Beutler, Ernst
- Lebensdaten
- 1885 – 1960
- Geburtsort
- Reichenbach (Vogtland)
- Sterbeort
- Frankfurt am Main
- Beruf/Funktion
- Germanist ; Museumsdirektor ; Bibliothekar ; Literarhistoriker ; Literaturwissenschaftler ; Klassischer Philologe
- Konfession
- evangelisch-lutherisch
- Normdaten
- GND: 118662805 | OGND | VIAF: 49246230
- Namensvarianten
-
- Beutler, Ernst Rudolf
- Beutler, Ernst
- Beutler, Ernst Rudolf
- Beutler, Ernst R.
- Beutler, Ernst Rudolph
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- Aby Warburg (1866–1929)
- Achim von Brentano (1781–1831)
- Albert Köster (1862–1924)
- Bettina von Arnim (1785–1859)
- Carl Gustav Carus (1789–1869)
- Caspar David Friedrich (1774–1840)
- Clemens Brentano (1778–1842)
- Else Lasker-Schüler (1869–1945)
- Franz Werfel (1890–1945)
- Friedrich Krebs (1894–1961)
- Georg Witkowski (1863–1939)
- Gustav Wahl (1877–1947)
- Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832)
- Karl Jaspers (1883–1969)
- Karl Robert Mandelkow (1926–2008)
- Ludwig Curtius (1874–1954)
- Ludwig Justi (1876–1957)
- Novalis (1772–1801)
- Paul von Hindenburg (1847–1934)
- Robert Musil (1880–1942)
- Thomas Mann (1875–1955)
- Viktor Freiherr von Weizsäcker (1886–1957)
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Beutler, Ernst Rudolf
1885 – 1960
Germanist, Museumsdirektor
Ernst Beutler war von 1925 bis 1960 Direktor des Freien Deutschen Hochstifts in Frankfurt am Main. Der Bau des neuen Frankfurter Goethe-Museums 1932 ist ebenso sein Verdienst wie der Ausbau der Romantik-Sammlungen. Nach dem Krieg setzte Beutler den originalgetreuen Wiederaufbau des Frankfurter Goethe-Hauses durch. Seine Schriften zeugen von dem Bemühen, das geistige Erbe der Goethezeit für die Gegenwart zu überliefern. 1960 erhielt er als erster Literaturwissenschaftler den Frankfurter Goethepreis.
Lebensdaten
Geboren am 12. April 1885 in Reichenbach (Vogtland) Gestorben am 8. November 1960 in Frankfurt am Main Grabstätte Hauptfriedhof in Frankfurt am Main Konfession evangelisch-lutherisch -
Autor/in
→Joachim Seng (Frankfurt am Main)
-
Zitierweise
Seng, Joachim, „Beutler, Ernst“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.10.2022, URL: https://www.deutsche-biographie.de/118662805.html#dbocontent
Nach dem Abitur am Friedrichsgymnasium in Altenburg (Thüringen) 1904 studierte Beutler Klassische Philologie, Germanistik und Geschichte in Tübingen. Im Wintersemester 1905/06 wechselte er nach Leipzig, wo Georg Witkowski (1863–1939) und Albert Köster (1862–1924) zu seinen akademischen Lehrern gehörten. Auf seine von Köster betreute Dissertation „Vom griechischen Epigramm im 18. Jahrhundert“ (1909) folgte 1911 das Staatsexamen und ein Probehalbjahr als Lehrer am Königin-Carola-Gymnasium in Leipzig. 1912 ging Beutler nach Hamburg, wo er bis 1925 unter Gustav Wahl (1877–1947) als Bibliotheksrat der Handschriftenabteilung der Staats- und Universitätsbibliothek arbeitete. Im Februar 1925 habilitierte er sich an der Universität Hamburg mit „Forschungen und Texten zur frühhumanistischen Komödie“ (1927). Seine Antrittsvorlesung vor der Philosophischen Fakultät hielt er über „Das Problem der Terenzbühne im 15. Jahrhundert“. Spätestens seit 1914 stand Beutler mit der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek und deren Gründer Aby Warburg (1866–1929) in freundschaftlicher Verbindung.
Im Herbst 1925 folgte Beutler einem Ruf als Direktor des Freien Deutschen Hochstifts (FDH) nach Frankfurt am Main. Er übernahm die Stelle in unsicheren Zeiten, modernisierte das als Verein organisierte FDH, führte neue Publikationsreihen ein und erweiterte das Veranstaltungsprogramm. 1927 referierte der Heidelberger Mediziner Viktor Freiherr von Weizsäcker (1886–1957) über „Das Problem der Psychoanalyse“, und Dichter wie 1927 Franz Werfel (1890–1945), 1928 Else Lasker-Schüler (1869–1945) und 1931 Robert Musil (1880–1942) lasen im Hochstift. 1927 initiierte Beutler den Goethepreis der Stadt Frankfurt, der seitdem alle drei Jahre vergeben wird. Neben seinem Direktorenamt übernahm Beutler 1927 eine Honorarprofessur an der Universität Frankfurt; einen Ruf an die Universität Münster lehnte er 1930 ab. Seit 1929 organisierte er die „Volksspende für Goethes Geburtsstätte“ mit Reichspräsident Paul von Hindenburg (1847–1934) als Schirmherrn. Mit dieser Geldsammlung im In- und Ausland zugunsten des FDH gelang es, das Frankfurter Goethe-Haus (FGH) zu sanieren und ein neues Frankfurter Goethe-Museum (FGM) zu errichten, das im Goethejahr 1932 durch Thomas Mann (1875–1955) eröffnet wurde.
Neben Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) wurde unter Beutler die Literatur der deutschen Romantik zum Sammlungsschwerpunkt, um das FDH zu einem Zentrum der Romantikforschung auszubauen. 1929 kaufte Beutler Handschriften von Clemens Brentano (1778–1842) sowie Achim von Brentano (1781–1831) und Bettina von Arnim (1785–1859), weitere Konvolute folgen nach dem Zweiten Weltkrieg, etwa der Nachlass von Novalis (1772–1801) in den Jahren 1954 bis 1960. Zudem erwarb er Bilder von Carl Gustav Carus (1789–1869) und Caspar David Friedrich (1774–1840) für das FGM.
In den Jahren der NS-Diktatur wurden Beutler und das FDH Zielscheibe von Angriffen der Machthaber, u. a. auch weil missliebige Gelehrte wie Ludwig Justi (1876–1957), Ludwig Curtius (1874–1954) und Karl Jaspers (1883–1969) im FDH öffentliche Vorträge halten durften. NS-Stellen bis hin zum „Stellvertreter des Führers“ hielten Beutler für politisch und weltanschaulich unzuverlässig und versuchten ihn aus dem Amt zu drängen, doch schützten ihn die privatrechtliche Struktur des FDH und der Frankfurter Oberbürgermeister Friedrich Krebs (1894–1961). Im September 1937 entzog man Beutler aufgrund „nichtarischer Versippung“ (seine Ehefrau galt als „Halbjüdin“) die Lehrerlaubnis an der Universität Frankfurt.
Im März 1944 wurden FGH und FGM durch Bomben zerstört. Beutler hatte zuvor die Sammlungen an zwölf Orten zwischen Frankfurt und Bamberg auslagern lassen und das historische FGH mit Fotos dokumentiert. Nach 1945 setzte er – gegen heftige Widerstände des Deutschen Werkbunds – den originalgetreuen Wiederaufbau des FGH durch. Seit 1948 erschien die von ihm herausgegebene Goethe-Gedenkausgabe im Artemis-Verlag Zürich.
Schon zuvor war „Goethes letzter Statthalter“, wie es in einem Nachruf auf Beutler hieß, mit kommentierten Ausgaben von „Faust und Urfaust“ (1939) und „West-östlichem Divan“ (1943) hervorgetreten. In seinen „Essays um Goethe“ (1. Auflage 1941, mehrere erweiterte Auflagen) versammelte er verstreut publizierte Aufsätze, die in der „Frankfurter Zeitung“, dem „Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts“ und dem „Goethe-Kalender“ erschienen waren. Karl Robert Mandelkow (1926–2008) nannte Beutlers Arbeiten „unangreifbar zeitlos“, weil sie eine lebendige Verbindung zur Goethezeit herstellen und dessen humanistisches Erbe bewahren helfen. Als Direktor des FDH verstand er es, Menschen für seine Pläne und Ideen zu begeistern, wichtige Kontakte zu knüpfen und bedeutende Vertreter aus Kultur, Politik, Wissenschaft und der Frankfurter Bürgerkultur an das FDH zu binden, das bis heute nie mehr Mitglieder hatte als in Beutlers Amtszeit.
1932 | Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft, Frankfurt am Main |
1925–1958 | Vorstandsmitglied und Vizepräsident der Goethe-Gesellschaft Weimar |
1954 | Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland |
1959 | Mitglied des Ordens Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste |
1959 | Goethe-Schiller-Plakette der Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten, Weimar |
1960 | Goethepreis der Stadt Frankfurt am Main |
1960 (postum) | Dr. h. c., Universität Rom |
Nachlass:
Freies Deutsches Hochstift (FDH) / Frankfurter Goethe-Museum (FGM). (Dokumente, Briefe, Druckvorlagen, Publikationen)
Deutsches Literaturarchiv Marbach am Neckar. (Briefe)
Monografien:
Vom griechischen Epigramm im 18. Jahrhundert, 1909. (Diss. phil. Leipzig)
Forschungen und Texte zur frühhumanistischen Komödie, 1927. (Habilitationsschrift)
Goethes Rede zum Schäkespears Tag, Wiedergabe der Handschrift. Mit einem Geleitwort von Ernst Beutler, 1938.
Führer durch Goethes Geburtshaus und das Frankfurter Goethe-Museum, 1938.
Essays um Goethe, Bd. 1, 1941, 21941, vermehrte Auflage in 2 Bdn. 31946/47, 41957, vermehrte Aufl. 61980, erw. Ausg., hg. v. Christian Beutler, 71995.
Von deutscher Baukunst. Goethes Hymnus auf Erwin von Steinbach. Seine Entstehung und Wirkung, 1943.
Besinnung. Ansprache zur Feier von Goethes Geburtstag gehalten im Freien Deutschen Hochstift zu Frankfurt a. M. am 28. August 1945, 1946.
Der König von Thule und die Dichtungen der Loreley. Ein Essay, 1947.
Neunzig Jahre Freies Deutsches Hochstift. Ansprache, 1949.
Ernst Beutler/Josefine Rumpf, Bilder aus dem Frankfurter Goethemuseum, 1949.
Wiederholte Spiegelungen. Drei Essays über Goethe, 1957.
Am Großen Hirschgraben. Goethes Vater, Schwester und Mutter, 1981.
Herausgeberschaften:
Gustav Schwab, Sagen des klassischen Altertums, 2 Bde., 1909.
John Flaxmann, Zeichnungen zu Sagen des klassischen Altertums, 1910.
Goethe, Faust und Urfaust, 1939, erw. Ausg. 21940, 31958.
Goethe, West-östlicher Divan. Unter Mitwirkung von Hans Heinrich Schaeder, 1943, 21948, 31956.
Goethe, Gedenkausgabe der Werke, Briefe und Gespräche, 24 Bde., 1948–1954, u. 1 Ergänzungs-Bd. Briefe aus dem Elternhaus. Mit drei Einführungen, 1960.
Goethe-Kalender, 1929–1943.
Jahrbuch des FDH, 1926–1940.
Reihe der Vorträge und Schriften des FDH, 19 Bde., 1939–1958.
Briefe:
Joachim Seng, „Ich kann von Goethe nicht anders sprechen als mit Liebe“. Thomas Manns Briefwechsel mit Ernst Beutler, in: Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts 1998, S. 242–275.
Christoph Michel, „liberalitas catholica“. Briefe Ernst Beutlers an Josef Maria Nielen (1945–1960), in: Konrad Feilchenfeldt/Kristina Hasenpflug/Gerhard Kurz/Renate Moering (Hg.), Goethezeit – Zeit für Goethe. Auf den Spuren deutscher Lyriküberlieferung in die Moderne. Festschrift für Christoph Perels zum 65. Geburtstag, 2003, S. 279–304.
Joachim Seng, Aufrichtiges Gespräch. Zum Briefwechsel zwischen Ernst Beutler und Richard Alewyn, in: ebd., S. 263–277.
Joachim Seng, Im Sinne Goethes handeln. Der Briefwechsel zwischen Hermann Hesse und Ernst Beutler, in: Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts 2004, S. 259–320.
Emil Staiger/Eduard Spranger, Ernst Beutler, Gedenkreden, 1962.
Emil Staiger, Ernst Beutler als Literaturhistoriker, in: Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts 1962, S. 1–8.
Christoph Perels (Hg.), Ernst Beutler. 1885–1960, 1985.
Karl Robert Mandelkow, Der Literaturwissenschaftler Ernst Beutler. Dargestellt am Beispiel seiner Arbeiten zu Goethe und zur Goethezeit, in: Wilfried Barner/Christoph König (Hg.), Zeitenwechsel. Germanistische Literaturwissenschaft vor und nach 1945, 1996, S. 182–201.
Christoph Perels, Ernst Beutler, das Freie Deutsche Hochstift und die Universitäts-Germanistik, in: Frank Fürbeth (Hg.), Zur Geschichte und Problematik der Nationalphilologien in Europa. 150 Jahre Erste Germanistenversammlung in Frankfurt am Main (1846–1996), 1999, S. 579–590.
Joachim Seng, Goethe-Enthusiasmus und Bürgersinn. Das Freie Deutsche Hochstift – Frankfurter Goethe-Museum 1881–1960, 2009.
Joachim Seng, „Bilder sind Chiffren des Geistes“. Das Frankfurter Goethe-Museum und seine Erweiterung durch Ernst Beutler, in: Literatur ausstellen. Museale Inszenierung der Weimarer Klassik. Jahrbuch 2012, S. 151–170.
Joachim Seng, Ein Diener Goethes aus der ‚pädagogischen Provinz‘. Ernst Beutlers Wirken für die Frankfurter Universität zwischen 1928 und 1947, in: Frank Estelmann/Bernd Zegowitz (Hg.), Literaturwissenschaft in Frankfurt am Main 1914–1945, 2017, S. 223–235.
Lexikonartikel:
Andreas Hansert, Art. „Beutler, Ernst“, in: Wolfgang Klötzer (Hg.), Frankfurter Biographie, Bd. 1, 1994, S. 66–68. (Onlineressource)
Joachim Seng, Art. „Beutler, Ernst Rudolf“, in: Christoph König (Hg.), Internationales Germanistenlexikon, 2003, Bd. 1, S. 170–172. (W, L)
Reinhard Müller, Art. „Beutler, Ernst (Rudolf)“, in: Konrad Feilchenfeldt (Hg.), Deutsches Literatur-Lexikon. Das 20. Jahrhundert, Bd. 2, 2001, Sp. 555–557(W, L).
Nachrufe:
Benno Reifenberg, Ernst Beutler, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 9.11.1960.
Emil Staiger, Zum Gedächtnis Ernst Beutlers, in: Neue Zürcher Zeitung v. 11.11.1960.
Erich Trunz, Goethe war sein Meister. Ernst Beutler, in: Die Zeit v. 18.11.1960.