St.-Martini-Kirche (Stadthagen)

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St. Martini von West

Die St.-Martini-Kirche ist ein evangelisch-lutherisches Kirchengebäude im Zentrum von Stadthagen. Sie ist durch gotische Stilelemente geprägt und mit einem angebauten fürstlichen Mausoleum verbunden.

Kirchenschiff nach Ost

Bereits 1230 wird eine Kirche am heutigen Standort erwähnt, die jedoch aufgrund ihrer geringen Größe im Jahre 1318 abgetragen wurde. Von dieser Kirche sind heute noch der 42,3 Meter hohe Turm, der das gesamte Stadtbild beherrscht, und ein Teil der Ummauerung vorhanden.

Aus verschiedenen Bauperioden des Mittelalters stammt die dreischiffige gotische Hallenkirche mit drei Anbauten. Das an der Südseite der Kirche 1430 errichtete Beinhaus wird heute als Heizungsraum und Aufgang zum Kirchturm genutzt.

An der Nordseite befindet sich die Trinitatiskapelle, die um 1544 errichtet wurde und heute Ehrenmal für die in beiden Weltkriegen Gefallenen der Martini-Gemeinde sowie Aufgang zur Fürstenloge ist. Weiterhin ist eine 1541 entstandene Sakristei angeschlossen, die heute Kapellenraum ist.

In diesem Anbau befindet sich eine Piscina, also ein Ausguss für das Taufwasser, das alljährlich einmal in der Osternacht erneuert und geweiht wurde.

In den 1970er Jahren ist die Kirche aufgrund von Bauschäden restauriert worden, wurde jedoch 1992 durch einen Brandanschlag schwer beschädigt. Heute ist die Kirche wiederhergestellt.

Der Kirchenbau des 14. Jahrhunderts ist als dreischiffige Hallenkirche mit polygonalem Umgangschor und westlich vorgelagertem Einturm errichtet, sein Raumeindruck wird von Kreuzrippengewölben über kräftigen oktogonalen Pfeilern bestimmt. In seiner Grundform vertritt er den Bautypus der spätmittelalterlichen Residenzkirche.[1] Die Kirche diente als Vorbild für die Bückeburger Stadtkirche, die – zweihundert Jahre später – in der Zeit der Weserrenaissance eine Rückorientierung an die Baukunst der Gotik suchte.

Im Turmdurchgang befindet sich hinter einem schmiedeeisernen Gitter das 4,5 Meter hohe und 9 Meter breite steinerne Grabdenkmal des Grafen Otto IV. (1544 bis 1576) zwischen seinen beiden Frauen. Das Grabmal wurde 1581 von seiner zweiten Frau Elisabeth Ursula von Braunschweig-Lüneburg eingeweiht. Es stand bis zur Restaurierung der Kirche in den 1970er Jahren im Chor der Kirche. Graf Otto IV. führte die Reformation in seinen Grafschaften Schaumburg und Holstein-Pinneberg ein und ließ auch das Schloss Stadthagen bauen. Der erste evangelische Prediger war Jakob Dammann, der im Jahr 1558 als Hofprediger und kurze Zeit später auch als Stadtprediger nach Stadthagen kam. Weiter sind im Durchgang zwei Begräbnistafeln aus den Jahren 1539 und 1559 zu sehen: rechts für Ludolph Bulle, links für Christoph von Münchhausen.

Links vom Turmdurchgang befindet sich die Fürstenloge, gebaut vom Grafen Otto IV. Sie trägt sein Wappen und die seiner beiden Frauen sowie das Wappen des Fürsten Georg von Schaumburg-Lippe (1893 bis 1911) und seiner Frau. Die übrigen Felder zeigen die Apostel und Christus.

Im Mittelschiff der Kirche hängt an einer Kette ein lebensgroßes Triumphkreuz. Neben ihm stehen Maria und Johannes.

Kostbarstes Ausstattungsstück der Kirche ist das Altarretabel, das im Jahr 1460 in einer flandrischen Werkstatt hergestellt wurde. Ursprünglich handelte es sich um einen Flügelaltar. Im Jahr 1585 wurde er auf Veranlassung und auch auf Kosten des Kanzlers von Wietersheim umgebaut und um die Hälfte verkleinert und mit einem Rahmen im Stil der Renaissance gefasst. Im Schrein befinden sich die mittelalterlichen Schnitzreliefs der Passion Christi. Darüber ist ein Reisealtar in den Aufbau integriert, dessen alabasternes, marmorähnliches Relief ebenfalls die Kreuzigung zeigt, darüber die Auferstehung Christi und Gott Vater. Flankiert wird der ehemalige Reisealtar durch weitere Reliefs aus dem mittelalterlichen Flügelaltar. Das Retabel bildet so, aus mehreren Teilen zusammengesetzt, ein künstlerisch harmonisches Ganzes.

Die Kanzel aus dem 16. Jahrhundert zeigt neben Christus als Weltherrscher Paulus mit Schwert und Buch, Johannes schreibend mit Adler, Lukas schreibend mit einem Stier, Markus mit dem Löwen, Matthäus mit dem geflügelten Menschen. Unter jedem der Bilder sind ein bärtiger Kriegerkopf sowie das Nesselblatt der Schaumburger zu sehen. Zwei lateinische Inschriften weisen auf die Bilder hin. Eine Rarität ist eine der wenigen erhaltenen mechanischen Predigtuhren.[2]

An der Hinterseite der St. Martini-Kirche schließt sich das 1609 vom Fürsten Ernst von Schaumburg bis 1622 errichtete fürstliche Mausoleum an.

Orgel

Die Orgel von St. Martini geht in Teilen zurück auf ein Instrument der Gebrüder Slegel, das bereits für 1559 nachgewiesen werden konnte. 1731 wurde die Orgel durch den Orgelbauer Christian Vater (Hannover) reorganisiert. Das Instrument hatte danach 32 Register auf zwei Manualen (Werk, Rückpositiv) und Pedal. Bei einem Brand im Jahre 1908 ging ein Großteil der historischen Substanz verloren. Bereits 1909 wurde durch die Furtwängler & Hammer (Hannover) eine neue Orgel unter Verwendung des noch vorhandenen Pfeifenmaterials erbaut. Das nunmehr romantisch disponierte Instrument hatte 44 Register auf drei Manualen und Pedal. 1974 wurde das Instrument erneut umgebaut und von der Orgelbaufirma Hammer (Hannover) auf 54 Register erweitert. 2003 wurde das Orgelwerk von Alfred Kern (Straßburg) in dem historischen Prospekt vollständig erneuert. Das Instrument ist nun französisch-romantisch disponiert. Rückpositiv, Hauptwerk und Pedal sind in Anlehnung an Silbermann-Orgeln mensuriert, das Schwellwerk überwiegend nach Cavaillé-Coll.[3]

I Rückpositiv C–a3
1. Bordun 8′
2. Quintadena 8′
3. Salicional 8′
4. Principal 4′
5. Rohrflöte 4′
6. Narsard 3′
7. Doublette 2′
8. Tierce 135
9. Larigot 113
10. Mixtur IV 1′
11. Dulcian 16′
12. Cromorne 8′
II Hauptwerk C–a3
13. Bordun 16′
14. Principal 8′
15. Flûte harmonique 8′
16. Viola 8′
17. Flûte douce 8′
18. Octave 4′
19. Spitzflöte 4′
20. Nasard 3′
21. Octave 2′
22. Cornet V 8′
23. Mixtur IV 113
24. Scharff III 23
25. 1ière Trompette 8′
26. 2ième Trompette 8′
27. Clairon 4′
III Schwellwerk C–a3
28. Quintatön 16′
29. Flûte harmonique 8′
30. Cor de nuit 8′
31. Gambe 8′
32. Voix céleste (ab c0) 8′
33. Viola 4′
34. Flûte octaviante 4′
35. Octavin 2′
36. Cornet III (ab g0)
37. Progression II-IV 2′
38. Basson 16′
39. Trompette harmonique 8′
40. Basson-Hautbois 8′
41. Voix humaine 8′
Pedal C–f1
42. Untersatz 32′
43. Principalbaß 16′
44. Subbaß 16′
45. Octavbaß 8′
46. Gedacktbaß 8′
47. Octavbaß 4′
48. Mixturbaß IV 223
49. Ophicléide 16′
50. Trompete 8′
51. Clairon 4′

Fürstliches Mausoleum

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Mausoleum von Süd, links der Chor der Martinikirche

Der siebeneckige Kuppelbau aus Bückebergsandstein wurde, wie die umlaufende Inschrift am Fries des Gebälks mitteilt, im Jahr 1620 von Fürst Ernst begonnen und drei Jahre, nachdem er 1622 verstorben war, von seiner Witwe Hedwig von Hessen-Kassel vollendet.[4] In der Mitte des reich ausgestatteten Innenraums, der nur vom Chor der St.-Martini-Kirche aus zugänglich ist, beeindruckt das Grabdenkmal des Fürsten Ernst, das Adriaen de Vries 1613 bis 1620 in Prag aus Marmor und Bronze schuf. Auf dem Gesims sitzen vier Krieger in römischer Tracht. Der Sarkophag mit dem Brustbild des Fürsten wird von vier Löwen getragen. Auf einer Erhöhung des Deckels steht in Überlebensgröße (Höhe 2,10 m und Breite 1,80 m) der auferstandene Heiland mit einer 2,80 m langen Kreuzfahne.

Links und rechts vom Eingang befinden sich die Gemälde Belebung der Totengebeine am Tage des Gerichts und Erweckung des Lazarus durch den Heiland von Anton Boten, der auch die Deckenmalerei geschaffen hat. In der Gruft wurden bis 1916 die gräflichen und fürstlichen Mitglieder des Hauses Schaumburg-Lippe beigesetzt.[5]

  • Hans Werner Dannowski: Städtefahrten in Niedersachsen. 20 Stadtportraits. Schlütersche, Hannover 2004, S. 267 f. (über das Mausoleum).
  • Christian Konrad Jakob Dassel: Historische Beschreibung der St. Martinikirche zu Stadthagen. Grimme, Bückeburg 1819.
  • Karl Anton Dolle: Kurtzgefaßte Geschichte der Graffschaft Schaumburg. Althans, Stadthagen 1756. Darin: § 15, S. 568–581, über das Mausoleum; § 16, S. 581–585, über das Monument des Grafen Otto IV. neben dem Altar; § 17, S. 585 f., über den Taufstein. (Digitalisat von Google Books)
  • Hermann Heidkämper: Die Pastoren der St. Martinikirche zu Stadthagen seit der Reformation. In: Mitteilungen des Vereins für schaumburg-lippische Geschichte, Altertümer und Landeskunde 9 (1943), S. 58–75.
  • Heinrich Ulbrich: Ev.-luth. St.-Martini-Kirche Stadthagen (Große Baudenkmäler, Heft 379). München/Berlin 1987
Commons: St.-Martini-Kirche (Stadthagen) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Johann Josef Böker: Spätgotische Residenzkirchen im Weserraum. In G. Ulrich Großmann (Hrsg.): Renaissance in Nord-Mitteleuropa, Teil I (Schriften des Weserrenaissance-Museums Schloß Brake, Bd. IV). Deutscher Kunstverlag, München 1991, S. 148–158.
  2. Heimo Reinitzer: Tapetum Concordiae. Peter Heymans Bildteppich für Philipp I. von Pommern und die Tradition der von Mose getragenen Kanzeln. De Gruyter, Berlin 2012, ISBN 978-3-11-027887-3. S. 216.
  3. http://www.orgel-owl.de/s_hagen.htm Orgel; http://www.stmartini-stadthagen.de/st-martini-kirche/
  4. Inschrift am Mausoleum:
    MONUMENTUM PRIN[CIPIS] ERNESTI COMIT[IS] H[OLSTEIN-]S[CHAUMURGENSIS]
    QUOD A[NN]O M.DC.XX. À VIVO CŒPTUM,
    TERTIO POST ILLUSTRISS[IMI] ABSOLVIT VIDUA HEIDEWIGIS.
    „Grabmal des Fürsten Ernst, Grafen von Holstein-Schaumburg,
    das, im Jahr 1620 vom Lebenden begonnen,
    im dritten Jahr danach Hedwig, die Witwe des Erlauchtesten, vollendete.“
  5. Hans Werner Dannowski: Städtefahrten in Niedersachsen. 20 Stadtportraits, Hannover: Schlütersche, 2004, S. 267.

Koordinaten: 52° 19′ 24,5″ N, 9° 12′ 24,2″ O