brief aus der irrenanstalt
von Annemarie Brenner
und wenn ich schreie laute schreie
sagen sie
verrückt
tobt, schlägt hin und her, gesicht
verzerrt
und wenn ich weine leise tränen
lachen sie
mich aus
depressiv, sieht nichts mehr,
suizidal
und wenn ich still bin
bin ich tot
ruhig, macht kein theater, es geht
gut
ich weiß ja nicht
ob sie die schreie hören
die meinen körper
so zerrissen haben
ob sie die tränen spüren
tropfen auf den heißen stein
es ist so still so totenstill
im käfig sitzen seelenknast
gitter zwischen den
zähnen schlüssel im
gehirn giftnadeln
im schenkel gewalt an
den gelenken im gesicht
die fäuste
fäuste
ach menschen ach menschen ach menschen
ach tote ach tote
zehn schritte friedhof
auf und ab
eine skeletthand
schlug auf meinen kopf
damit ich nicht die toten morde
medizin wer die macht hat hat die kraft
ich sitze auf dem boden
und wiege meinen
schädel
und wenn ich schreie
schlagen sie mich tot
und wenn ich weine
bringe ich mich um
tiefe stille
ruhe sanft
Zitierhinweis: Annemarie Brenner, brief aus der irrenanstalt, in: Heimkindheiten, URL: […], Stand: 21.03.2022.