„Machtergreifung“ – Versionsunterschied
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Version vom 21. Januar 2008, 12:28 Uhr
Mit Machtergreifung oder Machtübernahme wird seit der Zeit des Nationalsozialismus insbesondere im deutschen Sprachgebrauch die Übertragung der Regierungsgewalt in Deutschland auf die Nationalsozialisten unter der Führung Adolf Hitlers und die anschließende Umwandlung der Demokratie in eine Diktatur im Jahr 1933 bezeichnet. Da beide Bezeichnungen von Historikern aus unterschiedlichen Gründen als nicht neutral angesehen werden, benutzen sie zunehmend den Begriff „Machtübergabe“ oder „Machtübertragung“.
Begriff
Der Begriff Machtergreifung bezeichnet den längeren Prozess, durch den die NSDAP die Demokratie beseitigt und ihre Herrschaft gefestigt hat; häufig wird er aber auch nur auf Adolf Hitlers Ernennung zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 bezogen.
Der Ausdruck „Machtergreifung“ suggeriert, dass die NSDAP dem frei gewählten Parlament und dem von diesem eingesetzten Rechtsstaat die Macht gegen deren Willen und ausschließlich mit illegalen Mitteln weggenommen habe. Tatsächlich jedoch hatte die NSDAP eine nicht unerhebliche Unterstützung in der Bevölkerung und verfügte über größeren parlamentarischen Rückhalt als vorherige Weimarer Regierungen, vor allem die Präsidialkabinette. Der Regierungsantritt Hitlers war legal, ebenso weitere Elemente der Machtergreifung wie die Neuwahl am 5. März.
Außerdem waren auch konservative Politiker und Parteien an der Übertragung der Macht an Hitler beteiligt, und zwar durch die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler, durch die Beteiligung an der von Hitler geführten Regierung, durch die Verordnungen des Reichspräsidenten und durch die Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz im Reichstag 1933. Dieses Ermächtigungsgesetz war nicht das erste, bereits unter Friedrich Ebert (SPD) hatte es drei Ermächtigungsgesetze gegeben, die jedoch nur für einen kurzen Zeitraum galten. Der Antikommunismus war Anfang 1933 das Verbindende der antidemokratischen Parteien der Rechten (NSDAP, DNVP) und der Parteien der Mitte (Zentrum, DVP, DStP).
Viele Historiker sprechen daher statt von einer Machtergreifung von einer „Machtübertragung“[1]. Seit den 1980er Jahren hat sich teilweise die neutralere Bezeichnung „Machtübergabe“ statt des propagandistisch belasteten und irreführenden Ausdrucks „Machtergreifung“ durchgesetzt.
Die NSDAP nutzte zur Durchsetzung ihrer Herrschaft auch nichtlegale Mittel wie die zahlreichen Terrormaßnahmen, mit denen politische Gegner eingeschüchtert, verhaftet oder ermordet wurden. Offenkundigster Verfassungsbruch war Hitlers Selbsternennung zum Führer und Reichskanzler nach dem Tod Hindenburgs 1934.
Vorgeschichte
Aus dem gescheiterten Hitlerputsch vom 9. November 1923 hatten die Nationalsozialisten gelernt und für ihre „nationale Revolution“ eine „Legalitätsstrategie“ entwickelt, sich formal an Recht und Gesetz zu halten. Entsprechend bekräftigte Hitler als Zeuge im Hochverratsprozess gegen die drei Reichswehroffiziere Hanns Ludin, Richard Scheringer und Hans Friedrich Wendt im September 1930 ausdrücklich, dass seine Partei „auf dem Boden der Legalität“ stehe und nur verfassungsgemäß an die Macht gelangen wolle.
Seit dem Wahlerfolg von 1930 bemühten sich die Reichskanzler Heinrich Brüning und seit 1932 Franz von Papen um eine Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten, um deren Massenanhang für sich zu benutzen. Eine angestrebte Koalition von Zentrum, DNVP und NSDAP scheiterte allerdings an Hitlers Forderung nach der Reichskanzlerschaft für sich. Da Brüning und von Papen sich um die Nationalsozialisten bemühten, unterließen sie es, die NSDAP zu verbieten und als staatsgefährdende Partei darzustellen. Dazu hätten ihnen die Boxheimer Dokumente Gelegenheit gegeben, die 1931 in Hessen auftauchten und Putschpläne der Nationalsozialisten verrieten. Reichskanzler Kurt von Schleicher versuchte im Dezember 1932, eine „Querfront“ unter Einbeziehung linker Nationalsozialisten zustandezubringen.
Durch gemeinsame Aktionen mit der DNVP und dem Stahlhelm wie dem Volksentscheid gegen den Young-Plan 1930 und 1931 in der „Harzburger Front“ wurden die Nationalsozialisten aufgewertet und salonfähig gemacht. Die von linker Seite behaupteten massiven Unterstützungen seitens der Industrie trugen hingegen zum Aufstieg des Nationalsozialismus in dieser Phase nicht bei. Es waren nur vereinzelte Unternehmer, die Hitler etwa mit der Industrielleneingabe unterstützten.
Das System der parlamentarischen Demokratie war schon in den Jahren seit 1930 ausgehöhlt worden, als Brüning mangels parlamentarischer Mehrheit mit Notverordnungen regierte. Einen weiteren Schritt weg von der (Parteien-)Demokratie bedeutete es, als von Papen 1932 ein Kabinett von meist parteilosen „Fachministern“ einrichtete.
Hitler hatte bereits in seiner Zeugenaussage von 1930 dargelegt: »Die Verfassung schreibt uns nur die Methoden vor, nicht aber das Ziel. Wir werden auf diesem verfassungsmäßigen Wege die ausschlaggebenden Mehrheiten in den gesetzgebenden Körperschaften zu erlangen versuchen, um in dem Augenblick, wo uns das gelingt, den Staat in die Form zu bringen, die unseren Ideen entspricht.« Das Zustandekommen der Mehrheiten für das so genannte Ermächtigungsgesetz am 23. März 1933 wurde allerdings unter Anwendung brutaler Gewaltmethoden wie Ausschluss oder Ermordung von Abgeordneten erreicht. Trotz massiven Straßenterrors zur Einschüchterung politisch Andersdenkender war es der NSDAP zuvor in der Reichstagswahl vom 5. März nicht gelungen, die absolute Mehrheit der Stimmen zu erhalten. Hannah Arendt erklärte in ihrem Interview mit Günter Gaus 1964, dass nur die noch schrecklicheren Verbrechen während des Zweiten Weltkriegs die nach 1933 begangenen Verbrechen, wie beispielsweise die so genannte Köpenicker Blutwoche, überblendeten.
Hitler und die NSDAP waren sowohl von den Konservativen als auch von ihren Gegnern aus dem republikanischen Lager unterschätzt worden. Die konservative Strategie der „Einrahmung“ oder „Zähmung“ der Nationalsozialisten scheiterte an Hitlers Machtwillen. Die Konservativen hatten zu sehr auf den Reichspräsidenten Hindenburg vertraut, der der Verfassung nach Hitler als Reichskanzler absetzen konnte. Außerdem vertrauten sie auf den deutschen Rechtsstaat sowie auf ihre eigene gesellschaftliche Stellung. Daher halfen sie Hitler dabei, diejenigen freiheitlich-demokratischen Grundlagen auszuhöhlen, von denen auch ihre eigene Sicherheit abhing.[2]
Den Gewerkschaften schien angesichts von sechs Millionen Arbeitslosen das Mittel des Generalstreiks wenig aussichtsreich. Ein Generalstreik oder ähnliche Aktionen wurden von den leitenden Politikern der SPD mit dem Argument abgelehnt, dadurch könne Hitler ein Vorwand für weitere Verfolgungen gegeben werden.
Darstellung durch die Nationalsozialisten selbst
Der Begriff „Machtergreifung“ wurde in Deutschland im Sprachgebrauch und in der Publizistik [3] nach 1933 überwiegend mit Bezug auf den 30. Januar 1933 benutzt.
Die Propaganda der NSDAP inklusive öffentlicher Reden Hitlers, Goebbels und anderer führender Nationalsozialisten hat hingegen bewusst und konsequent den Begriff Machtübernahme verwendet und den Ausdruck Machtergreifung ausdrücklich vermieden[4][5], um der deutschen Öffentlichkeit, dort besonders dem Bürgertum, eine falsche Legitimität und Kontinuität der Geschehnisse ab dem 30. Januar 1933, aber auch eine vermeintliche Friedlichkeit und Geordnetheit derselben vorzuspiegeln, die keineswegs bestanden. Vergleichbare, authentische Begriffe der zeitgenössischen NSDAP-Propaganda sowohl vor wie während der Zeit der NS-Herrschaft zur gewaltsamen „Machtergreifung“ bestanden allenfalls in Regierung der nationalen Erhebung, deutsche Revolution, sowie verschiedener Zusammensetzungen mit „-revolutionär“, wie etwa konservativ-revolutionär oder sozial-revolutionär; oder auch in einer wiederholt beschworenen und sich angeblich in Massenveranstaltungen äußernden, die emotionalisierten Massen mitreißenden Dynamik der Bewegung.
Chronologie
- »Bei allen historischen Belastungen der Weimarer Republik gab es keine Zwangsläufigkeit der deutschen Geschichtsentwicklung zum „Dritten Reich“ hin. Jederzeit – auch in der Spätphase der Weimarer Republik – waren andere Entscheidungen möglich, die Hitler verhindert beziehungsweise seinen Aufstieg behindert hätten.«
- Aus dem Vorwort von Nationalsozialismus I (siehe: Weblinks)
Vorgeschichte
- 24. Oktober 1929: Beginn der Weltwirtschaftskrise, von der das Deutsche Reich, neben den USA, am stärksten getroffen wird.
- März 1930: Die Große Koalition von SPD, Zentrumspartei, DVP, DDP und BVP zerbricht an der Frage einer durch die Massenarbeitslosigkeit notwendig gewordenen Reform der Arbeitslosenversicherung.
- 30. März 1930: Reichspräsident Paul von Hindenburg ernennt mit unsicherer Zustimmung des Reichstags Heinrich Brüning vom rechten Flügel der katholischen Zentrumspartei zum Reichskanzler. Die Regierung erzielt aufgrund ihrer Unterstützung durch Teile der DNVP-Fraktion in der Folge knappe Mehrheiten im Reichstag.
- 15. Juli 1930: Der Konflikt zwischen Regierung und Reichstag wegen eines rigiden Sparprogramms endet mit der (verfassungsrechtlich problematischen) Umsetzung der abgelehnten Gesetzesvorlage als Notverordnung, der Auflösung des Parlaments und der Ausrufung von Neuwahlen.
- 14. September 1930: Die NSDAP steigert sich von 2,6 auf 18,3 Prozent und wird zweitstärkste Partei in der Reichstagswahl; Stimmengewinne gibt es auch für die KPD (13,1 %); in der Folge ziehen ausländische Kapitalanleger verstärkt Kapital ab, was die Wirtschaftskrise weiter verschärft; die SPD (24,5 %) entscheidet sich, die Regierung Brüning zu tolerieren.
- 25. Februar 1932: Politisch lancierte Einbürgerung Hitlers durch Ernennung zum Regierungsrat des Freistaates Braunschweig durch dessen NSDAP-Innenminister Dietrich Klagges.
- 10. April 1932: Reichspräsidentenwahl: Trotz demagogischem Wahlkampf der Nationalsozialisten zugunsten ihres Kandidaten Adolf Hitler wird Hindenburg im zweiten Wahlgang wiedergewählt; die Terrorwelle von SA und SS während des Wahlkampfs führt in der Folge zum Verbot beider Organisationen.
- 30. Mai 1932: Entlassung Brünings durch Reichspräsident Hindenburg als Folge von Intrigen der Kamarilla um Hindenburg.
- 1. Juni 1932: Einsetzung eines Präsidialkabinetts unter Kanzler Franz von Papen, der im Laufe seiner Amtszeit mittels Notverordnungen umfangreiche Spar- und Arbeitsprogramme durchsetzt.
- Sommer 1932: Aufhebung des Verbots von SA und SS infolge einer geheimen Absprache; bürgerkriegsähnliche Zustände im Wahlkampf: Saalschlachten und Straßenkämpfe zwischen den einzelnen Kampforganisationen mit rund 300 Toten und über 1.100 Verletzten; die Reichstagswahl bringt weitere Zugewinne für die radikalen Parteien (KPD und NSDAP). Mit 37,4 Prozent wird die NSDAP stärkste Partei.
- 14. Juli 1932: von Papen wird mit Notverordnung als Reichskommissar des Landes Preußen eingesetzt. Am 20. Juli löst er die preußische Regierung auf, die Staatsgewalt geht auf die Reichsregierung über (Preußenschlag).
- Juli 1932: Erklärung von 91 Professoren mit der Forderung, Hitler zum Reichskanzler zu ernennen.
- 12. September 1932: Misstrauensvotum gegen die Regierung von Papen und erneute Auflösung des Reichstags;
- Reichstagswahl am 6. November Die NSDAP fällt auf 33,1 Prozent zurück, bleibt aber deutlich stärkste Partei; SPD und Zentrum schlagen ein Koalitionsangebot von Papens aus und Pläne der Regierung von Papen zu einem Putsch und Bekämpfung von NSDAP und KPD mittels der Reichswehr scheitern. Von Papen tritt zurück.
- 19. November 1932: Eingabe einiger Industrieller, Bankiers und Landwirte an Hindenburg mit der Aufforderung, Hitler zum Reichskanzler zu ernennen.
- 2. Dezember 1932: Generalleutnant Kurt von Schleicher aus der Kamarilla des Reichspräsidenten wird neuer Kanzler und bleibt Reichswehrminister; er versucht erfolglos, eine „Querfront“ zur Unterstützung seiner Politik zu organisieren, aber die Spaltung der NSDAP scheitert und die SPD ist misstrauisch gegenüber seinen Ideen, den Reichstag für längere Zeit aufgelöst zu lassen.
- Januar 1933: Fürsprache zahlreicher Hindenburg nahe stehender Personen beim Reichspräsidenten zugunsten einer Regierungsbildung durch Hitler (unter anderem Wilhelm von Preußen, Elard von Oldenburg-Januschau).
- 4. Januar 1933: Geheime Besprechung zwischen von Papen und Hitler.
- 28. Januar 1933: Rücktritt Schleichers, da alle Verhandlungen zur Unterstützung seiner Regierung gescheitert sind und Hindenburg seinen Staatsnotstandsplan ablehnt.
Hitlers Reichskanzlerschaft
- 30. Januar 1933: Adolf Hitler wird zum Reichskanzler ernannt. Im Kabinett Hitler sitzen nur zwei weitere Nationalsozialisten, der Innenminister Frick und Göring als Minister ohne Geschäftsbereich.
- 1. Februar 1933: Auflösung des Reichstages durch Reichspräsident Paul von Hindenburg
- 1. Februar 1933: Aufruf der Reichsregierung an das Deutsche Volk, den Hitler um 22.00 Uhr in seiner ersten Rundfunkrede verliest
- 4. Februar 1933: Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze des Deutschen Volkes (so genannte Schubladenverordnung) mit Eingriffen in die Pressefreiheit und Versammlungsfreiheit.
- 27. Februar 1933: Brand des Reichstagsgebäudes, der Niederländer und ehemalige Kommunist Marinus van der Lubbe wird der Brandstiftung beschuldigt. Die Frage der Täterschaft ist jedoch bis heute nicht eindeutig geklärt. Die Tat wird von SA und SS als Vorwand genommen, um Deutschland mit einer Terrorwelle zu überziehen; politische Gegner werden inhaftiert, gefoltert oder liquidiert.
- 28. Februar 1933: In Folge des Reichstagsbrands wird die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat, die so genannte Reichstagsbrandverordnung, erlassen, die die wesentlichen Grundrechte außer Kraft setzt und eine scheinlegale Basis für die Verfolgung von politischen Gegnern schafft.
- 28. Februar 1933: Verordnung des Reichspräsidenten gegen Verrat am Deutschen Volke und hochverräterische Umtriebe
- 5. März 1933: Neuwahlen; trotz massiver Behinderung anderer Parteien verfehlt die NSDAP die erwünschte absolute Mehrheit um 6,1 Prozentpunkte.
- 8. März 1933: Die von der KPD gewonnenen Reichstagsmandate werden dieser aberkannt; diese Parlamentssitze gelten als erloschen.
- 13. März 1933: Einrichtung eines „Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda“; Minister wird Joseph Goebbels.
- 20. März 1933: Errichtung des KZ Dachau in der Nähe von München. Genutzt zur Inhaftierung politisch missliebiger Elemente, besonders der politisch linken Parteien.
- 21. März 1933: Der „Tag von Potsdam“. Die konstituierende Sitzung des Reichstags (ohne Sozialdemokraten und Kommunisten) in der Potsdamer Garnisonskirche wird von Goebbels inszeniert, um die Harmonie zwischen dem alten Deutschland (repräsentiert von Paul von Hindenburg) und der „jungen Kraft“ (Hitlers NS-Bewegung) darzustellen.
- 21. März 1933: Verordnung des Reichspräsidenten zur Abwehr heimtückischer Angriffe gegen die Regierung der nationalen Erhebung
- 23. März 1933: Der Reichstag, nunmehr in der Krolloper, stimmt im Beisein von bewaffneten SA- und SS-Einheiten über das Ermächtigungsgesetz ab, das die legislative Gewalt in die Hände der Reichsregierung legen soll. Die Reichstagsabgeordneten der KPD können an der Abstimmung nicht mehr teilnehmen, da sie zuvor verfassungswidrig festgenommen beziehungsweise ermordet wurden. Trotz dieser Umstände stimmen die anwesenden Abgeordneten der SPD, auch hier fehlen einige wegen Festnahme oder Flucht, gegen das Gesetz, während die Abgeordneten aller anderen Parteien dafür stimmen.
- 24. März 1933: Veröffentlichung des auf vier Jahre befristeten Ermächtigungsgesetzes im Reichsgesetzblatt mit den Unterschriften des Reichskanzlers Hitler und des Reichspräsidenten von Hindenburg.
- 31. März 1933: Das erste „Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich“ löst die Landesparlamente auf und bestimmt deren Neubesetzung nach den Ergebnissen der Reichstagswahl vom 5. März. Die Landesregierungen werden zur Gesetzgebung ohne Zustimmung der Parlamente ermächtigt. Im zweiten Gesetz vom 7. April werden in den Ländern Reichsstatthalter eingesetzt, die für die Durchführung der „vom Reichskanzler aufgestellten Richtlinien der Politik“ sorgen sollen.
- März/April 1933: In zahlreichen unkontrollierten Verhaftungsaktionen durch SA und SS werden die Festgenommenen in SA-Keller oder „wilde“ Lager verschleppt.
- 1. April 1933: Angeblich „spontane“ Boykottmaßnahmen gegen jüdische Geschäfte in ganz Deutschland, die aber nicht den von den Nationalsozialisten erwünschten Anklang bei der Bevölkerung finden.
- 7. April 1933: Das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ ermöglicht dem Regime die Entlassung politisch missliebiger und „nicht-arischer“ Beamter.
- 2. Mai 1933: Schlag gegen die Gewerkschaften: Gewerkschaftshäuser werden von SA und NSBO besetzt; das Vermögen der Gewerkschaften wird beschlagnahmt, führende Funktionäre werden in „Schutzhaft“ genommen.
- 10. Mai 1933: Bücherverbrennungen: In vielen Städten, unter anderem Berlin, Bremen, Dresden, Frankfurt, Hannover, München und Nürnberg, werden in einer organisierten Aktion Werke sozialistischer, pazifistischer, jüdischer und liberaler Autoren ins Feuer geworfen. Dies betrifft zum Beispiel Bertolt Brecht, Alfred Döblin, Lion Feuchtwanger, Sigmund Freud, Erich Kästner, Heinrich Mann, Karl Marx, Carl von Ossietzky, Erich Maria Remarque, Kurt Tucholsky, Franz Werfel, Arnold und Stefan Zweig.
- 22. Juni 1933: Verbot der SPD, wegen angeblichen Landes- und Hochverrats.
- 7. Juli 1933: Verordnung des Reichsministers des Innern zur Sicherung der Staatsführung
- 14. Juli 1933: Alle Parteien außer der NSDAP sind verboten oder haben sich selbst aufgelöst. Das „Gesetz gegen die Neubildung von Parteien“ begründet den Einparteienstaat: Neugründung und Fortbestand (anderer) politischer Parteien wird unter Strafe gestellt.
- 20. Juli 1933: Abschluß des Reichskonkordats zwischen dem Deutschen Reich und dem Heiligen Stuhl
- 12. November 1933: Erneute Reichstagswahl, eine Scheinwahl mit NSDAP-Einheitsliste, die mit einer „Volksabstimmung“ über den Austritt aus dem Völkerbund gekoppelt ist.
- 20. Januar 1934: „Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit“ setzt das Führerprinzip in der Wirtschaft ein. Die DAF wird in die NSDAP eingegliedert.
- 30. Januar 1934: Mit dem „Gesetz über den Neuaufbau des Reiches“ wird die föderale Struktur der Weimarer Republik aufgehoben. Die Hoheitsrechte der Länder gehen auf das Reich über. Die Regierung erhält das Recht, neues Verfassungsrecht zu setzen.
- 30. Juni 1934: Der angebliche „Röhm-Putsch“ dient als Vorwand für parteiinterne Säuberungen und eine weitere Machtkonzentration in der Partei. In der so genannten Nacht der langen Messer wird die Führung der SA zerschlagen. Auch ehemalige politische Gegner wie Kurt von Schleicher, der versucht hatte, die NSDAP zu spalten, werden ermordet.
- 2. August 1934: Reichspräsident Paul von Hindenburg stirbt auf Gut Neudeck, Hitler gibt sich den Titel „Führer und Reichskanzler“.
- 19. August 1934: Volksabstimmung zur Zusammenlegung der Ämter des Reichspräsidenten und Reichskanzlers in der Person Adolf Hitlers. Am gleichen Tag wird die Reichswehr auf ihn vereidigt. Damit sind alle wichtigen Ämter auf ihn vereinigt: es gibt keinerlei Kontrollinstanzen mehr.
Literatur
- Richard J. Evans: Das Dritte Reich – Aufstieg, München 2004, ISBN 3-421-05652-8
- Norbert Frei: Machtergreifung. Anmerkungen zu einem historischen Begriff. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. (VfZ) 31/1983, S. 136–145
- Gotthard Jasper: Die gescheiterte Zähmung. Wege zur Machtergreifung Hitlers 1930-1934. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1986 (Neue Historische Bibliothek), ISBN 3-518-11270-8
Weblinks
- Hitler wird Reichskanzler, von Joseph Goebbels am 30. Januar 1933 produzierte und ausgestrahlte Rundfunkreportage (mit O-Tönen von Goebbels, Hermann Göring und Stahlhelm-Mitgliedern): Teil 1, Teil 2 (mp3)
- Etablierung der NS-Herrschaft (LeMO)
- Zerstörung der Demokratie 1930-1933 (Bundeszentrale für politische Bildung)
- Nationalsozialismus I (ebenfalls Bundeszentrale für politische Bildung)
- Erlasse, Verordnungen und Notverordnungen des Reichspräsidenten
Einzelnachweise
- ↑ beispielsweise Regierungsübertragung auf die NSDAP bei der Bundeszentrale für politische Bildung
- ↑ Siehe Joachim Fest: Staatsstreich. Der lange Weg zum 20. Juli, Siedler, Berlin 1994, S. 30–33.
- ↑ Machtergreifung in Buchtiteln (1933-1944)
- ↑ Norbert Frei: Machtergreifung – Anmerkungen zu einem historischen Begriff, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. (VfZ) 31/1983, S. 136–145
- ↑ Richard J. Evans: Das Dritte Reich – Aufstieg, Deutscher Taschenbuch Verlag, München, S. 569. ISBN 3-423-34191-2