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Seite:Die Gartenlaube (1886) 434.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

Jahren (1877) zog nämlich der berühmte Nervenarzt Professor Charcot in Paris in Folge des Studiums jener alten Schriften die Elektrisirmaschine für ärztliche Zwecke von Neuem in den Bereich seiner Thätigkeit. Freilich waren mittlerweile auch die maschinellen Vorrichtungen der sogenannten statischen Elektricitätserzeugung durch geeignete neue Konstruktionen bedeutend verbessert worden und zu einer gewissen Vollkommenheit gediehen. Dr. Holtz, früher in Berlin, und Professor Töpler in Dresden konstruirten sogenannte Influenz-Elektrisirmaschinen, welche es ermöglichten, kontinuirliche elektrische Ströme von hoher Spannung für gewisse Zwecke der elektrischen Heilkunst zu erzeugen und zu verwenden. Unsere Abbildung (S. 433) stellt das große elektrotherapeutische Kabinet des Professor Charcot in Paris dar, welches derselbe auf seiner Abtheilung in der Salpêtrière, einem großen Krankenhause für Nerven- und Gemüthskranke, hat einrichten lassen.

Fast alle in der modernen Elektrotechnik in den jüngsten Jahren zu Tage getretenen Errungenschaften werden in dem erwähnten großen Heilinstitute zu Paris verwerthet. Zwei große, durch Glaskasten vor Staub geschützte Influenz-Elektrisirmaschinen werden mittels Transmissionsriemen in rasche Umdrehung versetzt und geben ihre Ströme an die auf dem Tabourete sitzenden Personen ab. Die bewegende Kraft wird durch eine Dampfmaschine erzeugt, welche in einem dem elektrotherapeutischen Kabinette benachbarten Gebäude steht, und mittels Dynamomaschine und Transmissionswellen den beiden Influenzmaschinen zugeführt.

Von den positiven Polen derselben führt je ein Leitungsstab auf das Elektrisirtabouret, während von den negativen Polen die negative Strömung zur Erde geleitet wird und von hier aus durch eine Kette dem Elektrisirstabe des behandelnden Arztes zufließt.

Im Hintergrunde des Saales, auf unserem Bilde links, sehen wir einen Elektrisirtisch mit den verschiedensten elektrotherapeutischen Apparaten und Meßinstrumenten zur Behandlung mittels des galvanischen Stroms. Im Vordergrunde des Bildes erklärt der ärztliche Dirigent der Anstalt einem besuchenden Arzte die interessanten Apparate und deren Wirkungsweise. Der Zudrang zu dieser öffentlichen Heilstätte ist so groß, daß täglich zwei- bis dreihundert Patienten daselbst Hilfe suchen; es muß daher immer eine größere Zahl von Leidenden zugleich, wie es unsere Abbildung zeigt, dem elektrischen Strome ausgesetzt werden. Auf die Krankheitsformen, welche sich zur Behandlung mit den erwähnten hochgespanten Strömen eignen, ebenso wie auf die Anwendung des galvanischen und faradischen Stroms zu Heilzwecken, werden wir in einem zweiten Artikel zurückkommen.


Was will das werden?

Roman von Friedrich Spielhagen.
(Fortsetzung.)


An dem Bach, da wo er eine Viertelstunde unterhalb des kleinen Badeortes aus dem Walde tritt, stehen zwei junge Leute auf einer erhöhten Stelle des Ufers und lassen ihre Angelleinen in dem hier ziemlich tiefen Wasser schwimmen. Der starke Strom führt die Leinen binnen einer halben Minute regelmäßig so weit, daß sie dieselben wieder herausnehmen und mit weitem Schwunge bachaufwärts schleudern müssen.

Dies monotone Spiel mochten sie wohl bereits seit zwei Stunden getrieben haben, ohne daß während dessen ein anderes Wort, als etwa ein kurzes, welches das gemeinsame Geschäft betraf, über ihre Lippen gekommen wäre. Jetzt schnellte der Größere von den Beiden, der weiter bachaufwärts stand, seine Leine, an der „beinahe“ ein Fisch gehangen hätte, nur daß der Schlaue im letzten Augenblick vorgezogen, „wieder nicht“ anzubeißen, zum vielhundertsten Male leer aus dem Wasser und sagte gähnend. „Sie wollen wirklich nicht beißen. Ich denke, wir hören auf.“

„Hören Sie auf!“ erwiderte der so Angeredete; „ich will nicht Lamarque heißen, wenn ich nicht der Peller das versprochene Gericht mit nach Hause bringe.“

„Ich hätte gewiß nichts dagegen,“ sagte der Andere, „da Sie mich dazu eingeladen haben. Aber was nicht sein soll, das ist eben nicht.“

„Es soll sein und deßhalb wird es sein,“ sagte Lamarque. „Wenn Sie noch eine halbe Stunde bleiben, können Sie sich selbst davon überzeugen.“

„Wüßte nicht, daß ich etwas versäumte, wenn ich bliebe,“ sagte der Andere, sich in das Moos streckend, welches die Wurzeln der Rieseneiche mit einem dicken Teppich überspann. „Ist auch hier so viel schöner als in dem langweiligen Nest. Was ich sagen wollte, Lamarque, Sie spielten gestern Abend wirklich –“

„Ausgezeichnet, süperb, ich weiß. Aber so gern ich mich loben höre, zumal von Ihnen, bitte, jetzt weiter kein Wort!“

„Wie, kein Wort?“

„Denken Sie, daß man angeln und konversiren kann zu gleicher Zeit? Sehen Sie, den hätte ich gehabt, wenn ich aufgepaßt hätte. Verdammt! Das kommt von dem Schwatzen.“

Der Kleine hatte den beschädigten Köder erneuert und warf abermals seine Leine aus. Der Andere legte die Hände unter den Kopf und fing an, in das mächtige Laubdach über ihm hinaufzustarren.

Die jungen Leute waren die beiden „Liebhaber“ des Sommertheaters, das sich seit acht Wochen in dem kleinen Badeorte etablirt hatte; Lamarque war der erste; ich war der zweite.

Ich sollte morgen eine größere Rolle in einem alten Benedix’schen Stück spielen und begann, mir meinen Text im Stillen herzusagen. Ich fand, daß mir kein Wort fehlte – nicht einmal ein Stichwort – und daß ich mir den Rest schenken könne. Ueberdies hatte über mir eine Amsel angefangen zu singen, und die Sonne, die im Untergehen war, warf einzelne Streifen durch das Laubdach, sodaß hier und da ein Stück Ast, ein Convolut Blätter in tiefem Purpur glühten, während aus den dichten Massen schon die Dunkelheit „mit hundert schwarzen Augen sah“. Und ich hatte noch keine zwei Minuten so hinaufgeblickt, als ich Zeit und Ort und den Gefährten und das Stück morgen und Alles vergessen hatte und im Geist bei den Liebenden des Lustspiels war, an dem ich in meinen Mußestunden schrieb, und darüber grübelte, ob ich die entscheidende Scene nicht, anstatt im Zimmer, im Walde spielen lassen könne, – in einem Eichwald wie dieser. Nur daß ich dann die Entdeckung des Handels durch den eifersüchtigen Sekretär – ich müßte denn –

Und so spann ich weiter an den bunten Fäden meines Gewebes, während droben die Purpurgluth verlosch, die Amsel sich den Unterschlupf für die Nacht längst gesucht hatte, und Lamarque wortlos weiter angelte, bis er plötzlich mit einem hellen Jauchzer die tiefe Stille und meine Träume unterbrach. Erschrocken fuhr ich in die Höhe und griff mir an die Stirn, denn das Blut war mir von dem langen Liegen in den Kopf gestiegen, und vor meinen Augen schwammen große blaue Wolken.

„Was giebt’s?“

„Das versprochene Abendessen! Sehen Sie!“

Ich sah nun wirklich fünf oder sechs größere und kleinere Fische, die in dem Korb, welchen er mir triumphirend hinhielt, zappelten.

„Sie sind ein Tausendkerl, Lamarque,“ sagte ich.

„Pah!“ sagte er; „ich habe nur Ausdauer. Das ist alles.“

„Das ist auch alles,“ sagte ich, „oder doch viel, sehr viel.“

„Freilich. Wenn Sie –“

Lamarque brach ab, nahm seine Angelruthe auseinander, den zugedeckten Korb unter den Arm, und wir machten uns auf den Rückweg am Ufer des Baches hin durch den schweigenden Wald.

„Sie wollten vorhin etwas sagen, Lamarque. Sie fingen an: ‚Wenn Sie‘ –“

„Ich weiß es nicht mehr.“

„Haben Sie Ihre Rolle so schlecht gelernt, daß Sie nicht einmal auf den Souffleur weiter spielen können? Soll ich Ihnen den ganzen Text bringen?“

„Wenn Sie können –“

„Ich glaube. Sie wollten sagen: ‚Wenn Sie Ausdauer hätten, wären Sie kein so schlechter Schauspieler‘.“

„Oder doch: ein besserer.“

„Das kommt auf Eines heraus.“

„Nicht ganz. Sie sind kein schlechter Schauspieler; aber Sie könnten ein guter sein, wenn –“

„Mir nicht eben Alles fehlte, was zu einem guten Schauspieler gehört; zu einem, wie Sie, zum Beispiel.“

„Lassen wir mich aus dem Spiel! Was meinen Sie, was zu einem guten Schauspieler gehört und Ihnen fehlt?“

„Soll ich Ihnen das wirklich expliciren, Lamarque, stehe ich mir sehr im Licht, lasse ich Sie aus dem Spiel. Ich brauche

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Leipzig: Ernst Keil, 1886, Seite 434. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_434.jpg&oldid=- (Version vom 4.6.2024)