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Ankerkraut Das sympathische Gewürz-Start-up hat sich an Nestlé verkauft. Warum das die falsche Message ist

Die Höhle der Löwen Ankerkraut
Stefan Lemcke (links) und seine Frau Anne haben die Marke "Ankerkraut" gegründet
© Ankerkraut
Einst war das Hamburger Gewürzunternehmen Ankerkraut ein kleiner Fisch im großen Becken. Immer wieder haben sie ihre Unabhängigkeit betont. Die Fans liebten sie dafür. Jetzt ist damit Schluss. Ankerkraut hat sich verkauft. 

Alles beginnt wie eine klassische David gegen Goliath-Geschichte. Stefan Lemcke will es mit den Großen aufnehmen. Mit denen in der Gewürzbranche. Ein waghalsiger Schritt, denn der Gewürzmarkt ist eigentlich gesättigt. 900 Millionen Euro Umsatz machen Gewürze in Deutschland. Dreiviertel davon fließen vor allem in die Kasse eines Großunternehmens: in die der Fuchs Gewürze GmbH. Fuchs hält 75 Prozent Marktanteil.

Und doch ist da ein Mann mit einer Vision. Er will es besser machen, ohne Rieselhilfe, ohne künstliche Zusatzstoffe. Den Big Player angreifen. 2013 noch mischt Lemcke seine ersten Kräuter zusammen. In seiner Garage in Hamburg-Wilhelmsburg. Seiner Frau, die damals mit dem zweiten Kind schwanger ist, erzählt er davon nichts. Erstmal. Bis sich der erste Umsatz einstellt. Etwa 70.000 Euro im ersten Jahr.

2016 tritt das Ehepaar dann gemeinsam bei "Die Höhle der Löwen" auf. Frank Thelen will investieren. Der Deal kommt nicht zustande. Ist aber gar nicht schlimm, der Umsatz ist zu der Zeit bereits auf 1,5 Millionen Euro gestiegen. Thelen greift ihnen trotzdem unter die Arme und verknüpft sie mit den richtigen Kontakten. Die Lemckes sind auf Erfolgskurs, sie haben keine Kund:innen, sie haben Fans. Sie wachsen und wachsen. Bis ihnen der Erfolg über den Kopf wächst.

Wenn man sich 24 Stunden um sich selbst kreist

2018 treffe ich die Lemckes zum Interview. Damals sind sie bereits Medienprofis, geschliffen wie Diamanten. Sie haben sich selbst als Marke aufgebaut. Ankerkraut das sind sie. Jede Antwort sitzt, man lässt sich nicht in die Karten schauen. Und doch blitzt damals schon das durch, was jetzt vielleicht zum Verkauf an eines der größten Lebensmittelunternehmen der Welt geführt hat: Freizeit, Durchschlafen, das waren Fremdwörter für Stefan Lemcke.

Was tut man also, wenn man nicht mehr kann? Man verkauft. Nur zwei Jahre später veräußerten die Lemckes 20 Prozent ihrer Firma. Ankerkraut ist mehr als 150 Millionen Euro wert. Der Investor EMZ zahlte ihnen dafür einen zweistelligen Millionenbetrag. Damit waren sie Millionäre. Der erste Schritt zur Ablösung. Aber wie lässt man los, wenn man doch selbst das Unternehmen ist? Lemcke gönnte sich von den Millionen erstmal einen Porsche, 200.000 Euro teuer. 

Der "Spiegel" berichtete, wie sehr sich Anne und Stefan Lemcke aufrieben. Wie satt sie das Geschäft haben. Von einer Entfremdung. Reich seien sie geworden, berühmt, aber auch ausgebrannt. Für exzessives Marketing, wo sie 24 Stunden am Tag nur um sich selbst kreisen. Vielleicht war das zu viel. Vielleicht hat man einfach nur nach einem Käufer gesucht, der einem alles abnimmt. Das ist nur menschlich.

Ankerkraut hat ein "gutes Gefühl" mit Nestlé

Aber vielleicht ist das Ehepaar Lemcke auch so ausgebrannt, dass es ihnen egal ist, an wen sie verkaufen. An ein Unternehmen, das in ständiger Kritik steht wegen Kinderarbeit, Abholzung des Regenwaldes, ungesunde Babynahrung, Tierversuche, gentechnisch veränderte Lebensmittel und Ausbeutung der weltweiten Wasserressourcen. Die Lemckes haben trotzdem "ein gutes Gefühl " mit Nestlé. Ist das der eigentliche Preis, den man zahlen muss, wenn man sich verkauft?

Die Love-Brand nimmt damit das Risiko in Kauf, ihre Fans mit dieser Entscheidung zu verprellen. Der Unmut in den sozialen Netzwerken ist groß. Es ergießt sich ein Shitstorm über das einst sympathische Start-up. Die Reaktion? "Wenn natürlich jetzt jemand sagt 'Tschüss, Ankerkraut', dann ist das eben so. Solche Menschen kann man und soll man auch nicht aufhalten", so eine Sprecherin des Unternehmens.

Sie können es sich leisten. Bei 200 Mitarbeiter:innen und einem Marktanteil von zehn Prozent macht die Firma mittlerweile gute 50 Millionen Euro Umsatz. Das reicht dann auch für einen zweiten Porsche.

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