Generalfeldmarschall Busch, der vor einigen Monaten an der Ostfront abgesetzt worden war. – Hermann Göring, der sonst den Führer bei solchen Anlässen vertritt, war bemerkenswerter Weise ebenfalls nicht zugegen, es scheint also, als hätte er immer noch Hausarrest, denn auch sonst hört u. sieht man nichts von ihm.
Die Telephonsperre nach Schweden ist jetzt wenigstens gelockert. Es gehen Gerüchte. Man spricht von einer neuen Offiziersrevolte, die ihre Stütze in schwedischen Kreisen haben soll. Herm. Göring unterhält ja auch gute Beziehungen nach Schweden. Aus der deutschen Gesandtschaft in Schweden haben sich in dieser letzten Zeit drei höhere Beamte von Hitler losgesagt. –
In der Zeitung steht, daß sich 70% der Hitlerjugend des Jahrganges 1928 freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet hätten. Also die Sechzehnjährigen! Und die „Freiwilligkeit“ solcher Jungens ist bekannt!
Frau Ilse Schuster ist von Schneidemühl zurück gekommen u. sagt, Paul habe ihr aufgetragen, zu bestellen, daß unser Gesuch um seine Entlassung abgelehnt worden sei.
Gestern Abend Brief von Fritz vom 30. Sept. –, außerdem ein Päckchen, das er trotz der Päckchensperre als „Nachlaßsache“ aufgegeben hat u. das für den 15. Okt., unseren Hochzeitstag, bestimmt ist. Ich habe es nicht geöffnet u. werde es Martha am Sonntag auf den Frühstückstisch legen. Es ist einfach rührend, daß der Junge daran denkt. – Leider ist er nun nicht mehr beim Hauptverbandsplatz. Das Bataillon ist neu aufgestellt u. hat einen neuen Arzt bekommen, sodaß nun wieder ein Truppen-Verbandsplatz eingerichtet wurde. Auf dem Hauptverbandsplatz wurde der Gefr. Hebert aus Ahrenshoop eingeliefert, jedoch nicht sehr schwer verwundet. Fritz hat sich um ihn besonders bemüht. Er stellte fest, daß dieser Mensch nur zwei Zähne besaß. Man hatte ihm in der Heimat alle übrigen Zähne herausgezogen, es aber nicht für nötig gehalten, ihm neue Zähne zu geben, sondern hat ihn so ins Feld geschickt. Solch ein Mensch ist eben nichts wie Kanonenfutter. –
Von Erich die Nachricht, daß er mir nochmals einige Oelfarben besorgen kann. –
Von Wollesen liegt, seitdem er hier abgereist ist, noch keinerlei Nachricht vor. Am Montag sind es 14 Tage, daß er fort ist, – die Sache beginnt, unheimlich zu werden.
Gestern Abend wieder Brief von Fritz vom 3. Oktober. Er berichtet einen interessanten Fall: Die Amerikaner hatten einen seiner Kameraden einen verwundeten Sanitäter, gefangen genommen u. haben ihn dann wieder entlassen. Er fand sich wieder bei der Truppe ein. – Der Unteroffizier, der mit Fritz allein von allen Sanitätern übrig geblieben war, ist Feldwebel geworden, aber Fritz hat leider noch nicht einen Sanitäts-Dienstgrad erreicht, wodurch er Unteroffizier geworden wäre. – Er soll sich aber dazu garnicht drängeln. –
Die Russen haben Riga genommen. Auch Athen ist im Besitz der Alliierten. Von beidem weiß der deutsche Rundfunk noch nichts, nicht einmal die schon vor längerer Zeit stattgefundene Landung der Alliierten in Griechenland u. Albanien ist bis heute bekannt.
Hans Brass: TBHB 1944-10-12. , 1944, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-10-13_001.jpg&oldid=- (Version vom 7.8.2024)