Verschiedene: Die Gartenlaube (1893) | |
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Schlafender Frosch. (Mit Abbildung.) Es giebt eine Anzahl von Thieren, namentlich Lurchen und Insekten, die mit der Eigenschaft ausgestattet sind, an spiegelglatten senkrechten und überhängenden Flächen mit erstaunlicher Fertigkeit zu laufen und sogar in überhängender Körperlage zu ruhen. Sie thun es ohne irgend welche Anstrengung; denn die Natur hat diese geborenen Akrobaten mit besonderen Sohlen ausgestattet. Unter den Eidechsen bilden die „Haftzeher“ eine besondere Familie, so genannt, weil ihre Zehen und Sohlen mit wirklichen Haftwerkzeugen ausgestattet sind, mit Saugnäpfen, mit deren Hilfe sich die Thiere an die glatten Flächen ansaugen.
Die Fliegen dagegen sondern an ihren Füßen einen Leim aus, mit dem sie sich an die glatten Flächen ankleben, und ebenso sind die Zehen der Baumfrösche, als deren bekanntester Vertreter unser Laubfrosch gelten mag, mit feinen Drüschen versehen, aus denen gleichfalls ein Leim austritt, welcher dem Frosche gestattet, die wunderbarsten Körperstellungen einzunehmen.
So dürfte auch die Lage, die der Frosch auf unserem Bilde für ein Nachmittagsschläfchen eingenommen hat, für seinesgleichen nicht besonders abenteuerlich sein. Daß er mit dem Kopfe nach unten über den Wassern schwebt, kann sogar als ein Zeichen seiner hygieinischen Weisheit gelten – hat doch vor einigen Jahren ein Arzt auch den Menschen empfohlen, mit dem Kopfe tiefer zu schlafen und zu diesem Zwecke das Fußende des Bettes zu erhöhen! Unser Frosch kann aber eines tiefen Schlummers sich nicht erfreuen; denn zum Entsetzen der Wasserjungfer, die auf demselben Aste sitzt, summen Fliegen heran, spazieren dem Frosche auf dem Kopfe, ja über das sonst so gefürchtete Maul hinweg. Solche „Reize“ stören den Schlaf und rufen Träume hervor, und vielleicht mag es sein, daß auch der Frosch auf dem Bilde von ungebratenen, aber desto zarteren Mücken, die einem in den Mund fliegen, träumt wie ein Menschenkind von gebratenen Tauben.
Ob auch Lurche träumen können? Wir müssen es der Phantasie unserer Leser und Leserinnen überlassen, die Thatsache und den Humor der Froschträume sich auszudenken. Wir wollen bei dieser Gelegenheit lieber von einer Schlafgewohnheit der Frösche berichten, die von einem trefflichen Naturkundigen, A. Franke, verbürgt wird. In seinem mustergültigen Terrarium in Stötteritz bei Leipzig hielt er auch Teichfrösche und da machte er die Wahrnehmung, daß jeder einzelne Frosch sein bestimmtes Nachtquartier bezieht, in dem er jedenfalls einen Theil der Nacht schlafend zubringt und das er am Tage nicht benutzt. Einem Freunde, der diese Thatsache bezweifelte, bezeichnete er genau die Stelle zwischen zwei Klettenblättern, die mit Eintritt der Dunkelheit von einem Frosche besetzt werden würde.
„Ich wußte schon im voraus,“ schreibt Franke, „daß der Frosch bei der geringsten Störung in zwei mächtigen Sätzen nach dem Bassin springen würde, und kannte den Fleck, von wo aus der zweite Sprung mit fast mathematischer Genauigkeit ausgeführt wurde. Um den Effekt zu erhöhen, setzte ich hierher ein weites, halb mit Wasser gefülltes Gefäß. Wir sahen im Halbdunkel den Frosch sich nähern und bemerkten an der Bewegung der Blätter, wie er sein Nachtquartier bezog. Eine halbe Stunde später wurde mit einem Stöckchen ein geringes Geräusch in der Nähe des Klettenbusches gemacht, so daß der beunruhigte Frosch mit seinem gewöhnlichen Sprunge hervorkam und jedenfalls zu seiner nicht geringen Verwunderung in das Wassergefäß patschte. Mein Freund wurde aus einem Saulus ein Paulus; der Frosch aber bezog sein altes Quartier nicht wieder.“
Psyche. (Zu unserer Kunstbeilage.) Curzons Bild, eine der hervorragendsten Schöpfungen des Meisters, die heute eine Zierde des Musée de Luxembourg zu Paris bildet, stellt uns die von Malern, Blldhauern und Dichtern so oft verherrlichte Psyche dar; und wer möchte bei ihrem Anblick nicht der Verse gedenken, mit denen Amor in Robert Hamerlings Dichtung gleich beim ersten Anblick ihre sieghafte Schönheit feiert:
„Welche wunderfeinen,
Seidenweichen Strähnen, golden schimmernd,
Aehnlich einem Bündel Sonnenstrahlen!
Traun, aus ihren träumerischen Augen
Blüht ein Reiz, ein stiller, den ihr neiden
Müssen selbst olymp’sche Götterfrauen.
All ihr Wesen, all ihr Thun ist Seele.“
Auf dem Bilde von Curzon sehen wir Psyche als Büßerin eine jener schweren Aufgaben vollführen, welche der Zorn der Venus über sie verhängt hat. Aus dem Schattenreich muß sie von der Proserpina eine Büchse mit Schönheitssalbe holen. Sieghaft schreitet sie durch die Nacht, vorüber an dem Höllenhund, dem dreiköpfigen Ungeheuer. Auf dem Rückweg aber öffnet sie die Büchse, ein betäubender Dampf dringt heraus und Psyche sinkt bewußtlos zu Boden. Doch Amors Liebe, der sie mit dem Pfeil berührt, bringt sie wieder zu sich; das erzählt uns Apulejus in seinem Märchen „Amor und Psyche“. Als dieser sein Märchen verfaßte, im zweiten Jahrhundert nach Christus, da waren die Götter und Göttinnen schon etwas alt geworden, und es ist begreiflich, daß Venus selbst der Schönheitssalbe bedurfte und Proserpinens Toilettengeheimniß durch die geflügelte Sendbotin entlehnen mußte.
Das Märchen des Apulejus nennt Herder den zartesten und vielseitigsten Roman, der je erdacht worden sei. Eifersüchtig auf die reizende Psyche, welche im Ruhm der Schönheit mit ihr wetteiferte, beschließt Venus, sie zu bestrafen und befiehlt dem Amor, ihr die Neigung zu einem nicht ebenbürtigen Manne einzuflößen; doch Amor verwundet sich selbst mit dem Pfeil, welcher die Psyche treffen soll, und als diese auf das Gebot des Orakels an ödem Meeresstrand ausgesetzt wird, da weht ein sanfter Hauch sie von der Klippe in Amors Zaubergarten. Durch unbesonnene Neugier aber verscherzt sie ihr Glück und geräth bald darauf in die Gewalt der Venus, von der sie zum Aschenbrödel erniedrigt und zu harten Diensten gezwungen wird. Doch glücklich besteht sie alle Gefahren durch wunderbare Hilfe. Endlich erbarmt sich Zeus und giebt auf Amors Bitten seine Einwilligung zur Ehe des jungen Gottes mit der schönen Psyche. Bei dem Festmahl sind alle Götter und Göttinnen zugegen, auch Venus muß sich am Triumph ihrer Sklavin betheiligen: das ist das sinnige Märchen, das uns die Macht der Liebe über die Seele der Menschen in reizvollen Bildern vor Augen führt. †
Inhalt: Schwertlilie. Roman von Sophie Junghans (10. Fortsetzung). S. 389. – Weltverbesserer. Von Dr. J. O. Holsch. VI. S. 392. – Die Zerstörung des Klosters Hirsau durch die Franzosen unter Mélac. Bild. S. 393. – Das wiederauferstandene Wikingerschiff. S. 396. Mit Abbildungen S. 396 und 397. – Das Rechte. Novelle von Adelheid Weber. S. 397. – Kirchensteg im Albthal. Bild. S. 401. – Aus Verdis Heimath und Heim. Von Woldemar Kaden. (Mit Bildniß und Abbildung. S. 389 und 405.) – Blätter und Blüthen: Deutsche Feldherren in Südamerika. S. 406. – Verlängerung der Blüthendauer. S. 406. – Die Zerstörung des Klosters Hirsau durch Mélac. S. 406. (Zu dem Bilde S. 393.) – Katechismus der Toilettenkunst und des guten Geschmacks. S. 407. – Neue Gegengifte. S. 407. – Kirchensteg im Albthal. S. 407. (Zu dem Bilde S. 401.) – Rohes und gekochtes Fleisch. S. 407. – Chlor und Spiegel. S. 407. – Schlafender Frosch. Mit Abbildung. S. 408. – Psyche. S. 408. (Zu unserer Kunstbeilage.)
Nicht nur in den „Höhlen“ und Kellerwohnungen verwahrloster Stadtviertel halten Krankheiten ihren Einzug – sie nisten sich auch in guten Wohnungen ein, wenn diese nicht gesundheitsgemäß erhalten werden. Darum wache jeder, namentlich aber die Hausfrau, am eigenen Herde, damit unser Haus auch in gesundheitlicher Beziehung unsere Burg sei. Die beste Auskunft über alle Gebiete der Haushygiene ertheilt das obengenannte Werk. Es ist das erste volksthümliche Buch, in welchem die Verhütung und Bekämpfung der Seuchen im eigenen Hause auf Grund der neuesten Errungenschaften der Wissenschaft ausführlich und klar gelehrt wird.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 408. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_408.jpg&oldid=- (Version vom 10.7.2024)