Claudia Sheinbaum

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Claudia Sheinbaum (2024)

Claudia Sheinbaum Pardo (Aussprache ['ʃɛɪnbaʊm]; * 24. Juni 1962 in Mexiko-Stadt) ist eine mexikanische Physikerin und Politikerin. Sie ist seit dem 1. Oktober 2024 Präsidentin Mexikos, zu der sie bei den Präsidentschaftswahlen im Juni 2024 als erste Frau gewählt wurde. Davor war sie Regierungschefin von Mexiko-Stadt. Sie wurde im Juli 2018 als Teil der Koalition Juntos Haremos Historia und Mitglied der Partei Movimiento Regeneración Nacional (Morena) gewählt und blieb bis Juni 2023 im Amt. Sie ist die zweite Frau, die in dieses Amt in Mexiko-Stadt gewählt wurde.

Als Wissenschaftlerin ist sie Autorin von über 100 Fachartikeln und zwei Büchern zu den Themen Energie, Umwelt und nachhaltige Entwicklung und wirkte als Autorin bzw. Leitautorin an Sachstandsberichten des Weltklimarates (IPCC) mit.

Claudia Sheinbaum Pardo wurde in einer säkularen jüdischen Familie in Mexiko-Stadt geboren und ist dort aufgewachsen.[1] Die aschkenasischen Eltern ihres Vaters waren in den 1920er-Jahren aus Litauen ausgewandert. Die sephardischen Eltern ihrer Mutter stammen aus Bulgarien, väterlicherseits der Familie Pardo aus Sofia und mütterlicherseits der alteingesessenen Familie Calev aus Plowdiw und waren Ende der 1930er-Jahre aus Sofia, Bulgarien über Frankreich (Anfang der 1940er) vor dem Holocaust ebenfalls nach Mexiko geflüchtet.[2] Ihre Eltern sind Wissenschaftler: Annie Pardo Cemo ist Biologin und emeritierte Professorin der Fakultät für Naturwissenschaften an der UNAM; ihr Vater Carlos Sheinbaum Yoselevitz Chemieingenieur. Ihr Bruder ist ebenfalls Physiker.[3] Der Politiker Enrique Semo Calev (* 1930 in Sofia) ist Claudias Onkel mütterlicherseits.[4][5]

1986 lernte sie den Politiker Carlos Ímaz Gispert kennen, mit dem sie von 1987 bis 2016 verheiratet war.[6] Sheinbaums Stiefsohn ist der 1982 geborene bildende Künstler und Dokumentarfilmer Rodrigo Imaz Alarcón,[7] ihre Tochter die 1988 geborene Philosophin Mariana Imaz Sheinbaum.[8]

Sheinbaum studierte Physik an der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko (UNAM), wo sie 1989 einen Bachelor erwarb, gefolgt von einem Master (1994) und einer Promotion (1995) in Energietechnik. Sie schloss ihre Doktorarbeit nach vier Jahren (1991–94) am Lawrence Berkeley National Laboratory in Berkeley, Kalifornien, ab, wo sie den Energieverbrauch im mexikanischen Verkehrswesen analysierte, Studien über die Entwicklung des Energieverbrauchs in mexikanischen Gebäuden veröffentlichte und einen Doktorgrad in Energietechnik und Physik erwarb. Sie wurde daraufhin Teil der Fakultät der UNAM und der Mexikanischen Akademie der Wissenschaften.[9]

Politische und wissenschaftliche Laufbahn

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahr 1989 war sie Mitbegründerin der Partido de la Revolución Democrática (PRD). Aus dieser trat sie im Jahr 2014 aus und schloss sich der Movimiento Regeneración Nacional (Morena) an.[10] In den 1990er Jahren war sie Teil einer Studentenbewegung, die gegen die Privatisierung der Bildung protestierte.[11] Während ihres Studiums in den USA nahm sie an einem Protest gegen den dort auftretenden mexikanischen Präsidenten Carlos Salinas de Gortari teil.[11]

Ab Dezember 2000 war sie Umweltministerin von Mexiko-Stadt, nachdem sie im November 2000 in das Kabinett des damaligen Regierungschefs des Bundesdistrikts Mexiko-Stadt, Andrés Manuel López Obrador, berufen worden war.[12] Ihre Amtszeit endete im Mai 2006. Danach kehrte sie vorübergehend wieder in die Wissenschaft zurück. 2007 wurde sie Mitglied des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), welches im selben Jahr den Nobelpreis erhielt.[13] Als Autorin bzw. Leitautorin war sie am 2007 erschienenen Vierten bzw. am 2013 erschienenen Fünften Sachstandsbericht des IPCC beteiligt. Beim IPCC war auch der mexikanische Chemiker Mario J. Molina beteiligt, der eine Arbeit über die Umwelt von Mexiko-Stadt veröffentlichte und mit dem sie schon in den USA zusammengearbeitet hat.[6] Von 2015 bis 2017 war sie Bürgermeisterin von Tlalpan.[14] Sie trat von diesem Amt zurück, als sie die Nominierung für die Kandidatur als Regierungschefin von Mexiko-Stadt für die Koalition Juntos Haremos Historia erhielt, die aus der Movimiento Regeneración Nacional (MORENA), der Partido del Trabajo (PT) und der Partido Encuentro Social (PES) besteht. Sie wurde bei ihrer Kandidatur von ihrem Mentor, dem damaligen Präsidentschaftskandidaten Andrés Manuel López Obrador, unterstützt.[10]

Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Claudia Sheinbaum (2022)

Im Juli 2018 wurde Sheinbaum für eine sechsjährige Amtszeit als Regierungschefin des Bundesdistrikts Mexiko-Stadt gewählt, dabei setzte sie sich gegen sechs andere Kandidaten durch. Das Amt entspricht dem eines Gouverneurs eines Bundesstaates oder in Deutschland eines Regierenden Bürgermeister.[15] Im Juni 2019 kündigte Sheinbaum vor dem Hintergrund von extremer Luftverschmutzung und Wassermangel in Mexiko-Stadt einen neuen Sechs-Jahres-Umweltplan an. Er sah vor, die Luftverschmutzung um 30 % zu reduzieren, 15 Millionen Bäume zu pflanzen, Einwegplastik zu verbieten und das Recycling zu fördern, eine neue Mülltrennungsanlage zu bauen, alle Haushalte mit Wasser zu versorgen, 100 Kilometer Korridore für die ausschließliche Nutzung durch Oberleitungsbusse und das Metrobús-System von Mexiko-Stadt zu bauen und zu installieren sowie Warmwasserbereiter und Sonnenkollektoren zu installieren.[16][10] Im selben Jahr tauchte sie in der Liste 100 Women der BBC auf.[17] In ihrer Amtszeit als Bürgermeisterin halbierte sich die Mordrate in Mexiko-Stadt. Das sei Sheinbaum nach Angaben des Politikwissenschaftlers Carlos Perez Ricart gelungen, ohne den Sicherheitsapparat zu militarisieren. Sheinbaum habe die investigative Arbeit der Polizei gestärkt, die Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft verbessert[10] und indirekt, durch ihren Sicherheitsberater Omar García Harfuch, die Kooperation mit US-Strafverfolgungsbehörden zur Bekämpfung der Kriminalität genutzt.[18]

Präsidentin von Mexiko

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit Wirkung zum 16. Juni 2023 kündigte sie als aussichtsreichste Anwärterin auf Mexikos Präsidentenamt bei der Wahl am 2. Juni 2024 ihren Rücktritt vom Posten als Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt an, um im internen Auswahlverfahren der linksnationalistischen Präsidentenpartei Bewegung der Nationalen Erneuerung (MoReNa) um die Nominierung zu kämpfen.[19] Im September 2023 nominierte die regierende Drei-Parteien-Koalition Sheinbaum zu ihrer Spitzenkandidatin für die Wahl. Da auch das zentristische Oppositionsbündnis Frente Amplio por México (Breite Front für Mexiko) eine Frau nominierte, die Senatorin und Computeringenieurin Xóchitl Gálvez, ergab sich eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass erstmals in Mexiko eine Frau ins Amt kommen würde.[20] An ihrer Amtseinführung am 1. Oktober 2024 nahmen unter anderem Brasiliens Präsident Lula da Silva, der kolumbianische Präsident Gustavo Petro, US-First Lady Jill Biden und Ex-Bundespräsident Christian Wulff teil.[21] Der spanische König Felipe VI. war nicht eingeladen, was als Affront gilt und damit begründet wurde, dass erst für die blutige Kolonialisierung Mexikos um Verzeihung gebeten werden müsse.[22]

Politische Ausrichtung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Claudia Sheinbaum ist Mitglied der Morena, einer politisch links stehenden bzw. sozialdemokratischen Partei. Sie gilt als enge Verbündete ihres Vorgängers im Präsidentenamt, Andrés Manuel López Obrador, verfolgt aber im Vergleich zu dem Populisten López Obrador einen stärker technokratischen Politikansatz.[23] Sie hat versprochen, die Sozialhilfe unter ihrer Präsidentschaft auszuweiten und die von ihrem Vorgänger begonnenen Programme weiterzuführen.

Sheinbaum bezeichnet sich als Feministin und setzt sich für die Legalisierung von Abtreibung ein.[24][25] Im Jahr 2022 nahm sie als erste Regierungschefin von Mexiko-Stadt an der örtlichen Pride-Parade teil.[26]

Commons: Claudia Sheinbaum – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Carrie Kahn: Meet Mexico City’s First Elected Female Mayor. In: NPR.org. 25. Juli 2018, abgerufen am 7. Dezember 2021.
  2. David Brinn: 17. Claudia Sheinbaum. A Mexican firebrand. In: Jerusalem Post. 9. September 2018, abgerufen am 7. Dezember 2021 (amerikanisches Englisch).
  3. Judíos y científicos. La familia de Claudia Sheinbaum. In: Enlace Judío. 18. Dezember 2018, abgerufen am 7. Dezember 2021 (mexikanisches Spanisch).
  4. Radko Paunov: Пловдивският род на новата мексиканска президентка. auf Deutsch: Die Plowdiwer Herkunft der neuen mexikanischen Präsidentin. In: 24chasa.bg. 5. Juni 2024, abgerufen am 6. Juni 2024 (bulgarisch).
  5. Irina Batschewa (Ирина Бачева): Ели Анави: Сефарадските корени на Клаудия Шейнбаум идват от Пловдив. auf Deutsch: Eli Anavi: Die sephardischen Wurzeln von Claudia Sheinbaum stammen aus Plowdiw. In: Dnevnik / dnevnik.bg. 5. Juni 2024, abgerufen am 6. Juni 2024 (bulgarisch).
  6. a b Bibiana Belsasso: “Me separé de Carlos Ímaz de común acuerdo hace un año”. In: La Razón. 5. Januar 2018, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 5. Januar 2018; abgerufen am 7. Dezember 2021 (Interview).
  7. Baby on the way! Claudia Sheinbaum announced that she will become a grandmother. In: Paudal. 25. Februar 2023.
  8. Mariana Imaz Sheinbaum: ¿Qué tiene que ver con el Conacyt y qué dijo la jefa de Gobierno al respecto? In: El Financiero. 27. September 2021.
  9. Can this environmental engineer—now elected mayor—fix Mexico City? In: Science. 2. Juli 2018, abgerufen am 7. Dezember 2021 (englisch).
  10. a b c d Jens Glüsing: (S+) Präsidentschaftskandidatin Claudia Sheinbaum: Kann »La Doctora« Mexiko heilen? In: Der Spiegel. 1. Juni 2024, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 2. Juni 2024]).
  11. a b Sebastián Ortega: Claudia Sheinbaum: la hija de Tlatelolco. In: Revista Anfibia. 3. Juni 2024, abgerufen am 4. Juni 2024 (spanisch).
  12. Presenta AMLO su gabinete. In: El Universal. 21. November 2000, abgerufen am 7. Dezember 2021 (spanisch).
  13. Karen Esquivel: ¿Qué papel tuvo Claudia Sheinbaum en el Nobel de la Paz que ganó un panel intergubernamental? In: CNN. 3. Juni 2024, abgerufen am 4. Juni 2024 (spanisch).
  14. Kathleen Magramo, Tara John: Mexico elected its first female president. Here’s what to know about Claudia Sheinbaum. 3. Juni 2024, abgerufen am 4. Juni 2024 (englisch).
  15. Mexico City elects first Jewish mayor. In: Jewish Telegraphic Agency. 2. Juli 2018, abgerufen am 7. Dezember 2021 (amerikanisches Englisch).
  16. In six years, water service for everyone: Mexico City mayor. In: Mexico News Daily. 6. Juni 2019, abgerufen am 7. Dezember 2021 (amerikanisches Englisch).
  17. BBC 100 Women 2018: Who is on the list? In: BBC News. 19. November 2018, abgerufen am 7. Dezember 2021.
  18. Jens Glüsing: (S+) Drogenkrieg in Mexiko: Festnahme des Sinaloa-Kartellchefs – »Das Monster ist erwacht«. In: Der Spiegel. 22. September 2024, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 22. September 2024]).
  19. Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt tritt zurück. Ihr Ziel ist es, ein noch höheres Amt anzutreten: Claudia Sheinbaum möchte die erste Präsidentin des lateinamerikanischen Landes werden. In: freenet.de. 12. Juni 2023, abgerufen am 13. Juni 2023 (Quelle: dpa).
  20. dpa: Mexikos Regierungskoalition kürt Präsidentschaftskandidatin. In: FAZ.net. 7. September 2023, abgerufen am 28. Januar 2024.
  21. Ana Alonso: Claudia Sheinbaum, atada al legado de AMLO: un México más violento, menos democrático pero menos pobre. In: elindependiente.com. 30. September 2024, abgerufen am 1. Oktober 2024 (spanisch): „Deutschland hat den ehemaligen Präsidenten Christian Wulff geschickt und die USA haben die First Lady, Jill Biden, geschickt. Die Beziehungen zu den USA sowie zu Spanien seien „auf Eis gelegt“. Der brasilianische Präsident Lula da Silva, eine Referenz für AMLO, der Kolumbianer Gustavo Petro und der Chilene Gabriel Boric sind anwesend.“
  22. Klaus Ehringfeld: Mexiko hat erstmals eine Präsidentin – sie startet mit einem Eklat. In: Berliner Morgenpost. 1. Oktober 2024, abgerufen am 1. Oktober 2024.
  23. What Claudia Sheinbaum’s victory might mean for Mexico. In: The Economist. ISSN 0013-0613 (economist.com [abgerufen am 6. Juni 2024]).
  24. Capital 21 Web: Soy feminista, pero no apoyo violencia: Sheinbaum. In: NOTICIAS | Capital 21. 29. September 2020, abgerufen am 6. Juni 2024 (mexikanisches Spanisch).
  25. Emiliano Rodríguez Mega, Simon Romero: A Historic First for Mexico as Two Women Vie for the Presidency. In: The New York Times. 7. September 2023, ISSN 0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 6. Juni 2024]).
  26. Claudia Sheinbaum, la primer Jefa de gobierno en asistir a la marcha LGBT+. 25. Juni 2022, abgerufen am 6. Juni 2024 (spanisch).