Zum Inhalt springen

Kurs:Grundkurs Mathematik (Osnabrück 2016-2017)/Teil II/Vorlesung 50

Aus Wikiversity
„Durch starkes Denken kann man ein Kamel zu Fall bringen.“



Polynomfunktionen

In ein Polynom kann man ein Element einsetzen, indem man die Variable an jeder Stelle durch ersetzt. Dies führt zu einer Abbildung

die die durch das Polynom definierte Polynomfunktion heißt.

Der Graph einer Polynomfunktion von nach vom Grad .

Diese Abbildungen gehören zu den wichtigsten Funktionen. Die konstanten Polynome führen zu den konstanten Abbildungen mit dem Wert , lineare Polynome der Form führen zu affin-linearen Funktionen, insbesondere entspricht die Variable der Identität. Quadratische Polynome führen auf quadratische Funktionen, die Potenzen der Variablen, also , führen auf die Potenzfunktionen .



Es sei ein Körper und ein fixiertes Element.

Dann ist die Abbildung

die einem Polynom die Einsetzung zuordnet, ein Ringhomomorphismus.

Für beliebige Polynome gilt also

Es seien und .

  1. Es ist

    und somit ist unter Verwendung des Distributivgesetzes für

  2. Es ist

    und somit ist unter Verwendung des Distributivgesetzes und der Potenzgesetze für

  3. Für jedes konstante Polynom gilt , da nicht eingesetzt werden kann.




Die Division mit Rest für Polynome

Es sei ein Körper. Man sagt, dass ein Polynom ein Polynom teilt, wenn es ein Polynom mit

gibt.

Wenn von geteilt wird, so sagt man auch, dass ein Vielfaches von ist. In ist es, anders wie in einem Körper, aber ähnlich wie in , nicht möglich, ein Element durch ein anderes Element zu teilen. Es gibt aber, wie bei , einen wichtigen Ersatz dafür, die Division mit Rest.



Es sei ein Körper und sei der Polynomring über . Es seien Polynome mit .

Dann gibt es eindeutig bestimmte Polynome mit

Wir beweisen die Existenzaussage durch Induktion über den Grad von . Wenn der Grad von größer als der Grad von ist, so ist und eine Lösung, sodass wir dies nicht weiter betrachten müssen. Bei ist nach der Vorbemerkung auch , also ist ein konstantes Polynom, und damit ist (da und ein Körper ist) und eine Lösung. Es sei nun und die Aussage für kleineren Grad schon bewiesen. Wir schreiben und mit . Dann gilt mit die Beziehung

Dieses Polynom hat einen Grad kleiner als und darauf können wir die Induktionsvoraussetzung anwenden, d.h. es gibt und mit

Daraus ergibt sich insgesamt

sodass also und eine Lösung ist. Zur Eindeutigkeit sei mit den angegebenen Bedingungen. Dann ist . Da die Differenz einen Grad kleiner als besitzt, ist aufgrund der Gradeigenschaften diese Gleichung nur bei und lösbar.


Das Polynom ist genau dann ein Teiler von , wenn bei der Division mit Rest von durch der Rest gleich ist. Der Beweis des Satzes ist konstruktiv, d.h. es wird in ihm ein Verfahren beschrieben, mit der man die Division mit Rest berechnen kann. Dazu muss man die Rechenoperationen des Grundkörpers beherrschen. Wir geben dazu drei Beispiele, zwei über den rationalen Zahlen und eines über einem endlichen Körper.


Wir führen die Polynomdivision

durch. Es wird also ein quadratisches Polynom durch ein lineares Polynom dividiert, d.h. der Quotient muss vom Grad und der Rest muss vom Grad sein. Im ersten Schritt überlegt man, mit welchem Term man multiplizieren muss, damit das Produkt mit im Leitterm übereinstimmt. Das ist offenbar . Das Produkt ist

Die Differenz von zu diesem Produkt ist

Mit diesem Polynom, nennen wir es , setzen wir die Division durch fort. Um Übereinstimmung im Leitkoeffizienten zu erhalten, muss man mit multiplizieren, dies ergibt

Die Differenz zu ist somit

Dies ist das Restpolynom und somit ist insgesamt



Wir führen die Polynomdivision

(über ) durch. Es wird also ein Polynom vom Grad durch ein Polynom vom Grad dividiert, d.h. dass der Quotient und auch der Rest (maximal) vom Grad sind. Im ersten Schritt überlegt man, mit welchem Term man multiplizieren muss, damit das Produkt mit im Leitterm übereinstimmt. Das ist offenbar . Das Produkt ist

Die Differenz von zu diesem Produkt ist

Mit diesem Polynom, nennen wir es , setzen wir die Division durch fort. Um Übereinstimmung im Leitkoeffizienten zu erhalten, muss man mit multiplizieren. Dies ergibt

Die Differenz zu ist somit

Dies ist das Restpolynom und somit ist insgesamt



Wir führen im endlichen Restklassenkörper die Polynomdivision

durch. Es wird also ein quadratisches Polynom durch ein lineares Polynom dividiert, d.h. der Quotient muss vom Grad und der Rest muss vom Grad sein. Im ersten Schritt überlegt man, mit welchem Term man multiplizieren muss, damit das Produkt mit im Leitterm übereinstimmt. Mit was muss man also in multiplizieren, um zu erhalten? Eine Schreibweise wie ist hier wenig hilfreich, es muss ein Element aus sein. Wegen ist das inverse Element, man muss also mit multiplizieren. Das Produkt ist

Die Differenz von zu diesem Produkt ist

Mit diesem Polynom, nennen wir es , setzen wir die Division durch fort. Um Übereinstimmung im Leitkoeffizienten zu erhalten, muss man mit multiplizieren, da ja ist. Dies ergibt

Die Differenz zu ist somit

Dies ist das Restpolynom und somit ist insgesamt




Nullstellen

Unter einer Nullstelle eines Polynoms versteht man ein mit . Ein Polynom muss keine Nullstellen besitzen, ferner hängt dies vom Grundkörper ab.



Es sei ein Körper und sei der Polynomring über . Es sei ein Polynom und .

Dann ist genau dann eine Nullstelle von , wenn ein Vielfaches des linearen Polynoms ist.

Wenn ein Vielfaches von ist, so kann man

mit einem weiteren Polynom schreiben. Einsetzen ergibt

Im Allgemeinen gibt es aufgrund der Division mit Rest eine Darstellung

wobei oder aber den Grad besitzt, also so oder so eine Konstante ist. Einsetzen ergibt

Wenn also ist, so muss der Rest sein, und das bedeutet, dass ist.



Es sei ein Körper und sei der Polynomring über . Es sei ein Polynom () vom Grad .

Dann besitzt maximal Nullstellen.

Wir beweisen die Aussage durch Induktion über . Für ist die Aussage offensichtlich richtig. Es sei also und die Aussage sei für kleinere Grade bereits bewiesen. Es sei eine Nullstelle von (falls keine Nullstelle besitzt, sind wir direkt fertig). Dann ist nach Lemma 50.7 und hat den Grad , sodass wir auf die Induktionsvoraussetzung anwenden können. Das Polynom hat also maximal Nullstellen. Für gilt . Dies kann nach Fakt *****  (5) nur dann sein, wenn einer der Faktoren ist, sodass eine Nullstelle von gleich ist oder aber eine Nullstelle von ist. Es gibt also maximal Nullstellen von .




Der Interpolationssatz

Der folgende Satz heißt Interpolationssatz und beschreibt die Interpolation von vorgegebenen Funktionswerten durch Polynome.


Es sei ein Körper und es seien verschiedene Elemente und Elemente gegeben.

Dann gibt es ein eindeutiges Polynom vom Grad derart, dass für alle ist.

Wir beweisen die Existenz und betrachten zuerst die Situation, wo ist für alle für ein festes . Dann ist

ein Polynom vom Grad , das an den Stellen den Wert hat. Das Polynom

hat an diesen Stellen ebenfalls eine Nullstelle, zusätzlich aber noch bei den Wert . Nennen wir dieses Polynom . Dann ist

das gesuchte Polynom. An der Stelle gilt ja

für und .

Die Eindeutigkeit folgt aus Korollar 50.8.


Wenn die Daten und gegeben sind, so findet man das interpolierende Polynom vom Grad , das es nach Satz 50.9 geben muss, folgendermaßen: Man macht den Ansatz

und versucht die unbekannten Koeffizienten zu bestimmen. Jeder Interpolationspunkt führt zu einer linearen Gleichung

über . Das entstehende lineare Gleichungssystem besitzt genau eine Lösung , die das Polynom festlegt.




Rationale Funktionen

Der Polynomring ist ein kommutativer Ring, aber kein Körper. Man kann aber mit Hilfe von formal-rationalen Funktionen einen Körper konstruieren, der den Polynomring enthält, ähnlich wie man aus die rationalen Zahlen konstruieren kann. Dazu definiert man

wobei man wie bei zwei Brüche und miteinander identifiziert, wenn

ist. Auf diese Weise entsteht der Körper der rationalen Funktionen (über ).

Man kann Brüche von Polynomen als Funktionen auffassen, die außerhalb der Nullstellen des Nenners definiert sind. Das Beispiel zeigt den Graphen der rationalen Funktion .

Einen formalen Ausdruck kann man in folgender Weise wieder als eine Funktion auffassen.


Es sei ein Körper. Zu Polynomen , , heißt die Funktion

wobei das Komplement der Nullstellen von ist, eine rationale Funktion.

Die nach den Polynomfunktionen einfachsten Funktionen sind die rationalen Funktionen.



<< | Kurs:Grundkurs Mathematik (Osnabrück 2016-2017)/Teil II | >>

PDF-Version dieser Vorlesung

Arbeitsblatt zur Vorlesung (PDF)