Düna
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Die Düna (lettisch Daugava; polnisch Dźwina; belarussisch Дзвіна/ Dzvina; russisch Западная Двина/ Sapadnaja Dwina) ist ein in die Ostsee mündender, 1020 km langer Strom.
Der russische Name Sapadnaja Dwina bedeutet wörtlich übersetzt „Westliche Dwina“, zur Unterscheidung von der Nördlichen Dwina.
Verlauf
Der Fluss beginnt in Russland auf den Waldaihöhen südlich von Bobrovets, Andreapolski Rajon, Oblast Tver nahe den Wolgaquellen.
Die Kleine Düna (russisch Двинец) fließt bei Shetverovo (russisch Щеверево) aus dem Korjakino-See (russisch Озеро Корякино) ca. 4 km bis in die Ochwato-Seenkette (russisch Озеро Охват). Der Durchfluss für ca. 20 km wird bereits als Westliche Düna (russisch Западная Двина) angesehen. Beim Zusammenfluss mit der Jaberka (russisch река Жаберка) beginnt der eigentliche Flusslauf der Düna.
Sie fließt zunächst nach Südwesten. Bei Orlyaki (russisch Орляки) ist die Flussmitte für 2 km Grenze zu Weißrussland und heißt jetzt Dzvina (belarussisch Дзвіна). Nach Wizebsk (belarussisch Віцебск) setzt sie sich entlang dem Weißrussischen Höhenrücken in westlichen Richtungen durch das nördliche Weißrussland fort. Neben Ula (belarussisch Ула) zweigt das Kanalsystem Beresina (belarussisch Бярэзінская водная сістэма, russisch Березинская водная система) südlich ab. Früher war es eine Verbindung zum Dnjepr und somit Teil der Verbindung von der Ostsee zum Schwarzem Meer.
Bei Patarnieki wird die Daugava für 17 km zum Grenzfluss und fließt weiter durch Lettgallen, das südöstliche Gebiet von Lettland, durch Dünaburg und danach nach Nordwesten zum Rigaischen Meerbusen, wo sie im Rigaer Stadtteil Daugavgrīva (dt. Dünamünde) in die Ostsee mündet.
Die Gesamtlänge liegt, je nach Brechungsart zwischen 1.005 und 1.020 km. Die Länge auf lettischem Territorium beträgt 357 km durch Weißrussland 335 km.
Nebenflüsse
Wortherkunft
Der Fluss taucht als Dina, Tina, Tuna, Veina oder Dyna zuerst in Wikingersagas und der Nestorchronik auf. Die livische Bezeichnung ist Veina oder Ven. Dvna, eine latinisierte Form des deutschen Namens Düna, wurde in handschriftlichen mittelalterlichen Dokumenten verwendet und ist noch auf Landkarten des 17. Jahrhunderts zu finden.[2]
Die lettische und litauische Bezeichnung Daugava wurde von Philologen (August Bielenstein, Ernest Blese, Jānis Endzelīns u. a.) auf den Wortstamm „daudz“ und „ūdens“ zurückgeführt und bedeutete ursprünglich etwa „großes Wasser“ oder „starker Strom“.[3] Nach Ansicht des Philologen Konstantīns Karulis war in der lettischen Sprache ursprünglich der Wortstamm Dyna gebräuchlich. Er wurde zwischen dem 14. und dem 17. Jahrhundert schrittweise von der heutigen Bezeichnung verdrängt.[4]
In lettischen Dainas wird der Fluss unter anderem als „Mütterchen Düna“ (lett.: Daugaviņa māmuliņa) und „Schicksalsfluss“ besungen.
Geschichte
Die Düna war seit dem vierten Jahrtausend v. Chr. Siedlungsgebiet indoeuropäischer Zuwanderer, aus denen sich im Laufe der Zeit ostbaltische Stämme formierten.
Im ersten Jahrhundert n. Chr. wird in der antiken Schrift Geographike Hyphegesis des Claudius Ptolemäus ein Fluss namens Rhubon (Ῥούβωνος ἐκβ oder Rhudon) erwähnt, der die Düna meint[5] oder die Memel.[6]
Der Fluss war seit alter Zeit ein bedeutender Handelsweg, auf dem man ohne große Schwierigkeiten in die Flusssysteme der Wolga und des Dnepr gelangen konnte.
Spätestens seit dem achten Jahrhundert war die Düna eine der Routen der Waräger (Wikinger) auf dem „Weg von den Warägern zu den Griechen“ ans Schwarze Meer. Wichtige Burgen waren unter anderem Grobin, Polazk und Wizebsk.
Seit dem neunten Jahrhundert sind an der Düna Kriwitschen um Polozk, seit dem 13. Jahrhundert die baltischen Stämme der Semgallen, Lettgallen und Selonen bekannt, aus denen sich in den folgenden Jahrhunderten das Volk der Letten entwickelte.
Im Mittelalter wurden die Handelswaren aufgrund des niedrigen Flussbetts und der vielen Stromschnellen bei Dünamünde von den größeren Schiffen auf Flöße oder Strusen für die Fahrt auf dem Fluss verladen.
Mit der Union von Wilna 1561 wurde der Fluss zu einer politischen und kulturellen Grenze.
Im 16. Jahrhundert änderte sich auch das Flussbett im Mündungsbereich. Der alte Abfluss, die Vecdaugava, versandete daraufhin.
Im Juli 1701 gab es im Rahmen des Großen Nordischen Krieges die Schlacht an der Düna, die in Krämershof (lettisch Krēmera muiža) nördlich von Rīga (jetzt im Stadtgebiet) ausgetragen wurde.
Seit 1913 plante die „Riga-Cherson-Kanalkommission“, ein Zusammenschluss von Rigenser Kaufleuten und Industriellen, einen Kanal zwischen Witebsk an der Düna und Orscha am Dnepr, der beide Ströme und so Riga mit der Hafenstadt Cherson am Schwarzen Meer verbinden sollte.[7] Dabei waren auf der Düna sechs Staustufen mit je einem Wasserkraftwerk vorgesehen, u. a. bei Pļaviņas (deutsch: Stockmannshof), bei Ķegums (deutsch Keggum) und bei Doles sala (deutsch: Dahlen) / Salaspils (deutsch: Kirchholm). Infolge des Ersten Weltkrieges, durch den das Kaiserreich Russland zerfiel und Lettland unabhängig wurde, zerschlug sich das Vorhaben des Kanal- und Wasserkraftwerkbaus.
Verkehr
Die Düna ist im russischen Abschnitt nur für den Bootsverkehr nutzbar. Bei ausreichendem Wasserstand ist sie ab Weißrussland schiffbar bis CEMT I, ab Jekabpils auch CEMT III.[8] Im Mündungsbereich ist ab der Vanšu-Brücke in Riga der Seeverkehr möglich. Wegen einiger Sperrwerke ist ein durchgehender Schiffsverkehr nicht mehr möglich.
Im 19. Jahrhundert bestand eine Verbindung zwischen der Ostsee und Düna, via dem Nebenfluss Ula, dem Kanalsystem Beresina[9] zum Dnjepr und bis in das Schwarze Meer. Durch den Ausbau der Bahn- und Straßenverbindungen verlor der Wasserweg an Bedeutung. Die wasserbautechnischen Anlagen verfielen. Diese Strecke ist nur noch teilweise für den Ausflugs- und Sportbootverkehr befahrbar.
Sehr beliebt bei Wassersportlern ist der Naturpark „Daugavas Loki“ (Daugava-Bögen)[10][11] zwischen Kraslava und Krauja.[12]
Stauseen und Wasserkraftwerke
Was die junge Republik Lettland von den Planungen der „Riga-Cherson-Kanalkommission“ verwirklichte, war der Bau des Stausees und des Wasserkraftwerkes bei Ķegums (Ķeguma hidroelektrostacija, meist abgekürzt: Ķeguma HES) von 1936 bis 1940. Der zweite Stausee mit Wasserkraftwerk wurde zur sowjetischen Zeit – trotz heftiger Proteste der lettischen Bevölkerung – von 1959 bis 1968 bei Pļaviņas errichtet (Pļaviņu hidroelektrostacija, meist abgekürzt: Pļaviņu HES). Der dritte lettische Stausee mit Wasserkraftwerk bei Salaspils nahe Riga (Rīgas hidroelektrostacija, meist abgekürzt: Rīgas HES) wurde 1974 fertiggestellt.
Die Proteste von Naturschützern gegen ein in den 1980er Jahren geplantes viertes Stauwerk bei Dünaburg bezeichnen den Beginn einer nationalen Bewegung, die 1990/1991 zur Wiederherstellung der Unabhängigkeit Lettlands führte.
Am 30. Juni 2017 wurde ein Wasserkraftwerk und eine Schleuse etwa 8 km stromaufwärts von Witebsk (belarussisch Витебская ГЭС) in Betrieb genommen. Die vier Turbinen haben eine Gesamtleistung von 40 MW, die geplante jährliche Stromerzeugung wird mit 138 Millionen kWh angegeben[13]. Die erzeugte Energie wird in das 110-kV-Netz übertragen.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ a b Artikel Düna in der Großen Sowjetischen Enzyklopädie (BSE), 3. Auflage 1969–1978 (russisch)
- ↑ Edgars Dunsdorfs: Lielvidzemes kartes (17. un 18. gadsimteni). Karla Zarina fonds, Melbourne 1986, ISBN 0-9595891-6-3.
- ↑ Konstantīns Karulis: Daugavas un Piedaugavas vietvārdi. Nosaukumu cilme. In: Latvijas Kultūras Fonds (Hrsg.): Daugavas raksti. Band 1: No Aizkraukles līdz Rīgai. Zinātne, Rīga 1991, ISBN 5-7966-0728-6, S. 148–156, hier S. 150–151.
- ↑ siehe:www.lab.lv/dok/Daugava_info.pdf
- ↑ William Smith: Dictionary of Greek and Roman Geography. London 1854
- ↑ Gottlieb August Wimmer: Geschichte der geographischen Entdeckungsreisen zu Wasser und zu Lande. Bd. 1, Wien 1838.
- ↑ Alexander Stellmacher: Der projektierte Riga-Cherson-Kanal. In: Baltische Wochenschrift für Landwirtschaft, Gewerbefleiß und Handel, Jg. 52 (1914), Nr. 5 vom 16. Januarjul. / 29. Januar 1914greg., S. 41–43.
- ↑ CEMT - Europäische Binnenwasserkarte der UNECE
- ↑ Березинская водная система
- ↑ Wassertourismus in Lettland
- ↑ Nature Park “Daugavas Loki”
- ↑ Upper Daugava spillway valley and associated gully network at Vasargelišķi
- ↑ Der Bau des Wasserkraftwerkes Vitebsk, des mächtigsten des Landes, ist abgeschlossen (russisch)