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"Deutschland sucht den Superstar" Durchlauferhitzer für Gefühle

Bei DSDS laufen langsam die Gefühlsturbinen heiß. Die Vorauswahl ist abgeschlossen, die Top 20 der Kandidaten für die Mottoshows stehen fest. Nur Dieter Bohlen fiel diesmal aus dem Rahmen.
Von Björn Erichsen

Die ganz großen Gefühle gab es erst als Dessert. Im Anschluss an die Samstagsausgabe von "Deutschland sucht den Superstar" (DSDS) präsentierte Sonja Zietlow "Die 10 emotionalsten 'DSDS'-Momente". Und wer wurde da nicht alles wieder aus der Mottenkiste längst vergangener Staffeln hervorgeholt: Judith aus Köpenick etwa, die zwar nicht singen konnte, aber als Bohlens "kleiner Kullerkeks" dennoch Runde um Runde weiter kam. Oder Mike Leon und Vanessa aus der dritten Staffel, die sich schmachtend ewige Liebe versprachen und immerhin fast drei Monate verbandelt waren. Und wer denkt nicht gern an Daniel Küblböck, der röchelnd im Arm von Moderator Carsten Spengemann zusammenbrach, als seine Busenfreundin Gracia aus der Show gewählt wurde?

"Mama, nun wein du nicht auch noch"

Eine derartige Gefühlstemperatur hat die vierte Staffel von DSDS bisher noch nicht erreicht. Aber das Finale steht ja erst noch bevor. Zunächst galt es erst einmal den "Recall" zu überstehen, der von RTL in zwei Portionen am Mittwoch und am Samstag Abend ausgestrahlt wurde. Für die dreitägige Vorauswahl in Berlin hatten sich 123 Kandidaten aus 28.000 Casting-Teilnehmern qualifiziert und trällerten sich unter den strengen Augen von Bohlen und Co. durch den Mammutwettbewerb. Das Ziel: Erstmal unter die Top 20 zu kommen und im Mai Deutschlands neuer Superstar zu werden.

Ohne Gefühle geht das natürlich nicht. Selbstverständlich wurde auch bei der Vorauswahl geflennt, was die Tränendrüsen hergaben. Wie gewohnt zogen Scharen von aufgelösten Teenagern mit glasigen Augen über den Bildschirm, um stockend ein "Ja, Papa ich bin weiter" oder ein "Nein, Mama, nun wein du nicht auch noch" in ein Mobiltelefon zu hauchen. Nichts wirklich Neues, emotionaler Alltag bei DSDS - und sicher nicht genug für Frau Zietlow und ihr Gefühlsmuseum.

Angebliche "Neuigkeiten" der "Bild" verraten

Gute Chancen auf einen Platz in der Hitliste der pädagogisch wertvollsten Momente hat dagegen Ex-Kandidat Nico Raecke. Nach kruden Lügen im Vorfeld ("Meine Mutter war eine Prostituierte") trat der junge Vater mit krimineller Vergangenheit nicht im Recall an: "Ich habe viel Druck von Außen. Ich muss zeigen, dass ich einen Arbeitsvertrag oder irgendwas in meinem Leben auf die Reihe bekomme. Wenn ich das nicht vorweisen kann, komme ich definitiv ins Gefängnis", erklärte der Geläuterte der Jury. Die hatte in Person von Heinz Henn gleich einen wertvollen Ratschlag für ihn parat: "Du musst dein Leben in Ordnung bringen. Du hast eine Frau und einen Sohn, du musst den Weg gehen, den du für richtig befindest. Wir wünschen dir für euch alle drei das Allerbeste."

Für den Kandidaten Nummer 4888 dürfte das so wohl nicht mehr gelten. Nicht etwa weil Allan Garnelis den Song "Iris" von Ronan Keating schlecht vorgetragen hätte, sondern weil der gelernte Versicherungskaufmann aus dem baden-württembergischen Elzach mit einem ehernen Superstar-Gesetz gebrochen hatte: Angesäuert über sein Ausscheiden hatte Garmelis trotz Verschwiegenheitserklärung Interna aus der Show verraten. Auf Seite 1 der "Bild" verkündete er vor kurzem, dass die Sendung bereits im Dezember aufgezeichnet worden war und ohnehin vieles inszeniert sei bei DSDS. "Neuigkeiten", die jeder, der wollte, schon wusste und jeder gelegentlich denkende Mensch zumindest ahnte.

"Der Provokant bist du"

Dass die beiderseitige Inszenierung bei DSDS ganz prächtig funktionieren kann, zeigt das "Drama von Mark", mit dessen Ankündigung RTL den Zuschauer in eine wohl verdiente Werbepause entließ. Hauptdarsteller Mark Medlock, ein überdrehter Krankenpfleger mit Punkfrisur, hyperventilierte fast, weil ihm die Klavierbegleitung zu seinem Song "Summertime" nicht genehm war. Erst nach viel Bohai und reichlich Zuspruch, gestattete ihm sein Nervenkostüm, den Song auf mäßigem Niveau à cappella zu intonieren.

Irgendwie ahnte man da schon, dass Mark garantiert in die Top 20 kommen würde. Nicht nur, weil er etwa doppelt so häufig im Bild war wie alle anderen Kandidaten, sondern weil er freaky ist und irgendwie daherkommt wie eine verunglückte Mischung aus Dennis Rodmann und Charlie Brown. Da er sicher noch für ein paar Geschichten gut sein dürfte, bekam er ganz zum Ende der Show von Dieter Bohlen höchstselbst das Ticket für die Hauptrunde ausgestellt: "Der Provokant bist du, du bist der interessantere Typ für so eine Show."

Wegen Jugenschutz die Schere angesetzt?

Apropos Bohlen: Der zuletzt wegen zu ausufernder Verbal-Fäkalien in die Kritik geratene Pop-Motzki gab sich dieses Mal lammfromm. Hier mal ein kleines "Scheiße", da mal ein sachtes "Du hast ja so was von verkackt", ansonsten fand er erschreckend viele Beiträge "megamäßig geil". Sollte das tatsächlich mit der Ankündigung der "Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten" zusammenhängen, die Show hinsichtlich jugendgefährdender Tendenzen überprüfen zu wollen? Selbstredend nicht weil Bohlen plötzlich geläutert wäre - die Show ist ja, wie wir nun alle wissen, aufgezeichnet - aber vielleicht hat ja RTL noch mal die Schere angelegt, um weiteres Unbill seitens der Jugendschützer zu vermeiden.

Aber die wichtigste Nachricht des Abends ist natürlich einzig und ausschließlich: Die Top 20 ist nach langem Casting beieinander. Mal wieder ist den DSDS-Machern der bewährte Mix aus Freaks und Beautys, Nesthäkchen und Soul-Diven gelungen, der für die nun folgenden neun Mottoshows weiterhin Traumquoten und Gefühlsgewitter verspricht. Und wer weiß, vielleicht beruft ja Sonja Zietlow jemanden von ihnen im nächsten Jahr in das Pantheon der größten Emotionen.

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