Sinti-Mausoleum Osendorf
Das Sinti-Mausoleum ist ein Grabmal im Ortsteil Osendorf von Halle (Saale). Es wurde um das Jahr 1915 für den in Osendorf verstorbenen, österreichischen Sinto Josef Weinlich errichtet. Im Denkmalverzeichnis Sachsen-Anhalts ist das Mausoleum mit der Erfassungsnummer 094 18536 eingetragen.[1]
Geschichte
Josef Weinlich war ein im Ort ansässiger Pferdehändler, der eigentlich Nauni hieß, aber einen deutschen Namen annehmen musste, um eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland zu bekommen. Die Dörfer Osendorf und Radewell dienten zu jener Zeit häufig als Winterquartier der fahrenden Sinti, die hier ihre Zelte und Wagen aufstellten. Sie wurden daher auch als „Osendorfer Gruppe“ bezeichnet. Nauni/Weinlich war unter ihnen hoch angesehen, da er als Rechtsprecher der „Osendorfer Gruppe“ agierte. Er starb am 9. Oktober 1915.[2][3][2][4] Sein Grabmal wurde auf dem von ihm ausgewählten Gelände des Osendorfer Friedhofs noch zu seinen Lebzeiten errichtet.[4]
Er wurde in diesem in einem Eichensarg mit einem kleinen Fenster am Kopfende beerdigt. Unter den Einwohnern war das Denkmal als „Zigeuner-Mausoleum“ und „Zigeunerkapelle“ bekannt. Später wurden noch zwei Nachfahren Naunis in Särgen hier beerdigt, zudem gab es drei Urnen, die aus der Nachkriegszeit stammten, aber nicht mehr vor Ort sind. Eine in der Nachbarschaft lebende Familie kümmerte sich bereits seit zirka 1930 um den Erhalt und die Pflege des Mausoleums, wofür sie von den Sinti bezahlt wurde.Fälschlicherweise wird Nauni/Weinlich teilweise mit der Person des sogenannten „Zigeunerkönigs“ von Radewell vermischt, welcher aber lediglich ein entfernter Verwandter namens Johann Watosch war, der 1926 in Berlin starb.[2]
Bereits im Jahr 2012 war eine erste Notsicherung notwendig, bei der zwei der drei Särge geborgen wurden.[5] Nach weiteren deutlichen Verfallserscheinungen, darunter größere Risse und bröckelnder Putz, die auf die schlechte Grundierung am Rand der Saale-Elster-Aue bei Halle zurückzuführen sind, war Handlungsbedarf für den Erhalt gegeben, weshalb der hallesche Verein Zeit-Geschichte(n) e.V. und die Gedenkstätte Roter Ochse Halle (Saale) eine Initiative für die Restaurierung starteten.[4][6] Diese beschäftigt sich auch mit Möglichkeiten des Erinnerns an die ermordeten Sinti und Roma. Regelmäßig wurde zum Tag des offenen Denkmals auf das Bauwerk aufmerksam gemacht. Hierbei spielt die Arbeit mit Schülerinnen und Schülern des halleschen Elisabeth-Gymnasiums eine wichtige Rolle.[7]
Bereits im Jahr 2018 gab es gemeinsame Planungen von Stadt und Initiative, das Mausoleum zu einer Gedenkstätte für die im Jahr 1943 in die Konzentrationslager Auschwitz und Mittelbau-Dora deportierten und ermordeten Sinti umzugestalten.[3] Da der ehemalige Osendorfer Friedhof heute als Spielplatz dient, wurde das Mausoleum im Jahr 2022 mit einer Gedenktafel versehen, die seine Bedeutung erklärt.[8] Der Kulturausschuss der Stadt Halle (Saale) beschloss am 7. August 2024 die denkmalgerechte Sanierung des Kulturdenkmals mit einem Gesamtwertumfang in Höhe von 350.000 Euro.[9] Der Baubeginn soll im 2. Quartal 2025 erfolgen.
Baubeschreibung
Es handelt sich um eine kleine Grabkapelle, die um das Jahr 1915 errichtet wurde.[9] Im Jahr 1998 wurde sie unter Denkmalschutz gestellt.[3] Das nach Südosten gewandte Portal ist rundbogig gestaltet, wodurch sich ein Türbogenfeld bildet, das als einzige Lichtquelle diente, heute aber verdeckt ist. Das Portal wird von Säulen flankiert und ist mit zwei Löwenköpfen zusätzlich geschmückt. Über ihm befindet sich ein Reliefstein mit den Insignien Naunis. Den Giebel krönte lange Zeit ein Stein, der aber mittlerweile nicht mehr erhalten ist. Die Fassade war mehrfarbig gestaltet.
Würdigung
Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinto und Roma, ordnete das Mausoleum im Juli 2024 folgendermaßen ein: „Diese Grabstätte ist ein wichtiges Kulturgut für die nationale Minderheit der deutschen Sinti und Roma, das ihre lange Geschichte in Halle dokumentiert.“ Es handele sich um eines der wenigen nach dem Holocaust erhaltenen materiellen Zeugnisse, das an das Leben der Minderheit in Sachsen-Anhalt erinnert.[10] Neben diesem ist nur eine weitere überdachte Grabstelle der Sinti in Deutschland bekannt. Diese befindet sich in Merzig.[9][11] Mutmaßlich handelt es sich zudem um das einzige von Sinti erbaute Gebäude in Mitteldeutschland.[5][4]
Literatur
- Manfred Doll: Die Radeweller Zigeuner. In: Heimat-Jahrbuch Saalkreis 1999, S. 81–85.
Weblinks
- Sinti-Mausoleum, Karl-Meißner-Straße 43 in Halle-Osendorf. In: roma-und-sinti-sachsen.de. Abgerufen am 9. September 2024 (mit Innenaufnahmen).
- Ein Mausoleum in Osendorf als Zeugnis von Sinti in Halle. In: radiocorax.de. Radio Corax, 5. Februar 2019, abgerufen am 9. September 2024 (mit zwanzigminütigem Audiobeitrag).
- In Gedenken – Mausoleum erinnert an die Sinti und Roma. In: mdr.de. Mitteldeutscher Rundfunk, 2. August 2024, abgerufen am 9. September 2024 (mit zweiminütigem Videobeitrag).
Einzelnachweise
- ↑ Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung. (PDF) 19. März 2015, abgerufen am 9. September 2024 (9,9 MB; Anfrage der Abgeordneten Olaf Meister und Claudia Dalbert (Bündnis 90/Die Grünen) – Kleine Anfrage 6/8670; Drucksache 6/3905 – Antwort durch das Kultusministerium – betrifft: Denkmalverzeichnis des Landes Sachsen-Anhalt – siehe PDF-Seite 1624).
- ↑ a b c Manfred Döll: Die Radeweller Zigeuner. In: Heimat-Jahrbuch Saalkreis 1999, S. 81–85. Digitalisat, gypsy-research.org (PDF; 2,6 MB).
- ↑ a b c Katja Pausch: Erinnerung an Halles Sinti: Mausoleum für berühmten „Zigeunerkönig“. In: mz.de. Mitteldeutsche Zeitung, 23. September 2018, abgerufen am 9. September 2024.
- ↑ a b c d Felix Knothe: Das Sinti-Mausoleum von Osendorf. In: staedtische-zeitung.de. 12. September 2018, abgerufen am 9. September 2024.
- ↑ a b Dirk Skrzypczak: "Zigeunerkönig" in akuter Gefahr: Warum eine kleine Kapelle in Halle großes Interesse weckt. In: mz.de. Mitteldeutsche Zeitung, 12. September 2018, abgerufen am 9. September 2024.
- ↑ Denny Kleindienst: Sinti-Mausoleum in Halle ist bundesweite Seltenheit – doch es droht der Verfall. In: mz.de. Mitteldeutsche Zeitung, 5. August 2023, abgerufen am 9. September 2024.
- ↑ Elisabeth-Gymnasium, Halle. Das Sinti-Mausoleum Halle-Osendorf. In: denkmal-aktiv.de. 2024, abgerufen am 9. September 2024.
- ↑ Gedenktafel am Osendorfer Mausoleum. In: osendorf.de. 11. Juni 2022, abgerufen am 9. September 2024.
- ↑ a b c Baubeschluss zur denkmalgerechten Sanierung Mausoleum des Sinto Josef Weinlich in 06132 Halle (Saale). In: buergerinfo.halle.de. Halle (Saale), abgerufen am 9. September 2024.
- ↑ Zentralrat dankt Stadt Halle für wichtiges Engagement zum Erhalt des denkmalgeschützten Sinti-Mausoleums in Osendorf. In: zentralrat.sintiundroma.de. 5. Juli 2024, abgerufen am 9. September 2024 (Pressemitteilung).
- ↑ Rüdiger Benninghaus: Gräber, Friedhöfe und Begräbnisse (weltweit). In: rbenninghaus.de. Abgerufen am 9. September 2024 (siehe Abb. 222).
Koordinaten: 51° 25′ 13,8″ N, 12° 0′ 13,8″ O