In «The Fairy Queen» durchleben zwei Wissenschafter eine mysteriöse Forschungsreise. Das Stück von Autor Christoph Fellmann ist ein kurzweiliger, zunehmend dichter werdender Steigerungslauf.
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Es beginnt ganz sanft, fast schon märchenhaft. Das kommt nicht von ungefähr, denn die Feenkönigin ist ja auch eine Sagengestalt. Sie gibt diesem Theaterstück aus der Feder von Christoph Fellmann und unter der Regie von Nina Halpern den Titel. Angelehnt ist es an die gleichnamige Oper Henry Purcells. Und dank der Livemusik von Laura Livers erleben wir an der Premiere am Dienstagabend im Luzerner Südpol, dass sich dieses Schauspiel manchmal sogar wie eine moderne Oper anfühlt.
Wir schreiten also durch eine Art Gartenpavillon hinein in den Wald und setzen uns in Kreisform um die Bühne. Dort bilden beleuchtete Stoffzylinder vom Boden bis zur Decke die Baumlandschaft. Die Vögel zwitschern fröhlich, eine warme Stimme aus den Lautsprechern erklärt uns die Ausgangslage. Alles bequem, alles ganz beruhigend. Da ist also Beutler (Patric Gehrig), der Käferforscher, der sich mit seinem Assistenten Bieber (Matthias Kurmann) auf die Suche eines seltenen Insekts macht.
Um die Art des Julodimorpha bakewelli zu erhalten, müssen Weibchen gefunden und den Männchen zugeführt oder wahlweise ein Bierhersteller dazu bewogen werden, das Design seiner Flaschen zu ändern. Wie bitte?
Genau. Willkommen in dieser abstrusen Geschichte, die als «Waldtheater» und «tragikomische Verflechtung zwischen Natur und Kultur» angepriesen wird. Bald ist es vorbei mit der anfänglichen Idylle. Die Verwirrung beginnt bei den Insekten. Die männlichen Käfer verwechseln nämlich Bierflaschen mit den Weibchen, weshalb hier der menschliche Einfluss auf diesen ökologischen Zyklus fatale Folgen hat. Der in hippe und moderne Kleidung der heutigen Jugend gesteckte Assistent Bieber meint dazu nur:
«Der Käfer denkt, er habe Sex, dabei ist er im Begriff auszusterben.»
Der Geschlechtsakt und die sexuelle Ausrichtung bleiben ab sofort gewichtiger Bestandteil der Inszenierung.
Doch zunächst scheint sich die Feenkönigin (Suramira Vos) von der Ankunft der beiden Forscher gestört zu fühlen. Bald begegnet sie diesen in unterschiedlichsten Gestalten. Ihr zur Seite steht immer wieder Laura Livers, die somit aus dem Bühnen-off in die Theaterszenerie mit einsteigt. Daneben sorgt sie mit ihrem elektronischen Soundsetting für einen tollen Klangrahmen. Er begleitet uns atmosphärisch perfekt in die Tiefen dieses immer wirrer werdenden Trips. Was gemächlich und nüchtern begann, wird immer mehr zum Fiebertraum. Da ist es wohl kaum Zufall, dass Beutler aussieht wie Johnny Depp als drogensüchtiger Sportjournalist Duke im Kultfilm «Fear And Loathing In Las Vegas». Dort reitet sich die Hauptfigur auch immer weiter hinein in einen halluzinogenen Dauerrausch.
Im Fellmann-Stück begegnet Beutler unter anderem einer Schar von Schnecken, um sich in einem bizarren Liebesakt mit diesem schleimigen Riesenmuskel zu vereinen. Oder einer Heidi, die sich als überdrehte Waldmanagerin ausgibt, um maximale Effizienz zu erreichen, und das Big Business an der Börse wittert. Der Link zu einer deutschen Moderatorin mit Modelkarriere ist unübersehbar – und die Szene eine der lustigsten des ganzen Abends.
Zunehmend lösen sich auf dieser Reise klare Interpretationen des Erlebten im Kleinen sowie identitätsstiftender Gesellschaftsmuster im Grossen einfach auf. Die Wahrnehmung selbst wird in Frage gestellt. In philosophischen Versatzstücken erörtern die Forscher den Urstoff, der alle und alles verbindet. Das klingt abgehoben, gewinnt mit der Länge des Stücks aber erstaunlicherweise an Stringenz, während Beutler und Bieber im Chaos versinken.
Am Ende kommt dann doch die Realität zurück. Trotzdem fragt Bieber kryptisch: «Ist es nicht seltsam, dass wir nicht bei jedem Schritt durch die Oberfläche der Welt fallen?» Der vermeintlichen Sicherheit unserer Existenz folgt die Relativierung auf dem Fuss. Autor Fellmann gelingt einmal mehr ein Stück, dass an Fülle und Intensität kaum zu überbieten ist. In der einen oder anderen Produktion in der Vergangenheit war das manchmal etwas zu viel des Guten. Doch in «The Fairy Queen» hängen wir den Protagonistinnen und Protagonisten in diesem kurzweilen theatralen Steigerungslauf gebannt an den Lippen – absolut sehenswert.
The Fairy Queen, Südpol Luzern/Kriens. Weitere Termine bis Sonntag, 13. März. www.sudpol.ch