Das Dental-Start-up Alpine White lockt mit günstigen Preisen und verspricht eine schmerzfreie Bleaching-Behandlung. Der Zahnärzte-Verband kritisiert die Werbeaktion .
Exklusiv für Abonnenten
Ein «schmerzfreies Erlebnis» statt «elektrisierender Schmerzen», eine «zahnfleisch-schonende» statt einer «zahnfleisch-irritierenden» Behandlung, und erst noch 150 Franken günstiger als beim Zahnarzt: So bewirbt das Dental-Start-up Alpine White auf Instagram seine Bleaching-Behandlung für weisse Zähne – und scheut dabei nicht davor zurück, die analoge Behandlung in Zahnarztpraxen zu verunglimpfen.
Das stösst bei der Schweizerischen Zahnärzte-Gesellschaft SSO auf Unmut. Von CH Media mit der Anzeige konfrontiert, spricht die Berufsorganisation der Schweizer Zahnmedizinerinnen und Zahnmediziner von einer «sehr aggressiven Werbung», die zum Teil unlauter sei.
«Bleaching-Behandlungen in Zahnarztpraxen werden bewusst herabgesetzt», erklärt ein Sprecher auf Anfrage. Die Werbeanzeige vergleiche «in bewusst stark verkürzter Form» die Leistungen von Alpine White mit jenen von herkömmlichen Zahnarztpraxen. Dabei würden «irreführende und unrichtige Aussagen zu Behandlungsmethoden, Preisen und Buchungsmöglichkeiten» gemacht.
Laut dem Berufsverband verstösst die Werbeanzeige gegen das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), da die unwahren Aussagen den Wettbewerb verzerren könnten. Zudem seien die Aussagen von Alpine White verleumderisch und damit strafrechtlich relevant, indem sie den Ruf der Zahnärztinnen und Zahnärzte gegenüber der Öffentlichkeit schädigen könnten.
Mit diesen Aussagen konfrontiert, antworten die Gründer von Alpine White: In der Anzeige habe man die Vorteile der eigenen Bleaching-Lösung im Vergleich mit der klassischen, peroxid-basierten Methode dargestellt. Doch aufgrund des Feedbacks habe man die Werbeanzeige überarbeitet und bereits auf allen Medien ersetzt. Dass die Aktion nicht optimal war, räumen die Gründer mit folgenden Worten ein: «Wir überprüfen derzeit unsere internen Qualitätssicherungsprozesse, sodass dies zukünftig nicht mehr vorkommt.»
Alpine White wirbt auf seiner Website mit einer «innovativen Bleaching-Technologie». Im Unterschied zur Behandlung in herkömmlichen Praxen werde dabei kein Wasserstoffperoxid verwendet, das «zu Überempfindlichkeiten oder Zahnschmelzerosion» führen könne.
Wie nachhaltig diese Methode ist, will die Zahnärzte-Gesellschaft nicht beurteilen. Jedoch betont der Sprecher, bei Aufhellungen sei eine vorgängige Untersuchung durch einen Zahnarzt wichtig: «Dies fehlt bei Alpine White.» Etwa bei Karies, Zahnfleischentzündung oder Mundschleimhauterkrankungen, bei sensiblen Zahnhälsen oder undichten Zahnfüllungen sei ein Bleaching nicht zu empfehlen. Auch Schwangere sollten ihre Zähne nicht aufhellen, da ihr Zahnfleisch empfindlicher sei und sich leichter entzünde.
Zudem weist der Sprecher darauf hin, dass Zahnverfärbungen unterschiedliche Ursachen haben können: «Nicht alle lassen sich durch ein Bleaching beseitigen.» Auch Füllungen und andere künstliche Materialien im Mund wie Kronen oder Brücken liessen sich nicht aufhellen. Und der Effekt verblasse bei jeder Methode nach einer gewissen Zeit, weshalb die Aufhellung periodisch wiederholt werden müsse.
Wie beurteilt der Verband den Trend, dass es bei manchen Anbietern zu einer Vermischung von medizinischen Behandlungen und Lifestyle-Behandlungen kommt? «Dies ist unbedenklich», sagt der Sprecher, «solange für Patientinnen und Patienten klar ersichtlich ist, dass es sich bei diesen Studios nicht um zahnärztliche Praxen handelt.» Alpine White werde von ausgebildeten Dentalhygienikerinnen betrieben, die über entsprechende Kompetenzen verfügten. Das Behandlungsangebot sei aber eingeschränkt im Vergleich mit jenem von herkömmlichen Zahnarztpraxen.
Tatsächlich bietet Alpine White in seinen Filialen genau vier Behandlungen an: Bleaching, Dentalhygiene, Zahnschmuck und einen «Oral Health Checkup», dazu kann man Zusatzleistungen wie etwa eine Karies-Reparatur buchen. Alpine White erklärt, es biete sowohl medizinische als auch kosmetische Behandlungen an. Der Fokus liege aber auf der «reinen Prävention». Dahingehend wolle man das Angebot künftig weiter ausbauen.
Die Zahnärzte sehe man als Partner: Sollte jemand aufgrund von medizinischen Risiken für eine Behandlung nicht in Frage kommen, zeige man Alternativen auf. Bei Verdacht auf ein zahnmedizinisches Problem überweise Alpine White die Kundschaft an einen Zahnarzt oder eine Zahnärztin.
Das Dental-Start-up hat aktuell drei Filialen – zwei in Zürich und eine in Aarau. Bis Ende Jahr kommen weitere Standorte in Luzern, Basel und Bern hinzu. Zum Konzept gehören lange Öffnungszeiten: wochentags von 8 Uhr bis 21 Uhr, am Samstag von 9 Uhr bis 16 Uhr.
Alpine White wurde 2014 von den Brüdern Reto und Alexander Wälchli gegründet. Damals steckten beide noch in einem Informatik-Studium. Wie auf der Website steht, entwickelten sie in Zusammenarbeit mit Schweizer Zahnärzten und Dentalexperten «das erste und heute meistverkaufte Produkt von Alpine White»: die Whitening Strips. Die Streifen werden für eine bis zwei Stunden auf die Zähne gelegt, um sie aufzuhellen. Eine günstige Alternative zum klassischen Bleaching.
Was als Lernprojekt neben Vollzeitjob und Studium begann, ist inzwischen gross geworden. 2022 sammelte Alpine White fast 2 Millionen Franken an Investorengeldern. Auch die Produktepalette ist gewachsen: Dazu gehören Strips für sensitive Zähne, ein aufhellender Schaum, Aktivkohlepulver, ein Whitening Kit aus Gel und LED-Mundstück, Zahnbürsten und aufhellende Zahnpasten. Die Produkte sind online, aber auch in Apotheken und Drogerien sowie beispielsweise bei Coop und Manor erhältlich.
Nach Deutschland, Österreich und China will Alpine White nun auch nach Brasilien expandieren. Dazu verkündete die Firma kürzlich eine weitere Investitionsrunde über fast 5 Millionen Franken. Zu den Geldgebern gehören etwa die Unternehmer Nikolaus Nieder («Hair & Skin»), Ertan Wittwer und Philip Magoulas (Gründer von «Best Smile») – alles Firmen, die sich wie Alpine White an der Grenze zwischen medizinischen und Lifestyle-Behandlungen bewegen.