Clemens Jabloner
Clemens Jabloner (* 28. November 1948 in Wien) ist ein österreichischer Politiker und Hochschullehrer. Er war Präsident des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs und ist Universitätsprofessor für Rechtstheorie an der Universität Wien. Er war von 3. Juni 2019 bis 1. Oktober 2019 Vizekanzler der Republik Österreich sowie von 3. Juni 2019 bis 7. Jänner 2020 Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz.
Beruflicher Werdegang
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach dem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien (Promotion zum Dr. iur. 1972) war er zunächst Vertragsbediensteter im Bundesministerium für soziale Verwaltung von 1974 bis 1975 und danach Universitätsassistent an der Universität Wien von 1975 bis 1978. Von 1978 bis 1991 war er Beamter im Bundeskanzleramt (BKA), zuletzt in der Funktion als Leiter der Sektion Zentrale Personalverwaltung. Im Jahr 1991 wurde er zum Vizepräsidenten und 1993 zum Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes bestellt. Diese Funktion übte er bis 2013 aus.
1988 habilitierte Jabloner an der Universität Wien mit einer Arbeit über die Mitwirkung der Bundesregierung an der Landesgesetzgebung, 1996 wurde er zum Universitätsprofessor für österreichisches Verfassungsrecht an der Universität Wien ernannt. Seit 2014 bekleidet er die „Hans-Kelsen-Professur“ am Institut für Rechtsphilosophie der Universität Wien.[1]
Am 3. Juni 2019 wurde er als Vizekanzler und Justizminister in der Bundesregierung Bierlein, einer Experten- bzw. Beamtenregierung, von Bundespräsident Alexander Van der Bellen angelobt. Nach der Nationalratswahl im September 2019 wurde die Regierung vom Bundespräsidenten des Amtes enthoben. Gleichzeitig wurde Jabloner gebeten, die Geschäfte als Justizminister bis zur Angelobung der nächsten Bundesregierung weiterzuführen,[2] die am 7. Jänner 2020 erfolgte.
Sonstige Tätigkeiten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Clemens Jabloner ist seit 1993 Geschäftsführer des Hans-Kelsen-Instituts[3] und war von 1998 bis 2003 Vorsitzender der Historikerkommission der Republik Österreich über den „Vermögensentzug“ auf dem Gebiet der Republik Österreich während der NS-Zeit. Weiters war er von 2003 bis 2005 Mitglied des Österreich-Konvents. Seit 2008 ist er Vorsitzender des beim BKA eingerichteten Kunstrückgabebeirats.[4]
Kritik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Mit dem Wiener Historiker Oliver Rathkolb ist Clemens Jabloner für die Beseitigung des von Bürgermeister Gerhard Skiba 1989 errichteten Mahnsteins vor dem Hitler-Geburtshaus in Braunau am Inn eingetreten. Nach heftiger Kritik des Schriftstellers Ludwig Laher[5], des Historikers Dirk Rupnow[6] und einer von der SPÖ Braunau und den Omas gegen Rechts am 4. Juli 2020 organisierten Kundgebung hat der Braunauer Gemeinderat einstimmig den Verbleib des Mahnsteins beschlossen.[7] Jabloner hatte diese Empfehlung als Mitglied der vom Bundesministerium für Inneres einberufenen „Experten-Kommission zum historisch korrekten Umgang mit dem Geburtshaus Adolf Hitlers“ ausgesprochen. Der Gedenkstein sollte laut Sektionschef Hermann Feiner möglichst im Haus der Geschichte Österreich untergebracht werden.[8]
Privates
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Jabloners Eltern haben einander im Shanghaier Ghetto kennengelernt, wohin sie aufgrund des Nationalsozialismus geflohen waren: Der Vater, Hans Jabloner, stammte aus Wien, führte in Shanghai ein Restaurant und eröffnete nach der Rückkehr in Wien das Café „Altes Rathaus“, das zum Treffpunkt der ehemaligen Emigrantinnen und Emigranten aus Shanghai („Shanghailänder“) wurde; zu diesen zählte unter anderen auch der Vater von Michael Landau. Clemens Jabloners Mutter, Jutta Jabloner, stammte aus Memel in Ostpreußen und starb 2020 im 100. Lebensjahr.[9][10] 2020/21 behandelte eine Ausstellung im Jüdischen Museum Wien das jüdische Exil in Shanghai. Bei der Eröffnung der Ausstellung war Clemens Jabloner einer der Ehrengäste.[11] Über das Exil seiner Eltern in Shanghai hat Jabloner auch anlässlich des Holocaust-Gedenktags 2022 berichtet.[12]
Jabloner ist verheiratet und Vater von drei Kindern.
Auszeichnungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 2000: Großes Goldenes Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich[13]
- 2005: Marietta und Friedrich Torberg-Medaille
- 2006: Verleihung des Ehrendoktorats der Rechtswissenschaften für seine herausragenden wissenschaftlichen Leistungen und für die verantwortungsvolle Führung seines Amtes durch die Universität Salzburg
- 2009: Großes Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien[14]
- 2009: Ehrenmitglied der philosophisch-historischen Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
- 2015: Österreichischer Verfassungspreis
- 2021: Preis der Stadt Wien für Geistes-, Sozial-, Kultur- und Rechtswissenschaften[15][16][17]
Veröffentlichungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Die Mitwirkung der Bundesregierung an der Landesgesetzgebung. Verlag Österreich, Wien 1989, ISBN 978-3-7046-0138-4.
- (mit Brigitte Bailer-Galanda u. a.): Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich. Forschungsbericht der Historikerkommission der Republik Österreich. Band 1: Zusammenfassungen und Einschätzungen. Schlußbericht (2003), ISBN 3-7029-0474-3 (Digitalisat).
- Der Jurist in der Zeitgeschichte In: Horst Dreier, Dietmar Willoweit (Hrsg.): Würzburger Vorträge zur Rechtsphilosophie, Rechtstheorie und Rechtssoziologie Heft 31, Nomos, Baden-Baden 2004, ISBN 3-8329-0433-6, S. 5–30 (Digitalisat).
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Der Vizekanzler und Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz ( vom 3. Juni 2019 im Internet Archive) auf der Website des BMVRDJ
- Clemens Jabloner auf den Webseiten des österreichischen Parlaments
- Lebenslauf auf der Website der Universität Wien
- Literatur von und über Clemens Jabloner im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Eintrag zu Clemens Jabloner im Austria-Forum (im AEIOU-Österreich-Lexikon)
- Benedikt Kommenda: Suche nach dem Recht im GPS-Modus. In: Die Presse. 18. August 2014 .
- Clemens Jabloner auf meineabgeordneten.at
- Wahrnehmungsbericht des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Clemens Jabloner 11. November 2019 (Digitalisat).
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Univ.-Prof. Dr. Clemens Jabloner – Zur Person. In: univie.ac.at. Abgerufen am 30. Mai 2019.
- ↑ Warum es keinen Vizekanzler mehr gibt. In: derstandard.at. 7. Oktober 2019, abgerufen am 7. Oktober 2019.
- ↑ Hans Kelsen - Institut. In: univie.ac.at. Abgerufen am 1. April 2022.
- ↑ Kunstrückgabe in Österreich . ( des vom 30. Mai 2019 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. In: bka.gv.at. Abgerufen am 30. Mai 2019.
- ↑ Ludwig Laher: Braunau von Wien aus enthitlern. In: Der Standard. 8. Juni 2020, abgerufen am 16. März 2022.
- ↑ Dirk Rupnow: Braunau: Wie soll man umgehen mit dem Geburtshaus des Bösen? In: Die Presse. 10. Dezember 2019, abgerufen am 16. März 2022.
- ↑ Raffaela Lindorfer: Braunau lehnt Rat von Ministerium ab: Mahnstein bleibt vorm Hitlerhaus. In: Kurier. 9. Juli 2020, ehemals im ; abgerufen am 16. März 2022. (Seite nicht mehr abrufbar. [node:path Suche in Webarchiven]) (nicht mehr online verfügbar)
- ↑ Ort für Gedenkstein von Hitler-Geburtshaus noch offen. In: Salzburger Nachrichten. 7. Juni 2020, abgerufen am 16. März 2022.
- ↑ Danielle Spera: Jutta Jabloner 1920-2020. In: jmw.at. Jüdisches Museums Wien, abgerufen am 2. Oktober 2024 (Nachruf).
- ↑ Die Flucht nach Shanghai führte ins Ungewisse. In: Salzburger Nachrichten. 21. Oktober 2020, abgerufen am 2. Oktober 2024.
- ↑ "Die Wiener in China. Fluchtpunkt Shanghai"
- ↑ Ulrike Kozeschnik-Schlick: Holocaust Gedenktag: Eine Flucht von Wien über Triest nach Shanghai. In: Meinbezirk.at. 27. Januar 2022, abgerufen am 28. Januar 2022.
- ↑ Aufstellung aller durch den Bundespräsidenten verliehenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ab 1952 (PDF; 6,6 MB).
- ↑ Wien ehrt Clemens Jabloner. In: Rathauskorrespondenz vom 16. Dezember 2009.
- ↑ Preise der Stadt Wien 2021 für herausragende Leistungen in Kultur und Wissenschaft. In: PID Presse- und Informationsdienst der Stadt Wien/ots.at. 1. September 2021, abgerufen am 2. September 2021.
- ↑ Preise der Stadt Wien an Ex-Minister Jabloner und hdgö-Chefin Sommer. In: DerStandard.at/APA. 1. September 2021, abgerufen am 2. September 2021.
- ↑ hdgö-Chefin Sommer erhält Preis der Stadt Wien. In: Salzburger Nachrichten/APA. 1. September 2021, abgerufen am 2. September 2021.
Personendaten | |
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NAME | Jabloner, Clemens |
KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Höchstrichter und Hochschullehrer |
GEBURTSDATUM | 28. November 1948 |
GEBURTSORT | Wien |
- Vizekanzler (Österreich)
- Justizminister (Österreich)
- Präsident des Verwaltungsgerichtshofs (Österreich)
- Rechtsphilosoph (20. Jahrhundert)
- Rechtsphilosoph (21. Jahrhundert)
- Staatsrechtler (20. Jahrhundert)
- Staatsrechtler (21. Jahrhundert)
- Verwaltungsjurist
- Hochschullehrer (Universität Wien)
- Ehrendoktor der Universität Salzburg
- Träger des Großen Goldenen Ehrenzeichens am Bande für Verdienste um die Republik Österreich
- Träger des Großen Goldenen Ehrenzeichens für Verdienste um das Land Wien
- Träger der Marietta und Friedrich Torberg-Medaille
- Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
- Absolvent der Universität Wien
- Österreicher
- Geboren 1948
- Mann