Textur in der Kunst

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Die erhabene, physische Textur einer Ölmalerei durch pastosen Farbauftrag. Vincent van Gogh: Sternennacht. 1889. Detail.

Die Textur (von lateinisch textūra: Bauart, Gewebe, das Weben, Zusammenfügung, englisch: texture) in der Kunst bezeichnet die Oberflächenstruktur bzw. Oberflächenbeschaffenheit eines Kunstwerks oder dort abgebildeten Objektes. Sie ist in der Kunst, Architektur und im Design ein wichtiges bildnerisches Mittel (Gestaltungselement) und wird neben der Analyse von Farben und Formen teils etwas verkannt.[1] Texturen lassen sich in zwei Kategorien einteilen, die physische und die visuelle Textur.[2]

Physische Textur

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Die physische Textur (auch fühlbare, haptische, taktile, tatsächliche Textur) beschreibt die dreidimensionale Oberflächenstruktur eines Kunstwerks. Sie bezieht sich auf die unmittelbar fühlbare Haptik der Oberfläche, die auch visuell wahrgenommen wird.[2] Die Farbe spielt im Allgemeinen keine Rolle.

Die physische Textur ist wichtig bei Designobjekten wie Kissen, Lampen, Stühlen und Vasen, die wir im persönlichen Gebrauch berühren. Auch bei Architekturen ist das Anfassen von Materialien wie Beton, Holz, glasierten Kacheln, Kork, Natursteinen oder Rauputz eingeschränkt möglich – wegen unzugänglicher Höhen. Bei Kunstwerken (Malereien, Plastiken und Zeichnungen) können wir die physische Textur meist nur visuell erleben, da sie normalerweise, zum Beispiel in Museen, nicht berührt werden dürfen. Bei einem gemalten Bild ist die Textur durch die Art des Bildträgers (Leinwand, Holz, Papier usw.) und des Farbauftrages (lasierend, opak, pastos, mit Sand vermischt usw.) bestimmt.[3] Die glatte Oberfläche einer Malerei aus lasierten Schichten wirkt anders als ein sparsamer Auftrag matter Farbe auf grober Leinwand oder ein pastoser Ölfarbenauftrag mit Glanz.

Visuelle Textur

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Im Allgemeinen imitiert (simuliert) die visuelle Textur (auch implizite, sichtbare Textur) den visuellen Eindruck einer physischen Textur von Gegenständen in einem zweidimensionalen Bild. Sie kann gemalt, gezeichnet, gedruckt oder fotografiert sein. Auch wenn das Kunstwerk zweidimensional bleibt, nimmt die Betrachterin oder der Betrachter dreidimensionale Qualitäten wahr. Es geht um Darstellung von Stofflichkeit, das heißt um die Nachahmung von Oberflächen wie Baumrinde, Blattwerk, Brett, Dornenhecke, Fell, Fels, Feuer, Gewebe, Haar, Haut, Mauerwerk, Wasser, Wolke oder Wiese. Zum Beispiel verwendet eine Malerin, die realistische Stillleben malt, geschickt verschiedene Pinselstriche und Farbaufträge, um die Oberflächen von Früchten oder Blumen möglichst naturgetreu nachzuempfinden. Aber nicht immer sind visuelle Texturen authentisch. Sie können abstrahiert, völlig abstrakt, verfremdet oder phantasievoll und unnatürlich eingesetzt sein, um einen bestimmten Effekt zu erzeugen.[1]

Je nachdem, ob die Oberfläche glatt ist oder größere Höhenunterschiede aufweist, kann sich eine schwache oder stark reliefartige Wirkung mit entsprechender Licht- und Schattenbildung entfalten. Schließlich beeinflusst die Durchlässigkeit die Fühl- und Sichtbarkeit einer Texturschicht sowie der darunterliegenden Elemente.[1] Außerdem unterstützen Texturen die Darstellung der Räumlichkeit. Bei Darstellungen eines räumlichen Gegenstandes nimmt die Textur in den Schattenpartien ab,[4] ebenso die Textur von weit entfernten Objekten.

Allgemein kann eine Textur glänzend, matt, rau, hart, flauschig, weich, körnig, glatt, durchsichtig, kühl, metallisch, textil, beruhigend, dynamisch, melancholisch oder irritierend wirken u. v. m. Ein grob behauener Stein eines Bossenmauerwerks wirkt repräsentativ, schwer, wehrhaft und traditionell. Eine unverputzte Betonwand hingegen hinterlässt einen modernen, reduktionistischen, aber auch kalten und abweisenden Eindruck. Chinesische Tusche auf Seide wirkt eher edel und weich, während weicher Graphit auf körnigem Papier einen belebten und flackernden Eindruck hervorruft.[5] Eine grobe und unregelmäßige Textur einer Skulptur wirkt dynamisch und energiegeladen.[1]

Problem bei Reproduktionen

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Fotografien von Kunstwerken sind wertvolle Hilfsmittel und über Bücher oder Internet überall und schnell zugänglich. Allerdings sind die beliebigen Formate und verfälschte Farben mit Misstrauen zu betrachten. Vor allem aber fehlt den Abbildungen die Textur. Das heißt, Glätte, Glanz, Korn, Leuchtkraft, Rauheit oder Weichheit können nicht vermittelt werden. Deshalb können Reproduktionen den Eindruck vor dem Original nicht ersetzen.[6]

Struktur – Textur – Faktur

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Im engeren Sinn bezeichnet die Struktur (von lateinisch strūctūra: Bauart, Zusammenfügung, englisch: structure) den grundsätzlichen, inneren Aufbau und die Anordnung der Teile in einem Objekt. Die Struktur lässt sich beispielsweise durch Mikroaufnahmen sichtbar machen (z. B. kristalline Struktur von Metall, Faserstruktur von Papier). Im Unterschied zur Struktur bleibt die Textur an der Oberfläche und beschreibt deren Beschaffenheit (z. B. spiegelnde, hochglänzende Metalloberfläche, gerillte Wellpappe). Die Faktur (von lateinisch factūra: das Machen, die Bearbeitung, Bauart, Schöpfung, englisch/französisch: facture) beschreibt die individuelle Machart, die unverwechselbare Arbeitsspur, die Kunstschaffende absichtsvoll und mit typischen Malfarben und Werkzeugen an der Oberfläche herbeigeführt haben. Das ist insbesondere der charakteristische Pinselduktus einer Malerin oder eines Malers.[7]

Insgesamt sind die Begriffe nicht einheitlich definiert. Sie werden oft verwechselt oder fast gleich beschrieben.[8] Beispielsweise wird gelegentlich Struktur im weiteren Sinn verwendet und bezeichnet den gesamten inneren und äußeren Aufbau eines Kunstwerks, das heißt auch die Oberflächenstruktur und die individuellen Arbeitsspuren.[9] Hier sind Textur und Faktur klärende Unterbegriffe der Struktur.

  • Max Jacob Friedländer: Von Kunst und Kennerschaft. Kapitel: Über die Benutzung der Photographien. Bruno Cassirer und Emil Oprecht, Oxford/Zürich 1946, S. 178–180.
  • Laszlo Moholy-Nagy: Von Material zu Architektur. Faksimile der 1929 erschienenen Erstausgabe mit einem Aufsatz von Otto Stelzer und einem Beitrag des Herausgebers. Hans M. Wingler (Hrsg.). Neue Bauhausbücher. Band 14. Florian Kupferberg Verlag, Mainz 1968, S. 33, 40–42.
  • Johannes Pawlik, Ernst Strassner: Bildende Kunst. Begriffe und Reallexikon. 5., ergänzte Auflage, DuMont Buchverlag, Köln 1977, ISBN 3-7701-0465-X, S. 23 und 24.
  • Gerhard Kwiatkowski (Hrsg.): Schülerduden „Die Kunst“. Stichwort: Textur, S. 486 und Stichwort: Struktur, S. 459. Bibliographisches Institut, Mannheim 1983, ISBN 3-411-02200-0, S. 459, 486.
  • Hugo Peters: Bildnerische Grundlehre. Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart 1994, ISBN 3-432-25641-8, S. 16–19.
  • Michael Klant, Josef Walch: Grundkurs Kunst 1. Sekundarstufe 2. Band 1: Malerei, Grafik, Fotografie. Schroedel Westermann, Braunschweig 2016, ISBN 978-3-507-10965-0, S. 9, 27.
  • Thomas Schatz: Einführung zur Textur. In: Kunstunterricht.ch. Juli 2023;.
  • What is a Texture? University of Auckland; (englisch).
  • Texture in Art. Docent Training. Juried Fine Arts Exhibition 2017 and FRESH AIR. https://www.crookedtree.org/sites/default/files/inline-files/TEXTURE-in-ART.pdf

Einzelnachweise

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  1. a b c d Thomas Schatz: Einführung zur Textur. In: Kunstunterricht.ch. Juli 2023, abgerufen am 4. Juni 2024.
  2. a b What is a Texture? University of Auckland, abgerufen am 6. April 2024 (englisch).
  3. Gerhard Kwiatkowski (Hrsg.): Schülerduden „Die Kunst“. Stichwort: Textur. Bibliographisches Institut, Mannheim 1983, ISBN 3-411-02200-0, S. 486.
  4. Ludger Alscher u. a. (Hrsg.): Lexikon der Kunst. 1. Auflage. Band 5. Stichwort: Textur. VEB E. A. Seemann, Buch- und Kunstverlag, Leipzig 1978, S. 89.
  5. Johannes Pawlik, Ernst Strassner: Bildende Kunst. Begriffe und Reallexikon. 5., ergänzte Auflage. DuMont Buchverlag, Köln 1977, ISBN 3-7701-0465-X, S. 23.
  6. Max Jacob Friedländer: Von Kunst und Kennerschaft. Bruno Cassirer und Emil Oprecht, Oxford und Zürich 1946, S. 178 und 179.
  7. Johannes Pawlik, Ernst Strassner: Bildende Kunst. Begriffe und Reallexikon. 5., ergänzte Auflage. DuMont Buchverlag, Köln 1977, ISBN 3-7701-0465-X, S. 24.
  8. Laszlo Moholy-Nagy: Von Material zu Architektur. In: Hans M. Wingler (Hrsg.): Neue Bauhausbücher. Band 14. Faksimile der 1929 erschienenen Erstausgabe mit einem Aufsatz von Otto Stelzer und einem Beitrag des Herausgebers. Florian Kupferberg Verlag, Mainz 1968, S. 33.
  9. Michael Klant, Josef Walch: Grundkurs Kunst 1. Sekundarstufe 2. Band 1: Malerei, Grafik, Fotografie. Schroedel Westermann, Braunschweig 2016, ISBN 978-3-507-10965-0, S. 9 und 27.