Reichsverweser

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Ein Reichsverweser nimmt die Vertretung des Königs während einer Thronvakanz wahr, also bei längerer Abwesenheit des Königs oder in der Zeit zwischen seinem Tod und der Thronbesteigung eines rechtmäßigen Nachfolgers.

Reichsverweser in Deutschland

Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, war das Amt des Reichsverwesers als Reichsvikariat institutionalisiert. Nach der Märzrevolution von 1848 schuf auch die Frankfurter Nationalversammlung für kurze Zeit das Amt des Reichsverwesers. Nach dem 1. Weltkrieg bestand das Amt auch in Ungarn und in Finnland.

Der Reichsvikar

Im alten Reich gab es zeitweise Reichsvikare für die deutschen und italienischen Gebiete sowie für das Arelat. Für Deutschland schrieb 1356 die Goldene Bulle eine bereits früher bestehende Regelung zur Reichsverweserschaft endgültig fest: Danach war der Pfalzgraf bei Rhein Reichsvikar (vicarius imperii oder provisor imperii) für die Gebiete fränkischen Rechts, der Kurfürst von Sachsen dagegen für die Gebiete sächsischen Rechts. Zu ihren Kompetenzen gehörten u.a. die Fortführung der laufenden Geschäfte des Königs, die Gerichtsbarkeit und die Vergabe von Reichslehen mit Ausnahme der Fahn- und Szepterlehen. Über das Reichsgut durften sie nicht verfügen Das Reichsvikariat über Italien, dessen Besetzung zeitweise die Päpste als ihr Recht beanspruchten, war zwischen den Herzögen von Savoyen und Mantua umstritten.

Der Reichsverweser 1848/49

Die in der Frankfurter Paulskirche tagende Nationalversammlung, das erste frei gewählte deutschen Parlament schuf am 27. Juni 1848 aus eigener Machtvollkommenheit eine provisorische Zentralgewalt, die bis zur Verabschiedung einer der Reichsverfassung und der Bestellung eines endgültigen Staatsoberhaupts die Leitung der Exekutive für ganz Deutschland übernehmen sollte. Zum Haupt der provisorischen Zentralgewalt wurde der liberal gesinnte, österreichische Erzherzog Johann gewählt. Er sollte dieses Amt später an einen von der Nationalversammlung zu wählenden Kaiser abtreten.

Die unter ihm arbeitende Reichsregierung hat aber faktisch nie Macht ausgeübt, da die deutschen Einzelstaaten die Exekutivgewalt in ihren Händen behielten. Nach der Ablehnung der Kaiserkrone durch König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen und dem damit verbundenen Scheitern der Paulskirchenverfassung, trat Erzherzog Johann am 10. Dezember 1849 als Reichsverweser zurück.

Reichsverweser in Ungarn und Finnland

Das Ende des 1. Weltkriegs bedeutete auch das Ende der Monarchien in Österreich-Ungarn und Russland. In einigen ihrer Teilgebiete kam es dauerhaft oder zeitweise zur Bestellung von Reichsverwesern.

Reichsverweser Horthy in Ungarn

Die K.& K.-Monarchie Österreich-Ungarn löste sich darüber hinaus in zahlreiche neue Nationalstaaten auf. Ungarn blieb nominell weiterhin Königreich, da aber das Haus Habsburg als Herrscherdynastie nicht mehr akzeptiert wurde und auch keine anderen Thronprätendenten bereitsstanden, galt die Stephanskrone als verwaist. Daher übte Admiral Miklós von Horthy von 1920-1944 das Amt des Staatsoberhaupts als Reichsverweser (Kormányzó) aus. (In Ungarn kursierte damals der Scherz, ein Admiral ohne Flotte regiere ein Land ohne Küste als Königreich ohne König).

Reichsverweser Mannerheim in Finnland

Ähnliche Verhältnise herrschten 1918/19 auch in Finnland, das bis dahin als Großfürstentum zu Russland gehört hatte. Nach der Abdankung des letzten Zaren Nikolaus II. erklärte das finnische Parlament das Land für unabhängig. Bis zur Bestimmung der endgültigen Staatsform wurde General Carl Gustav von Mannerheim vom Parlament zum Reichsverweser ernannt. Er erreichte die internationale Anerkennung Finnlands als souveräner Staat und legte nach der Einführung der Republik und der Wahl des ersten Staatspräsidenten sein Amt nieder.