Verschiedene: Die Gartenlaube (1873) | |
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Deutschland suchen dürfte. Es besteht aus drei Abtheilungen, von welchen die mittlere große, welche von der Kuppel gekrönt ist, als eigentlicher Flugkäfig dient und mit Allem versehen ist, dessen Alpen-Vögel zu ihrer Existenz bedürfen. Ein Netz unterhalb der Kuppel hindert den allzu hohen Flug, durch den die Betrachtung der Vögel, welche durch eine hohe breite Gitterthür vermittelt wird, erschwert oder gar unmöglich gemacht würde. Dieser Raum ist neun Wiener Klafter lang, fünf Klafter breit und mißt bis zum Netz unterhalb der Kuppel etwa fünfzehn Fuß, er ist also groß genug, um eine bedeutende Anzahl der lieblichsten Geschöpfe der Erde aufzunehmen und der lebenslustigen Schaar reichliche Bewegung zu gestatten. Felsen-, und Baumgruppen ermöglichen das Klettern, und ein in der Mitte befindliches Bassin ladet mit seinem frischen klaren Wasser die niedlichen Thiere zum Baden ein.
Rechts von diesem Flugkäfig ist eine Abtheilung für jene Vögel angebracht, welche, wie die Alpendohlen und Alpenkrähen, eine Ausnahme-Stellung einnehmen wollen und sollen und mit den sanfter gearteten Bewohnern des Flugkäfigs nicht zum Besten harmoniren würden. Die linke Abtheilung enthält in eigens eingerichteten kleineren Einzel-Käfigen jene Vögel, welche, wie z. B. Zaunkönige, im Flugkäfig der Beschauung entzogen wären oder, wie die Nachtigallen und Grasmücken, ihren Gesang einstellen würden, endlich solche, welche für den Aufenthalt im großen Raume erst herangezogen werden müssen, und zuletzt ausländische Vögel, deren Gemeinschaft mit alpinen für das Auge ein störender Anblick wäre. Im großen Flugkäfig befinden sich gegenwärtig ungefähr 80 Vögel, welche freilich bei der bedeutenden Ausdehnung des Raumes denselben nicht in einer für das Auge befriedigenden Weise füllen, weshalb das Comité bestrebt ist, es auf wenigstens die doppelte Anzahl zu bringen, eine Aufgabe, die besonders deshalb mehrfache Schwierigkeiten verursacht, weil trotz wiederholter Aufforderungen viele Exemplare nicht im Lande Salzburg erhalten werden konnten. Daher sah sich das Comité genöthigt, viele Alpenvögel aus der Schweiz herbeizuschaffen, und andere aus der Gegend von Wien kommen zu lassen.
Unter den Inwohnern des großen Flugkäfigs sind besonders die verschiedenen Arten von Drosseln, Bachstelzen und Meisen als lebhafte und zuthuliche Geschöpfe hervorzuheben, welche zum größten Theil alle Scheu abgelegt haben, so daß sie nicht blos aus der Hand Futter nehmen, sondern auch selbst herbeikommen und durch verschiedene Bewegungen und Rufe auf sich aufmerksam machen. Von größern alpinen Vögeln befinden sich in der mittleren Abtheilung fünf Steinhühner; an die Stelle der früher vorhandenen, aber leider bald zu Grunde gegangenen Birk- oder Schildhühner sind einige Rebhühner getreten; außerdem treiben Alpen-Flüevögel, hier „Steinlerchen“ genannt, Braunellen, allerlei Finkenarten, dann Laubvögel und Pieper hier ihr munteres Wesen. Ein allerliebster, unglaublich zahmer Buntspecht fiel leider nach ein paar Monaten einem Marder zum Opfer. Von außen hatte dieser freche Räuber am Drahtnetz gelauert und riß im Moment, als der Specht die Drahtwand hinaufkletterte, letzterem beide Füße aus.
Ferner möchten wir aufmerksam machen auf die in der rechten Abtheilung befindlichen Alpenkrähen, Vögel, welche nicht nur durch ihr Aeußeres, glänzendes Schwarz und korallenrothe Schnäbel und Füße, die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, sondern auch durch die ungemeine Zuthulichkeit, welche sie gegen Solche, die sich mit ihnen beschäftigen, an den Tag legen, wirklich gewinnend sind. Auch vier herrliche Mandelkrähen (oder Blauracken) weilen in diesem Raume.
Mögen die Sympathien, die man dem schönen Unternehmen entgegengebracht, auch in weiteren Kreisen erwachen! Unter den vielen Leser der Gartenlaube befinden sich gewiß gar manche, die bei ihrem letzten Besuche in Salzburg unser schönes Aviarium sich angesehen haben und bestätigen können, daß dasselbe als eine nicht unbedeutende Zierde unserer Alpenstadt wird betrachtet werden können.
Eine großartige Zahnanstalt. New-York kann sich mit Recht rühmen, die großartigste Zahnausziehanstalt der Welt zu besitzen. Die Großartigkeit derselben besteht aber nicht in weitläufigen Gebäulichkeiten etc., sondern in der Thätigkeit, welche daselbst an den Tag tritt. Hier wird nämlich nichts Anderes gethan, als Zähne ausgezogen, und zwar – ohne Schmerzen. Die Räumlichkeiten befinden sich im sogenannten Cooper-Institute, welches so ziemlich im Centrum der Stadt liegt.
Mit Bangen und Zagen treten wir, von Zahnschmerzen gepeinigt, in ein geräumiges Vorzimmer. Der Fußboden ist mit kostbarem Sammetteppich belegt, und die soliden Möbel sind mit rothem Sammet überzogen. An den Wanden hängen billige Stahlstiche in kostspielige Rahmen gefaßt. (Wir Amerikaner haben nämlich großen Kunstsinn und schätzen einen Holzschnitt in schönem Rahmen höher, als einen Kupferstich in schlechtem.) Ein matter Lichtschein fällt durch eine über der Thür angebrachte Glasscheibe herein, um Alles in einem feierlichen Halbdunkel erscheinen zu lassen. Die Stühle und Sophas sind von Männern und Frauen aus allen Ständen besetzt, die ungeduldig warten, bis sie an die Reihe kommen.
Alle fünf Minuten öffnet sich eine Seitenthür; der „Doctor“ erscheint in derselben und ruft in geschäftsmäßigem Tone: „Next!“ (der Nächste). Sogleich erhebt sich einer der Zahnpatienten, folgt mit klopfendem Herzen dem Doctor in ein kleines, hellerleuchtetes Gemach und nimmt auf einem hohen, weichen Armstuhle Platz.
„Welche Zähne wollen Sie los sein?“ fragt der Doctor. Nachdem solche bezeichnet sind, erscheint ein hübsches Mädchen, bindet dem Patienten ein Tuch um und ein anderer Assistent befestigt ihm einen Kork zwischen den Zähnen; dann steckt ihm der Doctor das Ende des mit Lachgas gefüllten Schlauches in den Mund. Innerhalb einer Viertelminute hat ihn das Gas vollständig eingeschläfert. Träume, sanfte und anmuthige oder wilde und phantastische, durchziehen sein Gehirn, und zwar weit rascher und mannigfaltiger, als solches im gewöhnlichen Schlafe möglich wäre. Ein zufriedenes Lächeln läßt den Zuschauer angenehme, stierartiges Brüllen aber unangenehme Träume des Betäubten erkennen. Unterdessen zieht der Doctor ganz gemüthlich die bezeichneten Zähne aus und läßt sie in eine aus dem Fußboden hervorragende Röhre fallen, durch welche sie irgendwo in die Unterwelt gleiten.
Das Mädchen streicht jetzt mit einem nassen Schwamme über das Gesicht des Schlafenden; – er erwacht und blickt verwirrt umher. Der Assistent bedeutet ihm, daß die Zähne ausgezogen sein und er jetzt jemand Anders Platz machen möge.
Die ganze Geschichte hat nur drei bis vier Minuten gedauert und der Betreffende nicht die geringsten Schmerzen empfunden. Er bezahlt jetzt seine zwei Dollars für den ersten Zahn und einen Dollar für jeden weiteren, schreibt seinen Namen in ein Fremdenbuch und verabschiedet sich.
Wie viele Zähne hier im Laufe des Jahres ausgezogen werden, weiß ich nicht; man kann aber annehmen, daß während des Tages durchschnittlich alle fünf Minuten ein Zahn das Zeitliche segnet. Die meisten Zahnärzte gebrauchen zwar jetzt dieses Gas, allein nicht mit demselben Erfolg, da durch mangelhafte Zubereitung desselben manche Unannehmlichkeiten auftreten.
Ein Riesen-Epos in Prosa. In jenem denkwürdigen Momente am Abende des 15. Juli 1870, wo König Wilhelm von Ems zurückkehrend „Unter den Linden“ von Tausenden und Abertausenden empfangen wurde, wo der ganze unsägliche Druck, der auf den Gemüthern lag, in dem von Thränen opferfreudiger Begeisterung begleiteten Rufe: „Hoch, hoch unser Feldherr!“ sich Luft machte, da war es wohl Zeit zu guten patriotischen Vorsätzen, und wie Mancher von Denen, die damals dem Vaterlande Treue gelobten, mag nun in französischer Erde schlummern! An jenem Abende entstand denn auch der Plan zu dem Riesen-Epos in Prosa, das die Thaten des deutschen Volkes in Waffen berichten sollte und das nunmehr fast vollendet vor uns liegt. Wir meinen das große „Tagebuch“ des Krieges von G. Hirth und J. von Gosen (Verlag von Hirth in Leipzig), ein ebenso einfach als großartig angelegtes Buch, wie weder über diesen Krieg noch über irgend eine andere Geschichtsepoche ein ähnliches existirt. Daß die Herausgeber so früh den Plan zu ihrem Werke faßten, hatte zwei Vortheile: einmal, weil sie zeitig darauf Bedacht nehmen konnten, sich das nöthige Material an Zeitungen etc. zu verschaffen (so war Dr. Hirth u. A. während der Belagerung von Paris Abonnent auf das „Journal officiell“); und sodann, weil sie später wahrscheinlich vor den Schwierigkeiten der Ausführung zurückgeschreckt sein würden. Denn wer von uns glaubte damals, daß unsere deutschen Krieger um den endlichen Siegespreis in Schnee und Eis an den Ufern der Loire und im Jura ringen müßten? – wer glaubte das selbst kurz nach dem gewaltigen Kesseltreiben und Kaiserfange an der Maas?
So ist denn das Hirth-Gosen’sche „Tagebuch“ mit der Riesenarbeit des Krieges selbst in’s Monumentale gewachsen. Der Plan aber, auf dem das ganze Werk beruht, ist einfach der: für jeden Tag in möglichster Vollständigkeit und Ausführlichkeit Alles zu berichten, was sich in rein militärischer, politischer und selbst culturgeschichtlicher Beziehung irgendwie Bemerkenswerthes ereignet hat; das „Tagebuch ist sonach nicht nur eine vollständige Sammlung aller officiellen Actenstücke, authentischen Berichte u. s. w., sondern ein wirklicher Zeitspiegel, aus dem auch der Feuilletonist, der Genremaler und der Culturhistoriker zahllose Anregungen gewinnen; die Redaction der „Gartenlaube“ selbst bezeugt es gern, daß das „Tagebuch“ ein unentbehrliches Auskunftsmittel für sie geworden ist, und sie glaubt nur eine patriotische Pflicht zu erfüllen, wenn sie ihre Leser auf dieses ebenso mühsame als verdienstvolle Werk aufmerksam macht. Der große Umfang von etwa dreihundert Bogen mit fünftausend Spalten vollen Druckes macht zwar das „Tagebuch“ zu einem kostspieligen Buche – die drei starken Quartbände kosten etwa zehn Thaler im Abonnement –; wer aber überhaupt ein monumentales Werk über den letzten Krieg in seiner Bibliothek haben
Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 331. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_331.JPG&oldid=- (Version vom 3.12.2020)