BEITRÄGE ZUR ORTSGESCHICHTE

 

Heinrich Meschwitz gründet in Cossebaude ein Heimatmuseum

 

Zu Ostern 1910 verlegte Heinrich Meschwitz, Sohn eines Forstmeisters und Revierverwalters in der Dresdner Heide, den Wohnsitz von Dresden nach Cossebaude. Mit seinen Schwestern Anna, Rosa und Martha bezog er die Villa „Daheim“ in der Oberen Bergstraße 3. Heinrich M. war zu diesem Zeitpunkt Bibliothekar in der Gehe-Stiftung, außerberuflich Schriftsteller und Mitglied der Ortsgruppe Dresden des Vereins für Sächsische Volkskunde, wo er einen gleichgesinnten Cossebauder kennen gelernt hatte: den Ortsbauinspektor Otto Engert. Der Verein war 1897 in Dresden gegründet worden, um „alles Volkstümliche aus alter und neuer Zeit im Königreich Sachsen […] zu erhalten, zu sammeln, wissenschaftlich zu bearbeiten, das Interesse und Verständnis dafür zu wecken und Gewinn für das praktische Leben daraus zu ziehen“. 1909 hatte er unter seinem Schirmherrn Kg. Friedrich August 2430 Mitglieder in Sachsen, überwiegend ortsgruppengebunden und aus bürgerlichen Schichten kommend, darunter sieben Damen.

 

Die Ortsgruppe Cossebaude des Vereins für Sächsische Volkskunde

 

In Cossebaude musste Heinrich M. zunächst noch viel Zeit für ein Buchprojekt aufwenden (1911 erschien seine „Geschichte der Dresdner Heide und ihrer Bewohnerschaft“), zugleich warb er für die Bildung einer Ortsgruppe seines Vereins, hauptsächlich unter Lehrern, Beamten, Freiberuflern, Geschäftsleuten in Cossebaude und benachbarten Dörfern, keinesfalls in Konkurrenz zum Verschönerungsverein, da es keine Überschneidungen in den Tätigkeitsfeldern und in der Organisationsform gab. Am 8. Juli 1911 fand mit 19 Personen die Gründungsversammlung statt. Angeboten wurden lt. Jahresberichten 1911-1913 volkskundliche Vorträge und Spaziergänge, Sommerausflüge mit Rahmenprogramm, Mitwirkung bei Vorhaben anderer Vereine. Vor allem aber hatte die Ortsgruppe, auf 41 Mitglieder angewachsen, „die Führung in der für Cossebaude brennend gewordenen Museumsfrage“ übernommen und eine volkskundliche Sammlung auf den Weg gebracht. In den Kriegsjahren 1914/18 ruhte die Vereinsarbeit fast völlig und beschränkte sich auf die Pflege und Betreuung des Museum durch Rosa Meschwitz. 1923 ging die Ortsgruppe im Verschönerungsverein auf, analog der Fusion des Volkskunde-Vereins mit dem Landesverein Sächsischer Heimatschutz. Die von Meschwitz geführte Vereinsakte ist leider nicht überliefert.

 

 

Das volkskundliche Heimatmuseum

 

Am 8.10.1912 zeigte Heinrich M. dem Gemeinderat die Gründung eines Heimatmuseums für Cossebaude und Umgebung an, Leitgedanke: „ein Spiegelbild der heimatlichen Geschichte, Sitte und Art besonders bei der Jugend entstehen zu lassen, durch Erhaltung und Ausstellung von Denkmälern früherer Zeiten die Liebe für die Geschichte der eigenen Heimat zu wecken“. Sechs Monate waren dann noch nötig, um mit dem Gemeinderat noch so heikle Fragen zu klären wie finanzielle Beihilfen, Eigentumsverhältnisse, Eintrittspreise. Kurz vor der Eröffnung ließ sich Prof. Berling (Königl. Kommission zur Erhaltung der Kunstdenkmäler) von Heinrich M. die Ausstellung zeigen. Berling bezeichnete die Sammlung als „äußerst dürftig“ und empfahl, sie an ein „geplantes Museum in der Hoflößnitz“ abzugeben. Am 14. April 1913, ein Tag vor der öffentlichen Freigabe und ausgestellt „in einem dreifenstrigen Raum“ im Wohnhaus des Brauereiguts Schirmer, wurde die volkskundliche Sammlung Gästen aus Dresden vorgestellt. Völlig anders als Prof. Berling Tage zuvor lobten Reg.-Rat Jahn, Prof. Deichmüller und Prof. Bestelmeyer das Museum als „neue Pflegestätte guter sächsischer Gesinnung in der alten Mark Meißen“. Danach erschienen in der lokalen Presse lobende Berichte über das Museum und den Verein. 1921 waren 467 Einzelstücke in 18 Sammlungsgruppen vorzeigbar: Bil-der, Bücher, Dokumente, Drucksachen, Handarbeiten, Hausgeräte, Heimarbeiten, historische Geräte, Karten und Pläne, Kleidung, Möbel, Münzen, Naturkunde, prähistorische Funde, Spiele, Waffen, Zimmerschmuck und Zinnsachen. 80% aller Stücke kamen von Personen, öffentlichen Einrichtungen, Kirche, Unternehmen und Gewerbetreibenden aus Cossebaude, die übrigen aus Nachbardörfern, aber auch aus Dresden, Leipzig und Pulsnitz. Zu den Spendern und Leihgebern einer größeren Anzahl von Exponaten gehörten Bahnhofsvorsteher Zimmermann, Pfarrer Wendler, die Kapellengemeinde, Geschwister Meschwitz und Gutsbesitzer Arndt. Als Beispiele für wertvolle oder originelle Gegenstände könnte man nennen: drei Gipsmodelle des ersten Projekts Herrenkuppe, letzter Schienennagel aus dem Böhmischen Bahnhof Dresden mit Inschrift, Modell des von Prof. Bestelmeyer entworfenen Ortszentrums auf dem Kapellenhügel, Predigtsammlungen 17. -19. Jh., Paten- und Gevatterbriefe, Kaufverträge 1760-1850, Foto-Samm-lung von Pfarrer Wendler, eine Bauerntracht aus Cossebaude 18. Jh. Große Teile der Sammlung könnten böse Zungen heute aber auch als Flohmarktsortiment bezeichnen.  

Dem Museum war kein Erfolg beschieden. 1917 kündigte Frau Schirmer den Ausstellungsraum, 1921 verlor das Museum sein zweites Domizil in der Alten Kapelle, als deren Umbau begann. Ein Ausweichquartier gab es nicht, eine Rückkehr in das umgebaute Gebäude hatte die Gemeinde nicht vorgesehen. Verpackt in drei Schränke und 13 Kisten wurde die volkskundliche Sammlung in gemieteten Lagerräumen provisorisch untergestellt. Der Gemeinderat scheiterte in seinen Bemühungen, geeignete Räume für eine Dauerausstellung zu finden. Der Verschönerungsverein lehnte die Übernahme der Sammlung ab. Im April 1926 wurde die verpackte Sammlung schließlich auf dem Boden der neuen Schulturnhalle eingelagert, auf Dauer, wie es sich dann zeigte. Meschwitz, an der Misere schuldlos, hatte 1922 ein privates Schülerinternat in seiner Villa eröffnet, das ihn voll in Anspruch nahm. Dem Gemeinderat ein Inventarverzeichnis der Sammlung hinterlassend (leider keine Fotos), schloss er sein unrentables Internat und zog am 26. Oktober mit seinen Schwestern nach Oberstdorf/Allgäu. Man sprach ihm den „Dank für die Mühewaltung bei der Zusammenstellung und Verwaltung des Museums“ aus und versprach, die Sammlung zu erhalten und wieder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. 1929 fand man sie bei einer Suche nach zurück geforderten Leihgaben weitgehend „vergammelt“ vor. Ab 1933 verlangten neue Behörden neue und strenge Auskünfte, die meist nicht beantwortet werden konnten. Die Rückgabe eines unausgefüllten Fragebogens an den Reichsbund für Deutsche Vorgeschichte am 20. 4. 1938 ist der letzte amtliche Beleg für das noch vorhandene, seit 17 (!) Jahren verpackte und öffentlich nicht zugängliche Museumsgut. Was danach geschah, ist bislang unbekannt.

 

 

Heinrich Meschwitz, sein Lebensweg

 

15. 07. 1869 geb. in Dresden ++ ab 1875 Schüler an privaten Schulen ++ ab 1884 militärgymnasiale Ausbildung im Kadettenkorps Dresden ++ 1890/91 Offiziersschule, Leutnant ++ 1894 aus dem Militärdienst ausgeschieden wegen gesundheitlicher Nichteignung, berufliche Neuorientierung ( Sprachstudien, Auslandsreisen, Versicherungswesen), Wohnsitz in Dresden ++ 1899 Bibliothekar in der Gehe-Stiftung Dresden ++ 1900 erste Erzählung veröffentlicht, weitere Erzählungen, Romane und regionalgeschichtliche Bücher jährlich 1901 bis 1904, 1911, 1913, 1916 u. 1920 ++ 1909 Mitglied im Verein für sächsische Volkskunde ++ 1912 Aufnahme in eine Dresdner Freimaurerloge ++ 1914/1918 Kriegsteilnehmer als Reserveoffizier im rückwärtigen Dienst, Beförderungen (Obltn u. Hptm), Kriegsverdienstkreuz. ++ 1922 Gründung und Leitung eines Schülerinternats in Cossebaude, nach Schließung ab Okt. 1926 desgl. in Oberstdorf/Allgäu ++ Sept. 1927 private Insolvenz und Rückkehr nach Dresden ++ 23. 12. 1927 gestorben in Dresden, 27.12.1927 bestattet auf dem St.-Pauli-Friedhof Dresden-Neustadt.

 

[Quellen:] Zentrales Freimaurerarchiv, Stadtarchiv Dresden, Gesamtverzeichnis deutschspr. Literatur, Marktarchiv Oberstdorf, Mitt. Verein f. Sächs. Volkskunde. Foto Meschwitz aus: Volger, Sachsens Gelehrte, Künstler und Schriftsteller in Wort und Bild. Leipzig-Gohlis 1908, S. 102.

Jürgen Lambrecht