John C. G. Röhl

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

John Charles Gerald Röhl (* 31. Mai 1938 in London; † 17. November 2023 in Sussex[1]) war ein britischer Historiker. Er lehrte von 1964 bis zu seiner Emeritierung 1999 neuere europäische Geschichte an der University of Sussex. Große Bekanntheit und Anerkennung erlangte er durch seine Werke zur Wilhelminischen Zeit, darunter vor allem seine dreibändige Biographie über Kaiser Wilhelm II.

Der Sohn eines deutschen Vaters und einer englischen Mutter, der zweisprachig aufwuchs, wurde 1965 an der University of Cambridge bei Harry Hinsley promoviert. Er lehrte von 1964 bis 1972 als Lecturer, anschließend bis 1979 als Reader an der University of Sussex in Brighton, wo er 1979 Professor wurde. Von 1970 bis 1983 war er Mitarbeiter der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, von 1982 bis 1985 Dean an der School of European Studies. Im Jahr 1986/1987 war Röhl Forschungsstipendiat am Historischen Kolleg München.[2] Neben seiner englischen Professur übernahm er immer wieder Lehrstuhlvertretungen in Deutschland. 1999 wurde er emeritiert.

John C. G. Röhl war mit Rosemarie von Berg Röhl verheiratet; aus der Ehe stammt der Regisseur Christoph Röhl.[3]

Röhl gilt als einer der führenden Experten und Kritiker der Wilhelminischen Zeit unter Kaiser Wilhelm II. Einer breiten Öffentlichkeit wurde er vor allem durch seine dreibändige Biografie des letzten deutschen Kaisers bekannt.[4] Darin vertritt und entwickelt er hauptsächlich die These vom Persönlichen Regiment Wilhelms II., schreibt ihm die Hauptverantwortung für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges zu und erhebt, obgleich streng wissenschaftlich verfahrend, auch schwere moralische Anschuldigungen gegen den letzten Kaiser[5]. Mit seiner These bewirkte Röhl einen Paradigmenwechsel in der deutschen Geschichtswissenschaft, die, anders als im angloamerikanischen Raum, Wilhelm bis in die 1970er und 1980er Jahre nach herrschender Meinung als „schwachen Herrscher“ von begrenztem politischem Einfluss eingeschätzt und entsprechend vernachlässigt hatte.

Röhls Biographie über Wilhelm II. wird von dem australischen Historiker Christopher Clark als „einzigartiges Beispiel herausragender wissenschaftlicher Arbeit“ geschätzt. Röhls Ausführungen über die große Mitschuld des letzten Kaisers am Ausbruch des Ersten Weltkrieges widerspricht Clark gleichwohl.[6]

Ehrungen und Mitgliedschaften

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Preise

  • Wolfson-Historikerpreis, 1994
  • Gissingpreis, 2003
  • Einhard-Preis, 2013

Mitgliedschaften, Fellowships

Schriften (Auswahl)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Monographien

  • Germany without Bismarck. The crisis of government in the Second Reich, 1890–1900. Batsford, London 1967.
Übersetzung: Deutschland ohne Bismarck. Die Regierungskrise im 2. Kaiserreich. 1890–1900. Wunderlich, Tübingen 1969.

Herausgeberschaften

  • Zwei deutsche Fürsten zur Kriegsschuldfrage. Lichnowsky und Eulenburg und der Ausbruch des 1. Weltkriegs. Eine Dokumentation, Droste Verlag, Düsseldorf 1971, ISBN 978-3-7700-0274-0.
Englische Ausgabe: 1914 – delusion or design? The testimony of 2 German diplomats, Karl Max Lichnowsky, Philipp Eulenburg-Hertefeld. Edited and introduced by John Röhl. With a foreword by Hugh Trevor-Roper, Elek, London 1973.
  • Philipp Eulenburgs Politische Korrespondenz, 3 Bände, 1976–1983.
  • Der Ort Kaiser Wilhelms II. in der deutschen Geschichte (= Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien, Band 17). Oldenbourg, München 1991, ISBN 978-3-486-55841-8 (Digitalisat).
  1. Christopher Clark: Überall die Fingerabdrücke Kaiser Wilhelms II. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 22. November 2023, S. 9.
  2. Historisches Kolleg – John C. G. Roehl. Abgerufen am 4. September 2018.
  3. Nachruf John C. G. Röhl auf lebenswege.faz.net vom 16. Dezember 2023.
  4. Johannes Saltzwedel: Vom Halbgott zum Fossil. In: Spiegel Online, 30. September 2008.
  5. Karina Urbach: Der Standhafte. Nachruf auf den großen Historiker John Röhl, der als einer der ersten die wilhelminische Gesellschaft kritisch erforschte. In: TAZ vom 22. November 2023, S. 17.
  6. Christopher Clark: How powerful was the Kaiser? (Rezension der englischen Übersetzung des dritten Bandes von Röhls Wilhelm-Biographie). In: London Review of Books 37:8, 2015, S. 23–24.