Aurich, Rolf, Die Degeto und der Staat. Kulturfilm und Fernsehen zwischen Weimar und Bonn (= edition text + kritik). Boorberg, M�nchen 2018. 251 S. Besprochen von Albrecht G�tz von Olenhusen.
Die Fr�hzeit der noch stiefm�tterlichen Degeto, der Deutschen Gesellschaft f�r Ton und Bild, untersucht der Berliner Filmhistoriker Rolf Aurich. Von deren urspr�nglicher Idee in den sp�ten 1920er Jahren, der F�rderung des t�nenden Kulturfilms, f�hrt ein weiter, sehr verschlungener Weg bis hin zur Degeto als immer optimaler eingesetzten Filmeinkaufszentrale der Arbeitsgemeinschaft deutscher Rundfunkanstalten nach dem Zweiten Weltkrieg.
Ihre bisher kaum durchsichtige Geschichte zwischen 1933 und 1945 steht im Zentrum. Damit r�ckt die Geschichte eines anderen Filmkonzerns, der Tobis, in einen Mittelpunkt, der uns wiederum auf personell und institutionell verwickelte Geschehnisse in der nationalsozialistisch beherrschten Zeit bis hin zur damaligen Filmpolitik und zur UFI f�hrt. Es ist das besondere Verdienst dieser Pilotstudie, dass sie zugleich sich der langen Vorgeschichte des deutschen Fernsehens mit allen ihren Wandlungen, Wendungen und personellen Kontinuit�ten widmet. Die ungemein aufschlussreichen, rechtlich komplexen Entwicklungen filmkultureller Entwicklungsarbeit l�sst der Verfasser mit der Umgr�ndung der Degeto-Film-GmbH 1959 und dem wirkungsreichen Auftritt des Filmrechteh�ndlers Leo Kirch von 1960 enden.
Charakteristisch f�r das hier sorgsam und ganz unpolemisch vorgestellte Gestr�pp der Ereignisse, Netzwerke und rechtlichen Formen ist die enge Verbindung der Filmproduktion und Filmpolitik mit der Politik. Die als scheinbar privat gegr�ndeter Verein 1929 gegr�ndete Degeto wird Dreh- und Angelpunkt staatlicher, wirtschaftlicher und kultureller Tonfilminteressen bis hin zu einem Filmarchiv und Filmen mit Prominenten.
Mit dem Filmfunktion�r Johannes Eckart, um nur einen einzigen wichtigen Namen der gro�en Reigen zu nennen. betritt ein umtriebiger Macher die B�hne. Der Weg der Degeto von Weimar in das gleichgeschaltete �Dritte Reich� ist von seiner Biographie nicht zu trennen. Wie krude Karriere-, Vereins- und kommerzielle Interessen sich in diesen Geflechten von williger oder geschickter Anpassung an ver�nderte Konditionen und Gesinnungen neu b�ndelten, ist in Aurichs stets historisch akurat, subtil, ganz unspektakul�r und mit n�chternem Blick kritisch aufgearbeiteter Arbeit erstmals nachzulesen - so eindringlich wie stilistisch elegant bis hin zur ironischen Lakonie.
�Mit der Gr�ndung der Degeto-Kulturfilm-GmbH im Jahre 1937, noch heute rechtlicher Nucleus der ARD-Tochtergesellschaft, steigt man ins Filmpoduktions- und Verleihgesch�ft ein. Sie wird Teil der Tobis-Filmkunst, ihrerseits unter dem Dach der Cautio-Treuhand Max Winklers von Goebbels Gnaden, und dann mit profitablem Innenleben und �berleben in der Holding Ufa-Film (UFI). Aurich liefert nicht nur eine pr�zise Geschichte der programmatischen und �konomischen Entwicklungen des Film- und Verleihgesch�fts, sondern auch des boomenden Schmalfilm-Business.
Der in der nationalsozialistischen Zeit einflussreiche, gl�nzend vernetzte und alimentierte Funkion�r Eckard wird nach der �ra der politisch erw�nschten Persilscheine nach 1945 zum dubiosen Multifunktion�r im nicht so leicht beherrschbaren Feld von Filmclubs und Kulturfilm. Film- und rechtshistorisch erwuchs aus dem winzigen Vereinskern 1929 der Geburtshelfer von Degeto-Kulturfilm-GmbH und Tobis-Melofilm GmbH. Nach 1945 wird neben dem recht apokryph weiterlebenden Verein die Degeto, in der nationalsozialistischen Zeit Descheg-Tochter, als Teil der zu entflechtenden UFI betrachtet werden. Damit vermischt sich in einer ohnehin von leichtlebigen Ger�chten und Skand�lchen wie von alten oder neuen Rechnungen lebenden Nachkriegs-Gesellschaft eine vergleichsweise unvollkommene Aufarbeitung von Vergangenheit.
Wie sich dann in den 1950er Jahren mit der nutzbringenden, vielfach opportunen Verlagerung der Schwerpunkte von Degeto-Verein und -Film von Berlin nach Hessen die Verbindung zum Hessischen Rundfunk und der Zusammenhang zwischen Film und Fernsehen personell und institutionell mit politischem Segen und der Abschied vom Schmalfilm wie die Hinwendung zum Werbefilm gestalten, liest sich als eine faszinierende politisch impr�gnierte Geschichte der Genese des deutschen Fernsehens. Sie ist auch personell von alten und neuen B�ndnissen, vitalisierten Verbindungen, freundschaftlichen Pakten und eingef�delten Rechteh�ndeln wie dem neuerwachten Schn�ren von Film-Paketen gekennzeichnet. In diesem jetzt durchaus anders konstituiertem Kr�fteparallelogramm wird die Degeto unversehens oder auch nicht zum willkommenen Vermittler zwischen Produktion und Sendern. Deren Bedarf an Filmen, an Rechten, an inl�ndisch und ausl�ndisch verwertbaren Filmwaren, auch an Kulturfilmen liegt auf der Hand. Das Werbefernsehen tritt auf den Plan.
Spannend ist die Kulmination in der brisanten Kooperation zwischen dem deutschen Fernsehen mit Filmrechteh�ndlern und Filmindustrie. In diesen neu formierten Konstitutionsbedingungen wird die Degeto als zentrale Filmeinkaufsstelle umgegr�ndet und von der ARD 1959 �bernommen. Auf solchem rechtlich-positivistischem Hintergrund l�uft jetzt ein durchaus neuer Nachkriegsfilm von Film- und Fernsehwirtschaft mit ihren film�sthetischen, wirtschaftlichen und personellen, nicht immer lupenreinen Edelkomparsen ab. Im Leben, so k�nnte man ein Wort von Alfred Polgar variieren, geht�s eben zu wie im Leben und nicht wie im Tonfilm.
Auch wenn Aurich die weiteren Entwicklungen nicht mehr als sein eigentliches Thema betrachtet, so l�sst er doch in einer Art Appendix die neue entstandenen Rollen beim extensiven Filmeinsatz der ARD � Kirch mit der Beta-Film, Degeto als st�ndiger Gesch�ftspartne mit einer angeblichen Beschr�nkung Kirchs auf lediglich ein Drittel der Einkaufsvolumina � en passent Revue passieren. �Seit 1929 eingeschn�rt zwischen Staat, Politik und Wirtschaft und in guten Momenten kulturellem Engagement blieb die Degeto-Film immer auch an der Leine derer, die da politisch, administrativ und �konomisch zumeist die Entfaltungsm�glichkeiten bestimmten.� (S. 214). 1963 wird der so oft totgesagte, aber immer wieder zum Leben erweckte Verein im Register gel�scht. Er hatte lange mehr als nur einen Schatten geworfen, jetzt aber seine Rolle im Filmfach ausgespielt.
Vermutlich h�tte der Verfasser die Z�sur von 1960 nicht gew�hlt, wenn ihm die heutige Degeto Film GmbH nicht den Zugang zu ihrem Archiv verweigert h�tte. Damit f�llt ein weiteres, freilich nach wie vor tr�bes Licht auf die Bereitschaft von �ffentlich-rechtlicher Film- und Fernsehwirtschaft, sich eigener Historie offen und kritisch zu stellen. Die ungeschriebene und geheimnisreiche Geschichte von wie auch immer belasteten oder diskutierten Unternehmungen der �ffentlichen H�nde kennt viele Vorl�ufer und Nachfahren.
Die Geschichte der Degeto zwischen 1960 und heute, mit den bekannten Problemen der Monopolisierung von Filmeinkauf, Filmproduktion und Filmverwertung, zwischen ZDF, ARD und Werbung, mit den Diskussionen um �S�ss-Stoff-Offensive� und �konomische wie filmnivaupolitische Ausrichtung der Degeto als Teil des deutschen Fernsehens und der politischen Momente der Abh�ngigkeiten und Einflussfaktoren bleibt noch zu schreiben. Aurichs Werk, professionell dokumentiert, mit �bersichtlicher Chronik, Registern und reichen archivalischen und wissenschaftlichen Angaben versehen, hat einen schwer zu �bertreffenden, bedeutenden Ma�stab gesetzt.
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