Freiheitsentziehung

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Freiheitsentziehung bzw. Freiheitsentzug ist die Einschränkung des international anerkannten Menschenrechts auf persönliche Freiheit durch staatliche Organe auf gesetzlicher Grundlage.

Bedeutung

Renovierter Haftraum JVA Fuhlsbüttel
Gewahrsamszelle der Polizei
Umzäunter Spielplatz einer geschlossenen Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie (Heckscher-Klinikum München)

Nach Art. 3 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (UN-Menschenrechtscharta, AEMR)[1] und nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention hat jede Person das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheitsentziehung bedarf einer gesetzlichen Regelung (Gesetzesvorbehalt, Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EMRK) und unterliegt der gerichtlichen Kontrolle (Richtervorbehalt, Art. 5 Abs. 3 und 4 EMRK). Die unrechtmäßige Festnahme oder Freiheitsentziehung begründet einen Anspruch auf Schadensersatz (Art. 5 Abs. 5 EMRK).

Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EMRK darf die Freiheit nur in bestimmten Fällen und nur aufgrund gesetzlicher Verfahren entzogen werden:

  • Freiheitsentziehung nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht wie Freiheitsstrafe und Unterbringung im Maßregelvollzug
  • Festnahme oder Freiheitsentziehung wegen Nichtbefolgung einer rechtmäßigen gerichtlichen Anordnung oder zur Erzwingung der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung (Beispiel: Erzwingungshaft als Beugemittel)
  • Festnahme oder Freiheitsentziehung zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass die betreffende Person eine Straftat begangen hat oder wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, sie an der Begehung einer Straftat oder an der Flucht nach Begehung einer solchen zu hindern, insbesondere Untersuchungshaft und Polizeigewahrsam
  • Freiheitsentziehung bei Minderjährigen zum Zweck überwachter Erziehung oder zur Vorführung vor die zuständige Behörde ([[Geschlossene Heimunterbringung, polizeiliche Ingewahrsamnahme jugendlicher Trebegänger und Straßenkinder)
  • Freiheitsentziehung mit dem Ziel, eine Verbreitung ansteckender Krankheiten zu verhindern, sowie bei psychisch Kranken, Alkohol- oder Rauschgiftsüchtigen und Landstreichern (sicherheitsrechtliche Aufenthaltsverbote, die freiheitsentziehende Unterbringung zum Wohl von Betreuten und Minderjährigen)
  • Festnahme oder Freiheitsentziehung zur Verhinderung der unerlaubten Einreise sowie bei Personen, gegen die ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist (Abschiebe- und Auslieferungshaft).

Ergänzend sieht die UN-Konvention gegen das Verschwindenlassen von Personen in Art. 17 vor, dass niemand geheim in Haft gehalten werden und mit seiner Familie, seinem Rechtsbeistand oder jeder anderen Person seiner Wahl Kontakt aufnehmen darf, außerdem ein amtliches Register oder amtliche Akten über die Personen, denen die Freiheit entzogen ist, geführt werden muss.[2][3]

Deutschland

Die Freiheit der Person ist in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG geschützt und darf nur auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden (Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG). Über die Zulässigkeit und die Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat ein Richter zu entscheiden (Art. 104 Abs. 2 GG).

Über die oben genannten Gründe hinaus gibt es die Freiheitsentziehungen im Verwaltungsvollstreckungsrecht unter (Ersatz-)Zwangshaft und im Zwangsvollstreckungsrecht (nach der Zivilprozessordnung) unter Versicherung an Eides statt.

Die Unterbringung psychisch kranker Menschen in einer Geschlossene Abteilung aus Gründen der Gefahrenabwehr regeln die Psychisch-Kranken-Gesetze der einzelnen Bundesländer. Personen, die unter Betreuung stehen oder minderjährig sind, können zur Abwendung einer erheblichen Selbst- oder Fremdgefährdung nach § 1906, § 1631b BGB untergebracht werden.[4]

Insbesondere für die Freiheitsentziehung im Rahmen der Abschiebungshaft sowie für freiheitsentziehende Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz gab es ein eigenes Verfahrensgesetz, das Gesetz über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen vom 29. Juni 1956.[5][6] Dieses Gesetz wurde zum 1. September 2009 aufgehoben und unter der Überschrift Freiheitsentziehungssachen in das neue FamFG (§§ 415 ff.) eingegliedert.

Österreich

Die persönliche Freiheit ist in Art. 1 Abs. 1 BV-G[7] geschützt und darf nur auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden (Art. 1 Abs. 2 und 3 BV-G).

Mögliche Gründe, die persönliche Freiheit zu entziehen, sind insbesondere die Unterschungs- und die Strafhaft, geregelt in der Strafprozeßordnung oder die Freiheitsentziehung als Beugemittel wie die Vorführung eines Verdächtigen oder Zeugen vor Gericht. Die Freiheitsentziehung wegen Krankheit ist dann möglich, wenn der Betreffende eine Gefahrenquelle für die Ausbreitung ansteckende Krankheiten ist oder er wegen einer psychischen Erkrankung sich oder andere gefährdet. Das Unterbringungsgesetz gilt für Krankenanstalten und Abteilungen für Psychiatrie, in denen Personen in einem geschlossenen Bereich angehalten oder sonst Beschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit unterworfen werden. Strafunmündige Kinder dürfen zwar nicht inhaftiert, aber einer Erziehungsmaßnahme in einem Heim zugeführt werden. Schließlich gibt es freiheitsentziehende fremdenpolizeiliche Maßnahmen, um die Ausweisung oder Auslieferung des Betreffenden zu sichern.[8]

Schweiz

Die Recht auf persönliche Freiheit ist in Art. 10 Abs. 2 der BV geschützt und darf nur auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden (Art. 31 Satz 1 BV).

Freiheitsentzug kann im Rahmen der Untersuchungs- und Sicherheitshaft, des (vorzeitigen) stationären Straf- und Massnahmenvollzugs,[9] der ausländerrechtlichen Administrativhaft[10] sowie der fürsorgerischen Unterbringung angeordnet werden.[11]

Siehe auch

Wiktionary: Freiheitsentzug – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Resolution der Generalversammlung, 217 A (III). Allgemeine Erklärung der Menschenrechte Vereinte Nationen, 10. Dezember 1948
  2. Silvia Meisen: Legale Freiheitsentziehungen Website abgerufen am 14. November 2018
  3. Internationales Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen Resolution 61/177 verabschiedet auf der 82. Plenarsitzung am 20. Dezember 2006
  4. Deutsches Jugendinstitut (2006): „Mildere Maßnahmen sind nicht möglich!“ Freiheitsentziehende Maßnahmen nach § 1631 b BGB in Jugendhilfe und Jugendpsychiatrie (pdf, 148 S.)
  5. BGBl. I S. 599
  6. Gesetz über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen a. K..
  7. Bundesverfassungsgesetz vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit RIS, abgerufen am 13. November 2018
  8. Zulässige Gründe für eine Freiheitsentziehung minilex.at, abgerufen am 14. November 2018
  9. Straf- und Massnahmenvollzug Website des Bundesamts für Justiz, 12. November 2013
  10. Studie zu Freiheitsentzug und Freiheitsbeschränkung im Asylverfahren Schweizerisches Kompetenzzentrum für Menschenrechte, Website abgerufen am 12. November 2018
  11. Freiheitsentzug in der Schweiz Nationale Kommission zur Verhütung von Folter, Website abgerufen am 12. November 2018