Geschichtsrevisionismus
Als Geschichtsrevisionismus bezeichnet man Versuche, ein wissenschaftlich, politisch und gesellschaftlich anerkanntes Geschichtsbild zu revidieren, indem bestimmte Ereignisse wesentlich anders als in der gegenwärtigen Geschichtswissenschaft erklärt und/oder gedeutet werden.
Dafür wird oft auch der allgemeinere Begriff Revisionismus verwendet. Dieser stammt jedoch ursprünglich aus der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie und der Kritik des Staatskommunismus und lässt sich nicht auf Geschichtsumdeutung einengen.
Verhältnis zur Geschichtswissenschaft
Geschichtsrevisionisten geht es in der Regel darum, ein wissenschaftlich gesichertes und damit derzeit gültiges Geschichtsbild zu erschüttern und langfristig zu ersetzen, um die „Deutungshoheit“ über die Vergangenheit zu gewinnen. Dabei verbinden sie ihre Deutung der Geschichte meist mit bestimmten politischen und ideologischen Zielen, auch wo diese nicht benannt werden.[1] Da bestimmte geschichtlich anerkannte Fakten diesen Zielen im Weg stehen, versuchen Geschichtsrevisionisten diese umzudeuten oder ihrerseits als bloß herrschende politische Ansichten darzustellen. Es besteht also ein Konflikt zwischen historischen Tatsachen und ihren politischen Interessen.[2]
Dabei beanspruchen Revisionisten in der Regel, historische Ereignisse wissenschaftlich zu überprüfen und kritisch zu bewerten, wie es Aufgabe der Geschichtsforschung in einem diskursiven Prozess ist. Diese bezieht die Revision historischer Sichtweisen durch neu entdeckte Fakten gemäß dem kritischen Rationalismus selbstverständlich ein. Forschungen, die zunächst eine Minderheitsmeinung in der Geschichtswissenschaft vertreten, die sich dann aufgrund neuer Erkenntnisse allgemein durchsetzt, werden im deutschen Sprachraum jedoch nicht Geschichtsrevisionismus genannt. Denn dieser unterscheidet sich von einer ergebnisoffenen Bemühung um historische Objektivität durch seine politisch-ideologischen Motive und eine auch auf Geschichtsklitterung und Geschichtsfälschung zurückgreifende Methodik mit dem vorgefassten Ziel, ein anerkanntes Geschichtsbild insgesamt anzugreifen und zu ersetzen.
Dies wird bei Holocaustleugnung und Versuchen, die Verbrechen des Nationalsozialismus zu relativieren, besonders deutlich. Sie werden dem Geschichtsrevisionismus zugeordnet; auch deren Vertretern bezeichnen sich selbst oft als „Revisionisten“.[3]
Deutschland
Auf die Deutsche Geschichte bezogen versuchen deutschsprachige wie nichtdeutschsprachige Geschichtsrevisionisten vor allem Ursachen, Verläufe und Folgen beider Weltkriege umzudeuten. Sie bestreiten regelmäßig jede besondere Verantwortung deutscher Regierungen dafür. Sie richten oft Ansprüche auf ehemalige deutsche Gebiete oder Großmachtambitionen wieder auf. Politisch sind sie daher überwiegend nationalistisch und rechtsextremistisch orientiert.[4]
Geschichtsrevisionismus in der Weimarer Republik
Schon die Dolchstoßlegende in der Weimarer Republik war ein Versuch, die tatsächlichen Ursachen der Niederlage des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg zu leugnen und zu revidieren. Damit verbunden war eine Ablehnung der parlamentarischen Demokratie und der Unterordnung von Militär und Justiz unter den Primat der mehrheitlich gewählten Regierung. Auch bei geschichtsrevisionistischen Autoren nach 1945 finden sich Versuche, den Zusammenbruch des Deutschen Reichs den als „Drahtziehern“ der Novemberrevolution dargestellten Führern der Arbeiterbewegung anzulasten. Zu diesen Autoren gehörten etwa Otto Ernst Remer und Erich Kern.
Der Vertragsrevisionismus wollte die im Versailler Vertrag von 1919 geforderten Reparationen und Gebietsabtretungen revidieren. Dies war ein erklärtes Ziel deutscher Regierungen der Weimarer Zeit. Dazu wurde die Debatte um die Kriegsschuldfrage von staatlicher Seite mit der gezielten Herausgabe Deutschland entlastender und Zurückhaltung belastender Dokumente beeinflusst. Die allgemeine Überzeugung deutscher Historiografie von einer Kriegsschuldlüge der Alliierten und Kriegsunschuld des Kaiserreichs wurde erst nach 1945 allmählich hinterfragt und korrigiert.
Historischer Revisionismus bezogen auf den Nationalsozialismus
Geschichtsrevisionisten versuchen häufig, die Verbrechen des Nationalsozialismus, besonders den 2. Weltkrieg und den Holocaust, aus außerdeutschen Ursachen zu erklären und damit zu bestreiten, zu verharmlosen und zu relativieren. Für deutsche Politologie ist dies eine Hilfsideologie im Dienste rechtsextremer Ziele mit dem Anspruch, Geschichte zu „entkriminalisieren“ und das Geschichtsbild durch Fälschung und Manipulation zu schönen. Besonders die „Auschwitzlüge“ sei der zentrale Hebel, mit dem Hitler-Apologeten, Alt- und Neonazis und Nationalisten das historische Bild des Nationalsozialismus retuschieren wollen.[5]
Relativieren der deutschen Kriegsschuld
Klassischer Vertreter dafür war der US-amerikanische Geschichtsrevisionist David L. Hoggan mit dem Buch Der erzwungene Krieg (1961). Darin beschrieb er vor allem die Regierung Großbritanniens sowie den polnischen Außenminister von 1939 als Kriegsverursacher. Dabei verzerrte und fälschte er systematisch Primärquellen, so dass ihm Hermann Graml und andere Historiker vom Institut für Zeitgeschichte in den 1960er Jahren Geschichtsklitterung nachweisen konnten. Gleichwohl werden Hoggans Thesen sowohl von deutschen wie US-amerikanischen Rechtsextremisten und Holocaustleugnern, die beim kalifornischen Institute for Historical Review mitarbeiten, weiter kolportiert.
Harry Elmer Barnes schrieb 1968 das Buch Die deutsche Kriegsschuldfrage, eine Rechtfertigung David Hoggans. Darin vertrat er die Auffassung, Hitler sei für den Zweiten Weltkrieg ebensowenig verantwortlich wie Wilhelm II. für den Ersten Weltkrieg. Die Anerkennung der deutschen Kriegsschuld sei ein „Fall von geradezu unbegreiflicher Selbstbezichtigungssucht ohnegleichen in der Geschichte der Menschheit“.[6]
Der später in Österreich als Holocaustleugner verurteilte britische Publizist David Irving bestritt schon in seinem Buch Hitler's War (1977) Hitlers Initiative beim Zweiten Weltkrieg und wies die Hauptschuld Winston Churchill zu.
Im Gefolge der Thesen Ernst Noltes (s.u.) veröffentlichte der ehemalige HJ-Führer und Wehrmachtsoffizier Max Klüver sein Buch Präventivschlag 1941. Zur Vorgeschichte des Russlandfeldzuges im rechtsextremen Verlag Gert Sudholts. Als erklärter Vertreter eines „Revisionismus in der Zeitgeschichte“ (Referatstitel beim Jahreskongress der Gesellschaft für Freie Publizistik 1987) schrieb er auch über Roosevelt oder Vansittart? Zur Kriegsschulddebatte der nonkonformen Geschichtsschreibung. Immer wieder äußerte er sich mit Versuchen, die wissenschaftlich anerkannte deutsche Kriegsschuld am Zweiten Weltkrieg zu einer britischen und sowjetischen Kriegsschuld umzudeuten:[7] zuletzt 1995 mit dem Buch Es war nicht Hitlers Krieg - Neues aus dem britischen Staatsarchiv.
Alfred Schickel, Leiter der „Zeitgeschichtlichen Forschungsstelle Ingolstadt“, macht in vielen Publikationen primär den US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt für den Zweiten Weltkrieg verantwortlich. Dieser habe schon am 5. Oktober 1937 dazu aufgerufen, die faschistischen und kommunistischen Diktaturen unter Quarantäne zu stellen, also zu isolieren. Erst auf seinen Druck hin hätten Briten und Franzosen ihre Appeasement-Politik am 31. März 1939 zu Gunsten einer Garantieerklärung für Polens Grenzen aufgegeben. Dies hätten die Polen als „Blankoscheck“ für deutschfeindliche „Provokationen“ aufgefasst. Sie hätten zudem Teilungspläne für Deutschland erwogen und geplant, die Deutschen zu vertreiben, wie es 1945 dann geschehen sei. Hitler sei am 1. September 1939 einem bevorstehenden polnischen Angriff „zuvorgekommen“, habe aber schon am 5. Oktober 1939 ein „großzügiges Friedensangebot“ an die Westmächte gerichtet. Hätten diese es angenommen, wäre der Zweite Weltkrieg „vermeidbar“ gewesen.[8]
Seit 2003 veröffentlicht der ehemalige Generalmajor Gerd Schultze-Rhonhof publikumswirksam Arbeiten, die von einer allgemeinen Entfesselung des Zweiten Weltkriegs ausgehen und Polen die Hauptschuld zuweisen.[9]
„Jüdische Kriegserklärungen“
Vermeintliche jüdische Kriegserklärungen dienen Geschichtsrevisionisten zu dem Zweck, den Holocaust und die Kriegsschuld zu relativieren. Geschichtsrevisionisten, wie Horst Mahler beziehen sich auf eine Äußerung des Präsidenten der „Jüdischen Weltliga gegen den Antisemitismus“, Bernard Lecache. Dieser habe schon vor der Machtübernahme durch Hitler am 9. November 1932 eine „Kriegserklärung“ an Deutschland gerichtet: „Deutschland ist unser Feind Nr. 1. Es ist unsere Absicht, diesem Land ohne Gnade den Krieg zu erklären“.[10] Die Umdeutung der eigenen Kriegsinitiative zur bloßen Reaktion auf Kriegspläne anderer betrieben die Nationalsozialisten bereits selbst. Sie war Hauptmotiv ihrer Propaganda. Insbesondere die Behauptung einer „jüdischen Kriegserklärung“ diente ihnen zur Rechtfertigung ihrer Verfolgungs- und Völkermord-Politik. So nahmen die Nationalsozialisten einen angekündigten Boykottaufruf einiger Londoner Händler zum willkommmenen Vorwand für den Judenboykott vom 1. April 1933. Ein Artikel der britischen Boulevardzeitung Daily Express hatte am 24. März 1933 unter der irreführenden Überschrift Judea declares war on Germany („Judäa erklärt Deutschland den Krieg“) über einen eventuellen Boykottaufruf englischer Juden gegen deutsche Waren und Produkte berichtet,[11] den die Vertreter der britischen Juden jedoch am 27. März 1933 ausdrücklich zurückwiesen.[12]
Eine weitere angebliche jüdische Kriegserklärung sehen Geschichtsrevisionisten in einem Briefwechsel des damaligen Vorsitzenden der Jewish Agency, Chaim Weizmann, vom September 1939.[13] Auch Ernst Nolte bewertete dessen Bereitschaft, an der Seite Großbritanniens gegen das nationalsozialistische Deutschland zu kämpfen, als „Kriegserklärung der Juden“ an das Deutsche Reich und stellte die mit Kriegsbeginn eskalierende Judenverfolgung des NS-Regimes als „Gegenmaßnahme“ dazu dar.
Eine weitere These gibt den britischen und amerikanischen Juden die Schuld an den Auflagen des Versailler Vertrags von 1919 und beschreibt diese als Ursache des Aufstiegs der Nationalsozialisten und damit des 2. Weltkriegs. Dies vertrat etwa der französische Holocaustleugner Paul Rassinier. In ähnlicher Weise wurde nach 1945 auch der Morgenthauplan zur Deindustrialisierung und Entmilitarisierung Deutschlands als Versuch von Juden gedeutet, Deutschland nachhaltig zu entmachten und zu „versklaven“.
Besonders antisemitische Geschichtsrevisionisten kolportieren solche und andere Thesen weiter, um in nationalsozialistischer Tradition die Täter-Opfer-Umkehr zu betreiben und „die Juden“ für den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust verantwortlich zu machen. Die deutschen Verbrechen sollen so als reine Verteidigung und „Notwehr“ gegen eine Verschwörung des „Weltjudentums“ gerechtfertigt werden.
Relativierung der deutschen Kriegsschuld
Der Historiker Ernst Nolte löste 1986 einen bundesdeutschen Historikerstreit aus: Er deutete den deutschen Russlandfeldzug 1941-1945 als präventive Abwehrmaßnahme Adolf Hitlers gegen einen befürchteten Krieg der Sowjetunion gegen Deutschland. Auch die Einrichtung der nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslager deutete er als Reaktion auf die Gulags Josef Stalins. Damit verschob er die deutsche Kriegsschuld von inner- auf außerdeutsche Ursachen, bestritt sie also im Kern. Den Holocaust bestreitet er nicht direkt, deutet ihn aber ebenfalls als zufällige, ursprünglich nicht beabsichtigte Folge des von außen aufgenötigten Krieges und hält einige Thesen von Holocaustleugnern für diskutabel. In einem Spiegel-Interview antwortete er auf die Frage, ob er Zweifel an der gezielten Massenvernichtung der Juden durch Gas hege:
- Das ist ein besonders heikler Punkt. Ich kann nicht ausschließen, dass die meisten Opfer nicht in den Gaskammern gestorben sind, sondern dass die Zahl derer vergleichsweise größer ist, die durch Seuchen zu Grunde gingen oder durch schlechte Behandlung und Massenerschießungen. Ich kann nicht ausschließen, dass die Untersuchung der Gaskammern auf Blausäurespuren, die der amerikanische Ingenieur Fred Leuchter als erster vorgenommen hat, wichtig ist.[14]
Auch der freie Historiker Stefan Scheil relativiert Hitlers Aggressionspolitik. Dies wird meist mit angeblichen westlichen oder östlichen Kriegsplänen, wirtschaftlichen Erpressungen und Provokationen gegen das Deutsche Reich vor 1939 begründet.
Die Versuche, die deutsche Kriegsschuld zu relativieren, finden über rechtsextreme Gruppen hinaus in der sogenannten Neuen Rechten Zustimmung.
Leugnung des Holocaust
Holocaustleugner greifen systematisch alle wesentlichen Dokumente des Holocaust als Fälschungen an: etwa die Gaskammern der Vernichtungslager, aber auch das Tagebuch der Anne Frank, die Aussagen des Lagerkommandanten Rudolf Höß zu den Opferzahlen im KZ Auschwitz-Birkenau oder das einzige erhaltene Protokoll der Wannseekonferenz. Die Rechtsextremistin Ingrid Weckert behauptete in einem indizierten Buch, die „Reichskristallnacht“ sei von zionistischen Organisationen in Gang gesetzt worden.
Im November 1981 gründeten Alfred Schickel, Hellmut Diwald und Alfred Seidl die geschichtsrevisionistische „Zeitgeschichtliche Forschungsstelle Ingolstadt“ (ZFI) gegen das renommierte Institut für Zeitgeschichte (IFZ) in München. Sie setzte sich die systematische Infragestellung zentraler Holocaustdokumente zum Ziel. Ein immer wiederkehrendes Thema ist dort „die umstrittenste Zahl der Zeitgeschichte. Das ungeklärte Ausmaß der jüdischen Opfer“ (Schickel 1980). Auch die Ermordung von etwa 500 000 Sinti und Roma wird als „Zahlenfiktion“ bezeichnet. Die Junge Freiheit urteilte 1991 über diese Bemühungen: Das ZFI habe der „Historiographie aus dem Ghetto der Siegergeschichtsschreibung“ verholfen, „vermeintliche Geschichtsquellen“ als „hochprozentige Geschichtsfälschung“ entlarvt und sei somit ein wirkungsvolles „Korrektiv ewiggültiger Wahrheiten“.[15]
Zu den bekanntesten Holocaustleugnern gehören u.a. Ernst Zündel in Kanada, Fred A. Leuchter in den USA, David Irving in Großbritannien und der deutsche Diplomchemiker Germar Rudolf. Internationale Zentren der Holocaustleugnung sind das Institute for Historical Review in Kalifornien, USA, und das Institut Vrij Historisch Onderzoek (VHO, „Freie Historische Untersuchung“) in Antwerpen, Belgien.[16]
Da sich Holocaustleugner ebenfalls „Revisionisten“ nennen, werden Relativieren und Leugnen des nationalsozialistischen Völkermords oft in diesem Begriff zusammengefasst. Sofern sie den Holocaust und die NS-Verbrechen leugnen, können geschichtsrevisionistische Veröffentlichungen und Äußerungen in Deutschland als Volksverhetzung, in Österreich als NS-Wiederbetätigung bestraft werden.
Publikationen von Geschichtsrevisionisten werden zum Teil vom Verfassungsschutz beobachtet, einige sind verboten. Da der Verfassungsschutz davon ausgeht, dass mit der systematischen Leugnung oder Relativierung der deutschen Hauptverantwortung am Zweiten Weltkrieg verfassungsfeindliche Ziele verbunden sein können, beobachtet er in bestimmten Verdachtsfällen auch Geschichtsrevisionisten, die zur Zeit keine strafbaren Handlungen begehen.
Frankreich
In Frankreich bezieht sich Geschichtsrevisionismus meist auf Uminterpretation der Bedeutung Napoleon Bonapartes, der kolonialen Vergangenheit des Landes, sowie der Rolle der Vichy-Regierung und der Beteiligung an deutschen Verbrechen der damaligen Zeit, sowie den Negationismus durch meist der Front national nahestehende Personen.
Als eine Form von staatlich angeregtem Geschichtsrevisionismus kann ein am 23. Februar 2005 von der Französischen Nationalversammlung verabschiedetes Gesetz (Artikel 4 in Gesetz Nummer 158), welches die „positive Rolle“ der Kolonisation in der Geschichte Frankreichs festschreibt, gesehen werden. Universitäten und Schulen sind darin aufgefordert, den französischen Kolonialismus positiv darzustellen, und den französischen Gefallenen der Kolonialkriege ein „ehrendes Andenken“ zu bewahren. Eine objektive Auseinandersetzung und Forschung mit der Rolle Frankreichs in Algerien, bzw. einer eventuellen historischen Schuld speziell im Algerienkrieg, wird damit erschwert. [17] [18]
Israel
Im Zusammenhang des Zionismus gewann der Revisionismus-Begriff eine negative Bedeutung: Hier wurde er für einen starren ideologischen Fundamentalismus verwendet, der sein Programm ohne Rücksicht auf veränderte Umstände intolerant und gewaltbereit durchzusetzen versucht. So lehnte die 1925 gegründete militante Revisionistische Zionistische Allianz in Palästina jede Zusammenarbeit mit der britischen Mandatsregierung als auch mit den benachbarten arabischen Staaten radikal ab.
Einen speziellen israelischen Geschichtsrevisionismus vertreten seit etwa 1990 einige neue israelische Historiker. Sie untersuchten die Vorgänge vor der Staatsgründung Israels und kamen zu einer teilweise konträren Beurteilung des ersten israelisch-arabischen Krieges (1948ff). Für Benny Morris emigrierten die palästinensischen Araber vor 1948 nicht, wie in der offiziellen Geschichtsschreibung vertreten, freiwillig, sondern wurden von Israel vertrieben. Für Ilan Pappe war der damalige Zionismus eine besondere Form des europäischen Nationalismus. Für Uri Ram ist die Entstehung des Staates Israel nicht historisch, sondern nur soziologisch zu begreifen. Andere Historiker wie Yoav Gelber kritisieren u. a. die einseitige Quellenauswertung der neuen Historiker, die keine arabischen Dokumente berücksichtigt hätten.[19]
Japan
In Japan versuchen Geschichtsrevisionisten die Kriegsverbrechen[20] des japanischen Kaiserreichs; wie zum Beispiel das Massaker von Nanking[21], herunterzuspielen und die japanische Invasion Chinas im 2. Weltkrieg als berechtigte Reaktion gegen westlichen Imperialismus darzustellen. Auch der Erste Japanisch-Chinesische Krieg wird bisweilen zu Gunsten von Japans Rolle umgedeutet. Bei der Darstellung von Korea unter japanischer Herrschaft wird besonders die dabei erfolgte Verschleppung und Vergewaltigung koreanischer Frauen im Jahr 1910 häufig ausgeblendet. Die Diskussion, wie vergangene japanische Verbrechen und deren Aufarbeitung sich zur Bildung eines „gesunden Nationalismus“ (kenzen na nashonarizumu) verhält, führte zu mehreren Auseinandersetzungen darüber, ob geschichtsrevisionistische Ansichten in Schulbüchern zu tolerieren oder zu entfernen seien.[22]
Russland
Im heutigen Russland sind revisionistische Stimmen zu hören, die eine Neubewertung des „Großen Vaterländischen Krieges“ vornehmen. Hintergrund ist der so genannte Eisbrecher-Bericht Georgi Konstantinowitsch Schukow an Josef Stalin vom 17. Mai 1941, in dem dieser einen Präventivschlag gegen Hitler vorschlägt. Dieser Bericht dient immer wieder zu Legendenbildungen für Geschichtsrevisionisten, die den Überfall der Nationalsozialisten auf die Sowjetunion in der Tradition Goebbels als Präventivschlag deuten möchten.[23] Eine wissenschaftlich begründete Diskussion um die Präventivkriegsthese gibt es nicht.[24] Daher wird die These, dass der Angriff der Nationalsozialisten auf die Sowjetunion vom 22. Juni 1941 ein Präventivkrieg gewesen sei, dem rechtsextremen Geschichtsrevisionismus zugeordnet.
USA
In einem Historikerstreit in den USA über die Rolle der USA im Ersten Weltkrieg revidierten US-Historiker mit ihren Forschungsergebnissen das bis dahin gültige Geschichtsbild, wonach die USA maßgeblich zum Kriegsende beigetragen und mit dem Völkerbund Europa Friedenschancen eröffnet hätten. Dieser Internationalismus Woodrow Wilsons wurde nun zum Teil als „Fortsetzung des Imperialismus mit anderen Mitteln“ beurteilt, während bisher gerade der Rückzug der USA aus den Verhandlungen von Versailles als Isolationismus mit negativen Folgen kritisiert wurde.
Siehe auch
Referenzen
- ↑ Gerd Wiegel, Die Zukunft der Vergangenheit, Papyrossa Verlagsgesellschaft 2001, ISBN 3894382287
- ↑ Hannah Arendt: Wahrheit und Politik (2006), S. 42
- ↑ Brigitte Bailer-Galanda: Der „Revisionismus“ – pseudowissenschaftliche Propaganda in: DÖW: Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus, Deuticke, 2. Auflage, Wien 1993, ISBN 3216300536
- ↑ Innenministerium NRW: Revisionismus
- ↑ Bundeszentrale für poitische Bildung: Revisionismus
- ↑ zitiert nach Helmut Schröcke, Der letzte deutsche Krieg 1939-1945 (Rezension)
- ↑ Geschichtsrevisionistische Veröffentlichungen von Max Klüver u.a.
- ↑ nach Wolfgang Wippermann, Opferklagen und Kriegsschuldlüge - Vor 65 Jahren wurde der Zweite Weltkrieg entfesselt
- ↑ Gerd Schultze-Rhondorf: Bilanz (zusammenfassendes Kapitel aus dem Buch 1939: Der Krieg, der viele Väter hatte)
- ↑ Bernard Lecache; in: Le Droit de vivre, Paris 9.11. 1932
- ↑ Artikeltext (englisch)
- ↑ Holocaustreferenz: „Jüdische Kriegserklärungen“ Rechtsextreme Legenden und Mythen: Jüdische Kriegserklärungen an Nazi-Deutschland
- ↑ Wolfgang Ayaß, Dietfrid Krause-Vilmar: Die Leugnung der nationalsozialistischen Massenmorde. Eine Herausforderung für Wissenschaft und politische Bildung? 1998.
- ↑ Gerd Wiegel: Leugnung und Relativierung: Der Missbrauch von Auschwitz in der aktuellen Politik
- ↑ 2006 Blick nach Rechts, Ausgabe 25, Dez. 2006
- ↑ Wolfgang Benz (Hrsg.): Legenden, Lügen, Vorurteile. Ein Wörterbuch zur Zeitgeschichte, Dtv, München 1992, ISBN 3423301309
- ↑ Positive Rolle des Kolonialismus: Die regierende Rechte in Frankreich befördert sich selbst in die Zwickmühle
- ↑ Gesetz der Schande - In Frankreich ist nach den Unruhen eine Debatte über die Kolonialgeschichte entbrannt
- ↑ Barbara Schäfer (Hrsg.): Historikerstreit in Israel. Die "neuen" Historiker zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit, Campus, Frankfurt am Main/New York 2000
- ↑ Japan: Opfer oder Aggressor? Die moderne Geschichte Japans in der Diskussion
- ↑ Geschichtsrevisionismus in Japan auf www.antifaschistische-nachrichten.de
- ↑ Steffi Richter: Japan: Der Schulbuchstreit als Indikator nationaler Selbstreflexion
- ↑ Russischer „Historikerstreit“ um den 22. Juni 1941
- ↑ Bernd Wegner: Präventivkrieg 1941? Zur Kontroverse um eine militärhistorisches Scheinproblem. In: Jürgen Elvert, Susanne Krauß (Hg.): Historische Debatten und Kontroversen im 19. und 20. Jahrhundert. Franz Steiner Verlag, Wiesbaden 2003. S. 219.
Literatur
von Geschichtsrevisionisten
- Harry Elmer Barnes: The Genesis of the World War. An Introduction to the Problem of War Guilt (1. Auflage: 1926), Kessinger Publishing Co, 2004, ISBN 1417914718 (englisch)
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- Gerhard Baumfalk: Tatsachen zur Kriegsschuldfrage, Grabert Verlag, 2000, ISBN 3878471890
- Horst Eckert: Kriegsschuld. Eine deutsche Abrechnung, 1993, ISBN 3980341607
- Lutz Huth: Die ewige Lüge von der deutschen Schuld: Frankreich, imperialistischer Kriegstreiber und Räuber, Verhinderer des Selbstbestimmungsrechtes der Deutschen seit mehr als 1000 Jahren. Dieckmann, Hannover 2004, ISBN 3-9803825-6-7
- Wolf Kalz: Ein deutsches Requiem : vom Aufstieg Preußens zum Niedergang der Republik, Künzell, Lindenblatt-Media-Verlag, Fulda 2006, ISBN 3-937807-09-8
- Andreas Naumann: Das Reich im Kreuzfeuer der Weltmächte: Stationen der Einkreisung Deutschlands, Grabert Verlag, Tübingen 2006, ISBN 3-87847-222-6
- Georg Franz-Willing: Die Kriegsschuldfrage des Ersten und Zweiten Weltkrieges, Deutsche Verlagsgesellschaft mbH 1992, ISBN 3920722086
- Bolko Freiherr von Richthofen: Kriegsschuld 1939 - 1941: der Schuldanteil der anderen, Arndt Verlag, Kiel 2001, ISBN 3-88741-103-X
- Helmut Schröcke: Kriegsursachen und Kriegsschuld des Zweiten Weltkrieges: Zusammenfassung des Wissensstandes. 5. Auflage, Verlag für Ganzheitliche Forschung, Viöl/Nordfriesland 2001, ISBN 3-932878-08-6
- Heinz Thomann: Von Sarajewo bis Nürnberg - Der zweite dreißigjährige Krieg 1914 - 1945. Die Ursachen, die Schuldigen, die Folgen - eine unkonventionelle Analyse eines verordneten Geschichtsbildes. W3-Verlag, Wien, 2004, ISBN 3-900052-03-4
über Geschichtsrevisionismus
- Brigitte Bailer-Galanda, Wilhelm Lasek: Amoklauf gegen die Wirklichkeit. NS-Verbrechen und „revisionistische Geschichtsschreibung“.Wien 1991, ISBN 390114207X.
- Wolfgang Benz: Abweichende Geschichtsinterpretation oder rechtsextremistische Geschichtsdeutung? Zur Problematik der Beobachtung des Revisionismus, in: Bundesamt für Verfassungsschutz (Hrsg.), Bundesamt für Verfassungsschutz. 50 Jahre im Dienst der inneren Sicherheit, Köln 2000, S. 247-261.
- Gerhart Binder: Revisionsliteratur in der Bundesrepublik. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 17. Jg., 1966, S. 179-200.
- Bundesamt für Verfassungsschutz (Hg.): Rechtsextremistischer Revisionismus: Ein Thema von heute, Köln 2001.
- Landesamt für Verfassungsschutz (Berlin): Die internationale Revisionismus-Kampagne, Berlin 1994.
- Armin Pfahl-Traughber: Die Apologeten der „Auschwitz-Lüge“ - Bedeutung und Entwicklung der Holocaust-Leugnung im Rechtsextremismus, in: Uwe Backes, Eckhard Jesse (Hrsg.): Extremismus und Demokratie 8, Bonn 1996, S. 75-101.
- Karl H. Roth: Geschichtsrevisionismus. Die Wiedergeburt der Totalitarismustheorie. Konkret Literatur Verlag, 1999, ISBN 3930786206.
- Alexander Ruoff: Verbiegen, Verdrängen, Beschweigen. Die Nationalgeschichte der „Jungen Freiheit.“ Auschwitz im Diskurs des völkischen Nationalismus. Unrast, Münster 2001, ISBN 3-89771-406-X.
- Gerhard Schreiber: Revisionismus und Weltmachtstreben. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1982, ISBN 3421018510.
Weblinks
Holocaustleugnung
- Nizkor Projekt: Are Revisionists Holocaust-Deniers? (zum Verhältnis von Revisionismus und Holocaustleugnung - englisch)
- Holocaust-Referenz: Die Argumententation der „Revisionisten“: Zahlenspiele, Tricks und Täuschungsmanöver
- Brigitte Bailer-Galanda: „Revisionismus“ als zentrales Element der internationalen Vernetzung des Rechtsextremismus aus: Das Netz des Hasses. Rassistische, rechtsextreme und neonazistische Propaganda im Internet, Hrsg: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Wien 1997
Israelischer Historikerstreit
Islamistischer Revisionismus