Serratia marcescens

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Serratia marcescens
Datei:SerrmarcKol.jpg

Serratia marcescens-Kolonien auf der Oberfläche eines Agargels in einer Petrischale

Systematik
Abteilung: Proteobacteria
Klasse: Gammaproteobacteria
Ordnung: Enterobacteriales
Familie: Enterobacteriaceae
Gattung: Serratia
Art: Serratia marcescens
Wissenschaftlicher Name
Serratia marcescens
Bizio, 1823
Datei:Serratia-marcescens.jpg
Kolonien von Serratia marcescens auf einer Agarplatte

Serratia marcescens ist ein Bakterium, das zur Familie der Enterobakterien und zur Gattung Serratia gehört.

Mikrobiologische Eigenschaften

Zur Art Serratia marcescens gehören gramnegative, fakultativ anaerobe, nicht sporenbildende, sich aktiv mit peritrich angeordneten Geißeln bewegende, stäbchenförmige Bakterien. Sie produzieren die hydrolytischen Enzyme DNase, Gelatinase und Lipase.
Sie kommen ubiquitär im Boden, Wasser, auf Tieren und Pflanzen vor und sind in der Regel harmlose Saprobionten (Destruenten organischer Stoffe). Die Bakterien können problemlos auf gängigen Medien kultiviert werden. Sie bilden in der Regel ein rotes Pyrrol-Pigment (Prodigiosin, von lateinisch prodigium = Wunderzeichen, siehe unter Historisches), wodurch die Kolonien rot gefärbt sind (siehe Bild 1). Das Genom von Serratia marcescens wurde vom Sanger Institute (Cambridge, Großbritannien) vollständig sequenziert. Es besteht aus einem einzigen in sich geschlossenen DNA-Strang („Bakterien-Chromosom“) und hat eine Länge von 5,1 MBp.

Bedeutung als Krankheitserreger

Bei Serratia marcescens handelt es sich um einen fakultativen (opportunistischen) Krankheitserreger. Entsprechend immungeschwächte Personen können unter folgenden von diesem Bakterium verursachten Krankheitsbildern leiden: Harnwegsinfekt, Sepsis, Pneumonie.

Früher wurde das Bakterium als vollständig apathogen (nicht krank machend) betrachtet, erst in den letzten Jahrzehnten wurde die zunehmende Bedeutung als Erreger nosokomialer Infektionen erkannt.

Ausbreitung

Die Bakterien kommen überall im Boden, Wasser, auf Tieren und Pflanzen vor. Die Infektion kann daher aus der Umgebung, aber auch von Mensch zu Mensch durch direkten Kontakt oder Tröpfcheninfektion erfolgen. Bei gesunden, immunkompetenten Menschen führt der Kontakt mit dem Erreger üblicherweise nicht zur Entstehung einer Krankheit.

Häufigkeit der Erkrankungen

Serratia marcescens ist ein seltener Krankheitserreger. Harnwegsinfekte werden in etwa 2% der Fälle durch dieses Bakterium verursacht. Bei Pneumonie und Sepsis bewegt sich der Anteil um 1%. Diese Zahlen gelten für ambulant erworbene Infektionen, bei nosokomialen Infektionen liegt die Rate tendenziell etwas höher.

Therapie

Die Behandlung einer Infektion durch Serratia marcescens sollte, wann immer möglich, nach Resistenzprüfung (Antibiogramm) durchgeführt werden. Die „kalkulierte“ Therapie kann mit einem Cephalosporin der dritten Generation (z. B. Cefotaxim), einem Fluorchinolon oder einem Carbapenem begonnen werden, ggf. in Kombination mit einem moderneren Aminoglykosid, z. B. Amikacin.

Problematisch für die Therapie ist insbesondere die Fähigkeit von S. marcescens, extended-spectrum-β-Lactamasen (ESBL) zu produzieren. Damit können die Bakterien Antibiotika vom β-Lactam-Typ (z. B. Penicilline, Cephalosporine) unwirksam machen.

Diagnostik

Die Diagnose erfolgt durch Kultivierung des Erregers aus Blut- und Urinkulturen, Bronchialsekret oder bronchoalveolärer Lavage. Nach Anlegen einer Reinkultur kann die Spezies am einfachsten mit biochemischen Methoden („Bunte Reihe“) bestimmt werden.

Historisches

Serratia marcescens wurde 1819 auf verdorbener Polenta von dem Pharmazeuten Bartolomeo Bizio aus Padua entdeckt. Er hielt die Kolonien des Bakteriums auf der Polenta für einen Pilz und benannte ihn Serratia nach seinem Physiklehrer, dem Physiker und Dampfschiffkonstrukteur Serafino Serrati aus Florenz, und wegen seiner weichen Konsistenz marcescens (lateinisch marcesco = erschlaffen). Christian Gottfried Ehrenberg benannte ohne Kenntnis von Bizios Entdeckung das Bakterium 1848 Monas prodigiosa.

Man schreibt diesem Bakterium das „Wunder von Bolsena“ zu. Der Priester Peter von Prag soll nach Zweifeln am Dogma der Transsubstantiation 1263 in Bolsena das Brot für die Kommunion gebrochen und dabei Blutstropfen darauf entdeckt haben. Er soll seine Zweifel gestanden haben und eine Prozession mit Hostien nach Orvieto zu Papst Urban IV. veranstaltet haben. Dieser führte daraufhin das Fronleichnamsfest (Processione del Corpus Domini) ein und ließ den Dom zu Orvieto errichten. Heute nimmt man an, dass die "Blutstropfen" durch Prodigiosin rot gefärbte Kolonien von Serratia marcescens waren (siehe Bild 1), die auf Brot und Hostien einen guten Nährboden finden („Hostienphänomen“) und darauf wachsen, wenn diese Materialien nicht ausreichend trocken gehalten werden. Der Grund dafür, dass dieses Phänomen erst im 13. Jahrhundert auftrat, dürfte sein, dass erst seit diesem Zeitpunkt ungesäuerter Teig für Hostien verwendet wird. Auf Sauerteigen kann das Bakterium nicht wachsen. Das Wunder von Bolsena ist auf einem Fresko des italienischen Malers Raffael in den Stanzen des Vatikans (Stanza d'Eliodoro) dargestellt (Die Messe von Bolsena).

Schon bei der Belagerung von Tyros 332 v. Chr. unter Alexander dem Großen sollen „Blutflecken“ auf dem Brot der Soldaten aufgetreten sein, die Alexander als Glückszeichen deutete. Auch später kam das Phänomen der „blutenden Hostien“ wiederholt vor, vermutlich bei Aufbewahrung von Hostien in Sakristeien, die im Sommer noch kühl sind und deren Luft deshalb eine hohe relative Luftfeuchtigkeit aufweist. Das Phänomen führte unter anderem in Bad Wilsnack (Prignitz) 1383 zu Wallfahrten zum Wilsnacker Wunderblut mit zahlreichen Beteiligten, die etwa 170 Jahre andauerten.

„Blutende“ Hostien wurden auch oft zum Vorwand für Judenverfolgungen genommen. Man warf den Juden vor, sie hätten die Hostien gestochen und so zum Bluten gebracht. Herzog Wenzel von Luxemburg soll 1369 Juden vertrieben haben, weil in Brüssel „Blutflecken“ auf Hostien aufgetreten waren.

1825 will man in Enkirch an der Mosel Blut in Mehl gefunden haben.

Der ursprüngliche Name des Bakteriums Bacterium prodigiosum und die Bezeichnung des von ihm gebildeten Farbstoffs Prodigiosin gehen auf den Zusammenhang mit diesen scheinbaren Wundern zurück: lateinisch prodigium „Wunderzeichen“.

2007 benutzen Wissenschaftler Bakterien dieser Art um kleine Lasten durch eine Flüssigkeit zu bewegen[1]. Ziel dieser Forschung ist es, Transportmechanismen für Mikromaschinen zu entwickeln.

Quellen

  1. Artikel aus der „Morgenwelt“