„Tichowtungia aerotolerans“ – Versionsunterschied

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Version vom 2. September 2024, 21:53 Uhr

Tichowtungia aerotolerans
Systematik
Abteilung: Kiritimatiellota
Klasse: Tichowtungiia
Ordnung: Tichowtungiales
Familie: Tichowtungiaceae
Gattung: Tichowtungia
Art: Tichowtungia aerotolerans
Wissenschaftlicher Name der Klasse
Tichowtungiia
Mu et al. 2020
Wissenschaftlicher Name der Ordnung
Tichowtungiales
Mu et al. 2020
Wissenschaftlicher Name der Familie
Tichowtungiaceae
Mu et al. 2020
Wissenschaftlicher Name der Gattung
Tichowtungia
Mu et al. 2020
Wissenschaftlicher Name der Art
Tichowtungia aerotolerans
Mu et al. 2020

Tichowtungia aerotolerans ist ein Bakterium. Es nutzt die Gärung zur Energiegewinnung. Unter Ausschluss von Sauerstoff (unter anaeroben Bedingungen) zeigt es das bestes Wachstum, es wächst auch unter sauerstoffarmen (mikroaeroben) Bedingungen, dann zeigt es jedoch nur geringes Wachstum.[1] Es wurde aus Meeresboden isoliert. Es ist die einzige Art der Klasse Tichowtungiia.[2] Die Klasse zählt zu der Abteilung Kiritimatiellaeota, eine weit verbreitete und ökologisch wichtige Gruppe in verschiedenen sauerstofffreien (anoxischen) Umgebungen.[1] Von dieser Gruppe sind bis jetzt allerdings nur wenige Arten beschrieben (Stand August 2024).

Merkmale

Die Zellen von Tichowtungia sind unbeweglich und kokkenförmig, Flagellen sind nicht vorhanden. Die Zellen treten entweder einzeln oder paarig auf. Es wurde keine Sporenbildung beobachtet. Der Gram-Test verläuft negativ, d. h. es ist eine äußere Membran, ein periplasmatischer Zwischenraum und eine zytoplasmatische Membran vorhanden. Die Zellen bilden extrazelluläre polymere Substanzenn (EPS).[1]

Stoffwechsel und Wachstum

Tichowtungia ist heterotroph, das heißt es benötigt organische Stoffe zur Ernährung. Das Bakterium nutzt zur Energiegewinnung die Gärung von Galaktose, Fruktose und Glukose. Die Zellen können Sulfat, Sulfit, Nitrat oder Nitrit nicht als Elektronenakzeptoren nutzen, können diese also für ihre Atmungsprozesse nicht verwenden. Die Zellen sind negativ für Oxidase, ein Enzym, das in vielen Organismen in der Atmungskette beteiligt ist. Sie sind jedoch schwach positiv für Katalase, ein Enzym, das Wasserstoffperoxid abbaut, wenn sie unter mikroaeroben (sauerstoffreichen) Bedingungen wachsen.[1]

Tichowtungia-Zellen sind in der Lage, unter mikroaeroben Bedingungen (bis zu 5 % Sauerstoff) auf Agarplatten zu wachsen, was sie von den streng anaeroben, nah verwandten Arten (wie Kiritimatiella glycovorans und Pontiella desulfatans unterscheidet. Allerdings ist das Wachstum unter mikroaeroben Bedingungen deutlich schwächer als unter anaeroben Bedingungen. Des Weiteren wurden viele mit antioxidativen Prozessen zusammenhängende Gene gefunden. Antioxidans sind chemische Verbindungen, die den Organismus gegen Sauerstoffradikale schützen.[3] Die Aerotoleranz ist eine wichtige Eigenschaft für das Wachstum in mikroaeroben Lebensräumen wie marinen Oberflächensedimenten, wo geringe Mengen an Sauerstoff vorhanden sind.[1] Die Zellen sind schwach positiv für den Test der Produktion von Schwefelwasserstoff (H2S) und den Voges-Proskauer-Test. Der Temperaturbereich für das Wachstum liegt bei 15–45 °C (Optimum: 33–35 °C). Das Wachstum erfolgt bei einem pH-Wert von 6,0–8,5 (Optimum: pH 7,0–7,5) und mit 0,5–8,0 % (w/v) NaCl (Optimum: 3,0–4,0 %).[1]

Genetik

Das Genom des Stammes S-5007 T besteht aus einem einzigen zirkulären Chromosom mit einem GC-Gehalt von 53,1 mol%. Es ist eine relativ hohe Anzahl von Genen vorhanden, die am Kohlenhydratstoffwechsel (297 Gene) und am Aminosäurestoffwechsel (224 Gene) beteiligt sind. Dies deutet darauf hin, dass Tichowtungia eine starke Präferenz für die Nutzung von Kohlenhydraten als primäre Energiequelle hat, was bei freilebenden und chemoheterotrophen Bakterien üblich ist. Im Gegensatz dazu ist die Anzahl der Gene, die am Stoffwechsel von Nukleotiden (69) und Lipiden (71) beteiligt sind, viel geringer. Wahrscheinlich spielen solche Verbindungen eine untergeordnete Rolle als Nahrung. Eine Vorliebe für den Kohlenhydratstoffwechsel scheint ein typisches Merkmal freilebender und chemoheterotrophen Mitgliedern der PVC-Gruppe (mit den Planctomyceten, Verrucomicrobiota und Chlamydien) zu sein, die häufig auf die Nutzung von relativ schwer abbaubaren Polysacchariden (Mehrfachzucker) und Glykopolymeren spezialisiert sind.[1]

Das Genom kodiert auch eine beträchtliche Anzahl von Genen, die mit dem Ionentransport (235 Gene) und den Signaltransduktionswegen (137 Gene) zusammenhängen. Dies deutet darauf hin, dass Tichowtungia eine hohe Fähigkeit besitzt, auf Umweltreize zu reagieren, was für das Überleben in verschiedenen Lebensräumen entscheidend ist.[1]

Systematik

Die Gattung Tichowtungia ist benannt zu Ehren von Ti-Chow Tung (andere Namensschreibweisen sind Di-Zhou Tong oder Dizhou Tong, 1902–1979), einem angesehenen chinesischen Biologen, dem Hauptbegründer der chinesischen experimentellen Embryologie.[1] Der Artname T. aerotolerans deutet auf die Fähigkeit, Sauerstoff zu tolerieren, hin.

Tichowtungia aerotolerans wurde 2020 beschrieben und der hierzu neu aufgestellten Klasse Tichowtungiia zugeordnet. Die Klasse zählt zu der von Stefan Spring 2020 neu aufgestellten Abteilung (Phylum) Kiritimatiellota (auch als Kiritimatiellaeota bezeichnet).[4][5] Im August 2024 waren mit Tichowtungia nur drei beschriebene Gattungen innerhalb dieses Phylums vorhanden. Neben Tichowtungia sind es noch die zwei Gattungen Kiritimatiellia (2017 beschrieben) und Pontiella (2020) der Klasse Kiritimatiellia. Die phylogenetische Analyse zeigt, dass sie eine eher geringe Ähnlichkeit mit den nächsten bekannten verwandten Arten aufweist, was auf eine eigene evolutionäre Abstammung hinweist und die Einführung einer neuen Klasse rechtfertigt. So zeigt die Art Pontiella sulfatiregulans F21T eine Übereinstimmung von 89 % und Kiritimatiella glycovorans L21-Fru-ABT von 84,9 %.

Das Phylum Kiritimatiellota wird zu der PVC-Gruppe gestellt, eine Klade (Verwandtschaftsgruppe) von mehreren Abteilungen.[6] Der Name setzt sich aus den drei Großgruppen der Planctomyceten, Verrucomicrobiota und Chlamydien zusammen. Im Laufe der Zeit wurden noch weitere, phylogenetisch nahe stehende Abteilungen entdeckt und hier eingegliedert. Außer den Kiritimatiellota sind hier u. a. noch die Lentisphaerae vorhanden. Das PVC-Superphylum ist eine monophyletische Gruppe, die aus dem Vergleich molekularer Sequenzen abgeleitet wurde. Einige weisen genetische und zelluläre Merkmale auf, die für Bakterien ungewöhnlich, aber für Eukaryoten oder Archaeen charakteristisch sind. Daher ist die Gruppe von besonderen Interesse.[7]

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h i Da-Shuai Mu: Tichowtungia, bearbeitet von William Whitman (2020) In: Bergey's Manual of Systematics of Archaea and Bacteria. 1. Auflage. Wiley, 2015, ISBN 978-1-118-96060-8, doi:10.1002/9781118960608.gbm02078 (wiley.com [abgerufen am 25. August 2024]).
  2. Klasse Tichowtungiia – LPSN
  3. Ludger Rensing: Die Grenzen der Lebensdauer. Von welchen zellulären Faktoren wird das Altern bestimmt? In: Biologie in unserer Zeit. Band 37, Nr. 3, Juni 2007, ISSN 0045-205X, S. 190–199, doi:10.1002/biuz.200610337 (wiley.com [abgerufen am 29. August 2024]).
  4. Phylum Kiritimatiellota – LPSN
  5. Stefan Spring, Boyke Bunk, Cathrin Spröer, Peter Schumann, Manfred Rohde, Brian J Tindall, Hans-Peter Klenk: Characterization of the first cultured representative of Verrucomicrobia subdivision 5 indicates the proposal of a novel phylum. In: The ISME Journal. Band 10, Nr. 12, 1. Dezember 2016, ISSN 1751-7362, S. 2801–2816, doi:10.1038/ismej.2016.84, PMID 27300277, PMC 5148204 (freier Volltext) – (oup.com [abgerufen am 27. August 2024]).
  6. Elena Rivas-Marín, Damien P. Devos: The Paradigms They Are a-Changin’: past, present and future of PVC bacteria research. In: Antonie van Leeuwenhoek. Band 111, Nr. 6, Juni 2018, ISSN 0003-6072, S. 785–799, doi:10.1007/s10482-017-0962-z, PMID 29058138, PMC 5945725 (freier Volltext) – (springer.com [abgerufen am 27. August 2024]).
  7. Da-Shuai Mu, Liu-Yan Zhou, Qi-Yun Liang, Guan-Jun Chen, Zong-Jun Du: Tichowtungia aerotolerans gen. nov., sp. nov., a novel representative of the phylum Kiritimatiellaeota and proposal of Tichowtungiaceae fam. nov., Tichowtungiales ord. nov. and Tichowtungiia class. nov. In: International Journal of Systematic and Evolutionary Microbiology. Band 70, Nr. 9, 1. September 2020, ISSN 1466-5026, S. 5001–5011, doi:10.1099/ijsem.0.004370 (microbiologyresearch.org [abgerufen am 27. August 2024]).

Literatur