Wirtschaftsgeschichte Chiles

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 26. Oktober 2005 um 21:11 Uhr durch Prissantenbär (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Gemessen am realen Pro-Kopf-Einkommen Chile nach Argentinien und Uruguay das drittreichste Land Südamerikas und außerdem das Exportstärkste. Das Pro-Kopf-Einkommen beträgt in Kaufkraftparitäten gemessen etwas mehrs als 10.000 US-Dollar, also ungefähr ein Drittel des Deutschen. Chile ist sehr abhängig von Exporten, die etwa ein Drittel des BIP ausmachen (was etwa der Quote Deutschlands entspricht). Exportiert werden vor allem Rohstoffe, in erster Linie Kupfer, und landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Wein, Holz und Fischereiprodukte.

Aktuelle Situation

Als im Zuge der Krisen in Asien und Brasilien 1998 die Rohstoffpreise einbrachen, geriet auch Chile in eine Rezession. Nachdem sich der Kupferpreis von 1999 auf 2005 um 150% erhöht hat (von 0,74 $ auf 1,88 $ je englischem Pfund Feinkupfer), wächst die Wirtschaft Chiles auch wieder kräftiger (2004 um 5,8%).

Geschichte

Importsubsitution

Nach der Weltwirtschaftskrise begann Chile wie praktisch alle lateinamerikanischen Staaten, dem wirtschaftlichen Entwicklungskonzept der Importsubstitution zu folgen. Durch die Abschottung der Märkte mit Zöllen sollte die Binnenachfrage auf die eigene Industrie gelenkt werden und diese sich so entwickeln. Gleichzeitig wurde sukzessive der Wohlfahrtsstaat ausgebaut und der staatliche Einfluss auf die Wirtschaft gestärkt. Beide Entwicklungen wurden unter der Präsidentschaft von Salvador Allende noch beschleunigt. So sank der Anteil vom Import am internen Angebot von 52% vor dem ersten Weltkrieg auf 25% in den 60er Jahren.

Exportorientierte Entwicklung

Mit dem Putsch von Augusto Pinochet 1973 änderte sich die Wirtschaftspolitik radikal. Statt einer nach innen gerichteten Entwicklung eröffnete das Pinochet-Regime die Periode der Exportorientierten Entwicklung in Südamerika. Mitte der 80er Jahre bis Mitte der 90er folgten alle Südamerikanischen Länder Chile in dieser "Neoliberalen Wende". Die Ideologie dahinter steht in engem Zusammenhang mit den "Chicago Boys" um Milton Fridman und beeinhaltet im Grunde die Überzeugung, dass der freie Markt praktisch alle Probleme besser löse als Regierungsprogramme. In Chile äußerte sich das vor allem durch:

  • Exportorientierung
  • Liberalisierung und Deregulierung
  • Privatisierung, auch von Infrastruktur, Bildungswesen und Gesundheitsversorgung
  • Abbau der staatlichen Sozialsysteme
  • Makroökonomische Stabilität: Senkung der Staatsverschuldung und der Inflation

Neoliberale Wende und Stabilisierung

Deindustrialisierung Unmittelbar nach dem Putsch wurden alle Zölle einheitlich auf 10% gesenkt. Verbunden mit einer starken Aufwertung des Peso, führte dies zu einer schnellen Deindustrialisierung des Landes: Noch heute ist der Anteil am BIP, den die Industrie erwirtschaftet, geringer als 1970 (23% im Vergleich zu 27%). 1980 war die Industrieproduktion nicht größer als zehn Jahr zuvor und die Anzahl der Beschäftigten ging sogar um 22% zurück. Während unter Pinochet das BIP insgesamt um durchschnittlich 3,4% pro Jahr wuchs, stieg der Ausstoß der Industrie nur um 1,9% jährlich. Die Folge war unter anderem, dass die Arbeitslosigkeit von 4,8% 1973 bald auf knapp unter 20% stieg und 1983 mit 30% ihren Höhepunkt erreichte.

Abbau des Sozialstaates Im Vergleich zu 1970 (also noch vor Allendes Reformen) waren 1975 die Ausgaben für Gesundheit um 33% niedriger, für Erziehung um 37%, für Wohnungsbau um 26% und für Versicherungen um 39%. Deutlich wird die neue Prioritätensetzung des Diktators: Statt 59% (1970) gab der Staat 1975 nur noch 32% seiner Mittel für Soziales aus. Die Löhne wareb 1980 (also sieben Jahre nach dem Putsch) 17% niedriger als vor Allende.

Privatisierung und Staatsquote Erstaunlicherweise wurde die Staatsquote während der Diktatur nicht deutlich gesenkt. So betrug sie mit 34% 1980 deutlich mehr als mit 29% neun Jahre zuvor. Zwar wurden zahlreiche Betriebe privatisiert, darunter auch der Bildungsbereich, die Infrastruktur und die Wasserversorgung. Doch blieben die von Allende enteigneten Kupferminen staatseigentum, wurden aber der parlamentarischen Kontrolle entzogen und die Erträge flossen direkt in das Budget des Militärs.

Makroökonomische Stabilisierung In diesem Kernanliegen des Monetarismus war Pinochet äußert erfolgreich: Er konnte die Inflation von 606% im Putschjahr innerhalb von vier Jahren auf 84% senken und bis 1981 auf nur noch 10% drücken. Auch drehte er das Staatsdefizit von horrenden 25% des BIP im Putschjahr in ein kleines Plus gegen Ende des Jahrzehnts.

Wachstum, Wohlstand und Armut

Wohlstandsverteilung unter Pinochet.
1969 1978 1988
20% ärmste 7,7 5,2 4,4
20% 12,1 9,3 8,2
20% 16,0 13,6 12,6
20% 21,0 20,9 20,0
20% reichste 43,2 51,0 54,9

Quelle: Handbuch der Dritten Welt, Band 2: 322.

Wie die Tabelle deutlich macht, wurden bei relativer Betrachtung 80% der Bevölkerung unter Pinochet ärmer.

Besonders als mit der Krise Anfang der 80er Jahre die Arbeitslosigkeit explodierte, versank ein größer Teil der Bevölkerung in Armut.

<-- HAT JEMAND DATEN ZUM WIRTSCHAFTSWACSHTUM IN DEN 80ERN????? ----------------------------------- -->

Krise 1981/82

Mit dem durch die Erste Ölkrise globalen Wachstumseinbruch fielen auch die Kupferpreise und Chile wurde 1981 in eine tiefe Rezession gerissen. 1982 brach die Wirtschaftsleistung um 14,2% ein und die Arbeitslosigkeit sprang im folgenden Jahr auf 30%. Der chilenische Peso wurde mehrmals deutlich abgewertet. Da sich - anders als der Staat - viele Privatunternehmen nach der Kapitalverkehrsliberalisierung durch die neue Regierung stark im Ausland verschuldet hatten (zwischen 1973 und 1981 stieg die Auslandsverschuldung von vier Mrd. US-Dollar auf 16 Mrd. US-Dollar an), führte die Abwertung zu zahlreichen Insolvenzen.

Aufschwung

Doch schon bald stabilisierte sich die Wirtschaft und Mitte der 80er Jahre begann ein phänomenaler Aufschwung, der bis Ende der 90er Jahre anhielt. Die Wirtschaft wuchs um Durchschnitt jährlich um 7,9%, ist also zwischen 1986 und 1999 auf das zweieinhalbfache gewachsen. Auch deshalb war Pinochet wie die meisten Beobachter überrascht, als die Chilenen 1988 ihren Diktator in einem Referendum abwählten.

Nach Pinochet

Die nachfolgenden Demokratischen Regierungen haben am marktorientierten, monetaristischen, rein marktbasiertem und exportorientiertem Wirtschaftsmodell durchgehend festgehalten. Bis heute gibt es keine fundamentale Verbesserung des Sozialstaates, die Bildung ist weitgehend privatisiert und die Einkommensverteilung ist weiterhin extrem ungleich.

Freihandelsabkommen

Soziale Lage

Daten

Ein Vergleich von vier wichtigen makroökonomischen Kennzahlen Südamerikanischer Länder. Stand: 2003/2004.
Land BIP ($) je Einwohner Kaufkraftparität Wirtschaftswachstum (%) Staatsverschuldung % des BIP Export ($) je Einwohner
Argentinien 12.352 8,00 67,50 755
Bolivien 2.560 2,50 171
Brasilien 8.104 -0,20 58,50 398
Chile 10.686 3,30 14,80 1.292
Ecuador 3.747 2,50 53,70 460
Kolumbien 6.644 3,70 51,90 306
Paraguay 4.834 1,80 45,10 440
Peru 5.638 4,00 49,20 325
Uruguay 14.494 2,50 637
Venezuela 5.804 -9,20 38,80 1.034
Zum Vergleich: Mexiko 9.593 1,30 23,10 1.570
Zum Vergleich: Deutschland 28.666 0,90 64,20 8.815


Quelle


Siehe auch

CIA World Factbook mit relativ aktuellen Daten

Literatur