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Seite:Die Gartenlaube (1885) 444.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

meines erwachenden Lebens, das Morgenroth meiner Jugend, der Sonnenschein der Manneskraft und ist jetzt der Abendstern, der mir zur ewigen Ruhe winkt.“

Diese Liebe zum deutschen Vaterlande, diese Sehnsucht nach seiner Einigung, nach Kaiser und Reich hinterließ Jahn als theures Vermächtniß seinen Turnern. Und zum ersten Mal war es ihnen zu Bonn vergönnt, ein deutsches Turnfest im geeinten Deutschland zu feiern! Als der Vorsitzende des Bonner Festausschusses, Dr. Bleibtreu, seine Begrüßungsrede in der Beethoven-Halle mit den Worten schloß: „Darum, Brüder von nah und fern, vereinigen wir uns in dem Rufe: ‚der deutsche Kaiser, Kaiser Wilhelm, er lebe hoch, hoch, hoch!‘“ da durchbrauste schmetternder Jubel den gewaltigen Raum. Immer wieder aufs Neue erschallte das Hoch. Und alle Anwesenden stimmten in vollster Begeisterung mit ein. Es war eine Huldigung des gesammten deutschen Volkes, aller deutschen Stämme, hier in den blühendsten, kräftigsten Jünglingen vertreten, nicht bloß des engeren deutschen Vaterlandes, sondern des gesammten Deutschthums, der deutschen Oesterreicher, der Schweizer, der im Auslande, in Amerika lebenden Deutschen – eine Huldigung, wie sie sonst in der Ausdehnung nie und nirgends dem deutschen Kaiser dargebracht werden kann. –

Eine nicht geringe Zahl der Festgenossen begab sich von Bonn nach Berlin, um der Enthüllung des Jahn-Denkmals, am 10. und 11. August, beizuwohnen.

Da die großen deutschen Turnfeste alle fünf Jahre gefeiert werden sollten, so hatte man das Jahr 1878 – zugleich das hundertjährige Geburtsjahr Jahn’s – als nächstes Festjahr und für das Fest die Stadt Breslau bestimmt. Es kam wegen der Zeitverhältnisse nicht zu Stande. Um so besuchter war dann aber das fünfte allgemeine deutsche Turnfest zu Frankfurt am Main vom 25. bis 28. Juli 1880. Gegen 10000 Turner waren erschienen und fanden Aufnahme in der gastlichen Stadt, die sich zu Ehren des Festes bis in die kleinsten Straßen hinein in den reichsten Fahnenschmuck gehüllt hatte.

Anfangs, so erschien es mir wenigstens, hielt sich der vornehmere und reichere Theil der Einwohnerschaft etwas zurück. Alle hatten zwar in Ausschmückung der Häuser und der Gewährung der Mittel voll ihre Schuldigkeit gethan, manche aber waren vielleicht der Meinung, es seien die fremden Turner, wenn auch nicht alle, doch zu allermeist den weniger gebildeten Ständen angehörig, und man glaubte, in keine näheren Beziehungen zu denselben gelangen zu können. Der imposante Festzug, die vortreffliche Ordnung in demselben, die vielen Vereinsmitglieder, welche, aus höheren Lebensstellungen, in derselben Tracht, äußerlich durch Nichts unterschieden, in Reih und Glied mit marschirten, belehrten die Frankfurter sehr bald eines Besseren, und man konnte mit Genugthuung beobachten, wie sie wärmer und herzlicher wurden und die anfängliche Neugierde im Verlaufe des Festes der lebendigsten Theilnahme, auch für den turnerischen Theil, wich. Die von dem Turninspektor Danneberg geleiteten Freiübungen, das Turnen der Musterriegen, besonders die volksthümlichen Wettübungen verfolgten sie mit einer fast leidenschaftlichen Theilnahme.

Auch hier galt beim Bankett in der Festhalle der erste Trinkspruch selbstverständlich dem Kaiser. Ein nach Gastein gesandtes Begrüßungstelegramm wurde von Kaiser Wilhelm mit folgenden Worten erwidert:

„Oberbürgermeister Miquel, Frankfurt a. M. 0 Ich beauftrage Sie, den Genossen des allgemeinen deutschen Turnfestes meinen Dank für ihren Gruß und meinen Wunsch für das fröhliche Gedeihen des mit der körperlichen Bildung zugleich den nationalen Sinn belebenden Turnwesens auszudrücken. Wilhelm.“ 

Leider schloß das sonst so schön verlaufene Fest mit einem schweren Unglücksfall, in Folge einer Explosion von Feuerwerkskörpern. –

Abermals sind fünf Jahre vergangen, und es steht das sechste allgemeine deutsche Turnfest zu Dresden bevor.

Die Frage nach der inneren Berechtigung und Bedeutung solcher Feste braucht man kaum mehr zu beantworten. Die kürzeste und schlagendste Anwort enthält die Kaiserliche Depesche.

Jahn äußert in seinem „Deutschen Volksthum“ 1810: „Festlichkeiten, Feierlichkeiten und Gebräuche sind als unzertrennliche Gefährten des gesellschaftlichen Seins auf der Erde verbreitet, so weit Menschen verkehren. Sie schließen sich den wichtigsten Handlungen an, gesellen sich zur Freude und Trauer, ja durchschlingen das ganze Leben. Sie sind ein Bedürfniß des Menschen, der das Geistige an einem vermittelnden Sinnbilde reiner erkennt, das Uebersinnliche in einer sinnlichen Vergegenwärtigung sich tiefer ins Herz prägt. Festlichkeit ist Erheben über das gemeine Leben, Herauskommen aus der Alltäglichkeit, Entfesselung des Geistes von leiblichen Unterdrückungen, Abspannung des Körpers von der Frohnarbeit, Befreiung des Herzens von Daseinssorgen, Versuch, die Daseinsbürden abzulasten: überhaupt ein Erholungsleben, wo der Mensch doch einmal der Gegenwart froh wird, ohne ängstliches Horchen und Zählen der Uhr, die ohne Rast zum Nothwerk abruft. Frei steht der Mensch dann als ein Wesen, das auf Freude ein öffentliches unveräußerliches Recht hat. – Volksfeste müssen das gesellschaftliche Leben veredeln, höhere Genüsse geben, als zu denen der Mensch sonst gewöhnlich seine Zuflucht nimmt, weil er nicht bessere kennt. – Der Gegenstand der Volksfeste muß volksthümlich sein. Nicht jeder Staat kann nach Belieben Volksfeste anordnen, ohne sich lächerlich zu machen. Wo Volksfeste gefeiert werden sollen, muß schon vorher ein Volk sein.“ –

Wie Jahn sich die Gestaltung der Turnfeste denkt, deutet er in seiner „Deutschen Turnkunst“ 1816 an. „Wenn die gesammte (deutsche) Jugend erst eingeturnt ist, so wandern die Turnfertigsten aus dem kleineren Ort in den größeren, von dort am folgenden großen Turntage die Preiserringer zur Gaustadt, und so an jedem kommenden Feste immer weiter zur Mark- und Landesstadt, bis sich endlich die besten Turner des ganzen Volkes am großen Hauptfest in der Hauptstadt treffen.“

So haben sich unsere Turnfeste nun nicht entwickelt, und wir brauchen es wahrlich nicht zu beklagen. Ich bin auch überzeugt, Jahn müßte, wenn es ihm vergönnt wäre, eins unserer jetzigen Turnfeste zu erschauen, seine helle Freude daran haben! Selbst der kampfgewohnte Grieche aus alter Zeit würde es nicht verschmähen, in den Wettspielen unserer Tage um den Siegerpreis zu ringen wie einst zu Olympia um die höchsten Ehren.

Professor Dr. C. Euler. 

Kälte im Sommer.

Acht Monate Kälte und vier Monate Regen, so etwa läßt sich das Jahr im lieben deutschen Vaterlande eintheilen. Es klingt daher im ersten Augenblicke wie ein Hohn, wenn man dem deutschen Reichsbürger mit Betrachtungen über Kälte-Erzeugung vor die Augen tritt. Die gütige Natur besorge das schon, ohne Dazwischentreten des Menschen, möchte besagter Bürger nicht mit Unrecht erwidern, unsere einzige Sorge sollte sein, die Kälte zu bekämpfen; die wenigen Sommertage, wo das Thermometer über zwanzig Grad steigt und von Hitze die Rede sein kann, seien auch schon ohne Eis und sonstige Abkühlungsmittel zu ertragen. Für Erniedrigung der Temperatur können wir daher wohl den glücklichen Südländer sorgen lassen.

Besagter Reichsbürger übersieht aber, daß es viele Gewerbszweige giebt, die unbedingt auf eine kühlere Temperatur, als die des sogenannten Sommers angewiesen sind, und daß manche Speisen und Getränke selbst die wenigen Wärmegrade nicht vertragen, welche uns die Sonne spendet. Wer über einen kühlen Keller nicht verfügt, und derer giebt es, namentlich in Großstädten, viele, muß, wenn das Ende des unfreundlichen und kalten Frühlings herannaht und einige Aussicht auf verhältnißmäßig warme Tage vorhanden ist, für ein kühles Plätzchen sorgen, wo er Milch, Bier, Wein, Fleisch aufbewahrt, und so überflüssig die Ausgabe auf den ersten Blick erscheinen mag, einen Theil des Inhalts seines Geldschranks in einen Eisschrank verwandeln.

Wie versorgt man aber dieses nützliche Möbel, welches, wie männiglich bekannt, doppelwandig gebaut, mit Zink ausgeschlagen ist und in seinem Innern einen Behälter für das Eis und einen für die Speisen enthält, während der Raum zwischen den Wänden

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 444. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_444.jpg&oldid=- (Version vom 18.3.2024)