Aromen, Enzyme, Geschmacksverstärker Zusatzstoffe in Lebensmitteln: Ungesundes erkennen, besser essen

Im Erdbeerjoghurt muss nur wenig Erdbeere stecken
Im Erdbeerjoghurt muss nur wenig Erdbeere stecken
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Was in Lebensmitteln steckt, steht nicht immer auf dem Etikett: Hersteller müssen nicht alles nennen, was sie verwenden. Und was sie angeben, ist oft nur schwer zu verstehen. Eine Gebrauchsanleitung.

Ist ein Erdbeerjoghurt ein Joghurt voll mit Erdbeeren? Nur bedingt. Es kommt auf die Details an: So muss ein Becher, auf dem "Erdbeerjoghurt" steht, nur neun Gramm echte Früchte enthalten, wenn der gesamte Inhalt 150 Gramm beträgt. Das entspricht etwa einer halben Erdbeere. Spricht die Verpackung von einem "Joghurt mit Fruchtzubereitung", reichen sogar weniger als sechs Gramm, was einem Drittel einer Beere entspricht. Und noch mehr knausern können Hersteller bei einem "Joghurt mit Erdbeergeschmack".

Und der Geschmack? Hat ziemlich sicher wenig mit der Originalfrucht zu tun. Erdbeeren etwa verlieren während der industriellen Verarbeitung ihr Aroma und schmecken nur noch fade. Das ist bei vielen anderen Originalzutaten auch so. Deshalb helfen viele Hersteller mit Ersatzstoffen aus dem Labor nach und fügen je nach Produkt weitere chemische Helfer hinzu, etwa Aromen, Konservierungs- und Verdickungsmittel sowie Farbstoffe. In herzhaften Produkten kommen auch andere Stoffe hinzu, etwa Geschmacksverstärker.

Hinter den E-Nummern verbergen sich 316 Zusatzstoffe

Sogenannte Zusatzstoffe müssen gemäß Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung bei verpackten Produkten auf der Zutatenliste aufgeführt sein. Diese Substanzen verdicken, säuern, machen länger haltbar oder größer, sie färben oder verstärken den Geschmack.

Zurzeit sind in der Europäischen Union 316 Stoffe als Lebensmittelzusatzstoffe zugelassen. Nicht jede dieser E-Nummern steht jedoch für einen eigenen Wirkstoff. Viele kennzeichnen lediglich verschiedene Varianten einer Substanz.

Nicht giftig, aber umstritten: der Zusatzstoff Amaranth

Auf der Packung müssen Zusatzstoffe wahlweise mit ihrem chemischen Namen oder ihrer E-Nummer erwähnt sein. Das "E" steht für Europa, die Ziffern dahinter beschreiben EU-einheitlich die Stoffe von E 100 (für den Gelbwurzel-Farbstoff Kurkumin) bis E 1520 (für das Lösemittel Propylenglycol). Die Substanzen sind prinzipiell keine Schadstoffe, sie sind nicht giftig und in den verwendeten Konzentrationen nicht gesundheitsschädlich.

Umstritten sind sie dennoch. Einige stehen im Verdacht, hoch dosiert zu Durchfall zu führen oder bei empfindlichen Menschen Allergien oder Pseudoallergien auszulösen. Die Verbraucherzentralen sehen bei etwa 50 Zusatzstoffen Gefahren, vor allem für Menschen mit Allergien oder Asthma. Von einigen Stoffen raten sie ganz ab, etwa vom Zusatzstoff Amaranth (E 123), einem künstlich erzeugten, roten Farbstoff, der in einigen Spirituosen zugelassen ist. Er steht unter Krebsverdacht.

Was "natürliches" Aroma bedeutet

Bei Zusatzstoffen können Verbraucher immerhin noch den Namen nachschlagen. Wenn es um den Geschmack von Lebensmitteln geht, sind sie dem Hersteller auf Treu und Glauben ausgeliefert: Rund 2700 verschiedene Aromastoffe dürfen in der EU ohne Angabe der Substanz verwendet werden. Auf der Verpackung reicht der pauschale Hinweis "Aroma", gelegentlich ergänzt durch den wohlklingenden Zusatz "natürlich". Die Begriffe "naturidentisch" oder "künstlich" werden nach der 2008 verabschiedeten EU-Aromenverordnung seit dem 20. Januar 2011 nicht mehr verwendet.

Diese Unterscheidung zwischen natürlich und naturidentisch war ohnehin nur eine Frage der Rohstoffe - aus dem Labor kamen beide: Die sogenannten natürlichen stammen aus Mikroben, Pflanzen oder Tieren. Das können aber - auch beim Erdbeerjoghurt - ganz andere sein als jene, nach denen sie schließlich schmecken.

Fruchtaromen lassen sich beispielsweise aus Schimmelpilzen oder, im Falle der Erdbeere, aus bestimmten Hölzern gewinnen. Die Bezeichnung "natürlich" bedeutet nur, dass der Rohstoff von Naturprodukten stammt. Künstliche Aromen sind chemische Kopien eines natürlichen Geschmacks.

Und noch etwas ist dabei zu beachten: Die Bestandteile im Aroma, die für den Geschmack verantwortlich sind, machen nach Angaben der Verbraucherzentrale Hamburg etwa zehn bis 20 Prozent aus. Daneben dürfen Aromen, Füllstoffe, Lösungsmittel, Geschmacksverstärker oder Konservierungsstoffe enthalten. Da die Zutaten der Aromen nicht kennzeichnungspflichtig sind, tricksen manche Hersteller und verstecken ungeliebte Zusätze wie Konservierungsmittel oder Geschmacksverstärker. Sie müssen dies aber nicht in der Zutatenliste angeben.

Unbenannt bleiben technische Hilfsstoffe

Nicht kennzeichnungspflichtig sind auch technische Hilfsstoffe wie Enzyme, die bei der Herstellung zum Klären, Trennen oder Entfärben benutzt werden. Zwar werden sie grundsätzlich entfernt, nachdem sie ihren Zweck erfüllt haben. Reste können dennoch ins fertige Lebensmittel gelangen.

Für manche Produkte sind überhaupt keine Zutatenlisten vorgeschrieben, etwa für Wein oder Schnäpse. Auch unverpackt verkaufte Ware darf ohne nähere Angabe über den Ladentisch gehen, beispielsweise Käse von der Frischetheke sowie Fleisch und Wurst beim Schlachter. "Nur bestimmte Zusatzstoffe müssen mit ihrem Klassennamen auf einem Schild stehen – ohne den Zusatzstoff selbst zu nennen", sagt Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. "Ein Beispiel: Bei einer Wurst aus der Bedientheke mit Natriummonoglutamat reicht die Kennzeichnung 'mit Geschmacksverstärker' aus."

Wann Gentechnik gekennzeichnet wird

Lebensmittel, Zutaten oder Zusatzstoffe aus gentechnisch veränderten Organismen müssen gekennzeichnet werden, sobald ihr Anteil in einem Produkt oder in einer Zutat 0,9 Prozent übersteigt. Dabei ist es egal, ob die gentechnische Veränderung im Endprodukt nachweisbar ist oder nicht. Beispiele sind Öl aus gentechnisch verändertem Raps oder Lecithin aus gentechnisch veränderten Sojabohnen.

Fleisch, Eier oder Milchprodukte von Tieren, die mit genveränderten Pflanzen gefüttert wurden, müssen dagegen keinen Hinweis auf Gentechnik tragen. Das Gleiche gilt für Zusatzstoffe, die mithilfe von gentechnisch veränderten Mikroorganismen hergestellt werden, zum Beispiel der Süßstoff Aspartam. Solche Substanzen muss der Hersteller nicht deklarieren, wenn im Lebensmittel, etwa in einem Kaugummi, keine Bestandteile der Mikroben übrig bleiben.

Für Allergiker sind die Angaben lebenswichtig

In der EU müssen seit 2005 Zutaten gekennzeichnet werden, die besonders häufig Allergien auslösen. Diese Regelung galt zunächst für verpackte Ware, mittlerweile aber auch für lose. Zwölf Produktgruppen sind betroffen. Sie sind für etwa 90 Prozent der Allergien und Unverträglichkeiten verantwortlich: glutenhaltiges Getreide, Krebstiere, Eier, Fisch, Erdnüsse, Soja, Milch (Milcheiweiß, Laktose), Nüsse, Sellerie, Senf, Sesam sowie Schwefeldioxid und Sulfite. Ab Ende 2008 müssen auch Lupinen und Weichtiere wie Schnecken auf der Packung stehen.

Zusammengesetzte Zutaten - etwa eine sogenannte Fruchtzubereitung im Joghurt - müssen seit einigen Jahren mit all ihren Einzelbestandteilen aufgelistet werden, ebenfalls ein Fortschritt für alle Überempfindlichen.

Hier gibt es allerdings wieder Ausnahmen: Bei Kräutern und Gewürzmischungen, Konfitüren, Kakao- und Schokoladenerzeugnissen, Fruchtsäften und Fruchtnektar oder Jodsalz will es der Gesetzgeber bis heute nicht so genau wissen - falls diese Mischungen im Lebensmittel weniger als zwei Prozent ausmachen und keines der gerade erwähnten Allergene enthalten sind.

Komplizierte Listen

Was Allergikern und gut informierten Skeptikern hilft, kann die Masse der Verbraucher allerdings auch verwirren. Schließlich liest sich bereits jetzt so manche Zutatenliste wie ein Chemiebuch. Hersteller, die es gut meinen und freiwillig mehr angeben, als sie müssen, erreichen möglicherweise das Gegenteil: Der Verbraucher schaut gar nicht mehr hin oder lässt sich von Produkten mit langer Zutatenliste abschrecken.

Die Menge kryptischer Bezeichnungen auf der Packung ist kein Anhaltspunkt dafür, wie riskant der Inhalt ist. Denn längst nicht alles, was auf Fachchinesisch gefährlich klingt, ist es auch. Riboflavin zum Beispiel ist schlicht und einfach Vitamin B2. Alpha-Tocopherol ist dasselbe wie Vitamin E.

Pasteurisiert oder homogenisiert - wo ist der Unterschied?

Hilfreicher bei der Orientierung können deshalb zunächst einige leicht zu merkende Regeln aus der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung sein: Auf der Packung muss stehen, wie viel drin ist, wer der Hersteller ist, was die Ware kostet und wie lange sie sich mindestens genießbar halten soll.

Manchmal muss auch ein Verarbeitungsverfahren genannt werden, etwa bei Milch: Pasteurisiert heißt, dass sie durch eine Wärmebehandlung haltbar gemacht wurde. Homogenisiert bedeutet, dass die enthaltenen Fetttröpfchen dank technischer Hilfe fein verteilt sind. Die Reihenfolge der Zutatenliste steht fest: Sie wird nach dem Mengenanteil im Lebensmittel sortiert. Der größte steht immer am Anfang, der kleinste am Schluss.

Hersteller schummeln bei unverpackten Lebensmitteln

Jede Zutatenliste ist nur so gut wie der Hersteller, der sie zusammenstellt. Oft genug wird geschummelt, vor allem bei unverpackter Ware. Da werden etwa Farb- und Konservierungsstoffe gern verschwiegen, oft bei Feinkostsalaten. Die Lebensmittelüberwachung, die in Deutschland für die korrekte Kennzeichnung zuständig ist, stellt immer wieder Verstöße fest.

Mal steht nicht drauf, was drauf stehen sollte, mal steht etwas drauf, was nicht drin ist. So entdeckten die Hamburger Lebensmittelkontrolleure vor einigen Jahren bei Fetakäse, dass fast die Hälfte der Produkte überhaupt nicht aus Schafsmilch bestand, sondern aus Kuhmilch. Ein Anbieter war noch dreister - und setzte Analogkäse ein.

Saubere Etiketten

Besonders irreführend sind Hinweise, mit denen Produzenten damit werben, dass ihre Ware "ohne Konservierungsstoffe", "ohne Geschmacksverstärker", "ohne Farbstoffe" oder "ohne Aromastoffe" auskommt. In Fachkreisen heißt so etwas "Clean Label", ein sauberes Etikett. Dem Verbraucher werde so suggeriert, dass er ein natürliches Produkt kauft - was aber nicht der Fall ist, kritisiert die Verbraucherzentrale Hamburg. "Clean Label sind meist ein überflüssiges Marketinginstrument der Hersteller", sagt Verbraucherschützer Valet. "Zum Beispiel enthalten manche Produkte, die angeblich 'ohne Konservierungsstoffe' auskommen, Essigsäure und weitere Säuerungsmittel als Zutat. Diese Stoffe haben auch eine konservierende Wirkung."

Ein anderes Beispiel: Auf der Zutatenliste von Produkten, die angeblich keine Geschmacksverstärker enthalten, findet sich häufig Hefeextrakt. Laut Gesetz handelt es sich hierbei nicht um einen Zusatzstoff, der eine E-Nummer trägt. Die Industrie nennt es gar ein "natürliches Lebensmittel", das von Natur aus Glutamat enthalte. Mit der Natur ist es aber wie bei Tütensuppen nicht weit her: Wie der Name verrät, wird der Stoff aus Hefe gewonnen, hat aber mit dem Ursprungsprodukt nur noch wenig zu tun. Hierbei werden die Proteine aus abgestorbenen Hefezellen herausgelöst - das ist der Extrakt, der in großen Mengen in Fertigprodukten eingesetzt wird, übrigens auch in Bio-Produkten.

Nicole Heißmann, Marion Schmidt