RE:Epistolographie
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Übersicht. A. Allgemeines: 1. Der Privatbrief. 2. Der literarische Brief. 3. | |||
Band S V (1931) S. 185 (EL)–220 (EL) | |||
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Epistolographie.
Übersicht.
A. Allgemeines: 1. Der Privatbrief. 2. Der literarische Brief. 3. Brief oder Rede? 4. Literatur.
B. Die antike Theorie des Briefes: Literatur. 1. Quellen. 2. Briefsteller. 3. Die Grammatiker. 4. Der εὑρετής. 5. Das Wesen des Briefes. 6. Inhalt. 7. Stil: a) Kürze, b) Klarheit, c) Sprachlicher Ausdruck, d) Schmuck, e) ἦθος-πρέπον. 8. Präskript. 9. Die Briefarten. 10. Die Klassiker des Briefstils.
D. Der literarische Privatbrief: 1. Veröffentlichung. 2. Anordnung. 3. Inhalt.
E. Der Brief als Einkleidungsform: 1. Der publizistische Brief. 2. Der Lehrbrief. 3. Wissenschaftliche Literatur in Briefform. 4. Der Widmungsbrief. 5. Der Himmelsbrief. 6. Der Zauberbrief.
G. Der fingierte Brief: 1. Der eingelegte Brief 2. Der pseudonyme Brief. 3. Der Briefroman. 4. Der Liebesbrief. 5. Der mimische Brief.
H. Geschichtlicher Überblick: 1. Orient. 2. Klassische Zeit. 3. Hellenistische Zeit. 4. Die Zeit nach 100 v. Chr. 5. Der Brief in der christlichen Literatur. 6. Byzanz.
[186] A. Allgemeines.
1. Der Privatbrief. Unter dem Namen E. fassen wir diejenigen Werke der antiken Literatur zusammen, die in Briefform verfaßt bezw. eingekleidet worden sind. Danach wird im Folgenden nur vom literarischen Brief die Rede sein; auch die antike Brieftheorie gehört größtenteils hierher. Dagegen Fragen über die Form des Privatbriefes im engsten Sinne, wie wir ihn vor allem durch die Papyrusfunde kennengelernt haben, über Präskript, Grüße, Subskription, Datierung, Adresse, Beförderungsmittel, Material usw. sind zwar bei jeder Erörterung über antike E. vorausgesetzt, gehören aber in ihren Bereich nur insofern, als man in diesen Punkten Eigentümlichkeiten des literarischen Briefes nachweisen kann. Über diese Fragen sei auf Dziatzko o. Bd. III S. 836ff. hingewiesen. Von der hinzugekommenen Literatur nenne ich Babl De epistularum latinarum formulis, Progr. Bamberg 1893. Dziatzko Untersuch. üb. ausgewählte Kapitel des antiken Buchwesens (Lpz. 1900) 137. Preisigke Preuß. Jahrb. CVIII (1902) 88ff. Seeck Deutsche Rundschau CXXXIII (1907) 5ff. Norden Kunstprosa I 238, 1. Witkowski Epistulae privatae graecae quae in papyris aetatis Lagidarum servantur, ²Lpz. 1911. Schubart Ein Jahrtausend am Nil, Berl. 1912; ders. Einführung in d. Papyrusk., Berl. 1918, 211ff. [187] Gerhard Phil. LXIV (1905) 27–65. Riepl Das Nachrichtenwesen im Altertum, Lpz. 1913. Wendland Die urchristl. Literaturformen2–3, Tüb. 1912, 411ff.[WS 1] Ziemann De epistularum graecarum formulis solemnibus quaestiones selectae, Diss. Halens. XVIII 253–369. Exler The form of the ancient greek letters, Washington 1923. Deißmann Licht v. Osten⁴, Tüb. 1923. Brooke Private Letters pagan and christian, Lond. 1929. B. Olsson Papyrusbriefe aus der frühesten Römerzeit, Diss. Upsala 1925. A. H. Salonius Zur Sprache der griechischen Papyrusbriefe I, Helsingfors 1927. Ein Verzeichnis der in Papyri gefundenen Privatbriefe bieten A. Calderini und M. Mondini Studi della scuola papirolog. II (1917) 109ff.
2. Der literarische Brief. Die Grenzen zwischen dem literarischen und dem Privatbrief können nicht scharf gezogen werden. Das hat vor allem der um die neutestamentlichen Briefe durch Overbeck Hist. Ztschr. Ν. F. XII 429ff. und Deißmann (Bibelstudien [Marburg 1895] 187ff.; Licht vom Osten 117ff.) entfachte Streit gezeigt. Deißmann nimmt eine unüberbrückbare Kluft an zwischen dem Privatbrief, der, aus einer konkreten Situation erwachsen, nur für den Adressaten bestimmt und verständlich ist, und dem literarischen Brief, der ‚Epistel‘, wobei der Adressat nebensächlich ist, weil der Brief an die Mit- und Nachwelt gerichtet ist. Das Briefgeheimnis existiert für ihn nicht, das Persönliche ist weniger intim, der Inhalt notwendigerweise allgemeiner Natur, die Form gepflegter. Gegen diese allzu[WS 2] enge Auffassung des Begriffes Literatur, als wäre sie gleich Literatenarbeit, muß man betonen, daß die Absicht des Verfassers nicht die einzige maßgebende Norm ist, durch die man ‚Epistel‘ und Privatbrief unterscheiden kann (Beweis die Atticusbriefe, die gegen die Absicht ihres Verfassers Literatur geworden sind). Auch der Adressat (ob einer oder viele, eine Gemeinde oder ein König), der Inhalt, die Form, in erster Linie aber die Persönlichkeit des Briefschreibers (Ed. Schwartz Gött. Gel. Anz. 1911, 669), können ein persönliches Privatschreiben zu Literatur erheben. Wir rechnen demnach zu den literarischen Briefen die Briefe, welche entweder von ihrem Verfasser von vornherein für eine[WS 3] begrenzte oder unbegrenzte Öffentlichkeit geschrieben sind (z. B. publizistische, poetische, Lehrbriefe) oder aber nachher, bei Lebzeiten oder nach dem Tode des Verfassers, wegen ihres Inhaltes, ihrer Form oder der Persönlichkeit des Verfassers bezw. des Adressaten publiziert, zu der Literatur gerechnet, gelesen und imitiert worden sind.
3. Brief oder Rede? Nicht jedes Sendschreiben und jede an eine bestimmte Person gerichtete Schrift gehört in die antike E. Seit Hesiod werden oft in der antiken Literatur Werke an eine Person adressiert, ohne daß man dabei von Briefen reden dürfte. Mit der Anwendung der Briefform auch auf ganze Schriften verwischen sich die Grenzen weiter. Weder der Umfang noch der Inhalt können dann entscheiden, ob eine bloß adressierte Schrift oder ein Brief vorliegt (vgl. Ρasquali Gregorii Nysseni epistulae, Berl. 1925. 1ff.). Ζ. Β. Plutarchs Schriften in Briefform, wie [188] περὶ εὐθυμίας oder περὶ τῆς ἐν Τιμαίῳ ψυχογονίας, unterscheiden sich inhaltlich durch nichts von seinen anderen moralischen Schriften. Es bleibt als Merkmal die äußere Form übrig, und zwar Präskript und Schlußgruß. Aber auch die können aus verschiedenen Gründen fehlen oder in der Überlieferung ausgefallen sein. Vgl. den Streit über den literarischen Charakter des Hebräerbriefes (zuletzt Riggenbach Der Brief an die Hebräer in Zahns Komment. XIV2–3 [Leipz. 1922] XIIff.). Ein wichtiges Unterscheidungskriterion liegt m. E. darin, daß in einer persönlich adressierten Schrift der Name des Empfängers gleich am Anfang nach den ersten Worten im Vokativ genannt wird; das findet sich aber in einem Brief nicht (die Ausnahmen werde ich anderswo besprechen). Klassisches Beispiel: Isokrates’ ‚Philippos‘, den sein Verfasser wiederholt (§ 1. 10. 17. 23; ep. III 1) als λόγος bezeichnet, fängt mit den Worten an Μὴ θαυμάσῃς, ὦ[WS 4] Φίλιππε usw. Demgegenüber vgl. ep. II und III. Im Verlauf eines Briefes kann der Name des Adressaten in Vokativ vorkommen, am Anfang nicht (dafür steht er im Präskript), es sei denn nur in höflicher Umschreibung: ὦ φίλε, ὦ δαιμόνιε, ὦ θεία κεφαλή usw.
4. Literatur. Die Aufgabe, die schon 1881 v.Wilamowitz Antigonos von Karystos 151, 15 (vgl. auch Griech. Literaturgesch.³ 225. Norden Kunstprosa I 88, 1) gestellt hat, eine zusammenfassende Darstellung des antiken literarischen Briefes zu schreiben, ist bisher nicht gelöst und kann zur Zeit auch nicht gelöst werden, weil die Vorarbeiten an jeder einzelnen Briefsammlung und Briefart (z. B. Trost-, Empfehlungs-, Widmungsbrief) noch nicht geleistet worden sind. Als Vorarbeiten seien genannt Westermann De epistolarum scriptoribus graecis (8 Univers.-Progr. Leipzig 1851–1855). Peter Der Brief in der röm. Literatur (Abh. Sächs. Ges. XX 3 [1901], dazu Leo Gött. Gel. Anz. 1901, 318ff.). Zu der pseudonymen E. bahnbrechend Bentleys Abhandl. über die Briefe des Phalaris (1698. ²1699, deutsche Übers. von W. Ribbeck Leipz. 1857). Vgl. noch die Literatur zu den einzelnen Epistolographen. Wichtiges zum Vergleich bietet Steinhausen Gesch. d. deutsch. Briefes (Berl. 1888–1893).
Die Texte der griechischen Epistolographen hat man in frühbyzantinischer, vielleicht schon in spätantiker Zeit, in Sammelhandschriften, verschieden in Größe und Auswahl, zusammengestellt (unter die ältesten Hss. gehören Palat. Heidelb. gr. 398. Ambros. gr. Β 4 sup. u. a.). Solche Hss. mehren sich mit der Blüte der byzantinischen E., seit Psellos, beständig. Auf Grund solcher Hss. ist die erste Druckausgabe der Epistolographi graeci von Markos Musuros bei Aldus (1499 in 2 Bde.) gemacht. Andere Ausgaben bei Fabricius-Harles I 662–703; darunter die bekannteste von Cujas (Cujacus) Epistolae graecanicae (Genf 1606). Neue Texte kamen hinzu durch Kariofilis, Allazzis, Boissonade u. a. Orelli’s geplantes Corpus der griechischen E. ist beim ersten Band (Lpz. 1815) stehen geblieben. Praktische Sammelausgabe ist die von Hercher Epistolographi Graeci (Paris 1873), enthält aber die Briefe der Kirchenväter [189] und des Libanios nicht. Eine kritische Textausgabe der Epistolographi Graeci in Einzelheften wird von mir für das Auctarium Weidmannianum vorbereitet.
Im folgenden Geschichtlichen wird eine kurze und systematische Übersicht der antiken E. gegeben, die weder vollständig noch abschließend sein will, noch die gewünschte Monographie nebst ihren Vorarbeiten ersetzen kann.
B. Die antike Theorie des Briefes.
Literatur. Westermann I 9. Peter 19ff. Demetrii et Libanii, qui feruntur τύποι ἐπιστολικοί et ἐπιστολιμαῖοι χαρακτῆρες ed. V. Weichert (Prolegomena). G. Przychocki De Gregorii Nazianzeni epistulis, Abh. Ak. Krakau, phil. Kl. III. Ser. VI. Bd. (1913) 247–394.
1. Quellen. Eine ausgebildete Theorie haben die Alten nur für die Rede, und zwar die Gerichtsrede, besessen. Für andere Prosagattungen haben sie zwar treffende Einzelbemerkungen gemacht, im ganzen aber beschränkten sie sich auf die durch Imitation erreichte praktische Aneignung der literarischen Tradition, wie Aristoteles von Gorgias sagt (soph. elench. 183 b 36ff.). Daher die große Bedeutung der μίμησις in der antiken Literatur. Für den Brief gibt es in den früh festgelegten Handbüchern der Rhetorik keinen Platz. Demetrios muß in einem Exkurs seines Werkes über den Stil (περὶ ἑρμηνείας) darüber handeln; sonst wird die Lehre vom Brief unter das προγύμνασμα der Ethopoie untergebracht (Theon 115 Sp. Nikolaos 67 Felten). Erst der späte Rhetor Iulius Victor und der Byzantiner Joseph (III 558f. Walz) ordnen sie in das System der Rhetorik ein (Rabe Rh. Mus. LXIV 289). Die Theorie des Briefes müssen wir uns also aus gelegentlichen Notizen und aus der Praxis zusammenstellen. So haben es z. B. für Gregorios von Nazianzos Guignet Les procédés epistol. de S. Gregoire de Nazianze (Paris 1911) und Przychocki, für Gregorios von Nyssa Pasquali Stud. ital. III (1923) 104ff. getan.
Im 4. Jhdt. finden wir keine Spur von Regeln über das Briefschreiben. Wenn Isokrates sich in seinen Briefen darob entschuldigen muß, daß sie allzulang ausgefallen sind, so wirkt dabei nicht die spätere Regel der Kürze, sondern das natürliche Gefühl, daß ein Brief kein Buch ist (anders ep. VII 10. Speus. § 14). Dasselbe Taktgefühl spricht auch bei Aristoteles, wenn er in seinen Briefen etwas als nicht ἐπιστολικόν verschweigt (Demetr. eloc. 230). Daß Theophrastos περὶ λέξεως auch den Brief herangezogen habe, ist ein unbegründeter Einfall von A. Mayer Theophrasti περὶ λέξεως fragmenta (Lpz. 1910) 209ff. Demetrios’ τύποι ἐπιστολικοί enthalten nur Musterbriefe und lassen den literarischen Brief (trotz Przychocki 252) außer acht.
Somit bleibt als ältester Brieftheoretiker Artemon von Kassandreia (Wentzel o. Bd. II S. 1446f. Nr. 18; gegen die Identifikation vergebens Mayer), der in den Prolegomena zur Ausgabe (oder Neuausgabe?, das Verhältnis ist noch unklar) der aristotelischen Briefe (Dem. eloc. 223. Elias in Aristot. comm. XVIII 1, 113, 24 Busse), in engster Anlehnung an sie als ein Vorbild, zwar keine Anweisung zum Briefschreiben (Rabe 291) geliefert, aber jedoch normative, wie überhaupt [190] die antike Stillehre, Erörterungen über den Briefstil angestellt hat. Er betrachtete den Brief als wesensverwandt mit dem Gespräch, und forderte einen schlichten, schmucklosen, dem Plauderton angemessenen Stil. Seine Lehre lernen wir aus dem Exkurs des Demetrios περὶ ἑρμηνείας (223–235) kennen, der in einem Punkt gegen ihn polemisiert, ohne daß wir daraus mit Rabe 291 eine Mittelquelle erschließen dürfen. Ob der fast gleichzeitige Herausgeber der Briefe des Ptolemaios I. Dionysodoros von Troizen (Cohn o. Bd. V S 105 Nr. 18) auch über den Briefstil gehandelt hat, wissen wir nicht.
Cicero setzt schon eine Theorie, aber keine feste, des Briefes voraus; Apollonios von Tyana ep. 19 rechnet unter den fünf Gattungsstilen auch den ἐπιστολικὸς χαρακτήρ; Dionysios von Alexandreia (s. u.) schreibt im 1. Jhdt. n. Chr. über das Präskript; der älteste Progymnasmatiker Theon kennt schon die Übungen im Briefschreiben. In Philostratos’ des Lemniers (Münscher Phil. Suppl. X [1907] 510f.) Brief gegen Aspasios (v. soph. II 33, 3) besitzen wir die älteste uns erhaltene zusammenfassende Anleitung zum literarischen Brief (Rabe 293f.). Reicher finden wir die Lehre im 51. Briefe des Gregorios von Nazianzos an Nikobulos: sie stellt an den Briefschreiber die allgemein für die διήγησις gestellten Forderungen der συντομία, σαφήνεια, χάρις, πρέπον, ἀττικισμός. Isidoros’ ep. V 133 und Photios’ Brief an Amphilochios (letzterer gedruckt mit den beiden anderen bei Ηercher 14f.) setzen die Tradition fort. Der zweite Briefsteller, der des Proklos, benutzt schon den philostratischen Brief.
Bei den Römern finden wir, wenn man von gelegentlichen Äußerungen Ciceros (ad fam. II 4. 1. IV 13, 1. VI 10. IX 21, 1 u. a.), Quintilians (IX 4, 19f.), Senecas (ep. 75) absieht, erst bei Iulius Victor (Radermacher o. Bd. X S. 872ff. Nr. 532) am Schluß seines Handbuchs zwei vom übrigen abstechende Kapitel de sermocinatione und de epistulis, die, nach Μai’s und Βergks Vermutung, auf den berühmten Epistolographen (Sidon. ep. I 1,2) und Rhetor Titianus (2. Jhdt. n. Chr.) zurückgehen: sie sind das beste theoretische Werk über den Brief, das wir aus dem Altertum besitzen. Dürftiger liegt die Lehre in den Excerpta Rhetorica (Halm Rhet. Lat. min. 589) aus einem Pariser Kodex. In den mittelalterlichen artes dictaminis wirkt die antike Brieftheorie fort.
2. Briefsteller. Aus dem Altertum sind uns nur zwei Briefsteller erhalten, die zuletzt von Weichert (der zweite besser bei Foerster Libanius IX 27ff.) ediert worden sind. Über sie vgl. im allgemeinen Rabe 284ff. Ein Bruchstück aus einer hellenistischen Mustersammlung behandelt W. Schmid Jahrb. f. Philol. CXLV (1892) 692ff.
Der erste wird einem Demetrios (viele Hss. bieten ihm irrtümlich den Zunamen Phalereus) zugeschrieben (Martini o. Bd. IV S. 2838f.) und ist, wie Brinkmann Rh. Mus. LXIV 310ff. nachgewiesen hat, in Ägypten zwischen dem 2. Jhdt. v. Chr. und der Mitte des 1. n. Chr. entstanden. Nach kurzer Einleitung werden 21 Briefarten (τύποι ἐπιστολικοί) aufgezählt und je ein [191] Musterbrief beigegeben. Er will nur praktischen Bedürfnissen, keinen literarischen entgegenkommen.
Der zweite trägt in der einen Rezension den Namen des Libanius (natürlich mit Unrecht; s. gegen Weichert XXVf. Münscher DLZ 1912, 991f. Foerster-Münscher o. Bd. XII S. 2523), in der anderen den des Proklos (der Zuname Πλατωνικοῦ kommt irrtümlich hinzu). Die zweite ist auch in der Überschrift und der Anordnung die ursprünglichere, vgl. Sykutris Byz.-Neugr. Jahrb. VII 108 ff. gegen Rabe und Weichert. Die Zeit grenzt sich einerseits durch Philostratos’ Brief (nicht des Gregorios, wie Fοerster 1, 4 gegen Weichert XXII behauptet), andererseits durch das Florilegium des Maximus aus dem 9. Jhdt. (Migne G. XCI 764). Das Werk gehört eher dem Anfang der byzantinischen Zeit an, wie seine Polemik gegen die umständliche Titulatur im Präskript zeigt. Es will Anleitung sein zum literarischen Brief und zerfällt in fünf Kapitel (Rabe 296); die Zahl der berücksichtigten Briefarten ist auf 41 gestiegen (in byzantinischen Rezensionen noch höher).
Diese beiden Werke liegen den unzähligen byzantinischen Briefstellern zugrunde, über sie Krumbacher Gesch. byz. Lit.² 452ff. Rabe 298ff. Ihre Wirkung reicht bei den Griechen bis in das 19. Jhdt. hinein, vorwiegend durch die zuerst 1625 gedruckte Bearbeitung des athenischen Aristotelikers Theophilos Korydalleus.
Aus dem römischen Altertum ist uns Entsprechendes nicht überliefert. Aber die mittelalterlichen Briefsteller (epistolaria, artes dictandi usw.), die sich von den griechischen durch stärkere Berücksichtigung des kunstmäßigen Briefschreibens unterscheiden (Rabe 285, 1), tragen ohne Zweifel antikes Gut weiter. Über sie Rockinger Briefsteller und Formelbücher des 11.–14. Jhdt, 1863f. Wattenbach Archiv für Kunde österr. Geschichtsquellen XIV (1885) 29ff. Valois De arte scribendi epistulas apud Gallicos medii aevi scriptores rhetoresve, Paris 1880.
3. Die Grammatiker (vgl. G. A. Gerhard Phil. LXIV 27ff.). Die erste Nachricht von einer Beschäftigung mit dem Brief betrifft Dionysios von Alexandreia (1. Jhdt. v. Chr. Cohn o. Bd. V S. 985 Nr. 138), der nach Schol. Aristoph. Plut. 322 eine Monographie (μονόβιβλον) περὶ τοῦ ἐν τῇ συνηθείᾳ χαίρειν τοῦ τε ἐν ταῖς ἐπιστολαῖς geschrieben hat (identifiziert von Westermann I 7, 18). Die Schrift benützt wahrscheinlich auch Lukianos (Gerhard 49, 67) im ὑπὲρ τοῦ ἐν τῇ προσαγορεύσει πταίσματος (Helm ο. Bd. XIII S. 1747). Dionysios’ Erklärung der merkwürdigen Konstruktion von χαίρειν im Präskript übernimmt Apollonios Dyskolos, der oft auf die ἐπισταλτικὴ σύνταξις zu sprechen kommt (περὶ συντάξεως Ι 65. 67. II 42. III 77. 79. III 63ff.), stellt aber die eigene richtige Erklärung daneben, wonach eine Ellipse des λέγει oder εὔχεται vorliegt (Gerhard 32. 51ff. Crönert Rh. Mus. LXV 157ff.).
Dasselbe Scholion berichtet, daß nach Dionysios Kleon der erste war, der in seinen Briefen das Wort χαίρειν (nach Pylos’ Einnahme 425) angewandt hat. Die Notiz kehrt anonym auch Diog. Laert. III 61. Lukian. 3. Suid. χαίρειν e, εὖ πράττειν, εὖ διάγειν. Schol. Arist. Wolk. 609 wieder. [192] (Auch die Notiz über Pheidippides Lukian. 3 geht auf ihn zurück; Gerhard 48). Für diese irrtümliche (vgl. Aristoph. Plut. 322; Wolk. 609 mit Schol. Suid. χαίρειν c) Behauptung berief sich Dionysios auf die Aussage (so Suidas φησίν; anders Gerhard 41f.) der Verse des Eupolis (frg. 308 K.; bei Moiris 213, 31 Bekker anonym), die er mißverstanden hat, um so mehr, als die ihm vorliegenden Briefe aus der älteren Literatur entweder in orientalischer Weise (Herodot. III 40. Thuk. I 128f.; vgl. Ed. Schwartz Das Geschichtswerk des Thukydides 30, 1) oder gar nicht als Briefe (Thuk. VII 11ff.) stilisiert waren – was ihn verführte, ihre Form als die altertümlichere anzusprechen. Die Erklärung von Fritsche (bei Bergk Comment. de reliqu. com. att. L. 1838, 362), der andere Gelehrte (Gerhard 44, 59; auch v. Wilamowitz Arist. u. Athen. II 130, 12) beipflichten, hat Gerhard 44ff. widerlegt; seine eigene steht auf viel schwächeren Füßen. In anderem Zusammenhang scheint Dionysodoros eine Eigentümlichkeit im Präskript eines Briefes des Ptolemaios I. an Seleukos besprochen zu haben (Luk. 10). Über das Präskript vgl. auch Prokopios von Gaza ep. 116 und Proklos 21, 8ff., von Ziemann 254 mißverstanden.
4. Der εὑρετής. Daß die Alten auch einen εὑρετής für den Brief postuliert haben würden, liegt in ihrer Denkweise begründet. Daß es aber nach Hellanikos Atossa gewesen sei, beruht auf einem Mißverständnis des Tatianos 1 (davon Clem. strom. I 16, 76, 10. Euseb. ΡΕ Χ 6, 13 abhängig). Denn Hellanikos, wie die Stellen bei Jacoby FGrHist 4 frg. 178 zeigen, hat die Einführung des brieflichen Verkehrs mit dem Untertanen gemeint, die Herodot. I 99 dem Deiokes zuschreibt. Anders Hirzel Dialog I 302, 2. Nach Synesios ep. 138 c ist der Brief ein Geschenk Gottes.
5. Das Wesen des Briefes. Das Wesen des Briefes erkannte Artemon darin, daß er die Hälfte von einem Gespräch ist (Demetr. eloc. 223), ein auf der Hand liegender Gedanke, der uns in privaten Briefen so gut (vgl. den Brief bei Deißmann Licht 163ff.) wie in literarischen begegnet: Cic. Phil. II 7. Olymp. Comm. in Aristot. XII 1, 71, 7ff. Demetr. 5, 10 W. Diog. ep. 3. Synes. 138. Greg. Naz. 196 B. 201 A. Basil. 185 c. Lib. 1225. Dion. Antioch. ep. 31. Vgl. noch Rabe 292, 1. Prcychocki 256f. M. Heinemann Diss. Phil. Argentorat. XIV 3 (1910) 19f. Proklos’ 14, 1 Definition (das Primäre sei die χρεία, nach anderen Demetr. eloc. 231. Dionys. Ant. ep. 31 die φιλοφρόνησις). Aus dieser Wesensverwandtschaft mit dem Gespräch (sermo, nicht Dialog, was bei Hirzel I 300 viele Irrtümer erzeugt hat) werden auch die Vorschriften abgeleitet. Ja Brief und Gespräch werden parallel bei Iulius Victor behandelt. Als gemeinsame Hauptforderung gilt die elegantia (χάρις), das schlichte, ungezwungene Auftreten. Die Polemik Demetr. 224 gegen Artemon betrifft die auch von Iulius Victor (schon von Quint. IX 4, 20) ausgenommenen Lehrbriefe.
6. Der Inhalt. Über den Inhalt des Briefes lassen sich wenig Vorschriften geltend machen. Artemon nahm, mit Berufung auf Aristoteles, besondere ἐπιστολικὰ πράγματα an (Demetr. 230). Leichter war es, einige unpassende Gegenstände auszuschalten, wie naturwissenschaftliche Fragen [193] (Demetr. 231; deutliche Spitze gegen Epikuros), spitzfindige Beweisführungen, es sei denn, sie seien spielerisch formuliert (233; Philostr. vit. soph. II 33, 3. Iulius 446, 17; sie sind auch unhöflich), breite Belehrungen (Demetr. 232) und Gelehrsamkeit (Iul. 447, 42). Charakteristischerweise sprechen sich gegen diese Beschränkung aus Plinius (III 20, 11) und Seneca (ep. 118, 1). Die Forderung, in einem Brief nur einen Gegenstand zu behandeln, hat Plinius praktisch befolgt, Sid. Apoll. VII 18, 4 auch formuliert; anders Exc. 589, 15ff.
7. Der Stil. In den Vorschriften über den Stil unterschieden die Alten die litterae negotiales (Iul. Vict. 447, 36) und die litterae familiares. Für die erste Art, die ein wichtiges Problem behandelt, gelten die Regeln der Rede; die Ausnahmestellung haben ihnen schon Cic. de or. II 49. Demetr. 234. Quint. IX 4, 20 eingeräumt. Auch die an mehrere Personen adressierten Briefe nimmt Cic. fam. XV 21, 4 aus. Die Stilregeln vom Brief gelten nur für die zweite Art.
a) Kürze. Die Briefe müssen kurz sein, wenn sie keine συγγράμματα τὸ χαίρειν ἔχοντα προσγεγραμμένον sein wollen, wie Plat. ep. VII (Demetr. 228. 231. 234; vgl. Euseb. KG. VII 26, 2). Schon Isokr. ep. II 13. III 1. IV 13. VIII 10 spricht vom μέτρον ἐπιστολῆς. Vgl. Plin. III 9, 27. VII 9, 16. VIII 6, 17. Greg. 4, 50. 204. Greg. Nyss. Migne G. XLVI 960 A. Isid. Orig. VI 12,1. Ammon. Comm. Aristot. VIII 4, 7, 4. Elias XVIII 1, 123, 17. Iul. 448, 1. Lib. ep. 1264. Procl. 19, 18. Die Praxis haben wir bis zum äußersten zugespitzt bei Brutus (Plut. Brut. 2), Apollonios von Tyana, Philostratos, Isidoros, Symmachus. Die Reaktion dagegen bei Gregorios (μέτρον τῶν ἐπιστολῶν ἡ χρεία); Procl. 20, 14. Lib. ep. 1130; vgl. 369. 432; ep. 1151 unterscheidet er die langen ἐπιστολαί von den kurzen παραγράμματα (vgl. Greg. ep. 56). Man berief sich wegen der Ausdehnung auf das Schreibmaterial Speus. 14. Plin. ep. III 14, 6.
b) Klarheit. Sie gehört pflichtgemäß in jede Prosa. Demetr. 226 setzt sie voraus, Philostratos fordert sie ausdrücklich; vgl. noch vit. soph. II 24, 1. 33, 3. Gregorios. Simpl. Comm. Aristot. VIII 7. 18. Ammon. VIII 4, 7, 4. Lib. 716. Iul. 448, 13. Procl. 20, 1. Sie ist notwendig auch bei den absichtlich dunklen Briefen epistulae clandestinae, Iul. 448, 5.
c) Der sprachliche Ausdruck muß sich der Umgangssprache des Gebildeten nähern (Cic fam. IX 21, 1. Olymp. Comm. XII 1, 11, 7. Sidon. VIII 16, 3. Symm. VII 9) ohne in die Vulgärsprache hinabzusteigen (Olymp., Elias XVIII 1, 123, 17; Exc. 589, 23). Sie muß die Mitte halten zwischen dem λογοειδές (gehobene Rede) und dem λαλικόν (Greg., vgl. Procl. 19, 15). In Wortwahl mäßiges ἀττικίζειν (Philostr. Lib. 87, 606. 1219; Procl. 19, 15) und Vermeidung der entlegenen Worte (Demetr. 231. Phil. Soph. II 24, 1. Iul. 448, 13. 446, 16. Exc. 589, 22) werden gefordert. Anders Symm. II 35. Ein Beispiel vom Gegenteil bei Athen. 98 e bespricht v. Wilamοwitz Hell. Dichtung I 10, 4. In der Wortfügung soll die periodische Stilart vermieden werden (Iul. 446, 17. Ammon. Comm. VIII 4, 7, 4), außer am Schluß (Philostr.). Denn der Brief gehört in das ἰσχνὸν [194] γένος (Demetr. 229. 235; soluta oratio Quint. inst. IX 4, 19. Plin. ep. VII 9, 8). Das ἀσύνδετον schmückt den Brief, Philostr. vit. soph. II 24, 1.
d) Schmuck. Gänzlicher Mangel an Redeschmuck verursacht εὐτέλεια (Isid. Pel. V 133) und ist unhöflich (Exc. 589, 14. Cassiod. var. XI praef. 2); der übermäßige Gebrauch verursacht ἀπειροκαλία (Isid.) und ist stilwidrig. Eleganz (χάρις Lib. 1037. 1117. Greg. Demetr. 235; gratia Iul.), und zwar sine ostentatione (Iul. 446, 15) ist der Hauptvorzug im persönlichen und brieflichen Umgang. Daher keine Metaphern (Iul. 446, 16. Gregor.), die gorgianischen Figuren gar nicht (Iul. 446, 16. 448, 14) oder nur spielerisch (Gregor.)! Die Eleganz wird erhöht durch Einflechten von ἱστορίαι und μῦθοι (Procl. 21, 1; Joseph. III 558, 24 Walz), die nicht entlegen und gesucht sein dürfen (Iul. 446, 40. 448, 14), von Anspielungen (Gregor.), von Sprichwörtern und Sentenzen ohne dialektische Spitzfindigkeit (Demetr. 232. Procl. 21, 2. Gregor. Iul. 446, 40. 448, 31. Joseph 558, 21; die Praxis z. B. A. Otto Die Sprichwörter d. Römer, Lpz. 1890, XXXV. Salzmann Sprichwörter bei Libanios, Diss. Tüb. 1910. Weichert XXXIIf.), von Versen bezw. Versteilen (Iul. 446, 41. 448, 31. Exc. 589, 22. Demetr. 7, 9. Weichert XXVI), von Zitaten (Exc. 589, 21. Procl. 21, 3). All dies Beiwerk wird in der Regel an den Anfang des Briefes gestellt (Geffcken Kaiser Iulian, Leipzig [1914] 77. 136. 144), manchmal ziemlich pedantisch (Pasquali Studi ital. N. F. III 1923, 105f.). Bei den Lateinern kommt, nach Ciceros Vorbild, das Einflechten von griechischen Worten hinzu (Iul. 446, 41. 448, 29). Zum Brief gehört besonders der Witz (iocari); schon Aristoteles war δριμύς (Elias Comm. XVIII 1, 123, 25). Er muß aber mit großer Vorsicht (Iul. 448, 18) und Anstand (Iul. 446, 20. 447, 1), mit steter Berücksichtigung der Person und der Stimmung (Cic. fam. II 4, 1. Socr. ep. XXXIII 1. Iul. 448, 21) des Adressaten gebraucht werden. Das Studium der Komödie ist dafür zu empfehlen (Iul. 447, 32). Komplimente (φιλοφρονήσεις Demetr. 232) und gelegentliche Anreden des Adressaten (Iul. 448, 32) beleben den Stil.
e) Ἦθος. Πρέπον. Mehr als irgendeine andere Prosagattung ist der Brief geeignet, das persönliche Ethos des Schreibenden kundzugeben (εἰκόνα τῆς ἑαυτοῦ ψυχῆς Demetr. 227. Sidon. VII 18,2. Philostr. von den Briefen des Kaisers Markos). Auch bei den fingierten Briefen muß der Charakter des vermeintlichen Schreibers hervortreten (Mithrad. praef. 3; den Sekretär des Kaisers vergleicht Philostr. soph. II 24, 1 mit einem Schauspieler). Daher gehört das Briefschreiben unter dem Progymnasma der προσωποποιία (Theon 115, 12 Sp. Nikol. 67, 2 F. Darüber Reichel Quaest. progymnasmaticae, Diss. Leipzig 1910). Aber Haltung und Form des Briefes sind auch mit Rücksicht auf die Person des Adressaten (vgl. Cassiod. var. XI praef. 2. Iul. 442, 16. Theon 115, 22ff. Sp.; Exc. 589, 25ff. werden die personarum accidentia aufgezählt), seine Stimmung (s. o. und Iul. 447, 19. 448, 16), den Inhalt des Briefes (Exc. 589, 9) usw. zu gestalten. Ausführlich spricht darüber Cassiodor in den Vorreden seiner Variae; über die Praxis bei Cicero[WS 5] vgl. Dammann Cicero quo modo in epistulis sermonem hominibus accomodaverit, Diss. Greifswald [195] 1910. Peter 6 über fam. XII 13 und IX 21. Gregor von Nyssa gebraucht, wenn er an Christen schreibt, Bibel-, an Heiden Homerzitate (Pasquali 106).
8. Das Präskript. Auch darüber haben die Theoretiker Vorschriften gegeben. Procl. 21, 8 tritt in deutlicher Polemik gegen die Etikette seiner Zeit für das klassische ὁ δεῖνα τῷ δεῖνι χαίρειν ein. Vgl. auch den Streit in Procop. ep. 116. Norden Kunstprosa I 367f. Für die Etikette in den praefationes und subscriptiones spricht sich Iul. 448, 23 aus. Über die Eigentümlichkeit in den Praeskripten von literarischen Briefen berühmter Männer (Platon, Epikuros usw.) vgl. Ziemann 290ff.
9. Die Briefarten. Über litterae familiares und negotiales s. o. Cic. pro Flacco 37 unterscheidet litterae publicae und privatae. Sonst hat er eine Klassifikation der Briefe weder gehabt noch geschaffen (Rabe 291, 2 gegen Peter 23). Die Einteilung fam. II 4, 1f. IV 13, 1 und VI 10, 4, die nicht von ihm stammt (sie kommt auch Socr. ep. XXXIII 1 vor), unterscheidet 1. einfache Privatbriefe mit faktischer Mitteilung, 2. Briete mit den Gefühlen des Schreibenden, die in genus familiare et iocosum und genus severum et grave geteilt sind. Philostratos zählt einige Briefarten auf, von den Briefstellern bietet Demetrios 21, Proklos 41, die Byzantiner noch mehr (Weichert 34ff.) Briefarten.
10. Die Klassiker des Briefstiles. Als Klassiker des Briefstils (Libanios empfiehlt ihr Studium 1034, 1036) stellte Artemon den Aristoteles dar (Demetr. a. O.), worauf auch seine Theorie zugeschnitten war. Ihm folgen die Commentatoren. Von den Späteren hat ihn noch Gregorios gelesen (ep. 234), während Photios ihn und Platon (diesen mit Demetr. 228. 233) ablehnt. Den Demosthenes nennt nur Photios ohne Lob, Isokrates niemand. Großen Erfolg hat Brutus gehabt; der κριτικός Markianos stellte seine Briefe über die besten Prosaiker überhaupt (Phot. bibl. 101 a 20; anders Rühl Rh. Mus. LXX 318). Von den Späteren lobt man die Briefe des Apollonios von Tyana, die Autographen des Kaisers Markos (vgl. seine Comment. I 7, 5), des Dion von Prusa, des Herodes; bei Photios sind noch die des Phalaris und des Libanios hinzugekommen. Er und Synesios gelten im Mittelalter als die Epistolographen κατ’ ἐξοχήν. Von den Kirchenvätern kommen Basileios, Gregorios Naz., Isidoros hinzu, von den Byzantinern Psellos (Joseph 559), Gregor von Cypern usw.
Bei den Römern ist vor allem Cicero Vorbild (Fronto 107 N. Plin. IX 2, 2. Sid. I 1, 2. Iulius Victor), von den Späteren Plinius (Allain Pline le jeune III 277ff. Macrob. sat. V 1, 7. Sid. IX 1, 1), Symmachus u. a. Von den Kirchenvätern besonders Hieronymus und Ambrosius.
C. Der amtliche Brief.
Er nimmt eine Mittelstellung zwischen dem Privat- und dem literarischen Brief ein, weil er sich an mehrere Adressaten wendet, eine Veröffentlichung erreicht (Peter 198ff.) und von gebildeten Leuten abgefaßt ist. (Die Klagen des Plinius I 10, 9 sind relativ zu verstehen; hat er doch seine Korrespondenz mit Traian publiziert Peter 122ff.). Andererseits wird auf die Form keine oder geringere Sorgfalt angewandt.
[196] In der klassischen Zeit der Griechen war die Briefform die Form, in der die Beamten den heimatlichen Behörden Bericht erstatteten (Thuk. VII 11ff. Xen. hell. I 1, 23) und der auswärtige Verkehr unterhalten wurde (Aristoph. Wolk. 608). Im 4. Jhdt. pflegte man diese Urkunden auch stilistisch zu bearbeiten, um auf die öffentliche Meinung zu wirken. So ließ Timotheos seine Berichte an das Volk durch Isokrates redigieren (Speus. 12. Ps.-Plut. Vit. X orat. 4, 9. Norden Kunstprosa I 88, 1) und Philippos zog in seine Kanzlei geschulte Journalisten (Pohlenz Herm. LXIV 41ff. v. Wilamowitz Antigonos 178). Einer darunter ist Eumenes von Kardia (Kaerst o. Bd. VI S. 1083) gewesen.
In den hellenistischen Monarchien steigt die Bedeutung der Kanzlei erheblich. Nicht nur der auswärtige Verkehr, sondern auch der ganze innere Verwaltungsbetrieb wurde in Briefform abgefertigt, eine vom Orient übernommene Sitte (Mitteis-Wilcken Grundzüge I 1, 5ff.). Der Betrieb war groß (vgl. Plut. an seni resp. ger. 11), der Schreiber gewinnt an Ansehen, der ἐπιστολογράφος gehört in Ägypten unter die συγγενεῖς τοῦ βασιλέως. Über den typischen Stil solcher Briefe und den manchmal durchschimmernden persönlichen Stil des Königs selbst handelt fein Schubart Arch. Pap. VI 324ff., der auch ein Verzeichnis der erhaltenen Königsbriefe bietet 346f. Die noch zu lösenden Aufgaben bespricht er Einführung in die Papyruskunde (Berlin 1918) 198ff. Über ἔντευξις und ὑπόμνημα Ziemann 259ff.
An die hellenistische Sitte knüpft bewußt Caesar an, wenn er zum Privatsekretär nicht mehr einen Freigelassenen, sondern den Vater des Historikers Trogus macht (Iust. XLIII 5, 12); ähnlich Otho (Plut. Oth. 9.). Seit Hadrian ist feste Sitte, daß Literaten die beiden Ämter ab epistulis latinis und ab epistulis graecis besetzen, was für die Epistolographie fördernd gewirkt hat. Sie führen in die amtliche Korrespondenz alle die Stilblüten ihrer Schulen ein; Cassiodor hat seine amtlichen Briefe sogar als Muster herausgegeben (Peter 201ff.), was die späteren (z. B. Psellos, N. Chumnos, N. Gregoras) auch getan haben. Über all dies Karlowa N. Heidelb. Jahrb. VI 211ff. Brassloff o. Bd. VI S. 204ff. Rostowzew ebd. 210ff. v. Premerstein XIII 15ff. Lafoscade De epistulis imperatorum magistratuumque Romanorum quas … graece scriptae lapides servaverunt, Thèse Paris 1902. Die ab epistulis und a libellis verzeichnet Bang bei Friedländer Sittengesch. IV9–10 32ff.
D. Der literarische Privatbrief.
Privatbriefe im strengsten Sinne, d. h. Briefe bei deren Abfassung kein Gedanke an spätere Veröffentlichung gewaltet hat, haben die Alten selten ediert. So etwas wie die Atticusbriefe bildet eine Ausnahme und darf nicht als Maßstab für die Beurteilung der antiken E. gebraucht werden (so Leo 318 gegen Peter 8ff.). Denn der Brief galt als etwas ἔντεχνον (Norden Kunstprosa 492. P. Friedländer Johannes von Gaza [Leipzig 1912] 69f.) und große stilistische Ansprüche stellte man an eine Briefsammlung. Pietät und apologetische Absicht hat bei manchem anderen Herausgeber wohl mitgespielt. Im ganzen aber war die Veröffentlichung einer Privatkorrespondenz etwas ungewöhnliches. Es ist nicht [197] einmal sicher, ob die Briefe von Alexander und seinen Diadochen (Parmenion Athen. 607f. Antipatros Suid. s. v. Krateros Strab. XV 702, Kleomenes von Naukratis Athen. 393 c, Antiochos ebd. 547 a u. a.) wirklich einmal in Sammlungen als Quellenmaterial ediert worden sind oder nur von den Historikern benutzt. Für die Kaiserzeit ist das zweite nur der Fall (z. Β. Augustusbriefe bei Sueton). Das Interesse an das intime Leben einer Persönlichkeit, die seit Sainte-Beuve zur Pflicht des Literarhistorikers gemachte Indiskretion über die privaten Angelegenheiten der Großen lagen den Alten ziemlich fern.
Die erste Privatkorrespondenz, deren Edition uns bezeugt ist, war die des Aristoteles v. (Wilamowitz Antigonos 151, 15; Arist.[WS 6] u. Ath. II 393). Die Fragmente (651–670 Rose) erlauben uns keine Aussage über Veranlassung der Ausgabe und über das Verhältnis der ersten Ausgabe zu der des Artemon (s. o.). Nach ihm hat man Briefe von Philosophen ediert (Theophrastos, Diog. Laert. V 50. Demetrios von Phaleron V 81. Straton V 60. Sphairos frg. I 620 Arn.), auch von denen, die sonst nichts Schriftliches hinterlassen hatten, wie Ariston von Chios frg. 333 Arn. Arkesilaos Diog. L. IV 38, 44. Karneodes IV 65. Auch Briefe von Königen sind uns bezeugt, die von Ptolemaios I. in einer eigenen Sammlung (Luk. de lapsu 10).
Greifbar wird uns eine antike Privatkorrespondenz erst durch die Briefe Ciceros (Peter 38ff. Tyrrell und Ρurser in ihrer Ausgabe I³ 59. Schanz-Hosius Röm. Lit. I⁴ 471ff. Schöne Analyse Misch 206ff.) und seiner Freunde (K. Springer Supplementum Tullianum, Berlin 1926); vor ihm hatte man die Briefe der Cornelia herausgegeben (Cic. Brut. 211; Quint. I 1, 6. Plut, C. Gracch. 13. Schanz-Hosius I⁴ 219). Von seinen Zeitgenossen kannte man Sammlungen von Briefen Caesars (Suet. Caes. 56), M. Antonius (Suet. Aug. 86), Brutus (Quint. IX 4, 74; über die griechischen Briefe s. Rühl Rh. M. LXX 315ff. Cichοrius Röm. Studien 434. Gelzer o. Bd. X S. 973ff. Nr. 53).
Anderer Natur sind die Briefe des Plinius, die der Verfasser als kleine Kunstwerke verfaßt und herausgegeben hat. Cornelius Fronto (Peter 124ff. Brzοska ο. Bd. IV S. 1318ff.), will zwar Cicero nachahmen, schreibt aber von vornherein für die literarische Welt in altertümlichem Stil. Q. Aurelius Symmachus (Peter 135ff.) ist auch ein Nachahmer Ciceros, während Sidonius Apollinaris (Peter 150ff. Klotz u. Bd. II A S. 2230ff.), Ruricius (Stech u. Bd. I A S. 1233 Nr. 3) und Ennodius (Benjamin o. Bd. V S. 2629ff. Nr. 4) die plinianische Kunst bewundern und imitieren.
In der griechischen Literatur n. Chr. werden uns auch ältere Briefsammlungen angeführt (so die des Herodes Atticus (Münscher o. Bd. VIII S. 921ff. Nr. 13), des Aristokles von Pergamon (Schmid o. Bd. II S. 937 Nr. 19), Timagenes von Miletos (Suidas), aber die erste uns erhaltene echte Briefsammlung ist die des Kaisers Iulianus (v. Borries o. Bd. X S. 75ff.). Als der Epistolograph κατ’ ἐξοχήν galt dann Libanios (Förster-Μünscher o. Bd. XII S. 2523ff.); seine Briefe waren schon bei Lebzeiten berühmt und wurden gleich nach seinem Tode herausgegeben. [198] Andere Epistolographen aus dieser Zeit sind Aeneas und Procopios von Gaza, Dionysios von Antiocheia (Schmid o. Bd. V S. 975 Nr. 127), Priscos von Panion und Troilos von Side (Suid. s. v.). Über den Brief bei den Christen s. u.
1. Veröffentlichung. Die Veröffentlichung der Privatbriefe erfolgte anfänglich erst nach dem Tode des Verfassers. Indessen sieht schon Cicero gerne zu, wie seine Briefe verbreitet (Att. VIII 9, 1) und in einer Sammlung von Tiro ediert werden sollen (XVI 5, 5). Plinius liefert das erste uns bekannte Beispiel einer vom Verfasser selbst publizierten Briefsammlung und seinem Beispiel sind die Späteren gefolgt (Fronto, Symmachus usw.). Im Griechischen ist die älteste bezeugterweise selbstedierte Briefsammlung die des Gregorios von Nazianzos (ep. 52), während die Briefe des Iulianus, Libanios usw. erst nach ihrem Tode gesammelt wurden. Bei den meisten Sammlungen läßt es sich nicht mehr feststellen.
Man gab natürlich nicht alle Briefe heraus, namentlich bei Lebzeiten des Verfassers, sondern eine Auswahl (Plin. I 1. Symm. I 1, 11. II 18, 1. Sidon. I 1,1) der stilistisch am besten gelungenen, oder auch man pflegte Briefe an mehrere Adressaten zu edieren, damit alle in der erhofften Unsterblichkeit (darüber Epikuros bei Sen. ep. XXI 3. Lib. ep. 773. Plin. n. h. Praef. 25. Symm. IV 28, 4.[WS 7] Sidon. VIII 5) ein Plätzchen haben können; deshalb findet man selten in diesen Kunstbriefen mehrere Briefe an eine Person adressiert. Auch pflegte man kränkende oder gefährliche (Lib. ep. 1264) Briefe zu unterdrücken bezw. durch Austilgung der Eigennamen gefahrlos zu machen.
Für die Veröffentlichung benutzte man die Kopialbücher (Peter 33), wo sie vorhanden waren. Solche libri litterarum missarum bezw. adlatarum hielt man auch im Privatleben (Beispiele aus den Papyri bei Deißmann Licht 200). Bei den Literaten waren sie schon zur Zeit Ciceros in Übung (ad fam. VII 25, 1; vgl. Symm. II 12, 1. IV 34, 3. V 85, 2. Liban. ep. 1218. 1307). In solchen volumina (βιβλίον sagt Libanios) sah Nepos (v. Att. XVI 3) die Atticusbriefe. Über einen interessanten Vorgang bei Libanios vgl. ep. 933. 915 und Seeck Die Briefe des Libanios, Lpz. 1906, 19 (TU N. F. XV 2). Wo solche Hilfsmittel nicht vorhanden waren (aus der Jugendzeit des Libanios besitzen wir aus dem Grunde keine Briefe Förster-Münscher 2524f.), pflegte man die Briefe von den Adressaten zurückzufordern. So Cic. ad Att. XVI 5, 5. Plin. I 1. Symm. V 85. Aus der griechischen Praxis Interessantes bieten die Briefe 155–157 des Gregorios von Cypern (B. A. Müller o. Bd. VII S. 1852 Nr. 2), die Eustratiades (Alexandreia 1910) ediert hat.
Daß man bei der Ausgabe die Briefe einer Durchsicht unterzog, versteht sich von selbst (Cic. ad Att. XVI 5, 5; vgl. Sidon. I 1, 1. Greg. Cypr. 155. Ennodius subscr.). Sie erstreckte sich meist auf die Form, aber auch auf den Inhalt. Besonders Eigennamen (dafür ὁ δεῖνα oder ἀδήλῳ usw.) haben darunter gelitten, weil sie für Musterbriefe belanglos waren (z. B. Cassiodor, Peter 202); die Schreiber haben in dieser Richtung noch weiter gearbeitet.
[199] Oft nahm man auch empfangene Briefe in die Sammlung auf, weil sie für das Verständnis der eigenen unentbehrlich schienen oder aus anderen Gründen. So artet manche ciceronische Sammlung zu einem richtigen Briefwechsel aus (z. B. ad M. Brutum). Auch haben die Herausgeber, die im Altertum sonst ziemlich pietätvoll waren, vieles aus antiquarischem Interesse oder aus Eitelkeit (z. B. ad fam. XVI 17, 1) übernommen.
Es hat oft mehrere Ausgaben von Briefen eines Verfassers gegeben, je nach Herausgeber oder buchhändlerischen Berechnungen (Beispiel die Briefe Iulians’, wie Bidez und Cumont gezeigt haben; vgl. v. Borries a. O.). Das tat man auch bei Lebzeiten des Verfassers, wenn das Verlangen groß war, das ja auch vor Vergewaltigung des Briefgeheimnisses (Symm. II 48, 1) oder Verfälschungen (II 12) nicht zurückschreckte. So sah sich der Sohn des Symmachus gezwungen, eine autorisierte Ausgabe der Briefe seines Vaters zu veranstalten. Auch der Zuwachs an Briefen machte eine Neuausgabe nötig (so bei Sidonius Apollinaris).
2. Anordnung. Die uns am nächsten liegende chronologische Anordnung war im Altertum nicht gerade häufig. Plinius (I 1, 1) lehnt sie offen ab mit der Begründung, er schreibe keine Geschichte. Wenn er aber sagt ut quaeque in manus venerat, so stimmt das nicht; denn die Anordnung ist sehr sorgfältig erwogen, so daß Briefe gleichen Inhalts in verschiedenen Büchern verstreut vorkommen, die Varietas als höchstes Prinzip befolgt wird. Dieselbe Variierung erstrebt auch Sidonius Apollinaris, nur pflegt er am Anfang und am Ende die Briefe an Männer zu setzen, die er besonders ehren wollte. (Ähnlich verfährt Cassiodor; Peter 209f.). Daß bei ihm, wie bei Plinius am Anfang Briefe an Freunde stehen, denen die ganze Sammlung gewidmet sein soll, versteht sich von selbst.
Durch die Benutzung des Kopialbuches gab sich aber eine chronologische Anordnung von selbst; wir finden sie bei Libanios. Auch Fronto hat innerhalb seiner Sammlungen, die an je einen Adressaten gerichtet waren, das chronologische Prinzip beobachtet; so z. Β. ad M. Caesarem et invicem, ad L. Verum imperatorem usw. (Peter 126ff.). Dagegen in dem einen Buch vermischter Korrespondenz ad amicos stellt er die Empfehlungsbriefe voran, den Rest aber ordnet er nach Empfängern. Nach Empfängern sind auch die ersten Bücher des Symmachus (das zehnte enthält Briefe an den Kaiser, nach dem Vorbild der Korrespondenz des Plinius mit Traian, die man als 10. Buch rechnete), während VIII und IX chronologisch geordnet war. Auch die gattungsmäßige Anordnung ist sehr beliebt, zumal sie die Verwendung als Mustersammlung erleichterte. So stehen die Empfehlungsbriefe Ciceros alle beisammen ad fam. ΧIII, die Trostbriefe ebenfalls fam. IV 13–15. V 16–18. VI 9–14. Die als formulae gedachten Briefe des 6. und 7. Buches seiner Variae ordnete Cassiodor nach der Wichtigkeit den Ämter.
3. Inhalt. Über den Inhalt der Briefe ist nicht viel zu sagen; denn er war sehr mannigfaltig, wie es eben die Umstände mit sich brachten. Gewisse Klassen (Empfehlungs-, Trost-, Gratulationsbriefe [200] u. a.) haben sich schon früh abgesondert, sonst aber läßt sich allgemein wenig bestimmen. Nur die fortschreitende Entsachlichung der Briefstellerei muß erwähnt werden, denn sie führte dazu, daß der Brief nur einen Gruß enthielt, das Wesentliche sagte der Bote (ähnlich in der Renaissance Voigt Wiederbelebung II² 422, oder man benutzte dafür das Italienische), um einmal nicht gegen das Gesetz der Kürze zu verstoßen, sodann aber um das Persönliche und Individuelle auszuschalten. Wer Privatbriefe gleich mit der Absicht der Publikation schreibt, wird notwendig dazu geführt, in abgegriffenen Allgemeinheiten zu reden. Man kommt allmählich dazu, die Freundschaftsbeteuerungen als das Wesentliche zu bezeichnen, als den eigentlichen Zweck des Briefschreibens (Dionys. Antioch. ep. 31. Symm. VI 6, 2. VII 84. VIII 55). So lehrt auch theoretisch Iul. Victor 446, 30[WS 8]. Kunstbriefe wie die des Plinius und des Sidonius haben einen reichhaltigen Gehalt, allein muß in einem Brief bloß ein Gegenstand behandelt werden. Eine Inhaltsart, die der ἔκφρασις, behandelt P. Friedländer 70ff. In christlichen Kreisen benutzt man gern den Brief als eine Form der Selbstdarstellung, Misch 369ff.
E. Der Brief als Einkleidungsform.
Schon im Orient (s. u.) und dann in der klassischen Zeit der Griechen wandte man die Briefform auf Schriften an, die nicht mehr Briefe genannt werden können, entweder weil man auf einen wirklichen Brief antworten wollte, oder weil man sich durch diese Form eine besondere Wirkung versprach bezw. sich den strengen Kunstregeln entzogen glaubte. Bei jeder einzelnen Schrift ist natürlich die Frage nach der Veranlassung verschieden zu beantworten. Ausnahmslos gilt dabei, daß der Adressat immer abwesend und entfernt sein muß und daß es keine fingierte Person sein darf, es sei denn auch der Briefschreiber sei fingiert. Dem Adressaten wird ein solcher Brief gleich durch die Veröffentlichung bekannt, der Inhalt ist immer allgemeiner Natur und geht gleichmäßig das weitere Publikum an, auch die Form ist gepflegter als in den anderen Briefen. Auch hierin läßt sich eine zunehmende Literarisierung der Briefform feststellen. Während z. B. der Brief des Speusippos an Philippos einen echten, brieflichen Anlaß hat, die Empfehlung des Antipatros von Magnesia, wird die Briefform bei den Römern und dann in der christlichen Literatur als eine fertige literarische Form der Publizistik ohne jeden Anlaß angewandt. Im folgenden werden die wichtigsten Formen dieser Briefe besprochen.
1. Der publizistische Brief. Die antike Publizistik hat sich keine eigenen literarischen Formen geschaffen. Sie bediente sich zunächst der poetischen Gattungen (Epos, Elegie, Iambos, Skolion, Drama usw.), nach 450 ungefähr werden diese allmählich durch die Prosa abgelöst (v. Wilamowitz Aristot. u. Ath. I 169ff.). Im 4. Jhdt. tritt als übliche Form der Tagesliteratur der Brief, der unserem ,offenen Brief‘ entspricht und durch seine gleichzeitige Veröffentlichung auf das weite Publikum wirken bezw. durch die öffentliche Meinung einen [201] Druck auf den Adressaten ausüben will. In Gegensatz zu den modernen offenen Briefen, richtet er sich fast immer an Abwesende (Sallusts Brief an Caesar kann man eher als Denkschrift bezeichnen) und Auswärtige (einen offenen Brief an den Strategen bezw. den Consul, wie heute an den Ministerpräsidenten, kennen wir aus dem Altertum nicht, wohl aber an den Kaiser aus der Provinz) und behandelt allgemeine Probleme, nicht Einzelfälle des sozialen und politischen Lebens. Auch die diplomatischen Briefe pflegte man auszuarbeiten, um die ‚internationale‘ öffentliche Meinung für sich zu gewinnen (klassisches Beispiel Philippos’ Schreiben an die Athener s. Pohlenz Herm. 1929, 41–62). Der Inhalt eines publizistischen Briefes ist fast derselbe wie der einer Rede; es kommt bloß auf die konkreten Verhältnisse an, ob der Schreiber diese oder jene Fiktion vorzieht. Demosthenes gibt in Athen seine Broschüren in der Form von Volksreden heraus, in der Verbannung in der Form von Briefen. Über denselben Gegenstand schreibt Isokrates bald eine Rede, bald einen Brief. Über eine Gruppe von solchen Briefen s. Klek Symbuleutici historia critica. Paderborn 1919 (Rhet. Stud. VIII).
Das erste Beispiel ist Isokrates ep. I an Dionysios I. (vor 367; Münscher o. Bd. IX S. 2199). In der Bevorzugung der Briefform gegenüber dem Panegyrikos zeigt sich der Wandel in Isokrates’ Glauben; was er einst Sparta und Athen zugetraut hat, erhofft er jetzt nur von einem starken Mann (ep. I 6). Alle seine Briefe sind von vornherein für die Publikation geschrieben (ep. I 2. 6. VI 4; V 1 spricht er ausdrücklich von Lesern) oder besser gesagt, Isokrates hat nur diejenigen Stücke aus seiner Korrespondenz veröffentlicht, die seine ethisch-politischen Grundsätze oder seine persönliche Stellung im öffentlichen Leben ins rechte Licht setzen (vgl. vor allem ep. VIII 10). Aber alle seine offenen Briefe haben einen direkt brieflichen Anlaß, Empfehlung IV, VIII, Glückwünsche IIΙ, Begrüßung V usw.
Isokrates’ Beispiel hat weite Nachahmung gefunden: Platons Briefe VII und VIII sind für die öffentliche Meinung geschrieben (bes. Pohlenz Aus Platos Werdezeit [Berlin 1913] 116ff.; Eggermann Die platonischen Briefe VII und VIII, Diss. Berlin 1928, der 12, 1 ansprechend aus Plut. Dio 58 ein Schreiben des Kallippos an die Athener erschließt), Speusippos gab seine Briefe an Dion, Dionysios und Philippos (Diog. Laert. IV 5. Bickermann-Sykutris. Ber. Sächs. Akad. 1928, 3) heraus, die demosthenischen Briefe, selbst wenn sie unecht sein sollten, gehören hierzu. Vgl. noch Theopompos an Philippos und Alexandros frg. 250ff. Jac., Aristoteles an Alexandros über die Herrscherpflichten, Herakleides Pontikos an Dionysios (Diog. Laert. V 88), Theokritos von Chios (Suid. s. v.), Lykurgos von Athen (Suid. s. v.), Dionysios II. (Athen. 279 e). Alexandros berichtete in offenen Briefen an seine Mutter über seine Erfolge, was schon Timonidas von Leukas über die Expedition von Dion (Plut. Dio 35) an Speusippos getan hat. Über die hellenistische Zeit versagen meist unsere Quellen, aber die großen Auseinandersetzungen der Herrscher und die innergriechischen Kämpfe gingen nicht [202] ohne großen Papierverbrauch ab (vgl. den Spott Catos über Antiochos III). Den Anfang eines offenen Briefes des Menedemos von Eretria an Demetrios I. teilt Diog. Laert. II 140f. mit; vgl. noch IV 46.
Bei den Römern ist der Brief als journalistische Form sehr beliebt (s. Peter 213ff.). Ältere Beispiele, meist über die eigenen Verdienste, werden uns hie und da erwähnt (Polyb. X 9, 3. Plut. Aem. Paul. 15. 21). Die Zeit der großen Bürgerkriege ist die Blütezeit der römischen Publizistik. Wir kennen Briefe des C. Gracchus (Cic. div. I 36. 62), Metellus Numidicus (Gell. XV 13, 6), Caesar (Cic. ad Att. VIII 9, 2), Sallust (Pöhlmann Aus Altertum und Gegenwart N. F., München 1911, 184–276), Antonius gegen Octavian (Groebe o. Bd. I S. 2595ff. Nr. 30), wogegen Messalla geantwortet hat, Asinius Pollio (ds. o. Bd. II S. 1592ff.), Cassius gegen Augustus (Suet. Aug. 4) u. a. Auch apokryphe Briefe unter fremden Namen fehlen nicht (Suet. Aug. 51. Tib. 66).
Mit der absolutistischen Entwicklung der Monarchie beschränkt sich die publizistische Literatur, bis auf spärliche Ausnahmen, wie Apollonios von Tyana ep. 103 und 109, Aristeides von Smyrna or. 19 K. Erst im Christentum, als die Menschen im Bewußtsein ihrer Glaubensstärke der politischen Macht Trotz zu bieten wagen und die dogmatischen Kämpfe die breiten Volksmassen bewegen, entsteht eine neue, der griechischen des 4. und der römischen des 1. Jhdts. ebenbürtige publizistische Literatur. Die Formen sind die alten geblieben, aber der offene Brief spielt hier eine viel größere Rolle als zur Zeit des Stadtstaates, wozu ja auch das Beispiel der paulinischen Briefe beigetragen hat. Die große Masse der Briefe der Kirchenväter gehört hierher. Die Kampfmittel werden mit derselben Rücksichtslosigkeit, wie früher, angewandt; auch Fälschungen mit aktueller Tendenz kommen oft vor. Diese Art Briefliteratur wird weiter im Mittelalter gepflegt und bringt in der Renaissance reichen Ertrag. Ein Epistolograph wie Pietro Aretino zeigt schon die unerfreulichen Züge eines gewissenlosen Journalisten des Schlages von Lysias und Deinarchos.
2. Der Lehrbrief. Schon in einer gewöhnlichen Korrespondenz kommen Fälle vor, in denen der Schreiber dank seiner Stellung als Lehrer, Älterer u. dgl., mahnend oder warnend in die Lebensführung des Adressaten eingreift und Lebensprobleme in einer für die Allgemeinheit gültigen Weise behandelt. Solche Briefe wurden oft vom Schreiber bezw. vom Adressaten oder anderen Personen weit verbreitet, weil sie auch anderen Gleichgesinnten Erbauung und Trost bieten konnten. Die nächste Veranlassung zu ihnen hatte zwar der Adressat gegeben, aber dem Schreiber war es gelungen, bewußt oder unbewußt, das Einzelvorkommnis zum typischen Fall menschlichen Handelns und Leidens zu erheben. Mit der Zeit aber fing man an auch Lehrbriefe zu schreiben, bei denen der Adressat gar nicht oder nur entfernt die Veranlassung gegeben hatte. Die Briefform wird als eine fertige literarische Form angewandt, um einer Anleitung zu sittlichem Leben persönliche Färbung zu verleihen. In solchen Fällen pflegt man heute einen fingierten bezw. [203] anonymen Adressaten zu setzen; die Alten taten es nicht; sie setzten immer wirkliche bezw. als wirklich gehaltene Persönlichkeiten als Deckadressen. Diese Art von Briefen gehört in den großen Bereich der paraenetischen Literatur, die, anfänglich in poetischer Kleidung (lehrhaftes Epos, Elegie, Iambos usw.), seit dem 5. Jhdt. in Prosa geschrieben wurde und stets an eine bestimmte, meist jüngere Person (Perses, Kyrnos, Nikoteles, Themison, Demonikos usw.) gerichtet war: P. Hartlich Exhortationum historia et indoles, Leipz. Stud. XI (1889), 209ff.
Im 4. Jhdt. haben wir Ansätze zur Anwendung der Briefform auf solche Paraenesen (z. Β. mancher Brief des Isokrates und Platon, Aristoteles an Alexandros, Aristippos an Arete Diog. Laert. II 84), aber der Klassiker des Lehrbriefes ist Epikuros gewesen (v. Wilamowitz Hell. Dichtung I 65. v. Arnim o. Bd. VI S. 137ff.). Das hängt mit dem Wesen seiner Philosophie zusammen, die, vom öffentlichen Leben abgekehrt und der theoretischen Wahrheitserkenntnis abhold, den Problemen der Lebensführung gewidmet ist und zwischen ihren Anhängern ein inniges persönliches Verhältnis pflegte, wie bei den Anhängern einer neuen Religion. Neben Briefen rein privaten Charakters, die uns die Pietät der Schüler rettete, hat Epikuros Briefe geschrieben, die von vornherein für das weite Publikum bestimmt waren und gleichzeitig an verschiedene Freunde oder Anhängergemeinden verschickt wurden. Seinem Beispiel folgten dann die Schüler, wie Metrodoros von Lampsakos, Hermarchos, Diogenes von Oinoanda u. a. Sie haben später auch eine kurze Epitome aus seiner Korrespondenz zu erbaulichen Zwecken zusammengestellt.
Aus den anderen Schulen haben wir geringere Kenntnis von Lehrbriefen; sie haben aber, wenn auch nicht in der Masse, existiert. Vor allem haben die Schulen den Trostbrief an Fürsten und Gönner mit Vorliebe gepflegt, so daß die Briefform zur klassischen Form solcher Consolationes ward und Cicero einen Trostbrief an sich selbst (vgl. ad Att. XII 14, 3. 28, 2) zu schreiben wagte; Przychocki Eos XXIII (1918) 169ff. Solche Briefe kennen wir von Straton (Diog. Laert. V 60. v. Wilamowitz[WS 9] Hell. Dicht. I 161, 1), Karneades (Diog. Laert. IV 65), Kleitomachos (Cic. Tusc. III 54), Panaitios (ebenda IV 4, de fin. IV 23)[WS 10], Poseidonios (Hieron. ep. LX 5), Apollonios von Tyana (ep. 58; Norden Agnostos Theos 337ff.), Plutarchos an seine Frau u. a. Die Sophisten haben auch Monodien in Briefform (Aristeides or. 32 K., Antipatros von Hierapolis Philostr. vit. soph. II 24, 2) verfaßt. Vgl. Βuresch Consolationum historia, Leipz. Stud. IX 94–170.
Auch pseudonyme, berühmten Persönlichkeiten (sogar Göttern, wie die Götterbriefe des Menippos Diog. Laert. VI 101 und die Κρονικαὶ ἐπιστολαὶ Lukians; Helm Lukian und Menipp. 222ff.) zugeschriebene Lehrbriefe kennen wir. So die von Fürsten an ihre Söhne (Cic. de off. II 48), die Briefe des Sokrates, Xenophons, der Kyniker, der Pythagoreer, des Herakleitos, des Musonios u. a.
Bei den Römern (Peter 225ff.) ist der Lehrbrief sehr beliebt gewesen; er kam der Sitte entgegen, [204] wonach der Vater schriftlich den Sohn in seine Lebenserfahrungen einführte. Des alten Cato Schrift ad filium, die Priscian II 337, 5 K. epistula nennt, scheint kein Brief gewesen zu sein. Schanz-Hosius Röm. Lit. I⁴ 182. Das älteste uns erhaltene Beispiel eines Lehrbriefes ist das Commentariolum petitionis, ein Essay über die Bewerbung um das Konsulat in Briefform von Q. Cicero (64 v. Chr.) verfaßt, und die Gegengabe des Marcus ad Quint. fr. ep. I.
Der Klassiker des Lehrbiefes in der Weltliteratur ist aber Seneca mit seinen Briefen an Lucilius geworden. Er lehnt sich offenkundig an Epikuros an, aber seine Briefe haben einen viel literatenhafteren Charakter und arten oft in moralische Abhandlungen aus. Trotzdem er sich bemüht, seine Betrachtungen an gewöhnliche Vorkommnisse anzuknüpfen (Peter 229ff. Misch Geschichte der Autobiographie I 250f. Albertini La composition dans les ouvrages philosophiques de Senèque, Paris 1923, 136ff.), tritt die Fiktion offen zutage, schon in der Wahl des Adressaten, den er, gegen die Chronologie, als jungen Mann darstellt, Bourgery Rev. de phil. XXXV 40ff. hat ihren Briefcharakter geleugnet, und die Kritik an den Atticusbriefen ep. CXVIII 1 und seine Förderungen an den Stil ep. LXXV 6 (Gercke Jahrb. f. Philol. Suppl.-Bd. XXII 133f.) geben ihm recht; dagegen Albertini 105ff., aber die Nachlässigkeit in der Komposition (Albertini 143ff.) ist nicht nur dem Briefe, sondern auch der Diatribe eigen (Leo Gött. Gel. Anz. 1901, 324). Zu der Bevorzugung dieser literarischen Form hat den Seneca bewogen nicht nur die Abneigung seiner Zeitgenossen gegen jede systematische Darstellung und die Vorliebe für kurze, lebhafte, freie und stark variierende Erörterungen (Peter a. O.), sondern auch die Erkenntnis, daß eigentlich ‚nicht der abstrakte Gehalt der Lehre sondern die Person des Lehrers wirkt‘ (Heinze Ν. Jahrb. XLIII 313) und das Bestreben, eine Selbstdarstellung zu liefern. Sie öffnet den Weg zu den Confessiones Augustins (Misch 240ff.).
Mit Paulus wird der erbauliche Brief zur ersten christlichen Literaturform, und lange zur einzigen neben den Evangelien, ehe man sich der anderen Literaturformen bedienen konnte. Seine Blütezeit erreicht der christliche Lehrbrief zwischen 250 und 450 n. Chr. Fast alle großen Kirchenmänner haben eine mehr oder weniger ausgedehnte Briefstellerei hinterlassen, die, wo sie nicht Polemik treibt, erbauliche Zwecke verfolgt – beides kam nach der Meinung jener Zeit auf dasselbe hinaus. Dem christlichen Beispiele sind auch Heiden gefolgt. Iulianos’ Briefe unterscheiden sich wenig von denen des Basileios von Caesarea, Iamblichos hat in Einzelbriefen das ganze Gebiet der antiken Ethik behandelt, wie die Fragmente bei Stobaios zeigen. Da löst in der Tat der Brief den Dialog ab (Hirzel Der Dialog I 300ff.), wie bei Seneca.
3. Wissenschaftliche Literatur in Briefform (vgl. Peter 216ff.). Mit dem Lehrbrief aufs engste verknüpft, hat diese Literatur in den an bestimmte Personen adressierten wissenschaftlichen Werken klassischer Zeit, wie Empedokles an Pausanias, Alkmeon von Kroton [205] (Diog. Laert. VIII 83) u. a. ihre Vorstufe. Eigentliche Briefe treffen wir erst im 3. Jhdt. (Polemos von Ilion, Philon von Byzanz, Eratosthenes, Archimedes u. a.); denn der Bericht des Krates von Chalkis an Alexander über den Kopaissee (Strab. IX 407) hatte eher den Charakter einer Denkschrift. Man hat zu dieser Form aus verschiedenen Gründen gegriffen. Bei Archimedes spürt man noch die Entdeckerfreude, die ihn treibt, so schnell wie möglich seine Forschungsresultate seinen Kollegen und damit der Mitwelt mitzuteilen. Sie war auch eine bequeme, stilistisch anspruchslose Form zur Behandlung von Einzelfragen, die nicht ein Buch füllen konnten und die wir als Zeitschriftenaufsatz veröffentlichen würden. Oder man wollte die briefliche Frage eines Kollegen bzw. eines Freundes beantworten oder ihm durch diese Adressierung eine kleine Aufmerksamkeit erweisen. (Die Sitte wirkte noch bis ins 19. Jhdt. hinein zumeist bei den Philologen fort.) Herausgegeben wurden die Briefe einzeln, aber auch in Sammlungen, wie die Ἐπιστολικὰ περὶ Ἐμπεδοκλέους κβ’ des Hermarchos (v. Arnim ο. Bd. VIII S. 721) oder die epistolicae quaestiones des Varro. Manchmal bildete je ein Brief ein Buch eines größeren Werkes (Philon von Byzanz, Archimedes usw.).
In dieser Briefliteratur sind alle Fächer vertreten: Philologie (Philochoros Schol. Eur. Hec. I, Polemon, Eratosthenes, Apollodoros, Athen. 636f., Varro, Valgius Rufus Gell. XII 3, 1, Valerius Probus ebd. IV 7, 1 u. a.), Mathematik (Konon Apoll. Perg. Con. IV Praef., Archimedes, Ps. Eratosthenes v. Wilamowitz Gött. Gel. Nach. 1894, 15ff.), Philosophie (Dikaiarchos Cic. ad Att. XIII 32, Hermarchos), Technik (Philon von Byzanz), Medizin (Archigenes von Thasos und Archigenes von Apamaia Suid. s. v. Galen. VIII 150 K., Mnesitheos von Athen Athen. 483f. Philagrios Suid. s. v. Alexandros von Tralles, Ps.-Diokles Paul. Aeg. I 100, Anthimus). Eine ganze Disziplin, die Pferdemedizin, ist fast ausschließlich in solchen Briefen von Apsyrtos, Pelagonius u. a. behandelt (Hoppe-Oder Hippiatrica graeca und Gossen o. Bd. VIII S. 1713). In der juristischen Literatur der Römer ist die Briefform, entsprechend der Natur der Sache, sehr beliebt. Eine Klasse für sich bilden die in Briefform eingekleideten Denkmäler der isagogischen Literatur, worüber Norden Herm. XL 508ff. gehandelt hat.
4. Der Widmungsbrief. Mit dem Lehrbrief aufs engste verwandt (die antike Widmung hat ihren Ursprung aus der persönlichen Belehrung nie verleugnet; J. Ruppert Quaestiones ad historiam dedicationis librorum pertinentes, Diss. Leipzig 1911, 11ff.) ist der Widmungsbrief nur eine von den drei Formen gewesen, durch die im Altertum die Widmung erfolgte (Ruppert 11ff.; er läßt die gesonderte nichtbriefliche Vorrede aus). Seine Geschichte (einiges bei Graefenhain De more libros dedicandi, Diss. Marburg 1892, 32ff.) gehört in die noch nicht geschriebene Geschichte der Vorrede im Altertum. Der Brief als Widmungsform war nicht sehr häufig – vielleicht weil er die Einheit des Werkes zerstören würde. Nur in Sammelwerken und Lexika (Polydeukes, Phrynichos, [206] Parthenios, Photios’ Bibliothek) oder bloßen Nachschriften (Epiktetos’ Diatriben) oder streng fachwissenschaftlichen Werken, die man stilistisch nur in der Vorrede auszuarbeiten pflegte, war diese Form die regelmäßige. Der Inhalt war verschieden, wie der jeder Vorrede, aber eine gewisse Topik hat sich allmählich entwickelt (vgl. Graefenhain a. O. Ruppert 6ff.). Briefsammlungen pflegte man durch Voranstellen eines Briefes an die betreffende Persönlichkeit zu widmen: Plin. I 1. Sidon. Apoll. I 1. IX 1. Horat. ep. I 1. Manchmal wurden die Bücher eines und desselben Werkes an verschiedene Personen gewidmet (Martialis, Varro de l. l.; de r. r. usw.); andere wiederholen die Widmung bei jedem Buch (Seneca der ältere, Hipparchos’ Aratoskommentar usw.). In späterer Zeit werden Gedichtsammlungen durch vorausgestellte prosaische Briefe gewidmet: Mart. II. VIII. XII. Statius Silv. Ausonius u. a. Zur Fälschung ist der Widmungsbrief in der Rhetorik des Anaximenes benutzt. Bei Quintilian[WS 11] inst. orat. hat der Brief an den Verleger Trypho eine andere Funktion, während die Widmung durch Anrede erfolgt. Das älteste bekannte Beispiel eines Widmungsbriefes liefert Archimedes.
5. Der Himmelsbrief (vgl. A. Dieterich Kl. Schr., Leipzig 1911, 234–251. Weinreich Arch. für Religionsw. X [1907] 566f. Μ. Bittner Der vom Himmel gefallene Brief Christi in seinen morgenländischen Versionen und Rezensionen, Denkschr. Ak. Wien phil.-hist. Kl. LI 1 [1906]. R. Stübe Der Himmelsbrief, Tübingen 1918). Eine Sonderart des Lehrbriefes ist der Himmelsbrief, ein Schreiben, das sich als von Gott selbst geschrieben ausgibt und Ermahnungen, Drohungen, Warnungen usw. sittlich-religiöser Natur enthält. Er bildet einen weiteren Schritt auf dem Wege der Abfassung fingierter Lehrbriefe von berühmten Personen (Sokrates, Pythagoras, Diogenes usw.). Gewöhnlich zerfallen solche Briefe in drei Teile: eine Einleitung über die Fundumstände des Briefes und ihre Entzifferung, sittlich-religiöse Verheißungen und Strafandrohungen, magische Schutzmittel gegen allerlei Gefahr (Stübe 5ff.). Die uns erhaltenen Texte sind jüngeren Datums, aber die Grundideen stammen aus viel älterer Zeit. Delehaye Bull. Acad. lettr. Bruxelles S. III Bd. XXXVII 171–213 hat Spuren in einem koptischen Brief des Petrus von Alexandreia (gest. 311 n. Chr.) für die christliche Fassung nachgewiesen.
Aber die Sache ist vorchristlich; zugrunde liegt die Anschauung von der schriftlichen Offenbarung des göttlichen Willens, die wir in Ägypten (Stübe 30) und bei den Juden (ebd. 33ff.). treffen. Aus dem klassischen Altertum haben wir als ältestes Beispiel die allerdings parodischen Götterbriefe des Menippos (Diog. Laert. VI 101), die Lukianos in seinen Κρονικαὶ ἐπιστολαὶ nachahmt; sie setzen ein ernsthaftes Genus voraus. Daß sie von einem Semiten geschrieben sind, gibt zu denken. Servius (zu Aen. VI 532) zitiert einen Brief des Tiberianus aus den Antipoden: superi inferis salutem. In Wundererzählungen kommt die Briefform auch gelegentlich vor, Paus. X 38, 13 Dieterich 243ff. Weinreich 566f.).
[207] 6. Der Zauberbrief. Umgekehrt haben wir Briefe von Erdenkindern an Götter in den antiken κατάδεσμοι (Kuhnert o. Bd. IV S. 2373ff.), worin den chthonischen Göttern die betreffende Persönlichkeit zum Verderben ausgeliefert wird. So z. Β. Wünsch Defixionum tabellae atticae nr. 103 Ἑρμῇ καὶ Περσεφόνῃ τήνδε ἐπιστολὴν ἀποπέμπω.
In den Zauberpapyri ist die Briefform fast die ausschließlich übliche literarische Form, in der magische Lehren niedergelegt werden. Dasselbe gilt im großen und ganzen auch für die Schriften alchimistischen und astrologischen Inhalts. Die Briefform war eben die Hauptform für diese mystische Literatur und bot auch äußerlich eine Gewähr für Geheimhaltung: A. Dieterich Abraxas, Leipzig 1891, 161f. Ich zitiere zwei Beispiele aus Preisendanz Papyri graecae magicae I, Leipzig 1928: P 1 Πιούθιος Κήρυκι σεβαζομένῳ τὸν θεὸν χαίρειν Ρ IV Νεφώτης Ψαμμητίκῳ βασιλεῖ Αἰγύπτου αἰωνοβίῳ χαίρειν usw.
F. Der poetische Brief.
Briefe in Versen zu schreiben, wird man im Altertum schon früh versucht haben; sie gehörten der improvisatorischen Poesie, ähnlich wie die Skolien und Epigramme, an. Daher ist uns auch keine Kenntnis davon überkommen. Nur der Pietät der Familie ist es zu verdanken, wenn Cicero (ad Att. XIII 6, 4) witzige Briefchen in Versen des Sp. Mummius lesen durfte. Doch ist das noch keine Literatur.
In der Literatur ist der poetische Brief sehr schwer zu fassen (Kroll Studien zum Verständnis der röm. Literatur 217ff.), wenn er nicht direkt als Brief bezeichnet wird (anders steht es mit den in Dramen eingelegten Briefen, die selbstverständlich in Versen abgefaßt sind; Eurip. Iphig. T. 770. Plaut. Bacch. 734; Curc. 429; Pseud. 41. 928). Denn die antiken Dichtungen sind immer persönlich adressiert und die formalen Merkmale des Praeskripts und des Schlußgrußes fehlen meistens (eine hübsche Ausnahme Stat. Silv. IV 4; vgl. Vollmer’s Kommentar dazu). Es bleiben nur faktische Indizien und inhaltliche Merkmale übrig, und die sind unsicher; denn nicht immer, wo Einladung, Trost, Empfehlung usw. vorliegt, handelt es sich um einen Brief. Auf Grund solcher Indizien spricht man Gedichte wie Anth. Pal. VI 227. XI 44. Catull. 13. 32. 65. 68 a. Lygd. 3. Propert. I 11. III 22; Pers. II. VI als poetische Briefe an (Krοll 217. Leo Gött. Gel. Anz. 322ff.). Eine Sammlung von poetischen Briefen ist uns in der griechischen Literatur nicht bekannt (Heinze Ν. Jahrb. XLIII 306; Aratos’ Briefe waren nicht poetisch, wie Kroll 231 will).
Bei den Römern ist der poetische Brief sehr beliebt. Lucilius kleidet manche seiner Satiren in Briefform (Heinze 306) ein, in der augusteischen Zeit werden Liebeselegien ausdrücklich als epistulae bezeichnet (Propert. IV 3, Ovids Epistulae ex Ponto, manches Stück in den Tristia, besonders im 3. Buch). Kroll 218. Peter 183ff. Oft fällt die Entscheidung sehr schwer (Bürger Herm. XL 324ff.). Eine Sonderstellung nehmen die Heroidenbriefe Ovids und seiner Nachahmer ein. Sie sind Liebeselegden und Ethopoiien [208] (Reitzenstein Hellenist. Wundererzählungen 155), tragen aber daneben einen ausgesprochenen Briefcharakter mit den entsprechenden Formeln (Eggerding De Heroidum Ovidianarum epistulis. Diss. Phil.-Hal. XVIII 133ff., Peter 189ff.). Direkte griechische Vorlagen scheinen nicht existiert zu haben, trotz Dilthey Univ.-Progr. Göttingen 1884/5. Schanz Röm. Lit. II 1³, 298, Heroenbriefe aber kannte schon die griechische Literatur (Plut. Thes. 20. Luc. var. hist. II 29. 35. Theophyl-Semoc. ep. 54). Ganz anderer Natur sind die Briefe des Horaz, eine einzigartige Erscheinung in der antiken Literatur. Die meisten haben auch in den Äußerlichkeiten den Briefcharakter, aber es gibt auch welche, wobei der Adressat gleichgültig ist. Horaz hat damit, in Anknüpfung an die Korrespondenz des[WS 12] Epikuros, den Ertrag seines Denkens und Lebens den Zeitgenossen und der Nachwelt vorlegen und zugleich ein Bild seiner werdenden und strebenden Seele zeichnen wollen (s. bes. Heinze a. O.). Seine späteren Nachahmer (Statius, Ausonius, Claudianus u. a.) haben von ihm lediglich die äußere Form übernommen.
G. Der fingierte Brief.
Mit diesem Namen bezeichnen wir diejenigen Briefe, deren angeblicher Schreiber bezw. Adressat entweder nicht existiert oder aber die ihnen beigelegten Briefe, mindestens in dieser Form, nicht geschrieben bezw. erhalten haben. Nach ihrer Verwendung in der antiken Literatur unterscheiden wir mehrere Arten.
1. Der eingelegte Brief. In erzählenden Schriften – aber auch manchmal in anderen literarischen Werken, wie Epos (Ovid. met. IX 530ff.), Tragödie (Eurip. Iphig. T. 770), Komödie (Plaut. Pseud. 41ff. u. a.) – finden wir oft Briefe im Wortlaut eingelegt, die sich, ihrer Herkunft nach, in zwei Klassen unterscheiden lassen; entweder sind sie echte Dokumente oder vom Verfasser des Werkes frei bezw. nach einer Vorlage abgefaßt.
Die erste Klasse gehört in den größeren Zusammenhang der eingelegten Urkunden, die noch kaum behandelt worden ist (weniges bei Wachsmuth Einleit. in das Studium der alten Gesch. 244ff. Wendland Anaximenes 24, 1). Im allgemeinen vermeidet man im Altertum das Einlegen von Aktenstücken, außer in der wissenschaftlichen Literatur, die keine literarischen Ansprüche macht (Didymos, Athenaios, A. Gellius, Ps.[WS 13]-Plut. v. Χ orat.; hierher gehören auch die aus gelehrtem Interesse eingelegten bezw. gefälschten Urkunden in den attischen Rednern, worüber Drerup Jahrb. Suppl., XXIV 1898, 221ff.). Die Geschichtsschreiber pflegen darüber zu referieren oder sie stilistisch zu überarbeiten (invertere Tac. ann. XIII 63), um die Stileinheit ihres Werkes nicht zu beeinträchtigen (klassische Beispiele: Die Urkunden aus den Makkabäerbüchern bei Josephus und Tac. ann. XI 24 gegenüber dem Original CIL ΧIIΙ 1668); Nipperdey Opusc., Berlin 1871, 418. Norden I 188, 1. Wörtliche Mitteilung von Aktenstücken hat einen besonderen Grund (so Xen. hell. I 1, 23; besonders die Fälscher pflegen es vorzutäuschen, so die Verfasser der Makkabäerbücher und der Historia Augusta, Peter 171) und wird ausdrücklich als solche von den Verfassern bemerkt [209] (z. Β. Sall. Cat. 35, 44. Tac. ann. IV 6. XV 67. Theophyl. Simoc. IV 7, 6. 8. 4 u. a.), oder ist ein Zeichen von Unvollendung (Thuk. V. VIII), bezw. von erlahmtem Stilgefühl, wie bei manchem christlichen Schriftsteller.
Auch die zweite Klasse läßt sich nicht für sich betrachten; sie gehört mit den sonstigen eingelegten Reden zusammen, worüber s. Jebb Die Reden des Thukydides übers. von Imelmann, Berlin 1883. Νipperdey Opusc. 415ff. Soltau N. Jahrb. IX 20ff. Peter Wahrheit und Kunst, Leipzig 1911, 119ff. F. Scheller De hellenistica historiae conscribendae arte, Diss. Leipzig 1911, 50ff. Jacoby o. Suppl.-Bd. II[WS 14] S. 490ff. Vorbildlich für eine Gattung Jos. Albertus Die παρακλητικοὶ in der griechischen und römischen Literatur, Diss. Phil. Argentor. XIII 2 (1908). Die Sitte setzt die Technik des Epos fort (vor allem bei Herodotos) und ist erst bei Thukydides ganz ausgebildet, damit aber auch in die Technik der Geschichtsschreibung als notwendiges Moment eingeführt. Thukydides wollte damit über das Faktische hinaus Situation und handelnde Personen beleuchten (Nipperdey 417), ohne auf ihren individuellen privaten Charakter einzugehen (daher das Fehlen der Ethopoiie Jebb 2; aber vgl. Luc. de hist. conscr. 58). Er hat sich neben der Rede auch in anderen Formen versucht, z. B. im Dialog (Rittelmeyer Thukydides und die Sophistik, Diss. Erlangen 1915, 112ff.). Hierzu gehört auch der Brief des Nikias VII 11–15, der aber nicht als Brief stilisiert ist (Fehlen des Praeskripts v. Wilamowitz Arist. und Athen I 130, 12; Anrede mit ὦ Ἀθηναῖοι); aber den Alten galt er als Brief (Demetr. 228) und wird auch in epistolographischen Hss. für sich überliefert. Von späteren Historikern finden wir den Brief bei Claudius Quadrigarius (Gell. III 8), Livius im 99. Buch, Sallustius Iug. 9. 224 und Hist. (Nipperdey 98. Peter 168ff.) Curtius Rufus IV 1, 10 (Helmreich Die Reden bei Curtius, Rhet. Stud. XIV, Paderborn 1927, 95ff.), Prokopius usw. Im ganzen ist sein Gebrauch mäßig; man pflegt darüber zu referieren (z. Β. Thuk. IV 50. VIII 50. Tac. ann. XII 20. Curt. IV 5, 1) oder dafür Gesandte einzuführen (z. Β. Curt. IV 11, 2ff.).
Anderer Natur sind die kurzen Briefe der volkstümlicheren Literatur, die eine einfache Mitteilung, keine Raisonnememts enthalten. Das erste (auch für die Alten erste) Beispiel ist Herodot. III 40 in orientalischer Stilisierung (vgl. den echten Brief des Dareios Syll.³ 22. Seeck 56. Gerhard 52f.; gegen seine Echtheit Beloch Gr. Gesch. II 2² 154); sonst referiert Herodotos oder setzt die Mitteilung in direkter Rede (z. Β. VIII 140 a 1). Zu dieser Gruppe der novellistischen Reden (Jacoby o. Suppl.-Bd. II[WS 15] S. 492ff.) gehörten auch die Briefe Thuk. I 128, 6. 129, 3. 137, 4; im letzteren wird die direkte Rede plötzlich verlassen (was ihm Corn. Nep. Them. IX 2ff. nicht nachmacht), ein Beweis, daß wir es, trotz τάδε (Jebb 11, 3), nicht mit Originalstücken (sie wären ja im Ionischen abgefaßt) zu tun haben (Ed. Schwartz Das Geschichtswerk d. Thukydides 30, 1; anders Ed. Meyer Gesch. Alt. III 518 A. Seeck 57f.). Vielmehr sind sie durch Beeinflussung aus der ionischen ἱστορίη, die sie [210] öfters hat (Jebb[WS 16] 11, 3), entstanden; Beloch Griech. Gesch. II 2² 145f. nimmt Fälschung der Ephoren an. Solche Briefe sind auch in der romanhaften Erzählung sehr häufig (z. Β. Xen. Eph. II 5, 1. 5, 4. 12, 1. Charit. VIII 4, 2. 4), die Alexandergeschichte des Kallisthenes wimmelt davon (s. Kroll o. Bd. X S. 1712. 1716); auch der Verfasser der Apostelgeschichte legt zwei Briefe ein (XV 23ff. XXIII 26ff.), wie er auch Demegorien seinen Helden in den Mund legt (Wendland Hell. Kultur 331f.). Die Sitte verspottet Lukianos (var. hist. II 29. 35). Wie man vom der ‚Echtheit‘ solcher Stücke gedacht haben kann, lehren die Worte eines französischen Geschichtsschreibers aus dem 18. Jhdt.: Je ne puis voir une infidélité réelle où d’une côté personne ne veut tromper et où d’une autre côté personne ne peut être trompé.
2. Der pseudonyme Brief. Aus dem Altertum sind uns mehrere Briefsammlungen überliefert, die, ohne jede Berechtigung, wie schon Erasmus (vgl. Αchelis Rh. Mus. LXXII 633ff.) erkannt, Bentley abschließend erwiesen haben, den Namen berühmter Persönlichkeiten tragen. Während sie im Griechischen zahlreich sind, finden sie sich bei den Römern ziemlich spärlich (vgl. auch Gudeman Trans. and Proc. of the Am. Phil. Soc. XXV 1894, 147f.), was ich aber nicht erklären kann. Denn, die christlichen Stücke ausgenommen (vgl. Cyprianus ep. IX 2), sind uns von Pseudonymen Briefen erhalten nur der Brief Ciceros an Octavian und die Korrespondenz zwischen Paulus und Seneca, für die man griechische Vorlage annimmt (Christ-Stählin Griech. Lit. II 2⁶, 1233. Schanz Röm. Lit. II 2³ 414ff.). Hinzu kommt der angebliche Brief des Horaz an Maecenas (Suet. vit. Horat). Die acta et epistulae aus der Zeit der Republik (Tac. dial. 37. Kappelmacher o. Bd. XIII S. 436ff. Nr. 116a) des C. Licinius Mucianus enthielten echte Aktenstücke aus Privatarchiven, und die Frauenbriefe des Pompeius Saturninus (Plin. ep. I 16, 6) und des Frontonianers Iulius Titianus (Sid. I 1,2. Peter 173ff.) trugen die Namen ihrer Verfasser auf der Stirn.
Bei den Griechen reichen die Beispiele bis ins 4. Jhdt. hinauf. Denn mancher Brief des Isokrates (wie der dritte, v. Wilamowitz Arist. und Athen. II 319ff. Μünscher o. Bd. IX S. 2219ff.) und Platons (auch Demosthenes ep. I–III, wenn sie wirklich unecht sein sollten) müssen bald nach ihrem Tode entstanden sein. Sie verfolgen praktische, meist apologetische Zwecke, sie wollen weder eine μελέτη sein (τίνας ἂν εἴποι λόγους …), noch ein Zeichen stilistischen Könnens. Ebenfalls als Fälschungen müssen auch die Briefe angesprochen werden, die man Alexander bezw. seinen Begleitern und Nachfolgern untergeschoben hat, um phantastischen Berichten urkundliche Beglaubigung zu verleihen (z. B. Leon von Pella, Geffcken o. Bd. XII S. 2012ff. Nr. 25.; vgl. die Briefe des Dindimos und Kalanos Kroll o. Bd. X S. 1544ff.). Von den erhaltenen Briefsammlungen, die wir sicher als pseudonym betrachten dürfen, sind die ältesten die Briefe des Anacharsis (Cic. Tusc. V 90), des Hippokrates (Philippson Rh. Mus. LXXVII 293ff.), des Diogenes (Capelle De [211] cynicorum epistulis, Diss. Götting. 1896. v. Fritz Phil. Suppl. XVIII 2, 62ff.); sie stammen aus dem 1. Jhdt. v. Chr. Zwischen Cicero und Hadrian liegt die Blütezeit dieser Literatur.
Früher betrachtete man alle diese Briefe als Fälschungen, d. h. als Werke, die der Verfasser als echte Schriftstücke der genannten Persönlichkeiten ausgab. So Bentley, Westermann, Gudeman Classical Studies in honour of Disler, New York 1894, 64f., Susemihl Alex. Literatur II 579ff. Dafür sprach, daß die Briefe, bis auf wenige Ausnahmen (Mithradates für die Antwortschreiben auf die Brutusbriefe, Sabidius Pollio? für die des Euripides: ἐπιγεγραμμένας vit. Arat. § 7 S. 79, 15ff. Maaß, während man es für die Aratosbriefe hat erschließen müssen), anonym herausgegeben waren. Gegen diese Gepflogenheit, die nur bei der theologischen Literatur zutrifft, wenden sich mit Recht Jak. Bernays Die heraklitischen Briefe (Berlin 1889) 2 und Deißmann Bibelstudien 200f. Es muß bei jeder Sammlung, manchmal sogar bei jedem Stück gefragt werden, was der Verfasser damit gewollt hat. Die Motive zu einer Fälschung sind verschieden (vgl. H. Hagen Über literarische Fälschung, Hamburg 1889, 71ff.). Gewinnsüchtige Absicht (Beispiel: der Widmungsbrief in der Rhetorik an Alexander, Wendland Anaximenes 26ff.) ist sehr schwer aus dem Text zu erschließen und ist für sein Verständnis unwesentlich (Bernays 3). Wichtiger ist die apologetische Tendenz, wenn Person oder Tat umstritten sind; z. Β. mancher Platonbrief. Auch das Gegenteil kommt vor: z. Β. die vom Stoiker Diotimos (v. Arnim o. Bd. V S. 1150 Nr. 20) verfaßten Epikurosbriefe (Athen. 611 b, Diog. Laert. X 3). Häufiger ist die Fälschung von Briefen und anderen Urkunden, um umstrittenen Rechten bezw. Ansichten historische Autorität zu verleihen. Sie sind als Kampfmittel zu betrachten, ähnlich den anderen Parteilügen. Die Juden haben es weit getrieben (v. Wilamowitz Hell. Dicht. I 43, 1. Wilbuch Urkundenfälschung in der hell.-jüd. Literatur, Göttingen 1924; weitere Literatur Βickermann o. Bd. XIV S. 785ff.), die Christen machten ihnen auch hierin nach (z. Β. die Pastoral-, die katholischen Briefe; auch später in den dogmatischen Kämpfen erfand man Briefe oder bestritt ihre Echtheit: ein interessantes Beispiel behandelt Ostrogorski Studien z. Geschichte des byz. Bilderstreites, Breslau 1929, Hist. Stud. V). Auch erbauliche Zwecke verfolgen solche fingierte Briefe in der heidnischen Literatur, wie die des Sokrates, der Pythagoreer, des Musonios u. a. Die kynische Propaganda bediente sich gerne dieser literarischen Form, wie früher die der Diatribe (Bernays Lukian und die Kyniker 96ff. Norden Jahrb. Suppl. XIX 1893, 392ff.). Eine andere Gruppe bilden die Briefe von heroischen Personen, wie der des Priamos an Teutamos (Westermann I 3, 4) oder des Sarpedon (Plin. n. h. XIII 88), Theseus (Plut. Thes. 20), Lykurgos (Plut. Lyc. 19); sie stehen auf derselben Stufe wie die Berichte des Dares und Diktys.
Wir haben aber auch manches Stück als ψευδεπίγραφον anzusehen, d. h. als solches, das seine fingierte Überschrift gegen den Willen des Verfassers durch Zufall oder aus anderen Gründen trägt; [212] so z. Β. 2. und 3. Joh., manches unechte Stück in den Briefen Iulians. Bei anderen können wir nicht mehr unterscheiden, ob eine Fälschung oder eine μελέτη vorliegt; manchem Verfasser wird es schon bei der Abfassung nicht mehr klar bewußt gewesen sein, was sie damit wollten.
Bei Pseudonymen Briefen ohne fälscherische Absicht haben wir verschiedene Motive anzuerkennen. Am häufigsten hat das Prinzip der ἠθοποία gewirkt; sie führt berühmte Persönlichkeiten redend in bekannten Situationen ein. Der Reiz bestand in der subjektiveren Darstellung der Fakten und der Spiegelung in Worten und Wendungen des Charakters des Helden (z. Β. Phalaris-, Anacharsis-, Archytasbriefe). Ein anderes Mal war der Nachahmungstrieb maßgebend, namentlich wenn der Stil durch andere Schriften oder gar Briefe bekannt war. Man wollte die vorhandene Sammlung durch Briefe aus Situationen vervollständigen, die in den echten Stücken nicht berücksichtigt waren. Echtes und Unechtes gab man in einem Buch heraus (z. Β. die Briefe Platons, Apollonios’ von Tyana, Norden Agnostos Theos 337ff.); solche Sammlungen werden nachher weiter mit neuen Stücken bereichert (so z. Β. die Diogenesbriefe). Manchmal wollte man einmal vorhandene Briefe ersetzen, die entweder nicht publiziert (so ep. Socr. XXX) oder später abhanden gekommen waren (so ep. Socr. XXXIIIf.; vgl. Sykutris Ber. Sächs. Akad. 1928, 3, 79ff.; ähnlich die Archytasbriefe Diog. Laert. III 21f. und vielleicht der Brief des Ps.-Eratosthenes, v. Wilamowitz Gött. Gel. Nachr. 1894, 15). Auch der Wunsch, Musterbriefe zu liefern (Empfehlungs-, Trost-, Glückwunschbriefe usw.) hat öfters dabei mitgespielt; man zog die berühmtesten Namen deswegen vor, weil ihr Lebenswandel und ihr Charakter beim Leser als bekannt vorausgesetzt werden durfte.
Wie man bei dieser Arbeit vorzugehen pflegte dafür haben wir ein unschätzbares Zeugnis im Widmungsbrief des Mithradates. Er wollte Worte finden οἵους εἰκὸς ἦν ἕκαστον ἀποκρίνασθαι τῶν ἐπεσταλκότων. Dazu hat er aber historische Studien betrieben, die man sich nicht so eingehend zu denken hat, wie sie heute die Verfasser von historischen Romanen treiben. Man griff zum ersten besten Handbuch (vgl. was Νiessing De Themistoclis epistulis, Diss. Freiburg 1929, 21ff. sagt), und da es im biographischen Detail allzu wortkarg war, so hatte die Phantasie einen weiten Spielraum. Absichtliche Verdrehung von Tatsachen kommt selten vor, es sei denn aus apologetischer bezw. harmonistischer Tendenz; aber die historische Einfühlungsgabe dieser Rhetoren war gering, von Anachronismen und fehlerhafter Anhäufung von Eigennamen, um die Intimität vorzutäuschen, von deklamatorischen Übertreibungen und philisterhafter Selbstspiegelung konnten sie sich selten frei machen, wenngleich Beispiele raffinierter Nachahmung nicht fehlen – Beweis: der Streit um ihre Echtheit.
Ihre Unfähigkeit erkennt man an mehreren Indizien; sie machen z. Β. Angaben, die dem Adressaten schon bekannt sein müssen und nur für den Leser bestimmt sind. Dies gilt besonders für Örtlichkeiten; wenn z. B. ep. Socr. XVII 1 gesagt wird πυθόμενος ὅτι οἴκοι εἴης ἐν Χίῳ, so ist [213] ἐν Χίῳ natürlich nur für den Leser nötig; ähnlich XVIII 1, XX 1. XIV 10 (ὥσπερ οἶσθα). Auf solche Kunstgriffe muß die Interpretation achten; sie sind nicht immer so plump. Zahlen und Daten wurden von jeher in der antiken Literatur übel mitgenommen. In den pseudonymen Briefen operierte man damit mit derselben Freiheit, wie heute die Journalisten mit den Millionen. Ein wichtiges Kriterion für Pseudonymität ist, außer den Anachronismen, die auch in der Erwähnung von nichtzeitgenössischen Personen liegen (sie wird manchmal absichtlich gemacht: J. Marcks Symbola critica ad Epistolographos Graecos, Diss. Bonn 1883, 14ff. Philippson Rh. Mus. LXXVII 293ff.), auch die Unfähigkeit, sich an einer bestimmten Situation durchweg festzuhalten. Man kann solche Briefe unmöglich auf ein konkretes Datum festnageln.
In Sprache und Stil ist der Epistolograph bestrebt, die historische Treue zu wahren. Daher schreibt er Briefe auch im Dialekt (ionisch: z. Β. Hippokrates-, Herakleitosbriefe; dorisch: z. Β. Chilon-, Pythagoreer-, Aristipposbriefe; aiolisch: Pittakosbrief Diog. Laert. I 81), sogar in halbbarbarischem Griechisch (des Skythes Anacharsis Christ-Schmid Griech. Lit. II 2⁶ 483, 10); auch die αὐθάδεια und βωμολοχία der Kyniker (Antisthenes, Diogenes) ahmt man nach. Nun gelingt es aber ihnen, bis auf geringfügige Ausnahmen, nicht, die Sprache und den Stil fehlerfrei zu imitieren; sie bilden deshalb das wichtigste, aber nicht einzige, Kriterion über die Echtheit.
Über die Echtheit manches Briefes sind die Akten noch nicht geschlossen. Ihre Untersuchung muß beide Momente, das inhaltliche und das formelle, gleich berücksichtigen, und jedes Stück für sich behandeln (v. Wilamowitz Arist. und Athen. II 391. Herm. XXXIII 492. Βickermann-Sykutris S.-Ber. Sächs. Ak. 1928, 3).[WS 17] Auch die antike Philologie hat sich mit der Echtheit von Briefen beschäftigt, vgl. z. Β. Diog. Laert. I 112. VI 80. X 3. Achill. vit. Arat. § 7 S. 79, 2ff. Maass. Harpokr. s. πεφωριῷσθαι. Suet. vit. Horat. u. a. Aber Echtheit ist nicht das einzige, was man bei diesen Briefen zu untersuchen hat. Auch wo ihre Pseudonymität feststeht, müssen sie um ihrer selbst willen auf Tendenz, Quellen und Ausführung untersucht werden. Vorbildlich Βernays Die heraklitischen Briefe (Berlin 1889).
3. Der Briefroman. Eine Gruppe für sich bilden innerhalb der Pseudonymen E. die Briefsammlungen, denen wir den Namen Briefroman geben dürfen. (Wie leicht der Übergang ist, zeigt die Entstehung des ersten Briefromans von Richardson ‚Pamela‘, aus einer geplanten Sammlung von Musterbriefen Steinhausen II 396.) Nur darf man dabei nicht vergessen, daß die Alten zwar Briefe in ihre Romane einlegen (s. o.), aber bewußt haben sie die literarische Form eines Briefromans nicht gepflegt, wie sie durch Richardsons Werke und Rousseaus Novelle Heloise im 18. Jhdt. Mode geworden und in Goethes Werther und Hölderlins Hyperion in ihren Höhepunkt gestiegen ist. Daher fehlen die für ihn charakteristischen Vorreden, Randnotizen bezw. Nachworte eines Herausgebers (eine Ausnahme [214] bietet Pap. Oxy. 1184 für die ep. Hippocr. IV und V; ähnliches Regenbogen bei Diels Herm. LIII 77, 1). Auch sonst unterscheidet sich der antike Briefroman vom modernen. Er ist ausschließlich historisch (historische Briefromane, wie Wielands Aristipp, sind in der Neuzeit sehr selten); daher stehen beim antiken Autor Personen und Handlungen fest, nur in Einzelheiten behält er sich freie Hand. Dementsprechend hat der antike Briefroman nur da eine einheitliche Handlung, wo aus dem Leben einer Persönlichkeit ein einziges Ereignis behandelt wird (Chionbriefe); sonst bildet die Hauptperson den bindenden Faden (Themistoklesbriefe), wobei beliebig viele Briefe hinzugefügt bezw. ausgelassen werden können, je nachdem man neue Ereignisse heranzieht.
Wichtiger ist noch der Unterschied, daß der antike Briefroman seine Veranlassung nicht in einer grüblerischen Hinwendung zum inneren Seelenleben und dem Bedürfnis, sich über die Ergebnisse dieser Selbstanalyse auszusprechen, verdankt. Seine Wurzel hat er in der rhetorischen ἠθοποιΐα, dem Bestreben, ein geschichtliches Ereignis vom Gesichtswinkel der handelnden Person darzustellen. Dementsprechend hat der antike Briefroman eine reiche äußere Handlung und meist eine apologetische Tendenz, die mit ernsthaftem Rehabilitationsversuch nicht verwechselt werden darf, und entbehrt das Moment der sentimentalen Selbstbeobachtung. Meist wird er aus Briefen nur einer Person zusammengestellt (Themistokles, Chion), manchmal aber sind es mehrere, wie bei den Modernen (Hippokratesbriefe). Eine lehrhafte Absicht liegt ihm eigentlich fern, daher können die Xenophonbriefe kein Briefroman sein (Münscher Phil. Suppl.-Bd. XII 1920, 155f.).
Über die einzelnen Briefromane s. die Einzelartikel. Ihre Technik ist noch nicht untersucht worden; Ansätze nur bei K. Burk De Chionis epistulis Diss. Gießen 1912, 35ff., vor allem Nießing 23ff. Sie haben an ihnen die Kunstmittel der antiken Romanerzählung (Spannung durch προπαρασκευή und Retardierung, dramatischer Zug, Einzelbilder, ἐκφράσεις usw.) nachgewiesen.
4. Der Liebesbrief. Darüber Μ. Heinemann Epistulae amatoriae quomodo cohaereant cum elegiis Alexandrinis Diss. Phil. Argentor. XIV (1910) 3. Paoli Studi ital. N. F. III (1923) 251ff. Der Liebesbrief gehört eigentlich in die E.; denn im täglichen Leben war sein Gebrauch sehr beschränkt. So fehlt er in den Papyri (Paoli 256) und wird von den beiden Briefstellern nur bei Proklos, der auch für den literarischen Brief Anleitung geben will (s. o.) berücksichtigt (Vorschriften gibt Ovid. ars am. Ι 437ff. III 469ff.). In der Literatur kommt er ziemlich früh vor, er tritt die Nachfolge der altionischen Elegie an, Wendland Anaximenes 72, 1. Als Verfasser von Liebesbriefen an Hetären und Knaben wird uns Lysias (Suid., Athen. 592b. Dion. Hal. Lys. 459 R. Ps.-Plut. vit. X or. 836b; die Zitate frg. 110ff. Th.) angeführt. Darunter zählte man auch die in Phaidros 231a ff. eingelegte Rede (Fronto ep. graec. VIII, Herm. in Phädr. 35, 19ff. Couvreur), die aber (trotz Spengel Συναγωγὴ τεχνῶν, Stuttgart 1828, 126 und Croenert [215] Gött. Gel. Anz. 1905, 272) kein Brief gewesen sein kann, denn der Knabe wird hier (vgl. ἐρώτα 234c) und beim Nachahmer, dem Verfasser des pseudodemosthenischen Erotikos 3 (Wendland 72, 2), als anwesend gedacht (Westermann V 18f. Blaß Att. Bereds. I² 422ff.). So scheinen auch die anderen sog. Briefe, die mehr ἐγκώμια bezw. ψόγοι als Liebesäußerungen enthielten, mehr zu den ἐρωτικοὶ λόγοι des 4. Jhdts. zu gehören (Heinemann 20ff.), zu denen auch die Lobreden des Kephalos und Alkidamas auf Hetären, und Euenos ἐν τοῖς εἰς Εὔνομον ἐρωτικοῖς (Artem. Onir. I 4. Reitzenstein ο. Bd. VI S. 976 Nr. 7) anzureihen sind. Jedenfalls ist bereits im 4. Jhdt. der Liebesbrief als besondere Gattung da; Klearchos von Soloi (s. Kroll o. Bd. XI S. 580 Nr. 11) kennt ihn (Athen. 639a) und in romanhaften Erzählungen, wie in der neuen Komödie wird er öfters angewendet worden sein. Von dem späteren unterschied sich dieser Brief, daß er an wirkliche Personen gerichtet (vgl. Demosth. LXI 1ff.) und wirkliche Gefühle des Verfassers bezw. des Bestellers zum Ausdruck bringen wollte.
Aus der hellenistischen Zeit haben wir vom Liebesbrief keine Kunde; das scheint ganz zufällig zu sein. Die von Diotimos gefälschten Epikurosbriefe (Diog. Laert. X 3) verfolgen, wie die epistulae ad Cleopatram lascivae des Dellius (Sen. suas. I 7), andere Zwecke (vgl. die Korrespondenz Ciceros mit Caerellia, die bei Cass. Dio XLVI 18, 4 ausgenutzt wird); Heinemann 37f. Die schlecht bezeugten (Clem. Rom. hom. V 18) im Schriftenverzeichnis fehlenden ἐρωτικαὶ ἐπιστολαὶ des Chrysippos (frg. 1072 Arn.) waren Briefe über die Liebe, und die laszive Korrespondenz zwischen Mithradates und Monime (Plut. Pomp. 37) war nicht zur Publikation bestimmt.
Erst in der Kaiserzeit kommt die erotische E. in bewußter Anlehnung an die Liebesliteratur der frühhellenistischen Zeit (Neue Komödie, Elegie, Epigramm u. a.; Heinemann 39ff., da auch die ältere Literatur) zur Blüte. Außer den Romanschriftstellern, die ihren Werken Liebesbriefe einlegen, komponiert man jetzt Sammlungen von Briefen mit fingierten Namen. Die Sitte ist nur im griechischen Osten nachweisbar. Saturninus’ Briefe (Plin. I 16, 6) waren nicht erotischen Inhalts und wollten nur die archaische Sprache der Frauen (Cic. de or. III 45) imitieren. Als ersten Verfasser setzt Rοhde Griechischer Roman³ [1914] 366ff., den Sophisten Lesbonax (Schol. Luc. p. 189, 11 R.) aus der Augustuszeit (Aulitzky o. Bd. XII S. 2104ff. Nr. 3). Unbestimmt bleibt die Zeit von Melesermos von Athen und Zonaios (Suidas).
Von den erhaltenen Sammlungen kommen unseren Liebesbriefen näher die Briefe des Philostratos an schöne Knaben, während die Sammlungen des Alkiphron und Aristaenetos kurze Liebesnovellen in Briefform enthalten (älteres Beispiel Aeschines ep. X). Persönliche Gefühle des angeblichen Schreibers bringen sie selten zum Ausdruck, entsprechend dem ‚objektiven‘ Charakter der alexandrinischen Elegie (Heinemann a. O.). Da sie aus der progymnasmatischen ἠθοποιΐα stammen, bevorzugen sie Personen und Situationen aus Mythos (Medea an Iason, Theophyl. [216] Simoc. ep. 54) und Geschichte (Menandros und Glykera, Epikuros und Leontion), deren Kenntnis dem Leser zugemutet werden durfte.
Auch will der antike Liebesbrief (selbst Ovids Heroides) nicht so sehr ein Erguß von eigenen Gefühlen sein, wie der moderne, als zu einer konkreten Handlung bewegen bezw. von ihr abhalten (z. Β. Bitte um Nachgeben oder Rückkehr, Einladung zu einem Stelldichein, Warnen vor dem eifersüchtigen Gatten u. a.). Daher fehlt in der antiken Literatur die ‚periodische‘ Liebeskorrespondenz zwischen den betreffenden Personen (Paoli 251f.).
5. Der mimische Brief. Aus den ἠθοποιΐα-Übungen stammt auch der mimische Brief, wenn Leute aus verschiedenen gesellschaftlichen Klassen (Bauer, Fischer, Hirten, Hetären, Parasiten) untereinander in der Sprache und über Gegenstände ihres Berufs korrespondierend eingeführt werden. Die ersten Anregungen dazu finden wir im 4. Jhdt. in der deipnetischen Briefliteratur des Chaerephon (Athen. 242dff. Wellmann o. Bd. III S. 2029 Nr. 4), des Lynkeus von Samos (Körte o. Bd. XIII S. 2472f. Nr. 6) und Hippolochos von Makedonien (v. Wilamowitz Hell. Dicht. I 85). Solche Briefe unterscheiden sich von den späteren, erstens daß sie keine fiktiven Namen tragen, sodann aber, daß ihr Interesse fast ausschließlieh sachlicher Natur ist; sie wollen das Publikum durch die Beschreibung von Tafelherrlichkeiten, wie die mittlere Komödie, unterhalten.
Eine ganz andere war die Tendenz der mimischen Briefsammlungen der Attizisten, denen wir nur im griechischen Osten begegnen (Aelianos, Alkiphron, Melesermos, Zonaios, Theophylaktos Simokattes). Sie wollen diese Menschenklassen in ihrem Berufscharakter zeigen, und vor allem zum Vorschein bringen, daß sich der Verfasser in der verklärten Atmosphäre des alltäglichen Lebens Altathens frei bewegen konnte und sich den in den Lexika zusammengetragenen Sprachschatz des niederen attischen Volkes völlig angeeignet habe. Der Kultus dieser ἀφέλεια nahm immer mehr zu, je mehr man sich der byzantinischen Entwertung des Wortes näherte. Als Quellen zu diesen fein ausgearbeiteten Miniaturen des ἀττικὸς βίος dienten die Komödie und vor allem die Lexika (wie Pollux), als Vorgänger dürfen wir Lukianos’ kleine Dialoge ansprechen, die auch ethnographisch orientiert und nachweislich von den Epistolographen imitiert sind (vgl W. Schmid o. Bd. I S. 1548. Helm XIII S. 1773).
H. Geschichtlicher Überblick.
1. Der Orient. Den Brief als literarische Form treffen wir schon in Ägypten, wo die Zentralisation der Verwaltung ein gut geschultes Beamtentum nötig machte und dem Schreiber eine angesehene Stellung verschaffte (über den Brief bei dem Ägyptern G. Maspero Du genre épistolaire chez les Egyptiens, Paris 1872). Der angehende Schreiber erhielt eine regelrechte Unterweisung im Briefstil (Erman Die Literatur der Aegypter, Leipzig 1923, 238f.), in dem er echte Briefe aus dem Archiv seines Lehrers (Erman 452ff.) oder eine Sammlung von fingierten Musterbriefen (ebd. 260ff.) zur Abschrift bekam. [217] Aber auch früh fing man an, Schriften anderen Inhaltes in Briefform einzukleiden, indem man ein Praeskript voranstellte, oft sogar die Namen des Lehrers und des Schülers. (Beispiel der Papyrus Lansing mit Mahnungen des Lehrers und Danksagungen des Schülers, Erman 242ff.). Auch eine ziemlich lange Invektive in Briefform besitzen wir in Papyrus Anastasi I (Erman 220ff., die Pieper Die äg. Literatur in Walzels Hdb. 1897, 87ff. als Fiktion der ‚Rhetorenschule‘ ansieht.
Soweit gingen die Assyrer und Babylonier nicht, aber schon in der Zeit von Chamurabbi treffen wir eine ausgebildete Brieftechnik mit bestimmten, nach Rang des Schreibenden wechselnder Begrüßungs- und Segensformeln. Βezold Die babylonisch-assyrische Literatur in der Kultur der Gegenwart I. VII 44f.
2. Die klassische Zeit der Griechen. Mit der Entstehung der Kunstprosa fällt zeitlich auch die erste Anwendung des Briefes zusammen. Aber es ist bezeichnend, der eigentliche Privatbrief als literarisches Denkmal kommt nicht vor, sondern erheblich später als andere Formen des Briefes (eingelegter Brief, Liebesbrief, publizistischer Brief, Lehrbrief u. a.), die man geneigt ist, in spätere Entwicklungsstufen zu setzen. Zwar tragen solche Briefe, mehr als andere aus der späteren Zeit, ihre briefliche Veranlassung auf der Stirn, aber sie sind weder aus psychologischem Interesse, noch aus Pietät (die doch damals nicht gefehlt hat; vgl. die Herausgeber von Thukydides und von Platons Gesetzen), noch als Musterbeispiele des Briefstils aus einer großen Anzahl von Briefen ausgewählt und ediert. Nur sachliche Momente haben dabei eine Rolle gespielt. Zwar werden diese Briefe auch in der Form ausgearbeitet, aber nur deshalb, weil sie publiziert werden sollten. Wenn Isokrates’ Briefe als Vorbilder hingestellt werden, dienen sie nicht als Vorbilder des Briefstils, sondern des Stils überhaupt und der Gesinnung – ganz genau wie seine Reden. Es ist kein Zufall, daß die Rhetorik des 4. Jhdts. vom Briefe keine Kenntnis nimmt. Der Gedanke, alle Billets auszuarbeiten und zu edieren, wäre im 4. Jhdt. unmöglich.
3. Die hellenistische Zeit. Auch aus der Zeit nach Alexander haben wir keine Spur von einer rein formalen Würdigung des Briefes. Nur sachliche Momente (hinzugetreten ist das antiquarisch-biographische Interesse) spielen bei der Edition einer Korrespondenz eine Rolle. Der Brief als Einkleidungsform erobert immer neue Gebiete, zumal er für Widmungen und wissenschaftliche Spezialuntersuchungen eine bequeme Form bietet. Aber schon in dieser Zeit liegen die Ansätze zu einer Pflege der äußeren Form des Briefstils. Die Gründung von ausgedehnten absolutistisch verwalteten Reichen machte ein ausgebildetes Beamtentum nötig; das hat auch die Entstehung eines festen Kanzleistiles zur Folge, den man sich aneignen mußte, wenn man auf die angesehene Stellung des amtlichen Briefschreibers Anspruch erheben wollte. Zudem mußte auch im Privatleben die barbarische bezw. halbhellenisierte Bevölkerung dieser Reiche für ihre Briefe die Hilfe von besonderen Schreibern (Schubart Einführung 211ff.) in Anspruch nehmen, die, selber wenig gebildet, nach feststehenden [218] Vorbildern schreiben und auf die Weise die Vorläufer und Begründer einer Brieftheorie werden, die dann auch auf die literarische E. übergreift.
4. Die Ζeit nach 100 v. Chr. Die Zeit um 100 v. Chr. bedeutet in der griechischen Literaturgeschichte einen wichtigen Wendepunkt. Auch für die E. ist sie von großer Bedeutung. Viele pseudonyme Briefsammlungen lassen sich auf diese Zeit datieren, es ist die Zeit, die den größten Epistolographen Roms gesehen hat. Jetzt finden wir Interesse für die Form und den Stil des Briefes und Sammlungen von Musterbriefen aus der Hand bekannter Persönlichkeiten. Artemon veranstaltet eine Neuausgabe der Aristotelesbriefe mit Einleitung über den Briefstil, Dionysodoros ediert die Briefe des Ptolemaios I., Cicero kennt schon eine Brieftheorie, Demetrios flicht seiner Stillehre einen Exkurs über den Brief ein, Dionysios von Alexandreia schreibt über das Praeskript. Einen Grund anzugeben vermag ich nicht. Aber die Tatsache steht fest und ist mit der Entwicklung der gesamten antiken Literatur in Zusammenhang zu bringen. Fortschreitende Formalisierung und Entsachlichung tritt auch in der E. deutlich zutage. Das Briefschreiben wird in der Schule getrieben, die, immer mehr dem praktischen Leben den Rücken wendend, in einer verklärten Welt von Schattenbildern und Abstraktionen lebt. Die konkreten Einzelheiten werden im Briefe als banausisch vermieden bezw. der mündlichen Mitteilung des Boten überlassen; der Brief strotzt von edlen Gefühlen, Freundschaftserklärungen, geistvollen Bemerkungen usw. Denn jeder schreibt seine Briefe, auch die einfachsten Billets, in der Hoffnung, sie einmal als Muster gewürdigt zu sehen. Um so größere Bedeutung maß man der Form zu, die nach der ἀφέλεια strebte.
Die durch Hadrian üblich gewordene Besetzung der beiden Ämter ab epistulis durch Literaten hat das Emporblühen der E. gefördert. Die Schule wollte diesem Bedürfnis entgegeneilen, die Sophisten wetteiferten um die Stellung (vgl. die vit. soph. des Philostratos), die älteste zusammenhängende Anleitung (Philostratosbrief) ist aus dieser Konkurrenz erwachsen. In der Zeit zwischen 300–500 herrscht im Osten wie im Westen das Briefschreiben als Mode.
5. Der Brief in der christlichen Literatur. Als Paulus aus der Ferne an die Gemeinden schrieb, hat er gewiß keine Literatur machen wollen. Er teilte ihnen schriftlich mit, auf Grund der konkreten Verhältnisse der Adreßgemeinde, was er ihnen anwesend sagen würde. Aber auch dies war nicht einer privaten Ansprache gleich; es war viel mehr. Der Geist Gottes sprach durch seinen Mund und die Würde des Apostels verlieh seinen Worten, auch in seinem eigenen Bewußtsein, eine Erhabenheit, die über das Ephemere ging. Der gewaltige Gedankenreichtum und das glühende Pathos machte seine Zunge bezw. seine Feder beredt. So greift er zu einer halbliterarischen Form, die man auch vor ihm im Judentum (Wendland a. O. Wehofer S.-Ber. Akad. Wien CXLIII 1901, 1, 17, 20ff. W. Naumann Beiheft zur Ztschr. f. alttest. Wiss. XXV, Gießen 1913. Beer Alttestamentliche [219] Studien für Kittel, Leipzig 1913, 35ff.) und im Heidentum (Epikuros, Ps.-Diogenes u. a.) zu ähnlichen Zwecken gebraucht hat. Und Paulus lebt zu einer Zeit der Blüte dieser Literatur. Daher ist Deißmanns These, der die paulinischen Briefe mit den Privatbriefen gleichsetzt, zwar als Reaktion gegen die theologische Auffassung, die darin Abhandlungen über das Dogma zu sehen gewohnt war, sehr richtig, aber sie setzt eine allzu enge Auffassung des Begriffes Literatur (s. Wendland a. O. Christ-Stählin II 2⁶ 1136ff. Jordan Gesch. der altchristl. Lit. 123ff.) voraus. Hat doch selbst Paulus verlangt, daß seine Briefe vorgelesen (1. Thess. V 27) und weitergegeben (Kol. IV 16) werden.
Bei Paulus ist der Brief aus der unmittelbaren Wirklichkeit, aus der Notwendigkeit des Augenblicks erwachsen. Er wird bei seinen Nachfolgern als eine fertige, von dieser Wirklichkeit abstrahierte Literaturform angewandt (eine in der antiken Literatur häufige Erscheinung). So in den sog. ‚katholischen Briefen‘, die ihrem Praeskript nach als Briefe nicht denkbar sind (Deißmann 206f.). So ward der Brief die erste literarische Form der jungen Religion und er blieb in großer Beliebtheit, auch dann, als die Christen sich eine nach der anderen die Formen der heidnischen Literatur aneigneten. Die straffe Organisation der Kirche machte einen weiten brieflichen Verkehr nötig und die Notwendigkeit der gegenseitigen Erbauung, der Bekämpfung der Ketzerei, der Seelsorge usw. bildete eine umfangreiche epistolographische Literatur aus, von der uns nur ein Bruchteil erhalten bezw. erkennbar ist. Mit der Aufnahme der heidnischen Bildung bringt die christliche E. Früchte hervor, die den Vergleich mit Cicero und Aristoteles nicht scheuen (Basileios, Gregorii, Joh. Chrysostomos, Ambrosius, Hieronymus usw.). Was diese Literatur von der zeitgenössischen heidnischen E. auszeichnet, ist die Inhaltsfülle und der eminent praktische Charakter. Es sind das Männer, die sich ernsthaft mit dem Leben auseinandersetzen wollen und durch die Wucht ihrer Persönlichkeit auf ihre Umgebung praktisch wirken wollen. Daher überwiegt auch dabei der lehrhafte und der publizistische Brief.
6. Byzanz. In der byzantinischen Literatur führt die antike E. ein ununterbrochenes Leben fort. Sie gehört zu den Gattungen, die von den Byzantinern am eifrigsten und erfolgreichsten gepflegt worden sind. Es gibt kaum eine namhafte literarische Persönlichkeit dieser Zeit, von der wir nicht eine Briefsammlung besitzen. Auch Kaiser (Theodoros II., Manuel II. u. a.) und geistliche Würdenträger haben sich daran beteiligt. Die Briefarten sind dieselben wie im Altertum geblieben; neben den Privatbrief kommt der wissenschaftliche, publizistische u. a. Die schon in der Spätantike vollendete Entsachlichung des Briefes herrscht in der Regel in der byzantinischen E. Aber oft finden sich auch Briefsammlungen, die uns einen tiefen Einblick in das äußere und innere Leben ihres Verfassers gestatten und unsere historischen Kenntnisse bereichern (z. B. Psellos, Planudes, Theodoros von Studion u. a.). Aus mancher für einen oberflächlich nach Fakten suchenden Historiker [220] wertlosen Briefsammlung läßt sich vieles für die Kenntnis von Personen und Sachen gewinnen, wenn man sie einer genaueren Interpretation unterzieht und an dem überschwenglichen Wortschwall die Abtönung im Ausdruck und die kaum bemerkbaren Raffinements faßt. Leider liegen noch sehr viele Briefsammlungen unediert.
Mit der Eroberung von Konstantinopel und der Flucht der bedeutendsten Männer von Byzanz nach dem Abendlande wird die antike Tradition der E. zwar anfänglich gelähmt, aber nicht unterbrochen. Aus der ganzen Zeit von 1453 bis ins 19. Jhdt. hinein haben wir zahlreiche Sammlungen von Briefen, meist in altgriechischer Sprache, die handschriftlich oder im Druck sehr verbreitet wurden (die gedruckten bei Legrand Bibliographie hellénique, 13 Bde., Paris 1855ff.). In Adamantios Korais hat das griechische Volk seinen letzten großen Epistolographen hervorgebracht – aber bereits bei ihm wirkt, mehr als die antik-byzantinische Tradition, der Einfluß der in Anknüpfung an die Antike (Voigt Die Wiederbelebung des klass. Altertums II² 422ff.) in der Renaissance entstandenen und besonders in Italien und Frankreich zur Blüte gestiegenen modernen E.
Nachträge und Berichtigungen
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Band R (1980) S. 105 | |||
GND: 4152544-9 | |||
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Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ ein : war zu tilgen.
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- ↑ korrigiert: eiue.
- ↑ korrigiert: ὧ
- ↑ ; im Original zu tilgen
- ↑ Arst. im Orig.
- ↑ Punkt fehlt im Orig.
- ↑ Korrigiert durch Wikisource. Im Original: Victor. 446. 30.
- ↑ Korrigiert durch Wikisource. Im Original: .
- ↑ Korrigiert durch Wikisource. Im Original: ).,
- ↑ Korrigiert durch Wikisource. Im Original: Quintilion.
- ↑ Vorlage: den
- ↑ Vorlage: Pl.
- ↑ korrigiert: I
- ↑ korrigiert; im Orig. I
- ↑ korrigiert: Jobb
- ↑ Korrigiert durch Wikisource. Im Original: ,.