„Jutta Ditfurth“ – Versionsunterschied

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== Herkunft ==
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Jutta Ditfurth stammt aus den beiden [[Adelsgeschlecht]]ern [[Ditfurth (Adelsgeschlecht)|von Ditfurth]] und [[Raven (Adelsgeschlecht)|von Raven]]. Sie ist die Tochter des Arztes, Hochschullehrers und Wissenschaftsjournalisten [[Hoimar von Ditfurth]] und der Fotografin Heilwig von Raven.<ref>Hoimar von Ditfurth: ''Innenansichten eines Artgenossen. Meine Bilanz.'' (1989) Geest-Verlag, Vechta 2013, ISBN 3866854218, S. 230 ff.</ref> Ihr Bruder ist der Historiker und Romanautor [[Christian v. Ditfurth]]. 1978 versuchte sie erfolglos, das [[Adelsprädikat]] „von“ aus ihrem Namen streichen zu lassen. Nach eigenen Angaben lehnte sie im Alter von 18 Jahren auch die Aufnahme in den [[Vereinigung der Deutschen Adelsverbände|Adelsverband]] ab, da sie von elitärem Denken abgestoßen werde.<ref>Tilman Gerwien: [http://www.gegeninformationsbuero.de/frameset.html?/krieg/gruene_ditfurth.htm ''Was macht eigentlich … Jutta Ditfurth?''] In: [[Stern (Zeitschrift)|Stern]], 25. April 1999</ref> In ihrem Buch „Der Baron, die Juden und die Nazis – Reise in eine Familiengeschichte“ beschreibt sie anhand vieler Quellen den [[Antisemitismus]] und das Mitwirken einiger ihrer Vorfahren am [[Nationalsozialismus]], darunter ihres Urgroßonkels [[Börries Freiherr von Münchhausen]], ihrer Urgroßmutter Gertrud Elisabeth von Raven (1850–1936)<ref>[http://www.gemeinde-langenorla.de/heimathefte/3-2000/index.htm Zur Geschichte von Rittergut und Schloß, Streiflichter aus der Kirchenchronik], gemeinde-langenorla.de, Heimathefte 3/2000, S. 1, S. 15</ref> und ihres Urgroßvaters Wilhelm von Ditfurth.<ref>Jutta Ditfurth: [http://www.jutta-ditfurth.de/Baron-Juden-Nazis/BARON-Synopsis.pdf ''Der Baron, die Juden und die Nazis. Reise in eine Familiengeschichte: Synopsis.'']</ref>
Jutta Ditfurth stammt aus den beiden [[Adelsgeschlecht]]ern [[Ditfurth (Adelsgeschlecht)|von Ditfurth]] und [[Raven (Adelsgeschlecht)|von Raven]]. Sie ist die Tochter des Arztes, Hochschullehrers und Wissenschaftsjournalisten [[Hoimar von Ditfurth]] und der Fotografin Heilwig von Raven.<ref>Hoimar von Ditfurth: ''Innenansichten eines Artgenossen. Meine Bilanz.'' (1989) Geest-Verlag, Vechta 2013, ISBN 3866854218, S. 230 ff.</ref> Ihr Bruder ist der Historiker und Romanautor [[Christian v. Ditfurth]]. 1978 versuchte sie, das [[Adelsprädikat]] „von“ aus ihrem Namen streichen zu lassen. Nach eigenen Angaben lehnte sie im Alter von 18 Jahren auch die Aufnahme in den [[Vereinigung der Deutschen Adelsverbände|Adelsverband]] ab, da sie von elitärem Denken abgestoßen werde.<ref>Tilman Gerwien: [http://www.gegeninformationsbuero.de/frameset.html?/krieg/gruene_ditfurth.htm ''Was macht eigentlich … Jutta Ditfurth?''] In: [[Stern (Zeitschrift)|Stern]], 25. April 1999</ref> In ihrem Buch „Der Baron, die Juden und die Nazis – Reise in eine Familiengeschichte“ beschreibt sie anhand vieler Quellen den [[Antisemitismus]] und das Mitwirken einiger ihrer Vorfahren am [[Nationalsozialismus]], darunter ihres Urgroßonkels [[Börries Freiherr von Münchhausen]], ihrer Urgroßmutter Gertrud Elisabeth von Raven (1850–1936)<ref>[http://www.gemeinde-langenorla.de/heimathefte/3-2000/index.htm Zur Geschichte von Rittergut und Schloß, Streiflichter aus der Kirchenchronik], gemeinde-langenorla.de, Heimathefte 3/2000, S. 1, S. 15</ref> und ihres Urgroßvaters Wilhelm von Ditfurth.<ref>Jutta Ditfurth: [http://www.jutta-ditfurth.de/Baron-Juden-Nazis/BARON-Synopsis.pdf ''Der Baron, die Juden und die Nazis. Reise in eine Familiengeschichte: Synopsis.'']</ref>


== Ausbildung und Berufstätigkeiten ==
== Ausbildung und Berufstätigkeiten ==

Version vom 8. Juni 2019, 00:20 Uhr

Jutta Ditfurth bei der ARD-Talkshow Maischberger (2017)

Jutta Ditfurth (geboren als Jutta Gerta Armgard von Ditfurth am 29. September 1951 in Würzburg) ist eine deutsche Sozialwissenschaftlerin, Politikerin und Aktivistin für Feminismus, Ökosozialismus und Antirassismus. Als Journalistin und Autorin von politisch engagierter Sachliteratur und Belletristik ist sie auch publizistisch tätig.

Ditfurth war ab Ende der 1970er Jahre als prägendes Mitglied der Grünen Liste Hessen (GLH) am Entstehungsprozess der Partei Die Grünen beteiligt und Anfang 1980 als Teilnehmerin bei der bundesweiten Gründungsversammlung eine ihrer Mitbegründerinnen. In den 1980er Jahren gehörte sie als „Radikalökologin“ zu den bekanntesten Vertretern des linken Flügels der Partei. Von 1984 bis Ende 1988 war sie gemeinsam mit Rainer Trampert und Lukas Beckmann (1984–1987) als auch mit Regina Michalik und Christian Schmidt (1987–1988) Angehörige des dreiköpfigen Bundesvorsitzenden-Gremiums der Grünen.

Infolge der unmittelbar nach der deutschen Wiedervereinigung erfolgten Wahlniederlage der Partei bei der Bundestagswahl 1990 kam es zur „realpolitischen Wende“ bei den Grünen. Aus Protest dagegen verließ Ditfurth 1991 ebenso wie viele andere Angehörige des linken Flügels die Partei. Sie initiierte die Ökologische Linke, aus der 2000 die Wählervereinigung ÖkoLinX – Antirassistische Liste hervorging. Von 2001 bis 2008 war sie für die ÖkoLinX Mitglied der Stadtverordnetenversammlung in Frankfurt am Main; seit 2011 ist sie es erneut.

Bei der Europawahl 2019 war Ditfurth Spitzenkandidatin der zum ersten Mal bei einer Europawahl in Deutschland antretenden Wahlliste der ÖkoLinX, konnte im Ergebnis jedoch kein Mandat im EU-Parlament erreichen.

Herkunft

Jutta Ditfurth stammt aus den beiden Adelsgeschlechtern von Ditfurth und von Raven. Sie ist die Tochter des Arztes, Hochschullehrers und Wissenschaftsjournalisten Hoimar von Ditfurth und der Fotografin Heilwig von Raven.[1] Ihr Bruder ist der Historiker und Romanautor Christian v. Ditfurth. 1978 versuchte sie, das Adelsprädikat „von“ aus ihrem Namen streichen zu lassen. Nach eigenen Angaben lehnte sie im Alter von 18 Jahren auch die Aufnahme in den Adelsverband ab, da sie von elitärem Denken abgestoßen werde.[2] In ihrem Buch „Der Baron, die Juden und die Nazis – Reise in eine Familiengeschichte“ beschreibt sie anhand vieler Quellen den Antisemitismus und das Mitwirken einiger ihrer Vorfahren am Nationalsozialismus, darunter ihres Urgroßonkels Börries Freiherr von Münchhausen, ihrer Urgroßmutter Gertrud Elisabeth von Raven (1850–1936)[3] und ihres Urgroßvaters Wilhelm von Ditfurth.[4]

Ausbildung und Berufstätigkeiten

Ditfurth wuchs zunächst in Würzburg auf, wo sie in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre auch eingeschult wurde. 1960 zog sie mit ihrer Familie nach Hohensachsen an der Bergstraße. Es war der fünfte Umzug der Familie.[5] Sie ging zuerst in Hohensachsen und später in Weinheim zur Schule.[6] 1964 zog die Familie nach Oberflockenbach im Odenwald in einen von der Mutter entworfenen Bungalow.[7] Im April 1966 wurde Ditfurth ins evangelische Mädchengymnasium Elisabeth-von-Thadden-Schule in Heidelberg-Wieblingen aufgenommen. Dort bestand sie 1969 die Abiturprüfung.[8] Danach besuchte sie noch bis zum März 1970 ein „höheres Töchterheim“ in Garmisch-Partenkirchen.[9]

1969 begann Jutta Ditfurth an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Kunstgeschichte zu studieren.[10] Sie studierte zudem Soziologie, Politik, Wirtschaftsgeschichte und Philosophie in Heidelberg, Hamburg, Freiburg, Glasgow, Detroit und Bielefeld mit dem Abschluss 1977 als Diplomsoziologin. Nach eigener Darstellung arbeitete sie als Sozialwissenschaftlerin an den Universitäten Freiburg, Bielefeld und Marburg. Im Winter 1977 zog sie nach Frankfurt am Main und war dort zwei Jahre in unterschiedlichen Firmen und Funktionen tätig. Parallel dazu arbeitete sie als Journalistin und Autorin für Printmedien und Rundfunk, ab 1980 hauptberuflich.

Politische Aktivitäten

Seit etwa 1970 ist Ditfurth als undogmatische Linke politisch aktiv. Sie engagierte sich nach dem Militärputsch in Chile 1973 in der internationalistischen Solidaritätsbewegung für die verfolgten Anhänger des gestürzten und beim Putsch zu Tode gekommenen vormaligen Staatspräsidenten Salvador Allende und seines Wahlbündnisses, der Unidad Popular, später für die Sandinisten in Nicaragua und die linke Opposition aus dem Umfeld der 1980 gegründeten FMLN in El Salvador. Ferner engagiert sie sich in der Frauenbewegung (beispielsweise gegen das Abtreibungsverbot nach dem alten § 218), seit etwa 1975 in der Anti-AKW-Bewegung und seit Ende der 1970er Jahre in der Friedensbewegung, so unter anderem zwischen 1979 und Mitte der 1980er Jahre gegen den NATO-Doppelbeschluss.[11]

Ab 1977, in Reaktion auf massive polizeiliche Maßnahmen gegen Anti-AKW-Proteste, wirkte sie am Aufbau bunt-alternativer Wahllisten mit, um auch parlamentarisch Einfluss zu nehmen. 1978 gründete sie die „Grüne Liste - Wählerinitiative für Demokratie und Umweltschutz“ (GLW) und die Grüne Liste Hessen (GLH) mit. Als deren Delegierte war sie im Januar 1980 in Karlsruhe an der Gründung der Bundespartei „Die Grünen“ beteiligt.[12] Sie vertrat dort in den 1980er Jahren neben Thomas Ebermann und Rainer Trampert die „Ökosozialisten“. Sie bezeichnet sich selbst als Radikalökologin und Feministin. Ihre innerparteilichen Gegner um den späteren Bundesaußenminister Joschka Fischer zählten sie zu den „Fundis“, wie sie den linken Parteiflügel seit etwa 1982 nannten.

Jutta Ditfurth auf der Grünen-Wahlparty 1987

1984 und 1986 wurde sie in den Bundesvorstand der Partei gewählt und überstand mehrere Abwahlanträge mit großen Mehrheiten. Bei der Bundesversammlung im Dezember 1988 verlangte der damalige Parteiflügel der Realos wegen bereits widerlegter Medienberichte über eine angebliche Veruntreuung von Parteigeldern den Rücktritt des Vorstands und verweigerte den Vorstandsmitgliedern das Rederecht. Deren Vertrauensfrage verfehlte knapp die Mehrheit. Daraufhin traten Ditfurth, der Vorstandssprecher Christian Schmidt und Regina Michalik am 2. Dezember 1988 von ihren Ämtern zurück.[13] Bei der Bundestagswahl 1990 erreichten die West-Grünen keine Bundestagsmandate, weil sie unterhalb der Fünfprozenthürde blieben. Viele führten das auch auf Parteistrukturen wie das Rotationsprinzip zurück. Als eine Mehrheit im April 1991 diese und andere Prinzipien aufhob, trat Ditfurth aus Protest gegen die „Rechtsentwicklung“ aus der Partei aus.[14] Im Dezember 1991 schloss der Kreisvorstand der Frankfurter Grünen sie formell wegen fehlender Beitragszahlungen aus.[15]

Seit 1989 ist Ditfurth Mitglied der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (DJU). Von 1992 bis 1995 war sie deren Bundesvorsitzende und Mitglied im Hauptvorstand der IG Medien.[16]

1991 gründete sie mit ihrem Lebenspartner Manfred Zieran und weiteren politischen Freunden die Kleinpartei Ökologische Linke in Hessen. Von 1991 bis 1999 gab sie deren Zeitschrift ÖkoLinx heraus. Bei der Europawahl 1999 kandidierte sie auf der Liste der griechischen NAR („Neue linke Strömung“) für das Europäische Parlament, um ihren Protest gegen den NATO-Krieg gegen Jugoslawien mit deutscher Beteiligung auszudrücken.[17] Ende 2000 gründete sie die Wählervereinigung „ÖkoLinX-Antirassistische Liste“ mit, für die sie als einzige Vertreterin im April 2001 in das Stadtparlament von Frankfurt am Main einzog. Im Mai 2008 legte sie ihr Mandat als Frankfurter Stadtverordnete nieder, weil Geschäftsordnungsänderungen ihre Arbeitsbedingungen stark verschlechtert hätten.[18] 2011 und 2016 wurde sie erneut in die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung gewählt.[19] Ditfurth kandidierte auf Listenplatz 1 von ÖkoLinX für die Europawahl 2019.[20] Die Partei verfehlte jedoch mit dem bundesweiten Ergebnis von 0,1 % (35.794 Stimmen) das angestrebte Ziel eines Sitzes im EU-Parlament.[21]

Politische Positionen

Jutta Ditfurth strebt einen ökologischen Sozialismus als globales politisches Ziel an. Für sie ist „die soziale nicht von der ökologischen Frage zu trennen […], weil die Wurzel der Ausbeutung des Menschen und der Natur dieselbe ist: die kapitalistische Produktionsweise mit ihrer Profitlogik und ihrem Verwertungszwang.“[22] Sie verweist darauf, dass schon Karl Marx (seit 1844) und Friedrich Engels (1883) wiederholt auf die naturzerstörenden Folgen des Kapitalismus hingewiesen hatten und einige marxistische und anarchistische Linke wie Friedrich Wolf und Murray Bookchin dem Glauben der meisten traditionellen Linken an einen wertneutralen technologischen Fortschritt widersprachen. Aus den historischen Erfahrungen der Arbeiter-, Frauen-, Anti-Atomwaffen- und Anti-AKW-Bewegung folgert sie: „Wer behauptet, der Kapitalismus sei zu einer humanen, ökologischen Gesellschaft ‚umzubauen‘, ist naiv oder lügt.“ Soziale und ökologische Katastrophen seien unter dem Druck sozialer Gegenmacht in den Zentren des Kapitals zwar zu mildern, die Folgen würden dann aber umso mehr auf andere Teile der Welt abgewälzt. Deshalb sei eine dem Menschen verträgliche Natur nur durch soziale Gegenmacht zum Kapitalismus zu retten und nur in einer sozialistischen Gesellschaft zu bewahren.[23]

Ditfurth war von Beginn an eine entschiedene Gegnerin des Realo-Flügels sowie vorgeblich nationalistischer und rassistischer Tendenzen bei den Grünen. Jutta Ditfurth lehnte 1990 die Wiedervereinigung ab und organisierte unter dem Motto "Nie wieder Deutschland" Demonstrationen. Seit ihrem Parteiaustritt hat sie sich in verschiedenen Veröffentlichungen mit der politischen Entwicklung der Grünen auseinandergesetzt. Sie kritisiert, dass die Grünen ihre ursprünglichen Ziele vollständig aufgegeben und vielfach ins Gegenteil verkehrt hätten. Statt an einem grundlegenden Wandel in der Gesellschaft seien ihre Vertreter an Machtpositionen und Verteilung von staatlicher Förderung (Nepotismus) interessiert. Die Gruppe der ehemaligen Frankfurter Spontis um Joschka Fischer und Daniel Cohn-Bendit habe seit 1982 systematisch auf eine Regierungsbeteiligung, ein Ministeramt für Fischer und die Entmachtung der Linken bei den Grünen hingearbeitet und dazu gezielt Intrigen eingefädelt. Grünenpolitiker wie Oswald Metzger, Matthias Berninger oder Cem Özdemir hätten ebenso in der FDP oder CDU Karriere machen können.[24]

Sie setzt sich seit der Gründungsphase der Grünen mit Richtungen auseinander, die sie als Ökofaschismus einstuft: darunter Ansichten von Herbert Gruhl, Baldur Springmann, Max Otto Bruker, die von Gruhl gegründete Ökologisch-Demokratische Partei und die Unabhängigen Ökologen Deutschlands, Rechte Esoterik, Anthroposophie, Scientology, die Freiwirtschaftslehre von Silvio Gesell und Ansichten, die Rudolf Bahro seit 1984 vertrat.[25]

Die Zustimmung von 39 der damals 48 grünen Bundestagsabgeordneten am 16. Oktober 1998 zum NATO-Krieg gegen Jugoslawien kritisiert Ditfurth als „Überschreitung der letzten Grenze in die vollständige Systemintegration“. Damit hätten die Grünen sich endgültig von den seit 1980 gültigen Programmforderungen (Ausstieg aus der NATO, Abbau der Bundeswehr, Auflösung der Militärbündnisse in Europa, auch einseitige Abrüstung, soziale Verteidigung) abgekehrt. Sie hätten dabei „geholfen, die Menschenrechte zu militarisieren, sie als Mittel und Begründung von Kriegsführung durchzusetzen“, auch für weitere Interventionskriege ohne UN-Mandat. Das hätte eine CDU/FDP-Regierung unmöglich durchsetzen können. Indem Joschka Fischer das Massaker von Srebrenica und das angebliche Massaker von Racak sprachlich mit dem Holocaust verglichen habe, habe er „eine neue deutsche Auschwitzlüge“ eingeleitet. Die Grünen seien als Regierungspartei „gebraucht worden, um bei der vollständigen Integration des ehemals kritischen Alternativpotentials zu Staat, Kapital und NATO zu helfen“ und den ersten deutschen Angriffskrieg seit 1945 „nicht trotz, sondern wegen Auschwitz“ zu rechtfertigen.[26]

Ditfurth hatte sich seit 1977 mit der Rote Armee Fraktion (RAF) und den staatlichen Reaktionen darauf beschäftigt, den „bewaffneten Kampf“ stets verworfen, aber Sachbeschädigungen wie das Umsägen von Strommasten und Zerschneiden von Stacheldraht bei AKW-Bauzäunen befürwortet. 1987 nannte sie den Weg der RAF falsch, befürwortete aber eine Amnestie für ehemalige RAF-Mitglieder und kritisierte die staatlichen Maßnahmen zur Durchsetzung von Atomkraftwerken und der damaligen Volkszählung als weitaus schlimmere, terroristische Gewalt. Dafür stellten sie einige Politiker und Medien als „Sympathisantin“ der RAF dar.[27] 2007 veröffentlichte sie nach sechs Jahren Recherche eine Biografie über Ulrike Meinhof, in der sie einige Fehlinformationen über Meinhof mit neuen Belegen korrigierte und Meinhofs Wendung zur RAF aus politischen, nicht nur individualpsychologischen Motiven erklärte.[28]

Am 12. Dezember 2013 wurde im Frankfurter Rathaus eine Gedenktafel zum Auschwitzprozess eingeweiht. Dazu überklebte Ditfurth den Namen von Hermann Josef Abs auf der Tafel der Frankfurter Ehrenbürger mit einem beschrifteten Zettel: „Abs war Chefbankier der Nazis und mitverantwortlich für Krieg, KZ, Massenmord, Raub und Versklavung. Max Horkheimer und Fritz Bauer sollen durch die Nähe zu seinem Namen nicht beleidigt werden.“ Der Zettel wurde entfernt, jedoch durfte sie ihre Aktion begründen.[29][30]

Im Frühjahr 2014 trat Ditfurth mit scharfer Kritik an den Mahnwachen für den Frieden hervor, besonders an deren Organisatoren und Hauptsprechern. Sie warf ihnen eine gezielte Querfront-Strategie und einen verkürzten Antikapitalismus mit völkischen, antisemitischen und rassistischen Motiven vor, der anschlussfähig für Neonazis sei. In diesem Zusammenhang bezeichnete sie den Mahnwachenredner Jürgen Elsässer in einem Fernsehinterview als „glühenden Antisemiten“.[31] Daraufhin kam es zu dem öffentlich beachteten Elsässer-Ditfurth-Prozess: Auf Elsässers Klage verbot das Landgericht München I Ditfurths Aussage. Es stufte sie als Beleidigung ein, indem es Antisemitismus als ausdrückliche Bejahung der NS-Zeit inklusive des Holocaust definierte.[32] Das Urteil wurde in deutschen und ausländischen Zeitungsberichten kritisiert.[33] Ditfurths Berufung wurde durch das Oberlandesgericht München abgewiesen. Dagegen erhob sie im November 2015 Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht; dieses nahm die Verfassungsbeschwerde im Juni 2016 nicht zur Entscheidung an.

Veröffentlichungen

  • Haltung und Widerstand: Eine epische Schlacht um Werte und Weltbilder. Hoffmann & Campe, Hamburg 2019, ISBN 3-455-00351-6.
  • Rudi Dutschke und Ulrike Meinhof. Geschichte einer politischen Freundschaft. (2008) 2., erweiterte Auflage, Konkret, Hamburg 2018, ISBN 978-3-930786-83-1.
  • Antisemitismus, völkische Querfront und die Linke. Westend, Frankfurt am Main 2016, ISBN 3-86489-640-1.
  • Mit Thomas Ebermann: Moderner Antisemitismus, Querfront und völkische Bewegung: Die Vorträge auf der Solidaritätsveranstaltung am 27.2.2015 im Kafe Marat, München. Ein Film von ÖkoLinX-Antirassistische Liste. ÖkoLinX, 2015, ISBN 3-9817558-0-4.
  • Halt die Klappe bis du denken kannst, Sigmar Gabriel! In: Markus Liske, Manja Präkels (Hrsg.): Vorsicht Volk! Oder: Bewegungen im Wahn? verbrecher Verlag, Berlin 2015, ISBN 3-95732-121-2, S. 128–130
  • Der Baron, die Juden und die Nazis. Reise in eine Familiengeschichte. Hoffmann & Campe, Hamburg 2013, ISBN 978-3-455-50273-2.
  • Zeit des Zorns. Warum wir uns vom Kapitalismus befreien müssen. Westend, Frankfurt am Main 2012, ISBN 978-3-86489-027-7.
  • Worum es geht – Flugschrift. Rotbuch, Berlin 2012, ISBN 978-3-86789-154-7.
  • Krieg, Atom, Armut. Was sie reden, was sie tun: Die Grünen. Rotbuch, Berlin 2011, ISBN 978-3-86789-125-7.
  • Die Himmelsstürmerin. Roman. (1998) Überarbeitete Neuausgabe, Rotbuch, Berlin 2010, ISBN 978-3-86789-110-3.
  • Yvonne Boenke (Hrsg.): Lieber einen Knick in der Biographie als einen im Rückgrat. Festschrift zum 70. Geburtstag von Horst Herrmann. Telos, Münster 2010
  • Ulrike Meinhof. Die Biografie. Ullstein, Berlin 2007, ISBN 978-3-550-08728-8.
  • Durch unsichtbare Mauern. Wie wird so eine links? Kiepenheuer & Witsch, Köln 2002, ISBN 3-462-03083-3.
  • Das waren die Grünen. Abschied von einer Hoffnung. Econ, München 2000, ISBN 3-548-75027-3.
  • Kommunismus und Natur. Das aufgelöste Rätsel der Geschichte. Über Wissenschafts- und Technikgläubigkeit, Ignoranz der Naturfrage und das rassistische und eugenische Menschenbild in der sozialdemokratischen und leninistischen Linken und der Arbeiterbewegung. In: Yvonne Boenke (Hrsg.): „Lieber einen Knick in der Biographie als einen im Rückgrat“. Festschrift zum 70. Geburtstag von Horst Herrmann. Telos, Münster 2010, ISBN 978-3-933060-31-0, S. 97–113
  • Feuer in die Herzen. Gegen die Entwertung des Menschen. (1992) Erweiterte und aktualisierte Neuausgabe, Konkret-Literatur-Verlag, Hamburg 1997, ISBN 3-89458-159-X.
  • Entspannt in die Barbarei. Esoterik, (Öko-)Faschismus und Biozentrismus. Konkret-Literatur-Verlag, Hamburg 1996, ISBN 3-89458-148-4.
  • Was ich denke. Goldmann, München 1995, ISBN 3-442-12606-1.
  • Blavatzkys Kinder. Lübbe, Bergisch Gladbach 1995, ISBN 3-404-12380-8
  • Lebe wild und gefährlich. Radikalökologische Perspektiven. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1991, ISBN 3-462-02106-0
  • Mit Manfred Zieran: Träumen, Kämpfen, Verwirklichen. Politische Texte bis 1987. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1988, ISBN 3-462-01903-1.
  • Mit Robert Jungk, Peter Rogge, Hans Ruh: Die Zukunft berechnen – eine Illusion? Mit einem Nachwort von Jürg Altwegg. Unisys, Sulzbach 1988
  • Mit Rose Glaser: Die tägliche legale Verseuchung unserer Flüsse und wie wir uns dagegen wehren können. Ein Handbuch mit Aktionsteil. Rasch und Röhring, Hamburg/Zürich 1987, ISBN 3-89136-163-7.
Commons: Jutta Ditfurth – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Biographien, Porträts
Texte von Jutta Ditfurth
Rezensionen
Interviews

Einzelnachweise

  1. Hoimar von Ditfurth: Innenansichten eines Artgenossen. Meine Bilanz. (1989) Geest-Verlag, Vechta 2013, ISBN 3866854218, S. 230 ff.
  2. Tilman Gerwien: Was macht eigentlich … Jutta Ditfurth? In: Stern, 25. April 1999
  3. Zur Geschichte von Rittergut und Schloß, Streiflichter aus der Kirchenchronik, gemeinde-langenorla.de, Heimathefte 3/2000, S. 1, S. 15
  4. Jutta Ditfurth: Der Baron, die Juden und die Nazis. Reise in eine Familiengeschichte: Synopsis.
  5. Jutta Ditfurth: Durch unsichtbare Mauern. Köln 2002, S. 51.
  6. Jutta Ditfurth: Durch unsichtbare Mauern. Köln 2002, S. 68.
  7. Jutta Ditfurth: Durch unsichtbare Mauern. Köln 2002, S. 89.
  8. Jutta Ditfurth: Durch unsichtbare Mauern. Köln 2002, S. 102 ff.
  9. Jutta Ditfurth: Durch unsichtbare Mauern. Köln 2002, S. 151 f.
  10. Jutta Ditfurth: Durch unsichtbare Mauern. Köln 2002, S. 157.
  11. Jutta Ditfurth: Das waren die Grünen. Abschied von einer Hoffnung. Econ, München 2000, S. 44–53
  12. Claus-Jürgen Göpfert: Die Hoffnung war mal grün: Aufstieg einer Partei: Das Frankfurter Modell. Westend, Frankfurt am Main 2016, S. 64–66; Jutta Ditfurth: Das waren die Grünen. Abschied von einer Hoffnung. Econ, München 2000, S. 63–79
  13. Jutta Ditfurth: Das waren die Grünen. Abschied von einer Hoffnung. Econ, München 2000, S. 154–173
  14. Jutta Ditfurth: Das waren die Grünen. Abschied von einer Hoffnung. Econ, München 2000, S. 2
  15. Inland: Grüne schlossen Jutta Ditfurth aus, Neues Deutschland, 4. Dezember 1991
  16. http://dju.verdi.de/ueber_die_dju/50_jahre_dju/data/chronik.pdf (Link nicht abrufbar)
  17. Kurzbiografie von Jutta Ditfurth, ÖkoLinX-ARL im Römer
  18. Brief an das Wahlamt der Stadt Frankfurt/Main, jutta-ditfurth.de vom 26. Mai 2008 (PDF; 174 kB)
  19. Stadt Frankfurt am Main: Stadtverordnetenwahl 2011 in Frankfurt am Main: Eine erste Analyse (PDF; 1,5 MB); ÖkoLinX-ARL, 6. September 2011: Pressemitteilung (PDF; 67 kB)
  20. Ökologische Linke: Alles zur Europawahl 26.5.2019. Ökologische Linke, 2019, abgerufen am 3. Mai 2019.
  21. Europawahlen 2019: Ergebnisse Deutschland., Bundeswahlleiter.de, 27. Mai 2019
  22. Jutta Ditfurth: Entspannt in die Barbarei. Konkret-Literatur-Verlag, Hamburg 1996, S. 157.
  23. Jutta Ditfurth: Das waren die Grünen. Abschied von einer Hoffnung. Econ, München 2000, S. 240–249
  24. Jutta Ditfurth: Das waren die Grünen. Abschied von einer Hoffnung. Econ, München 2000, S. 86–111
  25. Jutta Ditfurth: Das waren die Grünen. Abschied von einer Hoffnung. Econ, München 2000, S. 80–85 und 183–220; Jutta Ditfurth: Feuer in die Herzen. Plädoyer für eine ökologische linke Opposition. 1992, S. 206–211
  26. Jutta Ditfurth: Das waren die Grünen. Abschied von einer Hoffnung. Econ, München 2000, S. 281–306
  27. Jutta Ditfurth: Das waren die Grünen. Abschied von einer Hoffnung. Econ, München 2000, S. 149–154
  28. Arno Luik: Ditfurth über Meinhof: „Sie war die große Schwester der 68er“, Stern, 18. November 2007
  29. Georg Leppert: Frankfurt Römer: Jutta Ditfurth sorgt für Eklat, Frankfurter Rundschau, 13. Dezember 2013, abgerufen am 30. Mai 2019.
  30. Georg Leppert: Jutta Ditfurth: “Abs war Chefbankier der Nazis”, vom 13. Dezember 2013, abgerufen am 30. Mai 2019.
  31. Die neurechten Montagsdemos. Gespräch mit Jutta Ditfurth, 3sat-Mediathek, 16. April 2014, abgerufen am 30. Mai 2019
  32. Landgericht München I: Urteil vom 10. Dezember 2014, Az. 25 O 14197/14
  33. Benjamin Weinthal (The Jerusalem Post, 17. Oktober 2014): German judge sparks outrage, says anti-Semitism was only limited to Nazi period