Der Schönhengstgau (tschechisch Hřebečsko) ist eine historische Region in Böhmen und Mähren, die aber weder landschaftlich noch politisch eine Einheit bildete. Er war bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs die größte deutsche Sprachinsel der Tschechoslowakei.

Inoffizielles Wappen des Schönhengstgaus
Von der Republik Deutschösterreich 1918/19 angestrebte Grenzziehung im Bereich des Schönhengstgaus
Deutscher Bevölkerungsanteil in den Gemeinden des Schönhengstgaus

Geographie

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Die Ortsnamen im Schönhengstgau und seinem Umland
 
Schönhengstgau (blau) ca. 1880

Der Schönhengstgau erstreckt sich beiderseits der böhmisch-mährischen Grenze; im Norden war er von der überwiegend deutschsprachigen Grafschaft Glatz durch einen schmalen, von Tschechen besiedelten Streifen abgetrennt. Die größten Städte sind Svitavy (deutsch Zwittau), Moravská Třebová (deutsch Mährisch Trübau) und Lanškroun (deutsch Landskron).

Der Schönhengstgau ist nach dem Schönhengster Rücken (Hřebečovský hřbet) benannt. Dieser sich von Norden nach Süden erstreckende Höhenzug auf der Böhmisch-Mährischen Höhe ist „so charakteristisch für die Landschaft, dass er ihr den Namen gab. Unterhalb eines Passes lag das Dörflein Schönhengst, um dessen Namensdeutung man noch heute rätselt. Der Höhenzug trennt ein höher gelegenes Plateau (um Zwittau) von einem tiefer gelegenen (um Mährisch Trübau).“[1]

Landschaftlich gliedert sich der Schönhengstgau von West nach Ost in:

  • das Oberland, einer flachen, höher gelegenen Mulde der Zwitta mit den angrenzenden, zu Böhmen gehörenden Teilen im Norden und Westen
  • den Landskroner Kessel, in dessen Norden sich das Adlergebirge mit dem fast 1000 m hohen Schwarzen Berg und dem Buchberg erhebt
  • das Unterland mit dem Reichenauer Berg, dem Eichwald und dem Mährischen Steinbergzug
  • das Mürauer Bergland mit seinen steilen Berghängen, tiefen Tälern und dichtem Wald
  • die Marchebene, die die Ostgrenze des Schönhengstgaus bildet und von der March, dem Hauptfluss Mährens, durchflossen wird.[2]

Geschichte

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Bis ins Mittelalter war das Gebiet des Schönhengster Landes von nahezu undurchdringlichem Urwald bedeckt, durch den nur wenige, sehr schmale Handelswege führten. Dieser Urwald hatte über die Jahrhunderte hinweg Böhmen vor den Einfällen östlicher Reitervölkergeschützt. Das Gebiet gehörte ursprünglich dem Adelsgeschlecht der Slavnikiden und reichte, wie der älteste böhmische Geschichtsschreiber Cosmas berichtet, von der Burg Luthomisl bis zum Bächlein Svitava in der Mitte des Waldes.[3]

Die Besiedlung wurde im Rahmen der deutschen Ostsiedlung um 1250 im bis dahin kaum bewohnten Land angelegt. Den gegründeten Städten wurde dabei jeweils eine Anzahl von Waldhufendörfern zugeordnet, so dass sich das Gebiet als deutsche Sprachinsel bis 1945 behaupten konnte.[4] Besondere Bedeutung erlangte hierbei für ganz Mähren das Wirken des Bischofs Bruno von Olmütz, der aus dem bekannten Holsteinischen Geschlecht der Grafen von Schaumburg stammte. Seiner planvollen kolonisatorischen Tätigkeit verdankten viele deutsche Städte und Dörfer im Schönhengstgau und im Kuhländchen ihre Existenz.[5]

Die Vorfahren der deutschen Bewohner waren überwiegend aus Mainfranken eingewandert. Die schönhengster Mundart war daher mitteldeutsch-fränkisch geprägt. Die Mundart war allerdings nicht einheitlich, sondern es wurden – nach der Besiedelung der einzelnen Herrschaften – fünf bis sieben verschiedene Mundartgebiete unterschieden. In einigen dieser Gebiete wies die Mundart oberdeutsche Einflüsse auf. Die Unterschiede waren hauptsächlich lautlicher Art, sie erstreckten sich aber auch auf den Wortschatz. Die Sprechweise war im Allgemeinen bedächtig.[6]

Am 4. Oktober 1750 wurde ein – zuvor im Wald verehrtes – geschnitztes Gnadenbild des Trübauer Bildhauers Franz Seydtl feierlich auf den Hochaltar der Pfarrkirche von Reichenau übertragen und Reichenau von der kirchlichen Obrigkeit offiziell zum Wallfahrtsort erklärt. In der Folgezeit fanden sich an manchen Tagen bis zu 2.000 Wallfahrer hier ein. Schon 1750 wirkten in Reichenau fünf Priester, in späteren Jahren waren es bis zu zehn Priester. Am 3. Juli 1932 erfolgte die feierliche Einweihung einer neuen Waldkapelle durch den Olmützer Weihbischof Dr. Josef Schnitzel mit etwa 30.000 Festgästen. Reichenau ist der einzige kirchlich anerkannte Wallfahrtsort im Schönhengstgau. Vor allem zu Mariä Geburt (8. September) kamen zahlreiche Prozessionen von Wallfahrern nach Reichenau.[7]

Direkt nach Ende des Ersten Weltkriegs erhob die Republik Deutschösterreich unter Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker zusammen mit weiteren Teilen Böhmens, Mährens und Österreichisch-Schlesiens Anspruch auf den Schönhengstgau. Dem Stand die Besetzung durch tschechoslowakisches Militär entgegen. Durch den Vertrag von Saint-Germain wurde das Gebiet schließlich im September 1919 der Tschechoslowakei zugesprochen.

In den 148 Gemeinden, darunter die sechs Städte Zwittau, Brüsau, Mährisch-Trübau, Landskron, Hohenstadt und Müglitz lebten vor dem Zweiten Weltkrieg über 126.000 Einwohner, von denen 84 % deutsch waren.[8]

Die Region kam 1938 durch das Münchner Abkommen im Rahmen des Sudetenlandes an Deutschland. Auf dem Gebiet des Schönhengstgaues wurden sodann die vier Landkreise Hohenstadt, Landskron, Mährisch-Trübau und Zwittau eingerichtet.

Kurz nach Kriegsende trieben am 17. Mai 1945 tschechische Partisanen in Landskron alle Deutschen auf den Marktplatz. Auf dem Gehsteig vor dem Landratsamt wurde ein großer Tisch aufgestellt. An ihm nahm das so genannte Volksgericht Platz. Diejenigen, die man als Schuldige selektiert hatte, mussten vor den Richtertisch treten, nachdem man sie gezwungen hatte, die letzten zwanzig Schritte auf den Knien zu rutschen. Die Urteile lauteten entweder auf Prügelstrafe oder auf Tod durch Erschießen oder Erhängen.[9] Da die Urteile fast unmittelbar verstreckt wurden, gingen diese bis 21. Mai andauernden Geschehnisse als Blutgericht von Landskron in die Geschichtsschreibung ein.

Bis Ende 1946 wurde die deutsche Bevölkerung größtenteils aus dem Schönhengstgau vertrieben.

Ein berühmter Schönhengstgauer ist Oskar Schindler aus Zwittau, der hunderte Juden vor dem sicheren Tod im KZ bewahrte. Sein Leben wurde im Film Schindlers Liste thematisiert.

Es gibt kein offizielles Wappen für die Region Schönhengstgau. Um das Jahr 1940 entwarf Adolf Jenisch ein Wappen, das im Schild in Silber oben ein wachsendes schwarzes Pferd und unten eine schwarze Mauer mit Zinnen zeigt. Dieses Wappen schmückte schon früh die „Schönhengster Heimatzeitung“ und wird von den meisten Schönhengster Landsleuten als offizielles Wappen der Region Schönhengstgau wahrgenommen. In vielen Quellen findet sich dieses Wappen mit anderer Tingierung (goldener Schild, mit roter Mauer und schwarzem Pferd). Vermutlich lehnt sich diese spätere Tingierung an das Wappen von Landskron an (was aber zurzeit nicht endgültig belegt ist).

Wirtschaft

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Die Landwirtschaft war der wichtigste Wirtschaftszweig, außerdem wurden in der Gegend Maschinen, Textilien sowie Waren aus Gold und Silber hergestellt.[10]

Nach der Vertreibung

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Nachdem 1945/46 fast die gesamte deutsche Bevölkerung aus dem Sudetenland vertrieben wurde, waren die Schönhengster nun über ganz Deutschland und Österreich verstreut. Um dennoch den Kontakt zu den einstigen Nachbarn und Freunden nicht zu verlieren, gründete sich 1950 der Schönhengster Heimatbund e. V. Aus den einzelnen Heimatbriefen der einstigen Kreise Zwittau, Mähr.-Trübau, Landskron und Hohenstadt entstand 1952 die Vereinszeitung „Schönhengster Heimat“ (Hohenstadt schloss sich erst 1962 an). Sie erscheint bis heute (Stand 2023) monatlich.[11]

Anfänglich mussten die Landsleute erst wieder zueinander finden. Daher erschienen früh in der Heimatzeitung Suchanzeigen. Für die einzelnen Ortschaften ist ein Ortsbetreuer zuständig, der in der „Schönhengster Heimat“ über die Geschichte, die einstigen Bewohner und die Gegenwart der Heimatgemeinden berichtet. So soll der Kontakt zu den verstreut lebenden Schönhengstern gehalten werden. Heute ist nur noch die letzte „Erlebnisgeneration“ am Leben, also jene Schönhengster, die Krieg und Vertreibung als Kinder/Jugendliche miterlebten. Die Schönhengster Heimattage (der erste war 1950 in Ludwigsburg) finden nicht mehr statt. Vereinzelt werden noch Ortstreffen veranstaltet.

Seit 1954 erscheint jährlich das Schönhengster Jahrbuch – ein Kalender, der den Schönhengster durchs Jahr führt. 2024 erscheint somit zum 70. Mal das Jahrbuch, das vom Schönhengster Heimatbund e. V. herausgegeben wird.

Darüber hinaus entstanden viele Heimatbücher für die Schönhengster Orte, die in der Bibliothek des Heimatbundes in Göppingen angesehen werden können.

In Mährisch-Trübau finden jährlich die Deutsch-Tschechischen Kulturtage im Walther-Hensel-Begegnungszentrum statt.

Patenstadt

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Die Patenstadt für die Region Schönhengstgau ist Göppingen. Diese Partnerschaft wurde 1955 vom damaligen Göppinger Oberbürgermeister Herbert König und dem ersten Landschaftsbetreuer Paul Trunetz geschlossen. Bis heute (Stand 2023) hat der Schönhengster Heimatbund e. V. seinen Sitz in Göppingen. Ebenfalls befindet sich dort seit 1988 das Schönhengster Heimatmuseum, in dem Trachten, Bilder Schönhengster Künstler, originale Urkunden und Gegenstände von vertriebenen Schönhengstern ausgestellt werden.[11]

Das Heimatlied der Schönhengstgauer

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(Schönhengster Gaulied)

Zwischen March und Adler breitet
sich ein reich begnadet Land,
Das den Wandrer, der’s durchschreitet,
Wie ein süßer Zauber bannt.
Segen ruht in jedem Tale,
Friedlich grünt’s auf Berg und Au.
Sei gegrüßt viel tausend Male,
Trauter deutscher Schönhengstgau!

Unsre holde Muttersprache,
Unsrer Ahnen biedre Art
Werden unter jedem Dache
Wie ein köstlich Gut gewahrt.
Mannesmut und Frauenwürde
Trägt das Volk dort stolz zur Schau.
Bleib des Erdengartens Zierde,
Trauter deutscher Schönhengstgau!

Und die Mädchen wie die Knaben
Uns’rer Zukunft Trost und Hort,
Sollen tief ins Herz sich graben
Ihrer Väter Losungswort:
Strahlt das Glück in goldnem Schimmer,
Kommen Tage trüb und grau,
Treu verbunden, dein für immer,
Trauter deutscher Schönhengstgau!

Text: Ottokar Kernstock, Melodie: Rudolf Kunerth

Persönlichkeiten

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Commons: Schönhengstgau – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Mähren und Schlesien in Farbe (= Ostdeutsche Heimat in Farbe. Band 5). Kraft, Mannheim 1980, S. 22.
  2. Schönhengster Heimatbund e. V. (Hrsg.): Der Schönhengstgau – Bild einer deutschen Sprachinsel. Stuttgart 1962, S. 8 f.
  3. Der Schönhengstgau. Schönhengster Heimatbund e. V., abgerufen am 24. Dezember 2023.
  4. Friedrich Prinz (Hrsg.): Böhmen und Mähren (= Deutsche Geschichte im Osten Europas). Siedler, 1993, S. 176.
  5. Richard Zimprich: Schwaben in Mähren. In: Mährisch-Schlesische Heimat. Heft 1. Quellenverlag V. Diwisch, Steinheim/Main 1960, S. 20 f.
  6. Schönhengster Heimatbund e. V. (Hrsg.): Der Schönhengstgau – Bild einer deutschen Sprachinsel. Stuttgart 1962, S. 43.
  7. Kurt Hawlitschek: Reichenau, der einzige kirchlich anerkannte Wallfahrtsort im Schönhengstgau. In: Kulturstelle des Landschaftsrates Schönhengstgau der S. L. und des Schönhengster Heimatbundes e. V. (Hrsg.): Schönhengster Jahrbuch 1996. Göppingen 1995, S. 86 f.
  8. Schönhengster Heimatbund (Hrsg.): Der Schönhengstgau – Bild einer deutschen Sprachinsel. Stuttgart 1962, S. 5.
  9. Flucht und Vertreibung: Europa zwischen 1939 und 1948 (= Geo). Ellert & Richter, Hamburg 2004, ISBN 978-3-8319-0173-9, S. 158.
  10. Schönhengstgau. Sudetendeutsche Landsmannschaft, abgerufen am 23. November 2023.
  11. a b Kurt Hawlitschek: Der Heimat treu verbunden. Hrsg.: Schönhengster Heimatbund e. V. 1990, S. 17.