Kaiser Friedrich Museumsverein

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Eine der ersten Erwerbungen: Der Mann mit dem Goldhelm

Der Kaiser Friedrich Museumsverein (KFMV) ist der Förderverein der Gemäldegalerie sowie der Skulpturensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin.

Tätigkeit

Der Verein verfolgt den Zweck, die Gemäldegalerie und die Skulpturensammlung in Berlin zu fördern. Dieses geschieht in erster Linie durch den Erwerb von Gemälden und plastischen Bildwerken vom frühen Mittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, durch Unterstützung von Ausstellungen, Organisation von Veranstaltungen, Durchführung von kunsthistorischen Exkursionen, Vorträgen und wissenschaftlichen Veranstaltungen. Der vom Verein erworbenen Kunstwerke bleiben in seinem Besitz und werden den Museen als Leihgabe zur Verfügung gestellt. Zu Beginn seiner Tätigkeit leistete der Verein auch Vorfinanzierungen für Ankäufe, deren Mittel später aus dem Museumsetat beglichen wurde. Dies betraf beispielsweise die Museumsankäufe der Gemälde Etienne Chevalier mit dem heiligen Stephanus von Jean Fouquet und Herr und Dame beim Wein von Jan Vermeer. [1]

Die vom Kaiser Friedrich Museumsverein erworbenen Kunstwerke werden den entsprechenden Sammlungen als Leihgaben oder Schenkungen überlassen. Zum Eigentum des Vereins gehören etwa 120 Gemälde (darunter Werke von Dürer, Gainsborough, Boucher, Baldung Grien, Masaccio, Memling, Giotto, Rubens, Rembrandt, Tiepolo, Schongauer) sowie rund 150 Skulpturen. Die Kunstwerke sind zu einem großen Teil in der Gemäldegalerie Berlin am Kulturforum und im Bode-Museum auf der Museumsinsel der Öffentlichkeit zugänglich.

Geschichte

Vereinsgründung

Die Gründung des Vereins geht auf eine Initiative von Wilhelm von Bode zurück, der seit 1883 die Skulpturensammlung und seit 1890 die Gemäldegalerie der Königlichen Museen zu Berlin als Direktor leitete. Er bemängelte die geringen staatlichen Finanzmittel für den Ankauf von Kunstwerken und kritisierte das übliche bürokratische Genehmigungsverfahren. Aus seiner Sicht waren größere und schnell verfügbare Geldmittel notwendig, um auf dem Kunstmarkt bedeutende Objekte erwerben zu können. 1894 entwarf Bode ein erstes Konzeptpapier, in dem er zunächst beabsichtigte, einen von „reichen Sammlern“[2] gespeisten Ankaufsfond für die Museen einzurichten. Vorbild hierfür war ein ähnlicher Fond, über den die National Gallery in London verfügte.[3] Aus der Idee des Fonds entwickelte sich der Gedanke, Freunde und Förderer der Gemäldegalerie und der Skulpturensammlung in einem Förderverein zusammenzuschließen. Die zunächst „in aller Stille“ am 28. April 1896 unter dem Namen „Museums-Verein“ gegründete Institution[4], legte per 20. Januar 1897 seine Statuten fest und wurde am 16. Juni 1897 als Kaiser Friedrich Museumsverein durch Wilhelm II. mit den Rechten einer juristischen Person anerkannt. Mit dem offiziellen Gründungsjahr 1897 gehört der Kaiser Friedrich Museumsverein zu den ältesten bürgerlichen Kunstfördervereine in Deutschland. Während bereits ab 1896 Kunstwerke für das namensgebende Kaiser Friedrich Museum erworben wurden, konnte dessen Gebäude erst 1904 fertiggestellt werden. Seit 1956 heißt es Bode-Museum.

Wilhelm II. konnte als erstes Mitglied des Kaiser Friedrich Museumsverein gewonnen werden, was einen erheblichen Prestigegewinn für weitere Mitglieder bedeutete. Die weiteren Gründungsmitglieder waren vermögende Persönlichkeiten, die einen jährlichen Mitgliedsbeitrag von 500 Mark oder eine einmalige Zahlung von 5.000 Mark leisteten und darüber hinaus meist weitere finanzielle Mittel beitrugen.[5] Zu dieser Gruppe gehörten neben Direktor Wilhelm Bode die Kunstsammler Willibald von Dirksen, Julie Hainauer, Fritz Harck und Martin Heckscher, der Kunsthistoriker Friedrich Sarre, der Historiker Ferdinand Güterbock und die Maler Josef Block, Max Liebermann, Ludwig Passini. Hinzu kamen die Politiker August von Dönhoff und Karl Egon IV. zu Fürstenberg, die Juristen Paul von Herrmann, Maximilian Kempner und Paul Joseph Liebermann von Wahlendorf sowie der Rittergutsbesitzer Arthur von Schnitzler. Zu den zahlreichen Bankiers im Verein gehörten Gustav Güterbock, August von der Heydt, Karl von der Heydt, Ernst von Mendelssohn-Bartholdy, Robert von Mendelssohn, Franz von Mendelssohn, Ernst Meyer, Georg Meyer, Paul von Schwabach, Eduard Veit Hermann Wallich, Robert Warschauer und Valentin Weisbach. Hinzu kamen die Unternehmer Eduard Arnhold, Fritz von Friedlaender-Fuld, Oskar Hahn, Richard von Hardt, Guido Henckel von Donnersmarck, Cornelius Wilhelm von Heyl zu Herrnsheim, Oscar Huldschinsky, Friedrich Alfred Krupp, Rudolf Mosse, Gustav Salomon, Gustav Siegle, James Simon, Adolph Thiem, Alfred Thieme und August Zeiss.[6] Etwa die Hälfte der Gründungsmitglieder war jüdischen Glaubens.[7]

Zeit des Nationalsozialismus

Friedrich Schmidt-Ott (Foto: Nicola Perscheid, etwa 1917)

In der Öffentlichkeit wurde viel beachtet und positiv bewertet, dass der Verein als erster „Freundeskreis“ der Berliner Museen seine Geschichte während der NS-Diktatur aus eigenem Antrieb quellennah, systematisch und kritisch hat aufarbeiten lassen. Im Kaiserreich und in der Weimarer Republik waren zeitweise gut 60 % seiner mäzenatisch wirkenden Mitglieder jüdischen Glaubens. Der von 1929 bis 1954 amtierende Vorsitzende Friedrich Schmidt-Ott demonstrierte sogleich nach der Übergabe der Regierungsverantwortung durch Hindenburg an die Hitler-Papen-Hugenberg-Koalition seinen „ostentativ zur Schau gestellten Schulterschluss von Wissenschaft und Regierung“. Die „rasche ideologische Selbstanpassung“[8] des Vorsitzenden beweisen die rüstungs- und rassepolitischen Vorschläge an Ministerien und den „Führer und Reichskanzler“.[9] Seine Denkschrift an den Minister Bernhard Rust (14. Juni 1934) offenbart die nationalistischen, antisemitischen und opportunistischen Züge seines Denkens deutlich (Bundesarchiv).

„In dieser kritischen Phase vermisst man auch sein deutliches Eintreten für die jüdischen Mitglieder der scientific community […]. Man wird davon ausgehen müssen, dass Schmidt-Otts Neigung zur staatlichen Macht, seine sicher im Laufe der Jahre entwickelte Antipathie gegen demokratische Spielregeln und seine konservative Grundhaltung ihm keine unüberwindbaren Hindernisse zur Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten in den Weg legten.“[10]

Der Verein setzte seine Tätigkeit fort (Verabschiedung des Jahresetats bis 1944/1945, Haupt- und Mitgliederversammlungen, Erwerbungs- und Spendenaktionen) und nahm bewusst Hitler nahestehende Persönlichkeiten wie Ernst Heinkel, Emil von Stauß und Wilhelm Kreis auf.[11] Konsequent bestätigte Schmidt-Ott dem NS-Minister Bernhard Rust auf Anforderung am 8. Juni 1938, dass dem KFMV nunmehr „keine Juden mehr angehören“.[12] Um diese Aussage treffen zu können, hatte Schmidt-Ott in den Wochen zuvor Mitglieder, die keine „Reichsbürger“ im Sinne der NS-Gesetze waren, satzungswidrig ausgeschlossen. Ob es ohne den Brief von Schmidt-Ott zur Zwangsauflösung des Vereins[13] gekommen wäre, ist bei dem Opportunismus und der Dienstbeflissenheit von Schmidt-Ott fraglich, da das NS-Regime gegen ihn bis 1945 grundsätzlich nichts einzuwenden hatte, wie seine Bestallung zum Vorsitzenden einer Historischen Kommission und des Stifterverbands für die deutsche Wissenschaft zeigten.[14]

Zeit nach 1945

In den ersten Jahrzehnten nach 1945 setzte der Verein „die Schmidt-Ottsche Linie des Duckens und Stillhaltens fort“.[15] Die bewusst vorgenommene völlige Verdrängung der Anpassung an das NS-Regime verbreitete der Verein zunächst in unkritischen Darstellungen.[16] 2018 veröffentlichte der Verein ein Verzeichnis aller ehemaligen jüdischen Mitglieder mit ihren Lebensläufen, in denen auch die Verfolgungen der Nazizeit benannt werden.[17]

Der Kaiser Friedrich Museumsverein hat heute mehr als 650 Mitglieder. Als Erster Vorsitzender fungiert Tessen von Heydebreck. Seit 2010 bilden die jungen Mitglieder die Gruppe „Junge Kaiser“, der mehr als 100 Mitglieder angehören.

Literatur

  • Peter Bloch, Henning Bock: Der Kaiser-Friedrich-Museumsverein. In Kaiser Friedrich Museumsverein (Hrsg.): Wilhelm von Bode, Museumsdirektor und Mäzen. Staatliche Museen zu Berlin. Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1995, ISBN 3-88609-410-3, S. 91–98.
  • Bundesarchiv / Berlin; Bestand R. 49.01, Nr. 15189, fol. 37–40.
  • Sören Flachowsky: Von der Notgemeinschaft zum Reichsforschungsrat. Wissenschaftspolitik im Kontext von Autarkie, Aufrüstung und Krieg (= Studien zur Geschichte der Deutschen Forschungsgemeinschaft. 3). Stuttgart 2008.
  • Gerd Hardach: Die Geschichte des Kaiser Friedrich Museumsvereins. Kaiser Friedrich Museumsverein, Berlin 2020.
  • Hans Michael Hölz, Bettina Held: Kaiser Friedrich-Museums-Verein: Tradition, Leidenschaft, Kunstverstand. Kaiser Friedrich Museumsverein, Berlin 2006.
  • Bruno Jahn: Der Kaiser Friedrich Museumsverein (KFMV) und seine ehemaligen jüdischen Mitglieder / Mitglieder jüdischer Herkunft. Kaiser Friedrich Museumsverein, Berlin 2018.
  • Andreas Kilb: Mäzene und Verräter. Ein Verein im Dritten Reich. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 22. Juni 2016, S. N3.
  • Lothar Mertens: „Nur politisch Würdige“. Die DFG-Forschungsförderung im Dritten Reich. Berlin 2004.
  • Anna von Schoenebeck, Peter Bloch: Zur Geschichte des Kaiser Friedrich-Museums-Vereins. In: Kaiser Friedrich-Museums-Verein: Erwerbungen 1897–1972. Berlin 1972.
  • Winfried Schulze: Selbstbild und Fremdbild. Friedrich Schmidt-Ott, ein Gestalter des deutschen Wissenschaftssystems. In: Forschung 1. (2005), S. 1–8.
  • Bernd Sösemann: Im Zwielicht bürokratischer „Arisierung“. Der Kaiser Friedrich-Museums-Verein in Berlin und seine jüdischen Mitglieder in der NS-Diktatur. Edition Andreae. Lexxion Verlagsgesellschaft, Berlin 2016, ISBN 978-3-86965-303-7.
  • Tilmann von Stockhausen: Der Kaiser-Friedrich-Museumsverein. In: Gemäldegalerie Berlin. Die Geschichte ihrer Erwerbungspolitik 1830–1904. Nicolai, Berlin 2000, ISBN 3-87584-769-0, S. 139–142.

Einzelnachweise

  1. Gerd Hardach: Die Geschichte des Kaiser Friedrich Museumsvereins, S. 8–9.
  2. Wilhelm Bode zitiert in Tilmann von Stockhausen: Der Kaiser-Friedrich-Museumsverein. In Gemäldegalerie Berlin. Die Geschichte ihrer Erwerbungspolitik 1830–1904. S. 140.
  3. Tilmann von Stockhausen: Der Kaiser-Friedrich-Museumsverein. In Gemäldegalerie Berlin. Die Geschichte ihrer Erwerbungspolitik 1830–1904. S. 140.
  4. F. L. Herbig: Alte und neue Kunst in Berlin. In Die Grenzboten, Zeitschrift für Politik Litteratur und Kunst, Grunow, Leipzig 1897, S. 378.
  5. Tilmann von Stockhausen: Der Kaiser-Friedrich-Museumsverein. In Gemäldegalerie Berlin. Die Geschichte ihrer Erwerbungspolitik 1830–1904. S. 141.
  6. Namen der Gründungsmitglieder gemäß Angaben auf der Website des Kaiser Friedrich Museumsvereins
  7. Tilmann von Stockhausen: Der Kaiser-Friedrich-Museumsverein. In Gemäldegalerie Berlin. Die Geschichte ihrer Erwerbungspolitik 1830–1904. S. 141.
  8. Lothar Mertens: Nur politisch Würdige. Die DFG-Forschungsförderung im Dritten Reich. Berlin 2004.
  9. Sören Flachowsky: Von der Notgemeinschaft zum Reichsforschungsrat. Wissenschaftspolitik im Kontext von Autarkie, Aufrüstung und Krieg (Studien zur Geschichte der Deutschen Forschungsgemeinschaft 3). Stuttgart 2008, S. 110–131.
  10. Winfried Schulze: Selbstbild und Fremdbild. Friedrich Schmidt-Ott, ein Gestalter des deutschen Wissenschaftssystems. In: Forschung 1. (2005), S. 7 f.
  11. Bernd Sösemann: Im Zwielicht bürokratischer „Arisierung“. Der Kaiser Friedrich-Museums-Verein in Berlin und seine jüdischen Mitglieder in der NS-Diktatur. Edition Andreae. Lexxion Verlagsgesellschaft, Berlin 2016, ISBN 978-3-86965-303-7, S. 55.
  12. Bernd Sösemann: Im Zwielicht bürokratischer „Arisierung“. Der Kaiser Friedrich-Museums-Verein in Berlin und seine jüdischen Mitglieder in der NS-Diktatur. Edition Andreae. Lexxion Verlagsgesellschaft, Berlin 2016, ISBN 978-3-86965-303-7, S. 49.
  13. „Weder Verrat des Vereins noch seiner Mitglieder“. Leserbrief in Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29. Juni 2016, S. 14.
  14. Bernd Sösemann: Im Zwielicht bürokratischer „Arisierung“. Der Kaiser Friedrich-Museums-Verein in Berlin und seine jüdischen Mitglieder in der NS-Diktatur. Edition Andreae. Lexxion Verlagsgesellschaft, Berlin 2016, ISBN 978-3-86965-303-7, S. 39 und S. 61–64.
  15. Andreas Kilb: Mäzene und Verräter. Ein Verein im Dritten Reich. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 22. Juni 2016, S. N3.
  16. Anna von Schoenebeck, Peter Bloch: Zur Geschichte des Kaiser Friedrich-Museums-Vereins. In: Kaiser Friedrich-Museums-Verein: Erwerbungen 1897–1972. Berlin 1972, S. 8–10.
  17. Bruno Jahn: Der Kaiser Friedrich Museumsverein (KFMV) und seine ehemaligen jüdischen Mitglieder / Mitglieder jüdischer Herkunft.