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Seite:Die Gartenlaube (1885) 762.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)


Punkte, welchem gegenüber Schmeicheleien nicht mehr als Komplimente aufgefaßt werden.

Als ich bald nach der Rückkehr aus dem Feldzuge 1871 die Ehre hatte, der Frau Kronprinzessin vorgestellt zu werden, um meine Skizzen aus Versailles vorlegen zu dürfen – ich erinnere mich des Moments noch wie heute: die Frau Kronprinzessin trug, während sie die Skizzen besichtigte, das jüngste Töchterchen auf dem Arme, welches mit dem eisernen Kreuze am Halse des erlauchten Vaters spielte – da war ich überrascht von den treffenden und sachverständigen Bemerkungen, mit welchen die hohe Frau die vorgelegten Blätter begleitete. Ich hatte ja schon früher Arbeiten dieser fürstlichen Künstlerin gesehen, unter Anderem jene durch die Lithographie vervielfältigten preußischen Soldatenfiguren, welche gelegentlich des 1864er oder 1866er Feldzuges entstanden waren; aber ich gestehe, daß ich selbst damals nicht um die Frage herum gekommen bin: „Hat sie das wirklich selbst gemacht?“ – was zwar nicht schön, aber doch begreiflich war. Inzwischen, seit 1871, habe ich fortgesetzt Gelegenheit gehabt, die künstlerischen Bestrebungen und Studien der hohen Frau zu verfolgen.

Das Jahr 1875 brachte mir den Vorzug, unvergleichlich schöne Maitage in der Nähe der kronprinzlichen Herrschaften in Venedig zu verleben. Die Frau Kronprinzessin genoß die Kunstschätze Venedigs, studirte, zeichnete und malte unermüdlich, nach den Kunstwerken der vergangenen hehren Kunstepoche Venedigs, oder nach der Natur auf dem Markusplatz und in den Kanälen, oft ganz allein und unerkannt, oder sie malte Studienköpfe in Passini's Atelier mit uns Anderen zusammen. Eine kleine Aquarelle von mir erinnert an einen jener Tage: die Frau Kronprinzessin, einige Bekannte, auch meine Wenigkeit, wir hatten gemeinschaftlich im Klosterhof von San Gregorio aquarellirt, und die Frau Kronprinzessin hatte sich zuletzt – im schwarzen mit weißen Spitzen besetzten Kleid und Rubenshut mit weißer Feder – als Staffage gestellt, auf einen Korb voll Zwiebeln und Fenchel gelehnt, welchen ein vorübergehender Junge dazu hergeliehen hatte. Ich hatte damals fast täglich Gelegenheit, die Skizzenbücher der hohen Frau zu sehen, und war bei jedem Blatt überrascht durch den sicheren Blick, mit welchem überall das Künstlerische, Malenswerthe herausgefunden, und die Sicherheit, Derbheit und Richtigkeit, mit welcher der Gegenstand, gleichviel in welcher Technik, zur Darstellung gebracht war. Und höher noch als ihr technisches Können schätzte ich das künstlerische Verständniß und Empfinden der hohen Frau, wie es gegenüber den Werken der Kunst und den Eindrücken der Natur bei jeder Gelegenheit zu Tage trat.

Alles Glück und alle Poesie jener goldigen Maitage von Venedig empfand die Frau Kronprinzessin in der Freude am eigenen künstlerischen Schaffen in jenem Maße, wie nur der Künstler sie empfinden kann, und es war, als ob die Kunst selbst der kunstsinnigen Fürstin ein Bild zu unvergeßlicher Erinnerung stiften wollte, an jenem Abend, als das hohe Paar von Venedig Abschied nahm und das Gedränge der fackelbeleuchteten Gondeln den Canal grande füllte und der Mond in vollster Pracht seinen Schimmer über die im Lichterglanz erstrahlenden stolzen Paläste und den Rialto hinabsandte ..., es war ein Bild, wie es Oswald Achenbach nicht schöner malen kann! Seit jener Zeit hat die Frau Kronprinzessin trotz der vielfachen Pflichten, welche ihre hohe Stellung ihr auferlegt, unausgesetzt künstlerische Studien nach den verschiedensten Richtungen hin verfolgt, mit immer offenem Auge für die Offenbarungen der Natur und für die Schöpfungen alter und moderner Kunst. Ohne direkte Lehrmeister zu haben, hat die hohe Frau doch von den Eindrücken Nutzen gezogen, welche die praktische Thätigkeit hervorragender Künstler auf sie ausübte, so z. B. unter Anderen Professor von Angeli als Portraitmaler, der verstorbene treffliche Chr. Wilberg und Ascan Lutteroth als Landschafter und speciell Aquarellisten und Professor Albert Hertel als Stilllebenmaler. Treffliche Portraitstudien, z. B. die lebensgroßen Bildnisse des Prinzen Wilhelm und der Frau Erbprinzessin von Meiningen im Renaissancekostüm weisen auf den Einfluß von Angeli’s hin, und die zahlreichen mit überraschender Leichtigkeit und Sicherheit gezeichneten oder aquarellirten Reiseskizzenblätter lassen durch ihre Technik errathen, daß Wilberg und Lutteroth nicht ohne sichtbaren Erfolg den Vorzug genossen haben, im neuen Palais in Potsdam oder in Italien und der Schweiz in der Nähe der kunstübenden Fürstin gewesen zu sein.

Von den drei hier reproduzirten Blättern zeugt der Studienkopf – dessen Original mir wohl bekannt ist – von solider ernsthafter Zeichnung und schlichter eindringlicher Naturanschauung; das Stillleben – ganz abgesehen von seiner trefflichen malerischen Behandlung – läßt erkennen, wie die hohe Künstlerin bestrebt ist, auch dem schlichten Stillleben eine tiefere und ernstere Bedeutung abzugewinnen, und das Landschaftsblatt: Pegli 1879, ist eins von jenen Hunderten von Reise-Erinnerungsblättern aus den Mappen und Skizzenbüchern der Frau Kronprinzessin, bei dessen routinirter Darstellungsweise man schwerlich auf den Gedanken kommen würde, daß der Autor nicht ein für illustrirte Blätter unausgesetzt zeichnender Künstler, sondern – die Kronprinzessin des Deutschen Reiches ist.

Welchen bedeutungsvollen Einfluß die Frau Kronprinzessin, auf die Entwickelung unserer Kunstindustrie gehabt hat, ist bekannt. Unser Kunstgewerbemuseum entstand auf ihre Anregung hin 1867 aus kleinen Anfängen und entwickelte sich unter ihrer Förderung inzwischen zu jener imposanten Höhe, für welche der am 21. November 1881, dem Geburtstage der Frau Kronprinzessin eingeweihte Prachtbau der entsprechende sichtbare Ausdruck ist.

Die Künstlerschaft weiß die Auszeichnung, die erlauchte Fürstin zu den Ihrigen zählen zu dürfen, und den Vorzug, daß die bildende Kunst eine freundliche und heimische Stätte im kronprinzlichen Palais gefunden hat, hoch zu schätzen. Die begeisterten und herzlichen Huldigungen, welche der Frau Kronprinzessin aus Künstlerkreisen dargebracht werden, gelten mindestens eben so sehr der kunstsinnigen und kunstübenden Fürstin als der Frau Kronprinzessin des Deutschen Reiches. Im Jahre 1860 ernannte die Berliner Akademie der Künste die Frau Kronprinzessin zu ihrem Ehrenmitglied. Wir sind heute somit in der Lage das fünfundzwanzigjährige Jubiläum derselben als Mitglied dieser Künstlerkorporation zu feiern, und dürfen mit vollem Recht zu unseren ehrfurchtsvollen Glückwünschen die zuversichtliche Hoffnung gesellen, daß das hohe Beispiel der Frau Kronprinzessin für die Entwickelung und die Bedeutung der Kunst in unserem Vaterlande von glückverheißender und eingreifender Bedeutung ist und sein wird.

Berlin im Oktober 1865. A. v. Werner.     


Ein wunderlicher Heiliger.

Novelle von Hans Hopfen.
(Fortsetzung.)


Bianca kam langsam auf ihren Vetter zu, kreuzte die Arme über der Brust und sprach: „Glaubst Du jetzt wirklich ein Wort von alledem, was Du mir und Dir da vorgeredet hast? ... Ich glaub’s nicht! Nicht so viel!“ Dabei hielt sie ihm das mit dem Nagel des Daumens am letzten Ende markirte Spitzchen ihres kleinen Fingers vor die Augen.

Er wollte was Heftiges einwerfen. Sie aber schnitt ihm gebieterisch jedes weitere Wort ab. „Laß jetzunder mich reden!“ rief sie. „Ich habe Dir lang genug zugehört. Was, Du willst mir im Ernst weißmachen, daß Du, der Pater Otto, der von Kindesbeinen an keinen höheren Gedanken gehabt hat, als geistlicher Herr zu werden, daß Du, der Du auf Deine heiligen Weihen stolz bist wie kein zweiter in der Erzdiöcese, daß Du, der überzeugte Katholik, Alles, was zu Deinem Beruf und zu Deiner Ueberzeugung gehört, auf einmal liegen und stehn lassen und mit mir weiß Gott wohin gehen willst, wo sich Hund und Katze Gute Nacht sagen?! Du?! und mit mir?! Du, der gescheite Vetter Otto?! der nüchterne, der überlegene, der ironische?! Du bist ganz für so etwas gemacht!

Schau, ich muß lachen! Ich kann mir Dich halt nicht als lyrischen Tenor vorstellen. Es geht nicht. Das Duett sing ich nicht mit Dir.

Geh’ und sei wieder gescheit! Sei mir, was Du mir immer warst, so lang ich mich erinnern kann, mein lieber, mein einziger

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 762. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_762.jpg&oldid=- (Version vom 25.2.2023)