„Kar (Talform)“ – Versionsunterschied
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Version vom 14. Januar 2013, 04:38 Uhr
Ein Kar (engl. und frz. cirque, engl./(schottisch-gälisch) corrie), auch Kahr, Kaar (vom althochdeutschen char „Trog, Krug“) ist eine kesselförmige, an ein Amphitheater erinnernde Eintiefung an einem Berghang.
Entstehung
Kare sind Hohlformen unterhalb von Gipfellagen, die von sehr kurzen Gletschern (Kargletschern) geschaffen wurden. Kargletscher bilden sich dort, wo sich lokal mehr Schnee ansammelt als in der Umgebung. In schrofigem Gelände kommen Kare daher vorwiegend in sonnenabgewandten Hängen vor. Bei größeren Gipfelplateaus häufen sich Kare auch in den Leelagen, wo sich zusätzlich herangewehter Schnee akkumulieren kann. So sind in den Mittelgebirgen der nördlichen Westwindzone wie beispielsweise dem Schwarzwald die Kare vorwiegend nord- bis ostwärts ausgerichtet. Expositionen in anderen als nordöstlichen Himmelsrichtungen sind gleichwohl nicht selten. Verschneiden sich im Laufe der Zeit die Rückwände gegenüberliegender Kare, entstehen Berggrate, deren höchste Partien zugeschärfte Bergspitzen sind wie das Matterhorn, sogenannte Karlinge.
Die Karrückwände werden vor allem durch Frostsprengung im Bergschrund versteilt, dem vom Eis nicht bedeckten Saum zwischen Felswand und Gletscher. Der hier durch Feuchtigkeit und häufigen Frostwechsel gelöste Schutt wird vom Gletscher abtransportiert. Besonders in seiner Mitte, wo die Eismächtigkeit und die Dynamik am größten sind, wird der Grund ausgehobelt; es entsteht die Karmulde, die an der Karschwelle endet und in das umgebende Relief übergeht.
Die Höhenlage von Karschwellen deckt sich erfahrungsgemäß nahezu mit der Höhenlage der jeweiligen orographischen Schneegrenze, so dass bei einer größeren Anzahl von heute eisfreien Karen in einem Gebiet auf frühere niedrigere Schneegrenzlagen geschlossen werden kann. Um die expositionsunabhängige (klimatische) Schneegrenze zu ermitteln, sind die Karhöhen entgegengesetzter Himmelsrichtungen zu mitteln. Im umgekehrten Fall, wenn Kare unter dem Eis des Nährgebiets größerer Gletscher verborgen sind, sind sie Zeugen holozäner Phasen mit geringerer Vergletscherung als heute. In Phasen sehr starker Vergletscherung sind Kargletscher dagegen seltener und dann von untergeordneter Bedeutung für die Paläoklimatologie.
Von Karen zu unterscheiden sind ähnlich aussehende, jedoch meist größere Kesselformen, die weiter talwärts im Verlauf großer Gletscher entstehen, besonders dort, wo das Eis sich zu einer Gletscherzunge formiert oder dort, wo Eisströme zusammenfließen. Nach Abschmelzen des Gletschers bleiben im einen Fall markante Talschlüsse von Trogtälern zurück oder im anderen Fall Talstufen (sogenannte Konfluenzstufen). In beiden Fällen erzeugt der Zusammenschub von Eismassen aus unterschiedlichen Richtungen einen Bereich erhöhter Tiefenerosion und Gletschermächtigkeit.
Von einer Abfolge kleinerer Talstufen nicht immer leicht zu unterscheiden sind mehrstufige Kare. Bei ihnen haben sich in mäßig geneigten Oberhängen großer Kare während Phasen geringerer Vergletscherung kleinere Kare gebildet.
Übergangsformen zwischen Kar- und Talgletscher können eine Abfolge von karartigen Mulden hervorbringen, sogenannte Treppenkare. Sie werden aufgrund wechselnder Dynamiken und Erosionsleistungen des Eises, nicht aber aufgrund unterschiedlicher Mächtigkeiten aufeinandertreffender Gletscher gebildet.
Merkmale eines Kars
Kare sind durch versteilte, lehnsesselförmige Karrückwände gekennzeichnet, die als Felswände einen markanten Kontrast zum flachen Grund des Kars bilden können. Die Felssohlen von Karen (Karmulden) sind oftmals übertieft. Bei undurchlässigem Untergrund sind sie dann von Karseen gefüllt, die im Laufe der Zeit zusedimentieren oder vermooren können. Der talseitige Abschluss kann durch eine felsige Karschwelle (Karriegel) oder durch Lockermaterial von Endmoränen des einstigen Kargletschers gebildet sein. Die Abflüsse von Moränenstauseen haben die Wälle zuweilen schluchtartig zerschnitten oder sogar durchbrechen lassen, wonach die Seen zur Gänze trocken gefallen sein können.
Die lehmige Grundmoräne des einstigen Gletschers dichtet den Untergrund des Kars oft ab, sodass auch in Karstgebieten Karseen vorkommen können. Von Feuchte geprägt sind auch viele nicht übertiefte Karböden, da sich Kare bevorzugt oberhalb von Quellhorizonten bilden. Im feinmaterialreichen Karkessel gibt es oft guten Weidegrund und offenes Wasser, weshalb Kare bevorzugte Almstandorte sind, besonders in verkarsteter Umgebung.
Die umliegenden Steilhänge sind unterhalb der Felswände meist von Schutt und Blockhalden bedeckt. Die in den Kessel hinabreichenden Schuttfüße vereinen sich in ihrem unteren Teil zu einer gemeinsamen Schuttfläche. Hier verharrt das Material meist stabil genug für die Bildung eines Schuttbodens (Syrosem) mit guten Bedingungen für Gehölzbewuchs. In den tieferen Lagen der Mittelgebirge sind Kare, ausgenommen Felshänge und grobblockige Schutthalden, überwiegend bewaldet.
Namensherkunft
Kar ist wohl verwandt zu ahd. char „Gefäß, Geschirr“. Es ist im bayrisch-tirolischen Bereich auch als Kår, Diminutiv Karl häufig. Das Wort steht tirolerisch auch für „Umgebung der Almhütte“, aber auch „Bergscheitel“, gegen Osten allgemein für „alpiner Talkessel“, in Kärnten allgemein für „Weidegrund“ oder sogar „Jagdrevier“ (Koralpe).[1] Verwandtschaft dürfte zum slowenischen Wort Kras, kroatisch Krš „dünner Boden“ bestehen, von dem sich das Wort Karst ableitet, aber auch mit „Sumpf“, schottisch kair, isländisch ker, dänisch kär, kjär, norwegisch kjerr, schwedisch kärr. Trotzdem mischt sich die Bedeutung mit einer frühen gesamteuropäischen Wurzel car, allgemein Fels[1], auf das der Bezug auf Schutthänge, wie auch die Verwitterungsform Karre (meist dezimeterbreite, parallele Rinnen in den Oberflächen verkarstungsfähiger Gesteine) zurückgeht, siehe auch unter Fels.
In Schottland und Irland findet sich das verwandte corries als Name, in Wales „cwms“ («kuhms»), im Norden Englands coombs. 1849 wurde am Lough Doon ein wichtiger Durchbruch beim Verständnis der Vergletscherung gemacht, als der alpine Bergsteiger John Ball erkannte, dass die Corries von derselben Art sind wie Erscheinungen in der Schweiz.
In Schweden werden sie botn (Mehrzahl botner „Gefäß“, verwandt mit Bottich) genannt.
In den Pyrenäen werden Kare als oules („Zirkustäler“) bezeichnet, in der Hohen Tatra heißen die Karseen (Bergseen) slowakisch pleso, bzw. plesa (Pl.), polnisch oko oder staw, bzw. stawy (Pl.).
Beispiele
Beispiele für Hochgebirgskare finden sich zahlreich nicht nur im Karwendel, wo sich die meisten Gipfelnamen von dem jeweils unterhalb liegenden Kar ableiten wie die Große Seekarspitze. Bekannt sind auch die Koralpe oder in Südtirol der Karersee.
Eine große Kardichte gibt es im plateaureichen Nordschwarzwald, dessen bekanntester Karsee der Mummelsee ist, ähnlich wie im höheren Südschwarzwald der Feldsee. Besonders tiefe Karseen sind der Lac Blanc (Weißer See) in den Vogesen mit 60 Metern Tiefe und der Černé jezero (Schwarzer See) im Böhmerwald mit 40 Metern Tiefe. Ein besonders typisches Kar in den nördlichen Mittelgebirgen ist das Steile-Wand-Kar im Harz.
Literatur
- Fritz Fezer: Eiszeitliche Erscheinungen im nördlichen Schwarzwald. Bundesanstalt für Landeskunde Bd. 87. 1957
Weblinks
- ↑ a b Eintrag [GK01759 KAR, n.] In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch. Leipzig 1854-1960 (dwb.uni-trier.de)