Spätestens seit dem sogenannten Leistungssportbeschluss des SED-Politbüros im Jahr 1969 nahm der Eishockeysport in der DDR eine Sonderrolle ein. Die „Grundlinie der Entwicklung des Leistungssports in der DDR bis 1980“, so die offizielle Bezeichnung des Beschlusses, sah vor, bestimmte olympische Sportarten stärker als bisher zu fördern. Dazu gehörten insbesondere jene, die eine hohe Medaillenausbeute versprachen. Eishockey, als personal- und finanzintensiver Mannschaftssport, bei dem es lediglich eine Medaille zu erringen gab, fiel aus diesem Förderungsrahmen fortan heraus. Durch die Intervention des Ministers für Staatssicherheit (MfS), Erich Mielke, konnte für den Eishockeysport in der DDR jedoch ein Kompromiss mit dem Präsidium des Deutschen Turn- und Sportbundes (DTSB) ausgehandelt werden. Dieser sah vor, dass der Spielbetrieb der Eishockey-Oberliga ab 1970 nur noch mit zwei Mannschaften, dem Sportclub (SC) Dynamo Berlin und der Sportgemeinschaft (SG) Dynamo Weißwasser, weitergeführt werden sollte.
Diese Mini-Liga bestand bis zur Auflösung der DDR 1990 in gleichbleibender Besetzung fort. Aus einem Pool von insgesamt circa 40 Spielern stellte der Deutsche Eislauf-Verband (DELV) auch weiterhin eine Landesauswahl zusammen, die an den Weltmeisterschaftsturnieren der International Ice Hockey Federation (IIHF) teilnahm. Der folgende Beitrag gibt zunächst einen kurzen Überblick über das DDR-Eishockey vor und nach 1969. Anschließend wird der Vereinigungsprozess der beiden Eishockeyfachverbände aus West- und Ostdeutschland dargestellt. Schließlich soll ein Ausblick die Entwicklung des ostdeutschen Eishockeys seit der Wiedervereinigung skizzieren.
Die „kleinste Liga der Welt“
Die Wurzeln des ostdeutschen Eishockeys reichen bis in die 1920er Jahre zurück, als die traditionellen Vereine in Weißwasser und Crimmitschau beziehungsweise Frankenhausen, seit 1950 Teil von Crimmitschau, gegründet wurden. Auch in den größeren Städten wie Dresden und Leipzig fanden sich vor dem Zweiten Weltkrieg Spieler zusammen, die gemeinsam dem Puck hinterherjagten. Berlin hatte sich bereits um die Jahrhundertwende zu einem frühen Mittelpunkt des europäischen Eishockeys entwickelt und beherbergte eine Vielzahl an Mannschaften, die auf den vorhandenen Kunsteisflächen spielten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg gestaltete sich der Neuanfang für den Kufensport in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) zunächst schwierig. Kunsteisflächen waren auf dem gesamten Gebiet der SBZ nicht vorhanden und nur die klimatisch begünstigten Regionen in Sachsen ließen bei entsprechender Witterung einen Spielbetrieb zu. Dennoch fand bereits 1949 die erste „Ostzonenmeisterschaft“ statt. Ab 1950 stand mit der Werner-Seelenbinder-Halle in Berlin auch wieder Kunsteis zur Verfügung, sodass eine Oberliga als höchste Spielklasse eingeführt werden konnte. Nach und nach entstanden auch in Crimmitschau/Frankenhausen, Weißwasser, Dresden, Karl-Marx-Stadt, Rostock und Erfurt Kunsteishallen. Dominante Mannschaft blieb lange Zeit das Team aus Weißwasser. Zwischen 1951 und 1965 wurde die Mannschaft fünfzehnmal in Folge DDR-Meister.
Das erste Länderspiel einer DDR-Auswahl fand im Januar 1951 gegen Polen statt. Die größten Erfolge feierte das Nationalteam der DDR Mitte der 1960er Jahre, als man mehrfach einen fünften Platz bei den Weltmeisterschaften erreichte und 1966 sogar die Bronzemedaille der Europameisterschaft erspielte. Um auch an den Olympischen Winterspielen teilnehmen zu können, waren zwischen 1956 und 1964 jeweils Ausscheidungsspiele gegen die Landesauswahl der Bundesrepublik zu bestreiten, da beide deutsche Staaten auf Wunsch des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) gemeinsam an den Spielen teilnehmen sollten und man sich nicht auf ein gemischtes Eishockeyteam einigen konnte. Die DDR-Sportführung war bestrebt, diese Qualifikation zu gewinnen, da von dem Ausgang der Spiele zu einem großen Teil die Delegation des obersten Funktionärs innerhalb der gemeinsamen Olympiamannschaft aus Bundesrepublik und DDR abhing. Man hatte sich im Vorfeld geeinigt, dass derjenige Verband diesen „Chef de Mission“ stellen würde, der auch die Mehrheit der Sportler zu den Spielen schickte. Da bei den Winterspielen kaum Mannschaftssportarten vertreten waren, konnte man durch die Entsendung einer eigenen Eishockeymannschaft das Verhältnis der teilnehmenden Athleten schnell für sich entscheiden.
Als der DDR ab 1968 gestattet wurde, eine eigene Delegation zu den Olympischen Spielen zu schicken, fielen auch die Ausscheidungsspiele weg. Für die Parteiführung verlor der teure Eishockeysport somit an Bedeutung. Hierin ist einer der Gründe zu suchen, weshalb sich Eishockey auch auf der Liste von Sportarten wiederfand, die im Rahmen des sogenannten Leistungssportbeschlusses von 1969 nicht mehr in den Genuss einer besonderen staatlichen Förderung kommen sollten. Der Minister für Staatssicherheit, Erich Mielke, legte jedoch sein Veto gegen diese Entscheidung ein. Er setzte durch, dass die beiden Dynamo-Mannschaften aus Weißwasser und Berlin weiterhin in der Oberliga spielten. Mielke war gleichzeitig auch Vorsitzender der Sportvereinigung (SV) Dynamo und hatte somit ein gesteigertes Interesse daran, dass „seine“ Eishockeymannschaften weiter bestanden.
Da die beiden Dynamo-Teams auch gleichzeitig in der Verantwortung standen, die DDR bei den anstehenden Eishockeyweltmeisterschaften gebührend zu vertreten, erkannten die verantwortlichen Funktionäre, dass ein Spielbetrieb mit nur zwei Mannschaften nicht ausreichen würde, um die Spieler hierauf genügend vorzubereiten. Die „Analyse des Trainings- und Wettkampfjahres 1970/71“ vom 4. April 1971 bilanzierte deshalb neben den acht Meisterschaftsspielen der Saison insgesamt 46 internationale Begegnungen der beiden Eishockeyvertretungen aus Berlin und Weißwasser.
Wende im DDR-Eishockey
Die Ereignisse im Herbst 1989 bedeuteten auch für den DDR-Sport eine tief greifende Veränderung. Die Kritik an den enormen Kosten, die der Leistungssport verursachte, hatte bereits seit Mitte der 1980er Jahre stetig zugenommen. Die Forderungen nach einer besseren materiellen und personellen Versorgung des Breitensports wurden nun lauter.
Der ersten Euphorie folgte schnell die Konfrontation mit der Realität. Als erster DDR-Sportler überhaupt wechselte Dieter Frenzel vom SC Dynamo Berlin am 1. Dezember 1989 offiziell zu einem westdeutschen Verein. Für eine Ablösesumme von 2000 D-Mark ging Frenzel zum EC Ratingen in die 2. Eishockeybundesliga und belegte dort einen Kontingentplatz für ausländische Spieler, da nach damals gültigen Regularien des Deutschen Eishockey Bundes auch Spieler unter die Ausländerregelung fielen, die aus einem anderen nationalen Eissportverband nach Westdeutschland wechselten. Der damals 34-jährige war nach der B-WM in Norwegen im April 1989 eigentlich vom aktiven Sport zurückgetreten. Doch der finanzielle Anreiz, noch ein paar Jahre im westdeutschen Eishockey Geld zu verdienen, gab letztendlich den Ausschlag, noch einmal die Schlittschuhe zu schnüren.
Der nächste Spieler folgte schon im Januar 1990. Friedhelm Bögelsack ging ebenfalls vom SC Dynamo Berlin in die 2. Bundesliga zum EHC Hannover. Genau wie Frenzel war auch Bögelsack zu diesem Zeitpunkt 34 Jahre alt und hatte seine aktive Karriere im Sommer 1989 bereits für beendet erklärt. Anschließend verließen zunächst keine weiteren Eishockeyspieler die beiden Dynamo-Teams.
Gründung des Deutschen Eishockey-Verbandes
Der DELV selbst hatte für den 8. und 9. Januar 1990 Gespräche mit dem westdeutschen Deutschen Eishockeybund (DEB) bezüglich einer möglichen zukünftigen Zusammenarbeit vereinbart. Die Beibehaltung der Souveränität des DELV stand zu diesem Zeitpunkt noch im Vordergrund. In erster Linie sollte die Form der Zusammenarbeit der beiden deutschen Verbände geklärt werden. Dennoch sah man durchaus die Möglichkeiten, die sich aus den gesellschaftlichen Veränderungen auch für den Eishockeysport in der DDR ergaben. Aufgrund des randständigen Daseins der Sportart in den 20 Jahren zuvor hoffte man auf Unterstützung durch den DEB, um zukünftig wieder einige Mannschaften etablieren zu können. Um „wilde“ Abwerbungen zu verhindern, sahen sich die DELV-Funktionäre aber genötigt, eine verbindliche Vereinbarung mit dem DEB zu treffen, die solche Abgänge wie weiter oben beschrieben in geordnete Bahnen lenken sollten. Gleichwohl muss festgestellt werden, dass zu diesem Zeitpunkt lediglich zwei Spieler, die ihre aktive Laufbahn bereits für beendet erklärt hatten, den Weg zu westdeutschen Vereinen angetreten hatten. Der vermeintliche Schaden, der dem DELV hierdurch entstanden war, konnte somit kaum als solcher bezeichnet werden.
In einer Pressemitteilung des DELV über die Beratungen mit dem DEB wurden einige der besprochenen Punkte erörtert. In einem Sportkalender sollten die Aktivitäten für die jeweilige Saison festgelegt und Vereinbarungen zur Organisation von gemeinsamen Wettkämpfen und Veranstaltungen getroffen werden. Darüber hinaus waren sich beide Seiten einig, dass „ohne Einschränkung von Initiativen bestimmte Prinzipien der Zusammenarbeit der Verbände eingehalten werden müssen.“ Abschließend wurden die Beratungen sowohl vom DELV als auch vom DEB als konstruktiv und „ausbaufähiger Beginn zur Erweiterung der Beziehungen zwischen beiden Verbänden eingeschätzt.“
Parallel zu diesen Entwicklungen bildete sich eine „Initiativgruppe Eishockey“ unter dem ehemaligen internationalen Schiedsrichter Fritz Groß. Ziel war die Ausgliederung der Eishockeyabteilungen in Weißwasser und Berlin sowie der noch bestehenden Betriebssportgemeinschaften mit Eishockeysektion aus dem DELV, um einen eigenständigen Eishockeyverband der DDR zu gründen
„Sportfreund Schnabel informierte über die Ergebnisse der Beratung der Initiativgruppe Eishockey am 02.03.1990 in Weißwasser. Das Vorhaben der Initiativgruppe vor dem Verbandstag im Mai einen eigenständigen Fachverband zu bilden, wird nicht zugestimmt. Das Büro ist verpflichtet, entsprechend der Satzung des DELV der DDR diese Entscheidung mit einer 2/3-Mehrheit auf dem Verbandstag herbeizuführen. Es wird akzeptiert, daß die Initiativgruppe die notwendigen personellen und inhaltlichen Maßnahmen in Vorbereitung des Verbandstages veranlaßt.“
Über die internen Verhandlungen zwischen dem DELV-Präsidium und der „Initiativgruppe Eishockey“ sind in den eingesehenen Unterlagen des DELV keine Aufzeichnungen vorhanden. Anscheinend konnten die Unstimmigkeiten jedoch nicht ausgeräumt werden, da die Initiativgruppe am 17. April 1990 auf eigenes Bestreben hin einen außerordentlichen Fachverbandstag abhielt, auf dem die Gründung des Deutschen Eishockey Verbandes der DDR (DEHV) beschlossen wurde. Zum Präsidenten wählten die Vertreter aus Berlin, Weißwasser, Crimmitschau und 22 Betriebssportgemeinschaften den ehemaligen Crimmitschauer Nationaltorhüter Peter Kolbe. Ursprünglich hatte man den Berliner Schiedsrichter Gerhard Müller favorisiert, der bis 1983 aktiv beim SC Dynamo Berlin Eishockey gespielt hatte. Müller wollte jedoch seine Schiedsrichterlaufbahn nicht aufgeben, so dass man sich auf Kolbe einigte. Kolbes vorrangiges Interesse bestand darin, das DDR-Eishockey schnellstmöglich im westdeutschen DEB unterzubringen, damit auch in Crimmitschau und anderen Standorten wieder organisiert Eishockey gespielt werden konnte. Am Rande eines IIHF-Treffens in der Schweiz tat er sein Vorhaben dem damaligen DEB-Präsidenten Otto Wanner kund. Wanner war der gleichen Ansicht, so dass ein zügiger Beitritt des DEHV zum DEB beschlossen wurde.
Beitritt der DDR-Clubs zur Eishockey-Bundesliga
Nachdem sowohl der SC Dynamo Berlin, als auch die SG Dynamo Weißwasser bereits eigenmächtig Verhandlungen mit den Vereinen der Eishockey-Bundesliga aufgenommen hatten, beschlossen diese die Aufnahme der Dynamo-Teams in die 1. Bundesliga im Juni 1990. Ursprünglich wollten die Mannschaften aus Berlin und Weißwasser, nach eigener Einschätzung ihrer Spielstärke, ab der Saison 1990/91 in der 2. Bundesliga antreten. Doch die Vertreter der 2. Eishockey-Bundesliga konnten sich nicht darauf einigen, verbindliche Zusagen zu machen, sodass die Präsidenten der Erstligavereine kurzerhand beschlossen, Berlin und Weißwasser in die 1. Bundesliga aufzunehmen.
Bevor die Saison 1990/91 im September 1990 startete, löste sich bereits am 21. März 1990 die Eishockeyabteilung des SC Dynamo Berlin aus dem Sportclub heraus und nannte sich fortan Eishockeyclub (EHC) Dynamo Berlin. Die SG Dynamo Weißwasser nahm ebenfalls eine Umbenennung vor und trat nun als Polizei-Eishockey-Verein (PEV) Weißwasser an.
Tatsächlich waren die beiden Dynamo-Teams in der gesamtdeutschen Bundesliga überfordert. Das Niveau in der Liga war, auch bedingt durch die hohe Anzahl an ausländischen Spielern, ungleich höher als das der ewigen Vergleiche der beiden DDR-Mannschaften untereinander. Auch die Anzahl der Saisonspiele war um ein Vielfaches höher. Statt maximal zwölf Spiele in einer Saison auszutragen, waren es nun über 50 Begegnungen. Auch die langen Fahrten zu Auswärtsspielen waren eine ungewohnte Belastung, da die Strecke zwischen Weißwasser und Berlin in zwei Stunden bewältigt werden konnte.
Nachdem die Teilnahme der Mannschaften aus Berlin und Weißwasser an der Eishockey-Bundesliga gesichert und der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik politisch geregelt war, richteten die Präsidenten des DELV (Heinz Beier) und des DEHV (Peter Kolbe) in einem Schreiben vom 31. Juli 1990 die Bitte an die IIHF, den sofortigen Austritt des DELV aus dem internationalen Eishockeyverband zu veranlassen.
René Feldvoß, Dynamo gegen den Rest der Republik – Das DDR-Eishockey im Wiedervereinigungsprozess, in: Deutschland Archiv, 20.9.2017, Link: www.bpb.de/255842