Spannbandbrücke

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Schema einer mehrspannigen Spannbandbrücke

Spannbandbrücke ist der von Ulrich Finsterwalder geprägte Begriff für eine leicht durchhängende Brücke, deren Tragkonstruktion aus einer Vielzahl von Spanngliedern besteht, die in einer dünnen Betonplatte eingebettet und vorgespannt sind, wobei die Platte als Fahrbahn dient, aber keine tragende Funktion hat außer der örtlichen Lastverteilung. Die dabei auftretenden großen Horizontalkräfte erfordern eine aufwendige Verankerung im Felsgrund bzw. in großen Widerlagern.[1]

Beschreibung

Spannbandbrücken sind in der Regel Fußgängerbrücken. Sie haben meist separate Spannglieder als Tragseile und zur Vorspannung des Spannbandes. Die stählernen Spannglieder werden bisweilen durch Zugbänder aus Stahl oder CFK ersetzt.

Auf den Tragseilen werden dünne Betonplatten aus Fertigteilen montiert, die anschließend vorgespannt werden. Gelegentlich dient eine unter die Tragseile gehängte Platte auch als verlorene Schalung für die auf den Tragseilen und Spanngliedern eingebrachte Ortbetonplatte. Auch Verbundkonstruktionen zwischen stählernen Bändern und einer Ortbetonplatte wurden ausgeführt. Es gibt auch Spannbandbrücken, die vollständig aus Stahl bestehen oder die Steinplatten anstelle der Betonplatte verwenden. In einigen Fällen wurde das Spannband auch aus verleimtem Brettschichtholz erstellt.

Die Widerlager werden als Ankerblöcke ausgeführt, die regelmäßig durch Bodenanker im Untergrund rückverankert werden. An den Widerlagern und Pfeilern wird eine übermäßige Biegung der Tragseile und Spannglieder durch auskragende, gebogene Schenkel und Kabelsättel verhindert.

Eine Abwandlung sind Spannbandbrücken mit einem auf dem Spannband aufgeständerten Fahrbahnträger, wenn eine ebene Fahrbahn gewünscht ist, insbesondere für Straßenbrücken. Eine andere Abwandlung ist eine mit einem weitgespannten Betonbogen kombinierte Spannbandbrücke, bei der der Mittelpfeiler durch einen weitgespannten Betonbogen ersetzt wird. Manchmal wird dieser durch seitliche Druckstreben mit dem Spannband zu einer selbverankerten Einheit verbunden. Eine Spannbandbrücke in Form eines dreiarmigen Sterns wurde als Attraktion eines Golfplatzes gebaut, deren drei Stege so am Rand eines tief liegendes Teiches befestigt sind, dass die Brücke über ihm schwebt.

Geschichte

Finsterwalder war in den 1950er und 1960er Jahren maßgeblich an der Entwicklung des Freivorbaus von Spannbetonbrücken beteiligt. In einer Zeit, als Seilbrücken nur als abenteuerliche Methode zur Querung von Schluchten im Himalaya oder den Anden bekannt waren, schlug er die Spannbandbrücke als neuartige Konstruktion für die Überbrückung großer Spannweiten vor, für die die bisherigen Spannbetonbrücken zu schwer wären. Durch ihre straff gespannten Spannglieder oder Spannseile sollte der Durchhang auf ein auch für Kraftfahrzeuge akzeptables Maß begrenzt werden. Die Betonplatte sollte ihnen eine sichere Fahrbahn bieten. Die Vorspannung der Platte sollte die Schwingungsanfälligkeit der Seilbrücke dämpfen.

Er legte Entwürfe für eine Bosporusbrücke und die Kölner Zoobrücke vor. Der Bosporus sollte mit einem 1200 m langen und 30 cm dicken, von Ufer zu Ufer reichenden Spannband überbrückt werden, das von zwei Pylonen mit beidseits 100 m langen Spannbetonauslegern gestützt wird. Das Spannband würde auf den rund 400 m weiten Felder über 200 m frei hängen, wobei der Durchhang von 1,45 m eine Verkehrsgeschwindigkeit von 90 km/h erlauben würde.[2] Bei der Zoobrücke würde nach dem gleichen System eine 294 m weite Hauptöffnung mit einem 166 m langen und 24 cm dicken Spannband überbrückt.[1] Der geringe Durchhang hätte große Horizontalkräfte bewirkt und deshalb aufwendige Widerlager und relativ viele Spannglieder erfordert. Für große Straßenbrücken ist die Idee deshalb nie ausgeführt worden.

Die von der Ed. Züblin & Cie. AG, Zürich entworfene und 1963/1964 als erste Spannbandbrücke ausgeführte Transportbandbrücke der Zementfabrik Holderbank-Wildegg in Möriken-Wildegg AG hatte eine Spannweite von 216 m und einen wesentlich größeren Durchhang. Ihre Kosten lagen deshalb nicht über der einer üblichen, mehrfach gestützten Konstruktion.[1]

Zu dieser Zeit entstand in Uruguay die von Leonel Viera geplante und später nach ihm benannte Puente Leonel Viera, eine 150 m lange zweispurige Straßenbrücke mit einer Spannweite von 90 m in Punta del Este, die aber in Europa kaum bekannt wurde. Sie hat einen markanten Durchhang und ist nach wie vor wohl die einzige Spannband-Straßenbrücke ohne Aufständerung des Fahrbahnträgers, wenn man davon absieht, dass sie 2002 verdoppelt wurde.

Der von René Walther geplante und 1965 gebaute Fussgängersteg Birchweid in Pfäffikon SZ mit einer Spannweite von 40 m war dann die erste in Europa gebaute öffentlich zugängliche Spannbandbrücke, die zum Vorbild zahlreicher Fußgängerbrücken auf der ganzen Welt wurde.[1]

Für die Weltausstellung Expo ’70 in Osaka wurde die 27 m lange Brücke Nr. 9 gebaut.

Finsterwalder und Dywidag bauten 1969/1970 den Karlssteg in Freiburg im Breisgau, eine 136,50 m lange Fußgängerbrücke mit Stützweiten von 25,50 + 30,00 + 30,45 m. Die SAPPRO ließ 1971 im Kanton Genf die 136 lange Passerelle du Lignon bauen, an der ihre Pipeline seitlich befestigt wurde.

Kurz danach wurde die von T. Y. Lin entworfene Puente Rafael Iglesias (1974) in Costa Rica gebaut, die erste Straßenbrücke mit einem auf dem Spannband aufgeständerten horizontalen Fahrbahnträger. Später wurden drei vergleichbare Fußgängerbrücken gebaut, die Hayahinomine-Brücke (1977) in Miyazaki, Japan mit einer Spannweite von 49 m,[3] die Taojin-Brücke (1988) in Dongkou, Hunan, China mit einer Spannweite von 74 m und die Shiosai-Brücke (1995) in Kuniyasu, Kakegawa, Shizuoka, Japan mit Spannweiten von 55 + 61 + 61 + 55 m.[4] Die in Japan 2003 gebaute Nozomi-Brücke ist eine weitere Spannbandbrücke mit aufgeständertem Fahrbahnträger für den Straßenverkehr.

Leonhardt, Andrä und Partner planten den Rosensteinsteg II für die Bundesgartenschau 1977, eine rund 29 m überspannende Fußgängerbrücke[5] (die 2014 für die Baustelle Leutzetunnel abgebaut und 2019 durch einen Neubau[6] ersetzt wurde).

Jiří Stráský entwarf während seiner Tätigkeit in Olomouc (Olmütz), bei T. Y. Lin in San Francisco und in Brno (Brünn) eine Reihe von Spannbandbrücken, zum Beispiel die Trojská lávka (1984) in Prag, die Sacramento River Trail Pedestrian Bridge in Redding, CA, mit Charles Redfield, die Rogue River Pedestrian Bridge in Grants Pass, OR, oder die Kent Messenger Millennium Bridge, und beeinflusste die Entwicklung durch zahlreiche Veröffentlichungen.[7]

Brücken (Auswahl)

Bild Name Bau-
jahr
Spann-
weite
m
Länge
m
Ort Land Anm.
Puente Leonel Viera 1965 090 150 Punta del Este Uruguay UY Stützweiten 30 + 90 + 30 m
Fussgängersteg Birchweid 1965 040 048 Pfäffikon SZ Schweiz CH
Karlssteg 1970 030,45 136,50 Freiburg im Breisgau Deutschland D Stützweiten 25,5 + 30,0 + 30,45 m
Passerelle du Lignon 1971 136 136 Kanton Genf Schweiz CH Mit Rohrbrücke kombinierte Fussgängerbrücke
Foto Puente Rafael Iglesias 1974 124 204 Alajuela Costa Rica CR Aufgeständerter Fahrbahnträger, kombinierte Spannband- und Sprengwerkbrücke
Foto Hayahinomine-Brücke 1977 049 049 Miyazaki Japan JP Aufgeständerter Fahrbahnträger
Fußgängerbrücke Hvězdonice 1977 080 131 Hvězdonice Tschechien CZ
Trojská lávka (1984) 1984 090 256 Prag Tschechien CZ 2017 wohl wegen mangelnder Wartung eingestürzt
Fußgängerbrücke Kroměříž 1984 063 076 Kroměříž Tschechien CZ
Holzbrücke bei Essing 1986 074 190 Essing Deutschland D Stützweiten 31 + 32 + 74 + 35 m
Fußgängerbrücke über den Ruderkanal Plowdiw 1989 150 246 Plowdiw Bulgarien BG Stützweiten 48 + 150 + 48 m
Foto? Kikko-Brücke 1991 3 × 37,5 Tsu Japan JP Sternförmige Spannbandbrücke
Shiosai-Brücke 1995 061 232 Kakegawa Japan JP Aufgeständerter Fahrbahnträger, Stützweiten 55 + 61 + 61 + 55 m
Yumetsuri-Brücke 1996 147,6 172,6 Hattabara-Stausee, Präfektur Hiroshima Japan JP
Glacisbrücke Ingolstadt
Fuß- und Radwegbrücke
1998 076 164 Ingolstadt Deutschland D Fuß- und Radwegbrücke seitlich unterhalb der Straßenbrücke
Foto? Heinrich-Schneider-Brücke
vorm. Börstel-Brücke
2000 035 86 Löhne Deutschland D Kombinierte Spannband- und Bogenbrücke
Rogue River Pedestrian Bridge 2000 085 200,5 Grants Pass, Oregon Vereinigte Staaten USA Stützweiten 73 + 85 + 43 m
Kent Messenger Millennium Bridge 2001 049,5 101,5 Maidstone Vereinigtes Konigreich GB Erste im Grundriss geknickte Spannbandbrücke
Nozomi-Brücke 2003 090 092 Präfektur Gifu Japan JP Aufgeständerter Fahrbahnträger
Seiun-Brücke 2004 094 097 Präfektur Tokushima Japan JP Aufgeständerter Fahrbahnträger
Drachenschwanz 2006 065 225 Neue Landschaft Ronneburg Deutschland D Holzbrücke
Foto auf Google Maps Geh- und Radwegbrücke über die D 35 2007 064 083 Olomouc (Olmütz) Tschechien CZ Kombinierte Spannband- und Bogenbrücke
Aaresteg Mülimatt 2010 078 183 BruggWindisch Schweiz CH Die längste Spannbandbrücke der Schweiz
Foto auf cbp.ch Aarestege Rupperswil und Auenstein 2010 074 102 RupperswilAuenstein Schweiz CH Stählerne Spannbandbrücken
Slinky springs to fame 2011 066 406 Oberhausen Deutschland D Beitrag zum Projekt EMSCHERKUNST.2010
Pasarela Pedro Gómez Bosque 2011 085 085 Valladolid Spanien ES
Foto auf annabau.com Max-Gleißner-Brücke 2013 037,5 075 Tirschenreuth Deutschland D Holzbrücke
Beitrag zur Landesgartenschau Tirschenreuth 2013
Commons: Spannbandbrücken – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d René Walter: Spannbandbrücken. In: Schweizerische Bauzeitung, 87. Jahrgang Heft 8, 20. Februar 1969, S. 133–137
  2. Ulrich Finsterwalder: Entwicklungen im Massivbrückenbau. In: IABSE congress report = Rapport du congrès AIPC = IVBH Kongressbericht, Band 6, Sixth congress (Stockholm) 1960, S. 345–354, 351
  3. Hayahinomine-Brücke auf hashinohi.jp
  4. Fotos in Historia, comportamiento y retos del puente Rafael Iglesias. In: Programa de Ingeniería Estructural, Nº 8, Volumen 2, Universidad de Costa Rica, 2017, ISSN 2215-4566
  5. Rosensteinsteg II (1977). In: Structurae, abgerufen am 3. April 2022.
  6. Rosensteinsteg II (2019). In: Structurae, abgerufen am 3. April 2022.
  7. Jiří Stráský: Stress ribbon and cable-supported pedestrian bridges. Thomas Telford, London 2005, ISBN 0-7277-3282-X (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).