriftstellerin.[3]

Eine Rückkehr nach Deutschland kam für sie nicht in Frage. Für den enteigneten Besitz ihrer Eltern erhielt Lasnitzki in der Adenauer-Zeit Entschädigungszahlungen der Bundesregierung. 1968 baute sie ein kleines Haus in Sint Idesbald an der belgischen Küste nach eigenem Entwurf. Dort lebte sie für viele Jahre nach dem Tod ihrer Lebensgefährtin, unterhielt einen großen Freundeskreis und malte.[6] Sie starb 1991 mit 97 Jahren. Ihre Asche wurde entsprechend ihren Wünschen ins Meer gestreut.[3]

Nachlass und Ehrungen

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Dem Museum voor Schone Kunsten Gent vermachte sie 1991 ihre Gemälde von Paula Modersohn-Becker, Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel und Christian Rohlfs sowie zwei Zeichnungen von Heckel und Rohlfs.[3] Es verwahrt ihren Nachlass mit Briefen von ca. 1910 bis in die späten 1980er Jahre.[11] Der Museumsdirektor Robert Hoozee beauftragte 1992 den belgischen Historiker Eric Defoort, eine Biografie über Tony Lasnitzki zu schreiben. Sie erschien 2007 unter dem Titel Een dochter van Duitsland – Tony Simon-Wolfskehl (1893-1991). Das Buch wird allerdings kritisiert, da vielfach Quellenangaben fehlen. Es ist mit subjektiven Kommentaren übersät, Fakten sind nicht von Spekulationen und Meinungen unterscheidbar.[3]

Das United States Holocaust Memorial Museum verwahrt Kopien einiger ihrer Zeichnungen und Schriften.[12] Ein Teil des schriftlichen Nachlasses befindet sich in der Bibliothek der Katholischen Universität Brüssel.[6]

In Sint Idesbald ist ihre Villa „Le Sablier“, Elzenlaan 27, Teil eines Literatur-Spazierwegs.[3][13] In Mainz-Neustadt benannte man 2016 den Tony-Simon-Wolfskehl-Platz im ehemaligen Zollhafen nach ihr.[14]

  • Toni Sintides: Zondagskinderen. (Märchen, erzählt von Christine D'haen) Snoeck-Ducaju & Zoon, Gent 1977.
  • Toni Lasnitzky (sic!): Meine Bauhauszeit. In: I.C.S.A.C. (Internationaal Centrum voor Structuuranalyse en Constructivisme), Cahier 6/7, Februar 1987, S. 47–49.
  • Janet Blatter, Sybil Milton: Art of the Holocaust. Macmillan, 1982, ISBN 978-0-330-26634-5.
  • Eric Defoort: Tony eerste fragment. In: Jo Tollebeek u. a. (Hrsg.): De lectuut van het verleden. Opstellen over de geschiedenis van de geschiedschrijving aangeboden aan Reginald de Schryver. University Press, Leuven 1998, S. 133–143.
  • Robert Hoozee: De laatste zaal. Hulde aan Tony Simon-Wolfskehl, weduwe Lasnitzki. In: 200 jaar verzamelen. Collectieboek Museum voor Schone Kunsten Gent, Gent / Amsterdam 2000, S. 259.
  • Corinna Isabel Bauer: Bauhaus- und Tessenow-Schülerinnen. Genderaspekte im Spannungsverhältnis von Tradition und Moderne. (Dissertation am Fachbereich Architektur – Stadtplanung – Landschaftsplanung der Universität Kassel, 2003) (Digitalisat auf kobra.uni-kassel.de; OCLC 830665286)
  • Eric Defoort: Een dochter van Duitsland. Tony Simon-Wolfskehl (1893–1991). Van Halewyck, Leuven 2007, ISBN 978-90-5617-763-8.
  • Tanja Baensch: Das Museum als „Lebendiger Körper“. Die Geschichte der Städtischen Galerie im Städelschen Kunstinstitut bis 1945. In: Uwe Fleckner, Max Hollein (Hrsg.): Museum im Widerspruch. Der Städel und der Nationalsozialismus. Akademie Verlag, Berlin 2011, S. 25–92.
  • Marianne Kröger: Tony Simon-Wolfskehl (1893–1991). Bauhaus-Erinnerungen im belgischen Exil. In: Inge Hansen-Schaberg, Wolfgang Thöner, Ariane Feustel (Hrsg.): Entfernt. Frauen des Bauhauses während der NS-Zeit. Verfolgung und Exil. Edition Text + Kritik, München 2012, ISBN 978-3-86916-212-6, S. 275–294.
  • Lasnitzky, Toni. In: Andreas Beyer, Bénédicte Savoy, Wolf Tegethoff (Hrsg.): Allgemeines Künstlerlexikon, Internationale Künstlerdatenbank, Online. K. G. Saur, Berlin / New York 2021.

Einzelnachweise

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  1. Tonÿ Simon, Geburtsregister Mainz, 1872-1900, Urkundennummer 641.
  2. a b c d e f Tony Simon-Wolfskehl, verheiratete Tony Lasnitzki, Architektin und Bauhaus-Schülerin, in: Frauenleben in Magenza, 5. Auflage, Stadt Mainz, Mainz 2021, S. 54.
  3. a b c d e f g h i j k l Marianne Kröger: Tony Simon-Wolfskehl – Bauhaus-Hommage in Belgien, ResearchGate, abgerufen am 3. Dezember 2023.
  4. Rainer Stamm: Erinnern Sie sich an unseren Kirchner?, FAZ.NET, 2. September 2019.
  5. a b Projekt Provenienzforschung am Aargauer Kunsthaus, Schlussbericht 2017/2018, Anhang 4, abgerufen am 10. Dezember 2023.
  6. a b c d e f g Corinna Isabel Bauer: Bauhaus- und Tessenow-Schülerinnen, Genderaspekte im Spannungsverhältnis von Tradition und Moderne. S. 397.
  7. a b Das Kunstwerk des Monats Februar 2019. Tony Simon-Wolfskehl, Landtagsgebäude des Großherzogtums Oldenburg, perspektivische Ansicht, 1918, Niedersächsische Landesmuseen Oldenburg, abgerufen am 2. Dezember 2023.
  8. Ute Maasberg, Regina Prinz: Die Neuen kommen! Weibliche Avantgarde in der Architektur der zwanziger Jahre. Junius Verlag, Hamburg 2004, S. 44.
  9. Corinna Isabel Bauer: Bauhaus- und Tessenow-Schülerinnen, Genderaspekte im Spannungsverhältnis von Tradition und Moderne. S. 183, S. 211.
  10. Einstein, Carl (1885-1940), Nachlass, bundesarchiv.de, abgerufen am 10. Dezember 2023.
  11. Lasnitzki archives, Yerusha, European Jewish Archives Portal, abgerufen am 3. Dezember 2023.
  12. Tony Simon-Wolfskehl collection, Accession Number: 1987.21.1, collections.ushmm.org, abgerufen am 10. Dezember 2023.
  13. Schrijvers te Sint-Idesbald, Erfgoedwandeling 7,5 of 9 km, koksijde – oostduinkerke, koksijde.be, S. 10.
  14. Listen der nach Frauen benannten Straßen in: Vergessene Frauen, Landeshauptstadt Mainz, Frauenbüro, S. 16.