Peter Kubelka

österreichischer Experminentalfilmer und Künstler

Peter Kubelka (* 23. März 1934 in Wien) ist ein österreichischer Filmemacher und Künstler. Kubelka war Mitbegründer und langjähriger Kodirektor des Österreichischen Filmmuseums.

Peter Kubelka (2015)

Peter Kubelka ist in Taufkirchen an der Pram in Oberösterreich aufgewachsen. Er war in seiner Jugend Wiener Sängerknabe (1944–1947) und österreichischer Juniorenmeister im Diskuswerfen (1953) und Judoka.[1] Er studierte von 1952 bis 1954 an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Wien und von 1954 bis 1955 am Centro Sperimentale di Cinematografia in Rom.

Im Februar 1964 gründeten Peter Kubelka und der Filmenthusiast Peter Konlechner das Österreichische Filmmuseum, das sie bis 2001 gemeinsam leiteten. Sie hatten sich 1962 bei der „Internationalen Kurzfilmwoche“ kennengelernt, die Peter Konlechner im Rahmen seines Studentenfilmclubs Cinestudio an der Technischen Universität Wien organisierte.[2] Ihr Ziel war es, in Österreich ein Zentrum für die Präsentation und Bewahrung der internationalen Filmgeschichte zu etablieren.

1970 war Peter Kubelka Mitbegründer der Anthology Film Archives in New York, wo er erstmals sein Konzept des Invisible Cinema verwirklichen konnte und als Mitglied der Auswahljury für den Filmzyklus Essential Cinema fungierte.[3]

Von 1978 bis 2000 unterrichtete er als Professor an der Städelschule in Frankfurt am Main und leitete die Klasse für Film und Kochen als Kunstgattung und war von 1985 bis 1988 Rektor.

1980 gründet er das Ensembles Spatium Musicum und hatte Konzerte u. a. in Chicago und in der New Yorker Carnegie Hall.

1989 verwirklichte Kubelka in Wien das Unsichtbare Kino im Österreichischen Filmmuseum[4] und konzipierte das Zyklische Programm Was ist Film[5], das seit 1996 jeden Dienstag im Filmmuseum zu sehen ist[6].

Peter Kubelka ist Bruder der 2024 verstorbenen Schriftstellerin Susanna Kubelka. Kubelka war mit der Malerin Gertie Fröhlich verheiratet und hat mit ihr die Tochter Marieli Fröhlich.

2014 brachte das Österreichische Filmmuseum Martina Kudláčeks Dokumentarfilm Fragments of Kubelka auf DVD heraus.[7]

Kubelkas Filme sind hochverdichtete, zwischen einer und 10 Minuten lange Arbeiten. Sie stehen in der Tradition Dsiga Wertows, sowie des Avantgardefilms der 1920er Jahre: Walter Ruttmann, Viking Eggeling (Symphonie diagonale), Hans Richter, Man Ray, Fernand Léger und Marcel Duchamp definierten das Medium als eigenständige Kunstgattung und lehnten Rudimente aus den „alten Künsten“ ab.

Am bekanntesten wurde der Film Unsere Afrikareise von 1966. Hier sind Bild und Ton ähnlich gearbeitet wie Wertows „Enthusiasm“ (von dem es eine von Kubelka restaurierte Fassung gibt[8]). Bilder und Töne sind nicht gleichzeitig aufgenommen, um einen naturalistischen Eindruck zu erzielen, sondern assoziativ miteinander verknüpft. Ein Gewehrschuss, der erklingt, wird nicht zwangsläufig mit einem ebensolchen Bild gezeigt. Kubelka setzt voraus, dass der Klang alleine reicht, um „Gewehrschuss“ zu denken. Im konkreten Beispiel sieht man einmal einen Hut vom Kopf eines Touristen fliegen, ein andermal einen Fisch, der aus dem Wasser geangelt wird. Besonders eindrücklich ist die Szene, in der sich ein Schmetterling in Nahaufnahme völlig synchron zu österreichischer Volksmusik bewegt.

Neben dem Film spielt das Kochen in Kubelkas Schaffen eine zentrale Rolle. Er ist der erste, der das Kochen explizit an einer Kunsthochschule (der Frankfurter Städelschule) als Kunst gelehrt hat. Für ihn ist Kochen die älteste bildende Kunst überhaupt.

Metrische Filmreihe

Bearbeiten

Kubelkas „metrische“ Filme bilden eine Grundlage für den strukturellen Film, der in den 1960er und 1970er Jahren zu einer weltweiten Bewegung in der filmischen Avantgarde führte.[9] Peter Kubelka produzierte in seiner Schaffensperiode unter anderem drei Filme (Adebar, Schwechater und Arnulf Rainer), welche unter dem Begriff der Metrik bekannt sind. Grundsätzlich kommt der Begriff des metrischen Systems aus der Musik. Es geht dabei um einzelne Einheiten, wie etwa in der Musik stellen Notenzeichen verschiedene Zähleinheiten (halbe, viertel etc. Note) dar. Im Gegensatz dazu wird im Film eine einzelne Einstellung als Zeiteinheiten verstanden. Eine Einstellung wiederum besteht aus mehreren Kadern, wobei 24 Kader eine Sekunde im Film darstellen.

In Kubelkas metrischen Filmen wird der Filmkader tatsächlich als eine Zeiteinheit eingesetzt. Er geht hierbei intensiv auf die Musik ein, indem er die Kader an die Musik anpasst und somit ein metrisches System geschaffen wird.

Kubelkas erster metrischer Film ist „Adebar“ (1957), mit dem auch der Wiener Formalfilm begann. In diesen Filmen ist die Form immer wichtiger als der Inhalt und meist geht ein planvolles, regelhaftes Vorgehen mit genauen Strukturen hervor. In Adebar geht Kubelka besonders vom Ton aus. Er findet ein strenges Regelsystem aus 26 Kadern, die sich immer wieder als Schleife wiederholen und die Länge der einzelnen Einstellungen bestimmen. Die Zahl 26 wird von ihm sowohl geteilt, als auch verdoppelt, wodurch sich Filmeinstellungen bestehend aus jeweils 13, 26, oder 52 Kadern ergeben.

Das Grundmaterial im Film sind acht bewegte Einstellungen von tanzenden Paaren, die sowohl als Positiv und als Negativ im gleichen Ausmaß verwendet werden. Somit erhält jeder cm² der Leinwand den exakt gleiche Lichtmenge bzw. Lichtqualität.

Der Film an sich wäre als ein Werbefilm für das Lokal „Adebar“ konzipiert worden, jedoch wurde er nicht als solcher verwendet. Der Inhalt des Films sind Silhouetten von tanzenden Paaren, die sich einerseits berühren und andererseits sich trennen. Es geht somit um Bewegungen, die sich zwar berühren wollen, aber es gleichzeitig auch nicht können. Der Inhalt des Films ist also durchwegs minimalistisch. Der Film handelt von Tanzsilhouetten, welche in drei verschiedene Phasen gezeigt werden: in der Ausgangs-, Entwicklungs- und Endpose. Um Standbilder erreichen zu können, kopierte Kubelka die Ausgangspose 26. Mal. Somit erhält der Film den eigentlichen Eindruck einer Bewegung vor allem durch die Differenz von Stand- und Bewegungsbildern.[10]

Auszeichnungen

Bearbeiten

Ausstellungen (aktuelle Auswahl)

Bearbeiten
  • 2004: International Festival of New Film and New Media, Split (Kroatien)
  • 2005: Westfälischer Kunstverein, Münster, Touching
  • 2005: ZKM, Karlsruhe, Lichtkunst aus Kunstlicht
  • 2005: MAMCS Strasbourg, L’ŒIL MOTEUR (Motorauge)
  • 2006: CCCB Barcelona, THAT'S NOT ENTERTAINMENT!
  • 2006: Kunsthaus Zürich, The Expanded Eye
  • 2008: Akademie der Künste, Berlin, Notation: Kalkül und Form in den Künsten
  • 2013: Split Film Festival, Kroatien
  • 2017: Centre Pompidou, Paris, Hommage á Peter Kubelka: Monument Film[14]

Filmografie

Bearbeiten
  • Mosaik Im Vertrauen (1955) (mit Ferry Radax)
  • Adebar (1957)
  • Schwechater (1958)
  • Arnulf Rainer (1960)
  • Tesa (1964) (Werbespot-Serie)
  • Unsere Afrikareise (1966)
  • Pause! (1977)
  • Dichtung und Wahrheit (2003)
  • Antiphon (2012)[15]

Literatur

Bearbeiten
  • Hans-Michael Bock: Peter Kubelka – Filmmacher. In: CineGraph – Lexikon zum deutschsprachigen Film, Lieferung 1, 1984.
  • Gabriele Jutz, Peter Tscherkassky, Peter Kubelka, Wien: PVS, 1995
  • Tina M. Stadler, Peter Zach: Interview mit Peter Kubelka. In: Blimp, Zeitschrift für Film Nr. 7, S. 4 ff., Graz 1987
  • Peter Tscherkassky: Film-Bier – Zu Peter Kubelkas Werbefilm ‚Schwechater‘. In: Blimp, Zeitschrift für Film Nr. 7, S. 12 ff., Graz 1987
  • Stefan Grissemann, Alexander Horwath, Regina Schlagnitweit (Hrsg.): Was ist Film. Peter Kubelkas Zyklische Programme im Österreichischen Filmmuseum, FilmmuseumSynemaPublikationen Band 14, Wien: SYNEMA – Gesellschaft für Film und Medien, 2010, ISBN 978-3-901644-36-8
  • Eszter Kondor: Aufbrechen. Die Gründung des Österreichischen Filmmuseums, Wien: Synema 2014 [FilmmuseumSynemaPublikationen Band 20]
  • Alexander Horwath (Hrsg.): Das sichtbare Kino. Fünfzig Jahre Filmmuseum: Texte, Bilder, Dokumente, Wien: Synema 2014 [FilmmuseumSynemaPublikationen Band 21]

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. frame the state of the art 20, Sommer 07, Servus Austria, S. 194–196
  2. Eszter Kondor: Aufbrechen. Die Gründung des Österreichischen Filmmuseums, Wien: Synema 2014, S. 46ff.
  3. Geschichte des Österreichischen Filmmuseums: Peter Kubelka
  4. Das Unsichtbare Kino im Filmmuseum
  5. Publikation Was ist Film
  6. Zyklische Programme im Österreichischen Filmmuseum
  7. DVD Fragments of Kubelka
  8. Peter Kubelka: Restoring Ėntuziazm
  9. Peter Tscherkassky „Die rekonstruierte Kinematografie“ – Zur Filmavantgarde in Österreich (PDF; 138 kB)
  10. Peter KUBELKA: Die Theorie des metrischen Films (1978). In: Gabriele Jutz, Peter Tscherkassky (Hg.): Peter Kubelka. Wien: PVS 1995, S. 46–67.
  11. https://www.filmmuseum.at/jart/prj3/filmmuseum/main.jart?j-j-url=/ueber_uns/geschichte/peter_kubelka&ss1=y
  12. Peter Kubelka im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien
  13. Rathauskorrespondenz vom 30. April 2015 (Memento des Originals vom 3. Mai 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.wien.gv.at
  14. Hommage à Peter Kubelka : Monument Film | Centre Pompidou. (centrepompidou.fr [abgerufen am 10. August 2017]).
  15. Viennale 2012: Monument Film
Bearbeiten
Commons: Peter Kubelka – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien