Michael Töngi (47) will für die Grünen einen Sitz im Regierungsrat erobern. Die Zeit sei reif für den Kurswechsel, den seine Wahl einläuten würde.
Ein «bequemer» Kandidat zu sein, wird einem in der Politik kaum als je positives Attribut ausgelegt. Michael Töngi ist vieles, aber ein bequemer Kandidat ist er sicher nicht. Er verfolgt seine Ziele hartnäckig, politisiert leidenschaftlich und nennt die Dinge beim Namen – etwa auch, wenn ihm das wunderbare Bildkonzept unserer Zeitung missfällt.
Ein Querkopf oder Einzelkämpfer ist der 47-jährige Krienser deshalb aber keineswegs. Viel eher ist er einer der wenigen Luzerner Parlamentarier, die auch tatsächlich über jene Ecken und Kanten verfügen, mit denen sich Politiker im Allgemeinen gerne schmücken.
Seit acht Jahren ist Michael Töngi im Kantonsrat. Nun wagt er den Sprung in den Regierungsrat. Dass es ein steiler Hang ist, den er und seine Partei hier erklimmen wollen, ist ihm durchaus bewusst. Ein Déjà-vu des Abstimmungssonntags von 2011 ist denn auch nicht gänzlich auszuschliessen. Damals erzielte Adrian Borgula in der Stadt ein Glanzergebnis für die Grünen, scheiterte aber an den geringen Stimmen aus der Landschaft.
Wieso sollte diesmal also alles anders kommen? «Grundsätzlich treten wir nicht anders auf als damals – das wäre auch schlicht unglaubwürdig», sagt Töngi nüchtern. Das klingt an sich nicht besonders enthusiastisch.
Töngi sieht seine Chancen allerdings in einem veränderten politischen Klima: «Es ist nicht nötig, dass ich unheimlich viele neue Stimmen generiere, sondern dass andere weniger machen.» Und dies könne durchaus der Fall sein. «Viele Luzerner und Luzernerinnen wollen diese Politik nicht mehr mittragen und könnten den Verantwortlichen die Stimme entsagen.» Die Sparübungen der letzten Jahre hätten für viel Missmut innerhalb der Bevölkerung gesorgt, entsprechend sei die Zeit für einen Wechsel gekommen. Und dies müsste in der Konsequenz bedeuten, dass die Grünen im Regierungsrat Einsitz nehmen.
Nüchtern betrachtet muss man Töngi im Wahlkampf eine Aussenseiterrolle zuschreiben. Für ihn kein Grund für Frust. Er hat in seiner Zeit als Kantonsrat gelernt, genau aus dieser Rolle heraus das Beste zu machen. Die Grünen sind mit ihren neun Kantonsratssitzen meistens in einer Oppositions- oder Aussenseiterrolle. «Ich habe aber gelernt, dass Koalitionen immer möglich sind und man im Dialog mit anderen durchaus Ziele erreichen kann.» Zermürbungserscheinungen seien bis dato noch keine aufgetreten: «Ich mache das alles ja auch, weil ich Spass daran habe!» Einer dieser «Diener des Volkes», die immer wieder betonen müssen, wie sie dieses oder jenes Amt ausüben «durften», werde er sicher nie sein – zu selbstbewusst und auch ambitioniert sei er für diese Form von zur Schau getragener Bescheidenheit.
Das können ihm auch seine Ratskollegen attestieren. Etwa Marcel Omlin (SVP, Rothenburg), der wie Töngi in der Kommission für Verkehr und Bau Einsitz nimmt: «Er ist immer sehr gut vorbereitet. Und er vertritt seine Veloanliegen mit derselben Penetranz wie ich meine Autoanliegen.» Auch wenn man oftmals das Heu nicht auf der gleichen Bühne habe, respektiere und schätze er Töngis Fähigkeit, die Dinge mit Leidenschaft zu diskutieren. Töngi sieht seine Stärken in seiner Fähigkeit, Situationen zu analysieren und «das Gesamtbild» nicht aus den Augen zu verlieren. Womit er gelegentlich hadert, ist es, schnell Entscheidungen zu treffen.
Sein politischer Weg begann sich bereits in seiner Kindheit zu formen: «Meine älteren Geschwister waren politinteressiert und hatten ganz klar ihren Einfluss auf mich», sagt Töngi heute. «Sonst hätte ich wohl kaum schon in der Primarschule Zeitung gelesen.» Mit den Themen, die ihn schliesslich selbst politisch aktiv werden liessen, wird er erstmals in der Jugend in den 80er-Jahren konfrontiert. «Etwa, dass Menschen auf dieser Welt elend verhungern können, hat mich damals tief bewegt und empört.» Mit 20 Jahren kommt er zu den Grünen, deren Gründungsfeier 1987, drei Monate vor Töngis Matur, stattfindet. Mit 23 Jahren wird er Einwohnerrat in Kriens. Rückblickend eines der wichtigsten Ämter, die er je besetzt habe: «Ich lernte dort unheimlich viel über die politischen Mechanismen und Spielregeln.» Zwischen 1998 bis 2001 arbeitet er als Sekretär des Grünen Bündnisses.
Es folgt ein Unterbruch in der Politlaufbahn, in dieser Zeit schreibt er für unsere Zeitung als Lokalredaktor. In die Politik zieht es ihn jedoch schon bald wieder. Ab 2003 arbeitet er zunächst beim Deutschschweizer, danach beim Schweizerischen Mieterinnen- und Mieterverband. Im Lebenslauf sind dazwischen auch noch Stationen als Kinderbetreuer, Velokurier, Marktfahrer, IG-Velo-Sekretär oder Aushilfslehrer zu finden.
Seit einigen Jahren lebt Michael Töngi in Partnerschaft mit Thom Schlepfer. Bezüglich seiner Homosexualität hat Töngi nie ein Geheimnis gemacht. Und es ist auch nicht das Thema, welches ihn politisch definiert: «Schwul-lesbische Themen sind mir zwar durchaus wichtig, doch Tatsache ist, dass ich über ganz andere Themen politisiert wurde», sagt Töngi. «Teil einer Minderheit zu sein, hat mein soziales Bewusstsein und meine Sensibilität gegenüber anderen Minderheiten allerdings stark geprägt.»
Dass ein Grüner seine Freizeit am liebsten im eigenen Gemüsegarten verbringt, wird wohl kaum jemanden ernsthaft ins Grübeln bringen. Was Michael Töngi da auf rund 100 Quadratmetern anbaut, ist aber durchaus einen zweiten Blick wert. Seine Vorliebe für exotische Tomatenarten führt dazu, dass sich auch in diesem Sommer wieder Früchte der ukrainischen Trendtomatensorte Kosmonaut Volkov neben Schwarzen Prinzen oder Berner Rosen sonnen werden. «An der Gärtnerei schätze ich die Ruhe und die Nähe zur Erde», sagt Töngi leicht schwärmerisch. Sich bequem aufs Sofa zu pflanzen, ist eher nicht seine Art. Wie eingangs schon erwähnt, ist dieser Kandidat vieles, aber sicher nicht bequem.