Es ist schnell passiert: Ein Newsartikel bestätigt die eigene Meinung, und man teilt ihn in den sozialen Medien – ohne die Intention oder die Echtheit zu prüfen. Was bei Normalbürgern schon ärgerlich ist, wird bei Elon Musk schnell zum echten Problem. Schließlich erreichen seine Posts Millionen von Nutzern. Böswillige Akteure scheinen sich das gezielt zu Nutze zu machen.
Wie erfolgreich sie dabei sind, zeigt eine aktuelle Auswertung der "NBC". Durch eine Anklageschrift war Anfang September bekannt geworden, dass eine Gruppe von rechten Influencern und Medienseiten – gezielt von Russland dirigiert – Falschmeldungen verbreitet hatte. Auch Elon Musk hatte mehrfach Inhalten der aus dem Umfeld von "Russia Today" gesteuerten Gruppe zu deutlich mehr Reichweite verholfen. Und das war offenbar kein Zufall.
Elon Musk als Megafon
Denn die Tenet Media genannte Gruppe suchte ganz gezielt die Aufmerksamkeit Musks. Mehr als 50 Mal wurde der X-Besitzer in Posts des Netzwerkes markiert, zählte "NBC". Mit Erfolg: Gleich mehrfach teilte Musk Inhalte der Seite – und verschaffte ihnen damit einen erheblichen Boost.
Während selbst die erfolgreichsten Posts des Netzwerkes sonst höchstens wenige Hunderttausend X-Nutzer erreichen, schaffte etwa ein Videopost plötzlich mehr als 28,5 Millionen Abrufe. Der Clip, in dem Donald Trumps Aussage verteidigt wurde, dass die amerikanischen Christen bald nicht mehr wählen müssten, unterschied sich vor allem in einem Punkt von den anderen Inhalten des Netzwerks: Elon Musk hatte ihn weitergeleitet. Eine Einordnung konnten seine Fans indes nicht erwarten. Musk versah seinen Repost mit lediglich drei Buchstaben: "Hmm". Ein voller Erfolg für die Operation.
Leichtes Ziel
Dass Musk als digitales Megafon dienen kann, liegt vor allem an drei Faktoren: Zum einen ist er mit 198 Millionen Followern der X-Nutzer mit dem mit Abstand größten Publikum. Verstärkt wird das durch den Algorithmus. Der spült Musk sogar in die Timeline von Accounts, die ihm gar nicht folgen, wie kurz nach der Übernahme bekannt wurde.
Zum anderen liegt es aber auch an Musk selbst. Obwohl er selbst stets lobt, dass X das schnellste und zuverlässigste Informationsmedium sei, scheinen ihm Zuverlässigkeit und Faktentreue erstaunlich unwichtig zu sein. Immer wieder teilt Musk Inhalte, die vor allem in seine Sicht der Dinge hineinspielen – ohne sie vorher auf Korrektheit oder auch nur Plausibilität abzuklopfen.
Und: Offenbar scheint der eigentlich mit der Leitung mehrerer Unternehmen zeitlich gut ausgelastete Musk regelmäßig in die sogenannten Mentions zu schauen, mit denen Nutzer andere Accounts markieren und so ihre Aufmerksamkeit erregen können. Wer seine Inhalte verbreiten will, hat mit einer Erwähnung Musks also erstaunlich gute Chancen.
Direkter Draht
Das scheint sich vor allem in rechten Kreisen schnell herumgesprochen zu haben. In einer zunehmenden Zahl an Posts wird mittlerweile der X-Chef persönlich markiert. So, wie es ja auch Tenet immer wieder versuchte. Auch in Deutschland war die Strategie bereits erfolgreich. Als Thüringens rechtsextremer AfD-Chef Björn Höcke im Sommer wegen der Nutzung einer Parole der SA angeklagt wurde, wurde auch Musk darauf aufmerksam gemacht – und mischte sich prompt in die Debatte ein. Seitdem haben die Erwähnungen noch weiter zugenommen.
Wie unkritisch Musk mit den von ihm geteilten Posts umgeht, zeigt er immer wieder selbst. Erst vor wenigen Wochen hatte er ein Interview von Tucker Carlson als "sehenswert" weitergeleitet – in dem ein selbsterklärter Geschichtsexperte den Holocaust als bedauerliche Fehlplanung dargestellt hatte. Musk löschte den Post im Nachhinein. Ähnliche Fälle gab es immer wieder.
Musk gegen die Medien
Der X-Chef selbst nimmt das Problem trotzdem selbst dann nicht ernst, wenn er damit konfrontiert wird. Nachdem die Vorwürfe gegen Tenet bekannt wurden, drehte er sie einfach um: Das Putin-nahe Netzwerk habe eigentlich eine Wahl von Trumps Gegenkandidatin Kamala Harris befeuern wollen, behauptete David Sacks, der mit Musk Paypal gegründet hatte, in einem Post, den Musk prompt teilte.
Die wahre Propaganda ginge ohnehin von den klassischen Medien aus, hatte Musk schon im August in einer Diskussion behauptet. "In Europa ist das noch viel schlimmer, da glauben die Menschen wirklich noch den Medien", gab er sich empört. Seine Gesprächspartnerin: Lauren Southern – eine Mitarbeiterin von Tenet.
Quellen: NBC, X,Fortune, Anklage, Süddeutsche Zeitung